Männer-Nationalmannschaft

Premierensieg und Rekord-Hattrick: Die DFB-Spiele in Belfast

13.10.2025
Das wohl beste Joker-Duo der DFB-Historie: Thomas Häßler (l.) legte Oliver Bierhoff 1997 in sechs Minuten drei Tore auf Foto: IMAGO

Zum zehnten Mal reist eine deutsche A-Nationalmannschaft nach Belfast, wo sie einige Meilensteine der DFB-Historie setzte. DFB.de blickt zurück auf neun Länderspiele in Belfast - gespickt von Premieren, Geschichten und Rekorden.

Schon beim ersten Gastspiel am 26. Oktober 1960 wurde einer gesetzt. Denn die Mannschaft von Sepp Herberger fuhr endlich den ersten deutschen Sieg auf den britischen Inseln ein, den ihr Engländer und Schotten stets verweigert hatten. 

Im Windsor-Park von Belfast hatten sich 40.000 Zuschauer eingefunden, in der Vorfreude auf einen Sieg. Denn bis zu diesem Tag hatte noch gar keine Mannschaft des Kontinents dort gewonnen. So wurde es eine doppelte Premiere, die der Bundestrainer von erhöhter Warte aus verfolgte. Die Elf wurde von Assistenztrainer Helmut Schön gecoacht, der "Chef" saß auf der Tribüne. Er sah ein wildes Spiel mit wechselnden Führungen und einen 4:3-Sieg. Drei Tore gingen auf die HSV-Stürmer Uwe Seeler (54.) und Gert "Charly" Dörfel (55., 79.), das erste auf das des Gladbachers Albert Brülls (7.). Dann war Schluss und die Freude groß. Herberger: "Diesen Gegner zu schlagen, verdient zu schlagen, darf man wohl einen großen Erfolg nennen." Die Nordiren baten nach Abpfiff höflich um die bereits in der Wäschetruhe liegenden deutschen Trikots als Erinnerung an den ersten Gegner, der bei ihnen gewann.

Holprige Partien folgen Premierensieg

In Vorbereitung auf die WM in England reiste die Nationalmannschaft im Mai 1966 wieder auf die Insel und kam drei Tage nach einem 4:0 bei den Iren auch in Belfast zu einem weiteren Sieg (2:0). Diesmal fielen die Kritiken schlechter aus. "Unser Angriff enttäuschte in Belfast auf der ganzen Linie", tadelte das Sport Magazin. Dennoch schoss der Angriff die Tore: durch Uwe Seeler (21.) und den Linksaußen des kommenden Meisters 1860 München, Alfred Heiß (57.). Helmut Schön entschuldigte die schwache Vorstellung mit dem holprigen Platz, "der Ball konnte gar nicht so laufen wie er wollte".

Solche Ausreden wollte am 17. November 1982 niemand hören, als der amtierende Europameister auf dem Weg zur nächsten Endrunde in Belfast erstmals Federn ließ (0:1). Es war der Anfang einer tristen Phase, auch das Rückspiel in Hamburg wurde verloren und die folgende EM war nach der Vorrunde vorbei. Aber in Belfast startete eine große Stürmerkarriere in der Nationalmannschaft. Nach 72 Minuten wechselte Jupp Derwall den 22-jährigen Bremer Rudi Völler für Bernd Schuster ein. Auch Schuster war quasi Neuling, der Querkopf hatte nach einem Streit mit Derwall 18 Monate pausiert. Weder der namhafte Rückkehrer noch der talentierte Debütant konnten die erste Niederlage gegen die Nordiren verhindern. Das Tor des Tages fiel schon nach 18 Minuten durch Ian Stewart. Derwall verlor seine Zuversicht nicht: "Das Spiel bringt uns nicht um, wirklich nicht."

14 Jahre später gab es das erste Unentschieden, die EM-Generalprobe am 29. Mai 1996 endete 1:1. Auch dieses Testspiel war nicht ganz normal. Zum zweiten Mal in der DFB-Historie verschoss die Nationalmannschaft in einem Spiel zwei Elfmeter. Den Anfang machte Jürgen Klinsmann (4.), dann eiferte ihm Andy Möller nach (33.). Beide schossen am Tor vorbei, das wiederum war ein absolutes Novum. 1985 gegen Malta trafen die Schützen zumindest den Kasten. So hätte es gleich zwei Sündenböcke für eine Niederlage gegeben, die nach Mulrynes Tor (76.) drohte. Aber Mehmet Scholl glich schon im Gegenzug aus. Nie sahen weniger Zuschauer diese Paarung (10.000).

Bierhoffs Joker-Hattrick in sechs Minuten

Alles in den Schatten stellte das Treffen am 20. August 1997. Noch immer wenn es nach Belfast geht, wird Oliver Bierhoff auf diesen Tag angesprochen, der auch wieder in die Geschichte einging. Wie im Hinspiel gingen die Nordiren in Führung - durch Hughes (60.). Bundestrainer Berti Vogts traf daraufhin zwei goldrichtige Entscheidungen: er brachte erst Thomas Häßler (64.), dann Oliver Bierhoff (70.). Bessere Joker hat es wohl nie gegeben. Zwischen der 73. und 79. Minute erzielte Bierhoff nach Häßler-Vorarbeit drei Tore! Es war und ist der schnellste Hattrick der DFB-Historie und es war der 3:1-Sieg. Der Lange und der Kurze waren das neue Traumpaar des deutschen Fußballs. Bierhoff witzelte: "Wir geben unsere Vermählung bekannt."

