Celia Šašićs Mädchen von der Ahr

Vor zehn Jahren hatte Celia Šašić den SC Bad Neuenahr verlassen. Bad Neuenahr, das war eine Hochburg des Frauenfußballs, Gründungsmitglied der Bundesliga, 1978 sogar mal deutscher Meister. Der inzwischen 34 Jahre alten Šašić, die seit einem Jahr im DFB-Präsidium ist und als Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität zu mehr Tempo antreibt, merkte man die Rührung an, als sie jetzt wieder auf dem Platz ihres alten Klubs stand. Vor ihr die U 17-Juniorinnen. "Ich habe nicht umsonst neun Jahre hier gespielt. Was wir damals auf dem Platz erlebt haben, wie wir dort hinten in der Kabine gefeiert haben… Wenn ich an meine Laufbahn denke, komme ich immer sehr schnell auf meine Jahre hier zurück."

Tore, Tore, Tore. In 136 Spielen erzielte sie 97. Der Vater aus Kamerun, die Mutter aus Frankreich, zum DFB-Sichtungslehrgang war sie ohne deutschen Pass gegangen. Sie hatte Spaß am Fußball, was kümmerten sie Dokumente oder Stempel. Sie erhielt die deutsche Staatsbürgerschaft, mit den DFB U 19-Juniorinnen wurde sie Weltmeisterin, ab 2005 nominierte Silvia Neid die junge Stürmerin fürs A-Team. Mit 63 Toren in 111 Länderspielen liegt sie auf Platz vier der ewigen Bestenliste. Im Spiel gegen den FIFA-Weltranglistenfünften Schweden beim Algarve Cup 2012 erzielte sie drei Tore, weitere drei im Finale gegen Weltmeister Japan. In der Saison 2014/2015 stand ihr Name in der Bundesliga, in der Champions League und beim WM-Turnier in Kanada auf der Torschützinnenliste ganz oben. Sie wurde zu Europas Fußballerin des Jahres gewählt.

Šašić: "Ein Gefühl von Glück, mit nichts zu vergleichen"

Auf YouTube kann man unglaubliche Tore sehen, einmal lupfte sie den Ball über die Torfrau und haute ihn quer in der Luft liegend ins Netz. Nach jedem Tor jubelte sie ausgelassen mit ihren Mitspielerinnen. Von wegen, Weltklassespieler lachen nicht. Ihr Bruder Nicolas hatte die fünfjährige Celia mit zum Fußball genommen, anfangs spielte sie meist mit und gegen schlechtere Jungs, später dann bei den Juniorinnen. "Wenn eine ein Tor schoss, konnte man das der ganzen Mannschaft im Gesicht ablesen. Es war ein Gefühl von Glück, schwer zu beschreiben, mit nichts zu vergleichen. Man sieht selbst Erling Haaland immer wieder an, obwohl er ständig trifft, was dieser großartige Moment mit ihm macht."

Heute bei ihrer Rückkehr sorgen schüchterne Sonnenstrahlen für gefühlt erstmals im Jahr zweistellige Celsiusgrade, der eiskalte April nimmt eine Pause. Und die Ahr säuselt unschuldig durchs Flussbett. Im Juni 2021 stand der Fluss hier zwei Meter hoch. Der Platz, den sie liebte, "dieser Platz war einst der beste Platz in der Bundesliga", ist heute ein hässlicher Stoppelacker. Vor ihr stehen die U 17-Juniorinnen. "Was ihr leistet und könnt, ist etwas Besonderes. Ich hoffe, dass ihr bald wieder die Bedingungen vorfindet, wie ich sie hatte. Eine gute Infrastruktur ist immer wichtig."

