Voss-Tecklenburg: "Wir brauchen mehr Mut"

Die Frauen-Nationalmannschaft startet am Samstag (ab 12.30 Uhr, live in der ARD) gegen Montenegro in die EM-Qualifikation. Im Interview mit DFB.de analysiert Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg die zurückliegende Weltmeisterschaft - und die 51 Jahre alte Fußball-Lehrerin spricht über die Planungen Richtung EURO 2021.

DFB.de: Bevor wir auf den Start der EM-Qualifikation schauen, lassen Sie uns noch mal auf die WM zurückblicken. Wie sind Sie persönlich mit dem WM-Aus im Viertelfinale umgegangen?

Martina Voss-Tecklenburg: Natürlich ist es immer brutal, wenn du vorzeitig von einem Turnier nach Hause fährst. Und es hat auch noch eine Zeit lang echt wehgetan. Für mich persönlich war es zunächst wichtig, das Turnier zu Ende zu schauen, aber danach emotional Abstand zu nehmen, um nach einer gewissen Zeit in der Lage zu sein, sachlich analysieren zu können. Ich glaube, dass das ein wichtiger Aspekt ist, um nicht mit mangelnder Objektivität und zu großer Emotionalität eine Einschätzung vorzunehmen. Wir haben uns dann im Trainerteam alle Spiele noch mal angeschaut, aufgearbeitet, reflektiert und dabei viele Erkenntnisse gewonnen.

DFB.de: Welche?

Voss-Tecklenburg: Zunächst mal einiges, was aus unserer Sicht positiv war: Die Spielerinnen haben absolute Leistungsbereitschaft und großen Einsatzwillen gezeigt. Wir haben viel individuelle Qualität gesehen, hatten eine klare Spielidee und einen Matchplan. Mehrheitlich haben wir die Umstellungen in den Spielen gut hinbekommen, die Standards haben gut funktioniert und wir sind sehr zufrieden mit der Belastungssteuerung, aufgrund derer wir ohne große muskuläre Probleme durch das Turnier gekommen sind. Zudem sind einige junge Spielerinnen mit guten Leistungen aufgefallen, haben sich auch noch während des Turniers weiterentwickelt.

DFB.de: Und was war nicht so gut?

Voss-Tecklenburg: Uns ist es ist nicht gelungen, eine stabile Achse ins Team zu bekommen. Das wird ein Ziel sein, diese langfristig mit der Entwicklung einzelner Spielerinnen aufzubauen. Wir benötigen die Balance zwischen Stabilität und Flexibilität im Team, wollen Führungsaufgaben auch verteilen können. Zudem brauchen wir eine größere Widerstandsfähigkeit, mentale Stärke und mehr Mut. Wir wollen Hierarchien stärken, uns Haltungsfragen stellen und leben. Wir sind insgesamt in einem Prozess, und dieser ist noch nicht zu Ende.

DFB.de: Was heißt das für die Arbeit der kommenden Monate?

Voss-Tecklenburg: Wir müssen und werden unsere Spielerinnen permanent fordern. Wir brauchen dafür immer wieder Situationen, in denen unter Druck Entscheidungen getroffen werden müssen, mutige Entscheidungen. Wir werden versuchen, was die Trainingsintensität und -qualität angeht, gemeinsame Lösungen mit den Vereinstrainern zu finden. Es kann sein, dass wir noch mehr individualisierte Einheiten anbieten, damit die Möglichkeit besteht, individuell auf Stärken und Schwächen einzugehen.

DFB.de: Wie werden Sie kompensieren, kein Turnier im nächsten Jahr spielen zu können?

Voss-Tecklenburg: Wir wollen neben der EM-Qualifikation auch gegen Topgegner auf höchstem Niveau testen. Im November spielen wir gegen England, im Frühjahr 2020 werden wir beim gut besetzten Algarve Cup starten. Darüber hinaus planen wir Begegnungen mit Topteams der Weltspitze.

DFB.de: Warum ist das so wichtig?

Voss-Tecklenburg: Die Spielerinnen müssen Widerstände auf dem Platz erleben, um sich weiterzuentwickeln. Nur dann können wir beurteilen, wer den Weg mitgehen kann oder eben nicht und wer bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Aber wir wollen unsere Spielerinnen nicht nur fordern, sondern sie auch stärken. Wir versuchen unsere Spielerinnen dahin zu bringen, dass sie immer mutig sind, dass sie immer diesen unbändigen Glauben an sich haben: "Ja, ich kann das!" Da sind wir noch nicht, aber es liegt an uns als Trainerteam, ihnen immer wieder den Glauben an sich zu geben.

DFB.de: Bei den Stichworten Glaube, Mentalität und Willensstärke fällt einem unweigerlich das Team der USA ein.

Voss-Tecklenburg: Ja, das leben die Amerikanerinnen seit Jahren vor, diese Mentalität und diesen Glauben an sich und ihre Fähigkeiten. Das war aus meiner Sicht auch am Ende für den Turniersieg ausschlaggebend: Die USA sind nicht Weltmeister geworden, weil sie den allerbesten Fußball gespielt haben, aber sie haben die beste Mentalität gehabt.

DFB.de: Nun steht das erste Spiel in der EM-Qualifikation an. Mit welchen Erwartungen blicken Sie dem Duell mit Montenegro entgegen?

Voss-Tecklenburg: Nachdem wir gemeinsam mit den Spielerinnen die Erkenntnisse unserer WM-Analyse aufgearbeitet und den weiteren Weg der nächsten zwei Jahre aufgezeigt haben, geht der Blick jetzt nach vorne: Wir wollen uns als Gruppenerster für die Endrunde in England qualifizieren und mit viel Spielfreude zur EM. Das möchten wir den Zuschauerinnen und Zuschauern in Kassel zeigen.