Auch am 27. März 1999 ging es um die EM-Qualifikation. In der Ribbeck-Ära waren hohe Siege selten. Umso erstaunlicher, dass der bis dahin höchste Erfolg bei den Nordiren gelang (3:0). Zwar wusste der Bundestrainer auch, "dass dieser Sieg nicht makellos war". Denn die drei Tore schaffte man mit nur einer erspielten Chance, die Marco Bode per Kopf zum 1:0 (11.) nutzte. Bodes zweites Tor resultierte aus einem 23-Meter-Freistoß (43.), auch Dietmar Hamanns 3:0 (62.) war von dieser Art – nur dass es 25 Meter waren.

Kurios verlief der Confed-Cup-Test am 4. Mai 2005 (4:1). Deutschland spielte in der Klinsmann-Zeit auswärts schon mal in Rot und sah auch früh Rot – Robert Huth musste nach 15 Minuten gehen. Der von ihm verursachte Handelfmeter führte zum 0:1 durch Healy. In Unterzahl schoss das DFB-Team trotzdem noch vier Tore durch Gerald Asamoah (17.), zweimal Michael Ballack (62., 66.) und Lukas Podolski (81.). Ein Novum – natürlich.

"Wagner-Festspiele" im Oktober 2017

Auf dem Weg zur WM nach Russland hatte die Löw-Elf ihre ersten acht Spiele gewonnen, nun fehlte am 5. Oktober 2017 noch ein Punkt. Nur die in Heimspielen vier Jahre ungeschlagenen Nordiren konnten das noch verhindern. Es war das Spitzenspiel der Gruppe und Nordirlands Co-Trainer Jimmy Nicholl sagte: "Ich glaube, wir können die Deutschen schlagen." Die mussten auf das Sturmduo Werner/Gomez verzichten und gingen mit dem Hoffenheimer Sandro Wagner als einzige Spitze ins Spiel, was sich bezahlt machte. Zunächst aber rückte der damalige Münchner Sebastian Rudy in den Blickpunkt: Nach bereits 77 Sekunden dämpfte er die Stimmung im ausverkauften Windsor-Park (18.104 Zuschauer) mit einem Traumtor.

Das DFB-Team drängte weiter, nun begannen die Wagner-Festspiele. Nach 17 Minuten köpfte er noch an den Pfosten, nach 21 drückte er eine Müller-Vorlage zum 2:0 ein. Damit war schon alles entschieden. In der zweiten Hälfte verwalteten die Deutschen die Partie, in der es nicht mal eine Gelbe Karte gab. Es dauerte bis zur 86. Minute, ehe Joshua Kimmich seine starke Leistung mit dem 3:0 krönte. In der dritten Minute der Nachspielzeit gestattete die Abwehr um den nach einem Jahr Pause zurückgekehrten Jérôme Boateng den Gastgebern noch ihren Ehrentreffer durch Magennis. Die Freude über die WM-Fahrkarte wurde allerdings getrübt, da die Mannschaft eine Stunde vor dem Anpfiff vom Tod des langjährigen DFB-Zeugwarts Manfred Drexler erfuhr.

2:0 bei letzter Begegnung in Belfast 

Zum neunten und bis dato letzten Mal kreuzte die DFB-Auswahl am 9. September 2019 in Belfast auf. Nun ging es wieder um EM-Qualifikationspunkte. Nach einer 2:4-Heimniederlage gegen die Niederlande drei Tage zuvor stand das Löw-Team, wie der Kicker auf der Titelseite postulierte, "schon wieder unter Druck". Löw änderte die Startelf auf zwei Positionen und tat damit zwei Glücksgriffe. Nach torloser erster Hälfte, in der Manuel Neuer glänzend einen Kroos-Fauxpas ausmerzte und einen Rückstand verhinderte, entstand das Führungstor durch eine Produktion der Neuen.

Julian Brandt verlängerte nach 48 Minuten per Kopf auf den Leipziger Verteidiger Marcel Halstenberg, der in seinem erst vierten Länderspiel erstmals traf – mit links. Mühsam blieb der Weg zum Pflichtsieg dennoch, erst in der Nachspielzeit traf der starke Serge Gnabry zum 2:0-Endstand vor 18.104 Zuschauern. Angesichts eines Ballbesitzes von 74 % und dem Verhältnis von 10:3 nach Chancen war der Sieg verdient, "ließ aber Wünsche offen" (Kicker). Von den eingesetzten Spielern sind heute in Belfast nur noch drei im Kader: Joshua Kimmich, Serge Gnabry und Jonathan Tah. Gutes Omen: Damals wurde auch an einem Montag gespielt. An diesem Wochentag gab es in 24 Spielen nur eine Niederlage – und das war ein Feiertag: Pfingstmontag 2025 gegen Frankreich (0:2).

Kategorien: Männer-Nationalmannschaft, WM 2026

Autor: um