"Als Verein wieder zusammenfinden"

Sie hat einen Scheck mitgebracht, im Sommer werden zwölf Mädchen und zwei Betreuerinnen zur einwöchigen Fußball-Ferien-Freizeit verreisen. Die DFB-Stiftung Egidius Braun lädt 75 Klubs und rund 1.000 Jugendliche zur Sommerfreizeit ein. 850.000 Euro hat die Stiftung insgesamt für die Freizeiten budgetiert. "In diesem Jahr laden wir Mädchenfußball-Teams ein, im nächsten Jahr denken wir an eine internationale Ausrichtung, 2025 geht es bei den Freizeiten um Integration", erklärt Stiftungsgeschäftsführer Tobias Wrzesinski. Die Freizeiten entstanden 1993 durch eine Idee des damaligen DFB-Präsidenten Egidius Braun. Dieses Jahr werden sie 30 Jahre alt. Erstmals sind Celias Mädchen von der Ahr mit dabei.

"Gut, dass jetzt bei uns die Hilfe ankommt", freut sich Bad Neuenahrs Präsident Marcello Montuori. "Wir wollen als Verein wieder zusammenfinden." Als Folge der Flut mussten Montuori und sein Team für den Spiel- und Trainingsbetrieb auf Plätze benachbarter Klubs ausweichen. Alle haben hart angepackt, Šašićs Besuch trägt bei zur wachsenden Zuversicht. Und Arianit Besiri, Vizepräsident des Fußballverbands Rheinland, sagt: "Man spürt die Resilienz im Klub."

Abenteuerspielplatz bleibt bestehen

Nicht nur dort. Vor den U 17-Juniorinnen besucht Celia Šašić das KinderpAHRadies im Stadtteil Ahrweiler. Die Wassermassen hatten den Abenteuerspielplatz ausradiert. Guido Henseler erzählt: "Die Behörden hatten vorher 20 Projekte, plötzlich hätte man eigentlich 2000 Projekte anschieben müssen, aber das ging ja nicht." Der Betriebswirt und Familienvater hat sich damals selbst in die Pflicht genommen. Heute leitet er unter anderem das KinderpAHRadies, ein 800m² großes Zelt. Drinnen warten zwei Hüpfburgen, ein Piratenschiff, ein Airhockeytisch und riesige Ballons auf die Kinder. Gerade an den Wochenenden kommen hunderte mit ihren Eltern.

Die Kosten sind horrend, ein paar tausend Euro Monatsmiete alleine fürs Zelt, dazu die Heizkosten. "Der Stiftung der Nationalmannschaft ist es zu verdanken, dass die Kinder aus dem Ahrtal hier spielen können", sagt Henseler, der das KinderpAHRadies zumindest ein weiteres Jahr noch geöffnet halten will.

"Wir müssen anfangen, Entwicklung einzufordern"

Celia Šašić schaut sich alles an, fragt nach, hilft durch ihre bloße Anwesenheit. Die Gegend ist ihr bis heute vertraut. Sie erzählt von einer Freundin, die mit ihrer Familie das Haus verloren hat. Am 16. Juli 2015 hatte sie ihre Karriere im Alter von 27 Jahren beendet, schloss das Studium ab, bekam mit ihrem Mann Marko zwei Töchter. Seit ziemlich genau einem Jahr ist sie DFB-Vizepräsidentin. Mehr Frauen in den Gremien, jede Neubenennung freut sie.

Sie sagt: "Frauen wurde das Fußballspielen in Deutschland lange erschwert und sogar verboten. Daraus resultiert ein historischer Rückstand." Im DFB-Präsidium sieht man den Wandel, auf Ebene der Landes- und Kreisverbände noch viel zu selten. "Unsere Gremien bilden leider nicht die gesellschaftliche Realität ab, weder beim Geschlecht noch in der kulturellen Vielfalt. Wir müssen anfangen, Entwicklung einzufordern."

Und: "Oh, das ist noch mal ein ganz anderes Kaliber hier", habe sie gedacht, als sie vor bald 20 Jahren beim SC Bad Neuenahr ankam. Seitdem ist viel passiert. Sie schaut anders auf den Fußball, heute hat sie das große Ganze im Blick. Die ehemalige Nationalspielerin Celias Šašić hat neue Ziele. Bedeutsam sind sie immer noch. Und ihre Freude, sie zu erreichen, ist ungebrochen.