[as]

Die Frauen-Nationalmannschaft startet am Samstag (ab 12.30 Uhr, live in der ARD) gegen Montenegro in die EM-Qualifikation. Im Interview mit DFB.de analysiert Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg die zurückliegende Weltmeisterschaft - und die 51 Jahre alte Fußball-Lehrerin spricht über die Planungen Richtung EURO 2021.

DFB.de: Bevor wir auf den Start der EM-Qualifikation schauen, lassen Sie uns noch mal auf die WM zurückblicken. Wie sind Sie persönlich mit dem WM-Aus im Viertelfinale umgegangen?

Martina Voss-Tecklenburg: Natürlich ist es immer brutal, wenn du vorzeitig von einem Turnier nach Hause fährst. Und es hat auch noch eine Zeit lang echt wehgetan. Für mich persönlich war es zunächst wichtig, das Turnier zu Ende zu schauen, aber danach emotional Abstand zu nehmen, um nach einer gewissen Zeit in der Lage zu sein, sachlich analysieren zu können. Ich glaube, dass das ein wichtiger Aspekt ist, um nicht mit mangelnder Objektivität und zu großer Emotionalität eine Einschätzung vorzunehmen. Wir haben uns dann im Trainerteam alle Spiele noch mal angeschaut, aufgearbeitet, reflektiert und dabei viele Erkenntnisse gewonnen.

DFB.de: Welche?

Voss-Tecklenburg: Zunächst mal einiges, was aus unserer Sicht positiv war: Die Spielerinnen haben absolute Leistungsbereitschaft und großen Einsatzwillen gezeigt. Wir haben viel individuelle Qualität gesehen, hatten eine klare Spielidee und einen Matchplan. Mehrheitlich haben wir die Umstellungen in den Spielen gut hinbekommen, die Standards haben gut funktioniert und wir sind sehr zufrieden mit der Belastungssteuerung, aufgrund derer wir ohne große muskuläre Probleme durch das Turnier gekommen sind. Zudem sind einige junge Spielerinnen mit guten Leistungen aufgefallen, haben sich auch noch während des Turniers weiterentwickelt.

DFB.de: Und was war nicht so gut?

Voss-Tecklenburg: Uns ist es ist nicht gelungen, eine stabile Achse ins Team zu bekommen. Das wird ein Ziel sein, diese langfristig mit der Entwicklung einzelner Spielerinnen aufzubauen. Wir benötigen die Balance zwischen Stabilität und Flexibilität im Team, wollen Führungsaufgaben auch verteilen können. Zudem brauchen wir eine größere Widerstandsfähigkeit, mentale Stärke und mehr Mut. Wir wollen Hierarchien stärken, uns Haltungsfragen stellen und leben. Wir sind insgesamt in einem Prozess, und dieser ist noch nicht zu Ende.

DFB.de: Was heißt das für die Arbeit der kommenden Monate?

Voss-Tecklenburg: Wir müssen und werden unsere Spielerinnen permanent fordern. Wir brauchen dafür immer wieder Situationen, in denen unter Druck Entscheidungen getroffen werden müssen, mutige Entscheidungen. Wir werden versuchen, was die Trainingsintensität und -qualität angeht, gemeinsame Lösungen mit den Vereinstrainern zu finden. Es kann sein, dass wir noch mehr individualisierte Einheiten anbieten, damit die Möglichkeit besteht, individuell auf Stärken und Schwächen einzugehen.

DFB.de: Wie werden Sie kompensieren, kein Turnier im nächsten Jahr spielen zu können?

Voss-Tecklenburg: Wir wollen neben der EM-Qualifikation auch gegen Topgegner auf höchstem Niveau testen. Im November spielen wir gegen England, im Frühjahr 2020 werden wir beim gut besetzten Algarve Cup starten. Darüber hinaus planen wir Begegnungen mit Topteams der Weltspitze.

DFB.de: Warum ist das so wichtig?

Voss-Tecklenburg: Die Spielerinnen müssen Widerstände auf dem Platz erleben, um sich weiterzuentwickeln. Nur dann können wir beurteilen, wer den Weg mitgehen kann oder eben nicht und wer bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Aber wir wollen unsere Spielerinnen nicht nur fordern, sondern sie auch stärken. Wir versuchen unsere Spielerinnen dahin zu bringen, dass sie immer mutig sind, dass sie immer diesen unbändigen Glauben an sich haben: "Ja, ich kann das!" Da sind wir noch nicht, aber es liegt an uns als Trainerteam, ihnen immer wieder den Glauben an sich zu geben.

DFB.de: Bei den Stichworten Glaube, Mentalität und Willensstärke fällt einem unweigerlich das Team der USA ein.

Voss-Tecklenburg: Ja, das leben die Amerikanerinnen seit Jahren vor, diese Mentalität und diesen Glauben an sich und ihre Fähigkeiten. Das war aus meiner Sicht auch am Ende für den Turniersieg ausschlaggebend: Die USA sind nicht Weltmeister geworden, weil sie den allerbesten Fußball gespielt haben, aber sie haben die beste Mentalität gehabt.

DFB.de: Nun steht das erste Spiel in der EM-Qualifikation an. Mit welchen Erwartungen blicken Sie dem Duell mit Montenegro entgegen?

Voss-Tecklenburg: Nachdem wir gemeinsam mit den Spielerinnen die Erkenntnisse unserer WM-Analyse aufgearbeitet und den weiteren Weg der nächsten zwei Jahre aufgezeigt haben, geht der Blick jetzt nach vorne: Wir wollen uns als Gruppenerster für die Endrunde in England qualifizieren und mit viel Spielfreude zur EM. Das möchten wir den Zuschauerinnen und Zuschauern in Kassel zeigen.

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