DFB-All-Stars

Silvia Neid: "Frauenfußball inspiriert, verbindet und schafft neue Perspektiven"

01.10.2025
Silvia Neid: "Können ein Turnier gestalten, das nachhaltig wirkt – sportlich, gesellschaftlich und kulturell" Foto: Yuliia Perekopaiko/DFB

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) bewirbt sich um die Austragung der UEFA Women's EURO 2029. Die ehemalige Spielführerin und spätere Bundestrainerin Silvia Neid schreibt in ihrem Grußwort zum offiziellen BidBook über ihre Liebe zum Fußball und den Traum von einer Heim-EM.

Als ich in den 1970er-Jahren als junges Mädchen mit dem Fußballspielen begann, hatte ich großes Glück. Ich habe mit meinem Bruder und den Jungs auf dem Bolzplatz gekickt und mit dem Fußball die Liebe meines Lebens gefunden. Meine Leidenschaft wurde nicht begrenzt – ich durfte als Mädchen meinen Weg im Fußball gehen, in einer Zeit, in der das in Deutschland gesellschaftlich alles andere als selbstverständlich war.

Heute müssen junge Mädchen in Deutschland viel weniger Glück haben, wenn sie sich in den Fußball verlieben und Fußball spielen wollen. Unser Weg ist noch nicht zu Ende, aber wir können mit Stolz darauf blicken, welche Errungenschaften inzwischen selbstverständlich geworden sind. Die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland – und auch die Rolle von Frauen im Fußball – ist eng mit den Frauen-Europameisterschaften verknüpft. Und ich hatte das Privileg, dabei einen Part zu spielen.

Heim-EM 1989 ein Meilenstein

1989 durfte ich als Kapitänin der deutschen Nationalmannschaft die erste Frauen-Europameisterschaft in Deutschland spielen – und gewinnen. Das Finale in Osnabrück war eine Zäsur, ein Meilenstein. Sportlich war es ein Startschuss: Mit dem Turnier begann der Aufstieg der deutschen Frauen zu einer der führenden Nationen im Frauenfußball. In der Rückschau taugt das Finale aber auch als Indikator dafür, wie sehr sich die Dinge verändert haben. Wenn wir ehrlich sind, herrschte damals ziemliches Chaos: Das Stadion war übervoll, die Menschen mussten zusammenrücken, und meine Eltern hatten Schwierigkeiten, pünktlich auf ihren Platz zu kommen.

Diese Episode zeigt, wie weit wir gekommen sind. Der Frauenfußball hat sich in gigantischen Schritten weiterentwickelt – in seiner Professionalität, seiner Organisation und seiner gesellschaftlichen Bedeutung. Heute sind unsere Stadien bestens vorbereitet, die Abläufe durchdacht, die Aufmerksamkeit groß. Diese Evolution ist nicht denkbar ohne Europameisterschaften, die ich in vielen Funktionen und aus unterschiedlichen Perspektiven erleben durfte: als Spielerin, als Co-Trainerin, als Trainerin und als Trendscout.

Im Reigen meiner Erinnerungen sehe ich viele der schönsten und bedeutsamsten Momente eingebettet in den Rahmen dieser Turniere. Einen Schnipsel möchte ich hier ausführen. Er handelt von einem Teamabend im Rahmen der EURO 2013, bei dem ich erlebte, wie eine Mannschaft, in der es zuvor große Spannungen gab, zu einer Einheit wurde.

Verliebt in meine Mannschaft

Damals hatte ich die jungen Spielerinnen aufgefordert, Vorträge zu Werten wie Mut, Vertrauen, Stolz, Leidenschaft und Teamgeist zu halten. Was dann geschah, werde ich nie vergessen. Wir saßen alle mit Tränen in den Augen da – gerührt und sprachlos. Lena Lotzen sprach über ihren Stolz, mit Nadine Angerer in einer Mannschaft zu spielen. Bianca Schmidt zerlegte einen Kugelschreiber und zeigte, wie aus Einzelteilen etwas Großes entstehen kann. Jeder einzelne Vortrag war bewegend. So wie ich mich als Kind in den Fußball verliebte, verliebte ich mich damals in meine Mannschaft.

Diese Erfahrungen zeigen, was im Frauenfußball möglich ist – wenn Leidenschaft, Zusammenhalt und Führung zusammenkommen. Ich kann hier versichern: Der DFB und Deutschland sind bereit, ein Turnier zu gestalten, das nicht nur sportlich begeistert, sondern auch gesellschaftlich wirkt – mit modernen Stadien, engagierten Fans und einer Fußballkultur, die für Respekt, Fairness und Vielfalt steht.

Frauenfußball inspiriert und verbindet

Der Frauenfußball inspiriert, verbindet und schafft neue Perspektiven – für Mädchen, Frauen und für den gesamten Sport – die EURO 2029 wäre dafür ein Beschleuniger. Mit unserer Erfahrung, unserer Infrastruktur und vor allem mit unserer Begeisterung für den Fußball können wir ein Turnier gestalten, das nachhaltig wirkt – sportlich, gesellschaftlich und kulturell. Deshalb unterstütze ich diese Bewerbung mit voller Überzeugung und großer Vorfreude.

Ich wünsche mir, dass junge Mädchen heute genauso träumen dürfen wie ich damals – aber mit ungleich besseren Voraussetzungen. Eine Heim-Europameisterschaft kann und wird genau das bewirken. Ich liebe Fußball, ich liebe Europameisterschaften – und ich würde es lieben, wenn die Women's EURO 2029 in Deutschland stattfindet.

Silvia Neid

Kategorien: DFB-All-Stars

Autor: dfb