[th]

Vor zehn Jahren hatte Celia Šašić den SC Bad Neuenahr verlassen. Bad Neuenahr, das war eine Hochburg des Frauenfußballs, Gründungsmitglied der Bundesliga, 1978 sogar mal deutscher Meister. Der inzwischen 34 Jahre alten Šašić, die seit einem Jahr im DFB-Präsidium ist und als Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität zu mehr Tempo antreibt, merkte man die Rührung an, als sie jetzt wieder auf dem Platz ihres alten Klubs stand. Vor ihr die U 17-Juniorinnen. "Ich habe nicht umsonst neun Jahre hier gespielt. Was wir damals auf dem Platz erlebt haben, wie wir dort hinten in der Kabine gefeiert haben… Wenn ich an meine Laufbahn denke, komme ich immer sehr schnell auf meine Jahre hier zurück."

Tore, Tore, Tore. In 136 Spielen erzielte sie 97. Der Vater aus Kamerun, die Mutter aus Frankreich, zum DFB-Sichtungslehrgang war sie ohne deutschen Pass gegangen. Sie hatte Spaß am Fußball, was kümmerten sie Dokumente oder Stempel. Sie erhielt die deutsche Staatsbürgerschaft, mit den DFB U 19-Juniorinnen wurde sie Weltmeisterin, ab 2005 nominierte Silvia Neid die junge Stürmerin fürs A-Team. Mit 63 Toren in 111 Länderspielen liegt sie auf Platz vier der ewigen Bestenliste. Im Spiel gegen den FIFA-Weltranglistenfünften Schweden beim Algarve Cup 2012 erzielte sie drei Tore, weitere drei im Finale gegen Weltmeister Japan. In der Saison 2014/2015 stand ihr Name in der Bundesliga, in der Champions League und beim WM-Turnier in Kanada auf der Torschützinnenliste ganz oben. Sie wurde zu Europas Fußballerin des Jahres gewählt.

Šašić: "Ein Gefühl von Glück, mit nichts zu vergleichen"

Auf YouTube kann man unglaubliche Tore sehen, einmal lupfte sie den Ball über die Torfrau und haute ihn quer in der Luft liegend ins Netz. Nach jedem Tor jubelte sie ausgelassen mit ihren Mitspielerinnen. Von wegen, Weltklassespieler lachen nicht. Ihr Bruder Nicolas hatte die fünfjährige Celia mit zum Fußball genommen, anfangs spielte sie meist mit und gegen schlechtere Jungs, später dann bei den Juniorinnen. "Wenn eine ein Tor schoss, konnte man das der ganzen Mannschaft im Gesicht ablesen. Es war ein Gefühl von Glück, schwer zu beschreiben, mit nichts zu vergleichen. Man sieht selbst Erling Haaland immer wieder an, obwohl er ständig trifft, was dieser großartige Moment mit ihm macht."

Heute bei ihrer Rückkehr sorgen schüchterne Sonnenstrahlen für gefühlt erstmals im Jahr zweistellige Celsiusgrade, der eiskalte April nimmt eine Pause. Und die Ahr säuselt unschuldig durchs Flussbett. Im Juni 2021 stand der Fluss hier zwei Meter hoch. Der Platz, den sie liebte, "dieser Platz war einst der beste Platz in der Bundesliga", ist heute ein hässlicher Stoppelacker. Vor ihr stehen die U 17-Juniorinnen. "Was ihr leistet und könnt, ist etwas Besonderes. Ich hoffe, dass ihr bald wieder die Bedingungen vorfindet, wie ich sie hatte. Eine gute Infrastruktur ist immer wichtig."

