Münzwurf entscheidet über die Finalteilnahme

Italien warf Bulgarien heraus (2:3 und 2:0), um das eigene Turnier zu erreichen, die Sowjetunion bewies ihre Stärke bei dieser Veranstaltung und schaffte es auch beim dritten Versuch in die Endrunde (3:0 nach 0:23 gegen Ungarn). Und auch Weltmeister England gab sich die Ehre, nach zwei knappen Siegen über Spanien (1:0 und 2:1) wertete die erste Teilnahme einer britischen Elf den Wettbewerb kolossal auf.

Umso enttäuschender war das Niveau angesichts der Top-Besetzung in den Halbfinales. Italien und die Sowjetunion quälten sich im Dauerregen über zwei torlose Stunden hinweg und so musste der Münzwurf über die Finalteilnahme und den späteren Europameister entscheiden. Der deutsche Schiedsrichter Kurt Tschenscher spielte Schicksal und warf in den Katakomben im Beisein der Spielführer und eines UEFA-Funktionärs ein französisches Zehn-Franc-Stück aus dem Weltkriegsjahr 1916 in die Luft. Sehr zur Freude der 68.000 im Stadion von Neapel fiel die Münze auf Kopf und somit die Seite Italiens. Was andernfalls gewesen wäre, möchte man sich besser nicht ausmalen.

Die Russen jedenfalls schimpften: "Das Los bei der Europameisterschaft entscheiden zu lassen, ist ein Hohn für den Sport. In den Vorrundenspielen ist es schwer genug, in den Viertelfinals treten die Mannschaften zweimal gegeneinander an und ins Finale kommt man durch das Hochwerfen einer Münze. Das kann nicht in Ordnung sein."

Es kam immerhin nie wieder vor, ab 1976 wurden Elfmeterschießen eingeführt. Das zweite Halbfinale war auch auf schwachem Niveau, aber hier fiel wenigstens ein Tor, das Deutschlands Gruppengegner Jugoslawien ins Endspiel brachte. Dzajic traf England vier Minuten vor Schluss ins Herz, Trainer Alf Ramsey hatte eigentlich nicht weniger als den Titel erwartet: "Wir werden 1968 Europameister." Damit wurde es nun nichts mehr, zum zweiten Mal schon standen die Jugoslawen im Finale. Und wieder sollten sie nur zweiter Sieger sein.

Immerhin waren die Umstände anders als 1960, als sie in der Verlängerung unterlagen. Jetzt war das Stadion ausverkauft, inoffiziell war von 90.000 die Rede, offiziell von 68.817, und an den Bildschirmen sahen weltweit 150 Millionen Menschen zu. Und diesmal ertrotzen sie in Rom am 9. Juni 1968 (1:1) nach 120 Minuten sogar ein Wiederholungsspiel, noch mal sollte die Münze Italien nicht zum Sieg verhelfen. Es fand bereits am nächsten Tag statt – vor nur noch halb so vielen Zuschauern. Kein Wunder, es war ein Montagabend als Italien erstmals Europameister wurde. Trainer Valcareggi schickte fünf frische Kräfte ins Spiel, die Jugoslawen nur eine – und das gab den Ausschlag. Waren sie am Vortag noch die bessere Mannschaft gewesen, die durch ein umstrittenes Freistoßtor um den Sieg gebracht worden war, hatten sie nun nicht mehr genug Kraft. Schon zur Halbzeit war im Grunde alles entschieden, Riva und Anastasi hatten für Italien getroffen. Dabei blieb es und nach dem Abpfiff des spanischen Unparteiischen Ortiz de Mendibil stürmten die begeisterten Fans den Platz. Das missfiel zwar den UEFA-Herren, doch gemessen an den Anfängen, als solche Gefühlsausbrüche ausblieben, war selbst das ein Fortschritt. Die EM hatte Laufen gelernt. Fortan liefen auch die Deutschen mit – und wie.