"Als Verein wieder zusammenfinden"

Sie hat einen Scheck mitgebracht, im Sommer werden zwölf Mädchen und zwei Betreuerinnen zur einwöchigen Fußball-Ferien-Freizeit verreisen. Die DFB-Stiftung Egidius Braun lädt 75 Klubs und rund 1.000 Jugendliche zur Sommerfreizeit ein. 850.000 Euro hat die Stiftung insgesamt für die Freizeiten budgetiert. "In diesem Jahr laden wir Mädchenfußball-Teams ein, im nächsten Jahr denken wir an eine internationale Ausrichtung, 2025 geht es bei den Freizeiten um Integration", erklärt Stiftungsgeschäftsführer Tobias Wrzesinski. Die Freizeiten entstanden 1993 durch eine Idee des damaligen DFB-Präsidenten Egidius Braun. Dieses Jahr werden sie 30 Jahre alt. Erstmals sind Celias Mädchen von der Ahr mit dabei.

"Gut, dass jetzt bei uns die Hilfe ankommt", freut sich Bad Neuenahrs Präsident Marcello Montuori. "Wir wollen als Verein wieder zusammenfinden." Als Folge der Flut mussten Montuori und sein Team für den Spiel- und Trainingsbetrieb auf Plätze benachbarter Klubs ausweichen. Alle haben hart angepackt, Šašićs Besuch trägt bei zur wachsenden Zuversicht. Und Arianit Besiri, Vizepräsident des Fußballverbands Rheinland, sagt: "Man spürt die Resilienz im Klub."

Abenteuerspielplatz bleibt bestehen

Nicht nur dort. Vor den U 17-Juniorinnen besucht Celia Šašić das KinderpAHRadies im Stadtteil Ahrweiler. Die Wassermassen hatten den Abenteuerspielplatz ausradiert. Guido Henseler erzählt: "Die Behörden hatten vorher 20 Projekte, plötzlich hätte man eigentlich 2000 Projekte anschieben müssen, aber das ging ja nicht." Der Betriebswirt und Familienvater hat sich damals selbst in die Pflicht genommen. Heute leitet er unter anderem das KinderpAHRadies, ein 800m² großes Zelt. Drinnen warten zwei Hüpfburgen, ein Piratenschiff, ein Airhockeytisch und riesige Ballons auf die Kinder. Gerade an den Wochenenden kommen hunderte mit ihren Eltern.

Die Kosten sind horrend, ein paar tausend Euro Monatsmiete alleine fürs Zelt, dazu die Heizkosten. "Der Stiftung der Nationalmannschaft ist es zu verdanken, dass die Kinder aus dem Ahrtal hier spielen können", sagt Henseler, der das KinderpAHRadies zumindest ein weiteres Jahr noch geöffnet halten will.

"Wir müssen anfangen, Entwicklung einzufordern"

Celia Šašić schaut sich alles an, fragt nach, hilft durch ihre bloße Anwesenheit. Die Gegend ist ihr bis heute vertraut. Sie erzählt von einer Freundin, die mit ihrer Familie das Haus verloren hat. Am 16. Juli 2015 hatte sie ihre Karriere im Alter von 27 Jahren beendet, schloss das Studium ab, bekam mit ihrem Mann Marko zwei Töchter. Seit ziemlich genau einem Jahr ist sie DFB-Vizepräsidentin. Mehr Frauen in den Gremien, jede Neubenennung freut sie.

Sie sagt: "Frauen wurde das Fußballspielen in Deutschland lange erschwert und sogar verboten. Daraus resultiert ein historischer Rückstand." Im DFB-Präsidium sieht man den Wandel, auf Ebene der Landes- und Kreisverbände noch viel zu selten. "Unsere Gremien bilden leider nicht die gesellschaftliche Realität ab, weder beim Geschlecht noch in der kulturellen Vielfalt. Wir müssen anfangen, Entwicklung einzufordern."

Und: "Oh, das ist noch mal ein ganz anderes Kaliber hier", habe sie gedacht, als sie vor bald 20 Jahren beim SC Bad Neuenahr ankam. Seitdem ist viel passiert. Sie schaut anders auf den Fußball, heute hat sie das große Ganze im Blick. Die ehemalige Nationalspielerin Celias Šašić hat neue Ziele. Bedeutsam sind sie immer noch. Und ihre Freude, sie zu erreichen, ist ungebrochen.

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