DFB-All-Stars

Sandra Smisek: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

02.10.2025
Sandra Smisek im DFB-Depot: "Ich komme wirklich gerne hierher, habe Routine, wiederkehrende Aufgaben" Foto: DFB

Karriere- und Lebenswege verlaufen nicht immer linear, manche nehmen diverse Wendungen und Abbiegungen. So wie der von Sandra Smisek, obwohl die heute 48-Jährige ansonsten im Leben ziemlich geradeaus ist und für Recht und Ordnung einsteht. Heute arbeitet "Smi" im DFB-Depot in Langen, ist zuständig für die Ausrüstung verschiedener U-Nationalmannschaften. Und wer verstehen will, warum sich für sie an diesem Ort und in diesem Job viele lose Enden zusammenfügen, der muss einen Blick werfen auf die Bahnhöfe, an denen Sandra Smisek auf ihrem Weg Halt gemacht hat und auf die Weichen, die ihren Weg lenkten.

Zum Fußball kam sie im Alter von sieben Jahren, der FC Kalbach war ihre erste sportliche Station. Dann der erste Bruch – nach der C-Jugend war erst mal Schluss. Warum? Weil Sandra Smisek ziemlich konsequent sein kann, wenn ihr etwas nicht passt. Smisek sollte zum Frauenteam wechseln – und wollte nicht zum Frauenteam wechseln, schließlich hatte sie ihr ganzes Leben lang nur mit Jungs Fußball gespielt. Und überhaupt: "Fußball – das ist nur was für Jungs", dachte sie damals und fühlte sich selbst als Ausnahme zu dieser Regel. Mit anderen Frauen spielen – kam für sie nicht infrage.

Ein zweites Standbein in Uniform

Eineinhalb Jahre blieben ihre Fußballschuhe im Schrank, bevor sie doch in einer Mädchenmannschaft zu kicken begann. Warum? Weil sie, wie gesagt, ziemlich konsequent sein kann. Wobei die Geschichte dazu ziemlich verworren ist. Schnell erzählt geht sie so: Smisek verlor eine Wette und löste den Wetteinsatz ein, der darin bestand, ein Probetraining in der Mädchenmannschaft des FSV Frankfurt zu absolvieren. "Wettschulden sind Ehrenschulden", sagt "Smi" und schmunzelt, wenn sie an dieses Probetraining denkt. Aus der Probe wurde eine Dauerlösung. Sie war am richtigen Ort, sie blieb, und sie wuchs – und sie wurde riesig. Zu einer der prägendsten Persönlichkeiten im deutschen Frauenfußball.

133 A-Länderspiele, zwei Weltmeistertitel, drei EM-Titel, olympisches Bronze und zahlreiche nationale Erfolge mit dem FSV Frankfurt, dem FCR Duisburg und dem 1. FFC Frankfurt: Smiseks Karriere als Fußballerin ist fast einzigartig. Unvergessen bleibt ihr Zusammenspiel mit Birgit Prinz – das Sturmduo "Krümel und Keks" prägte eine ganze Ära. Auf der einen Seite die technisch perfekte, läuferisch starke und spielintelligente Smisek, auf der anderen Seite die dynamische, wuchtige und abschlussstarke Prinz.

Neben ihrer Karriere als Fußballerin begann Smisek 2005 durch ein Pilotprojekt für Spitzensportler*innen eine Lehre bei der Polizei Hessen. Innerhalb von drei Jahren schloss sie ihre Ausbildung ab – und das in ihren "besten Fußballerjahren". Die Frage nach der Zeit nach dem Fußball habe sie immer beschäftigt, sagt sie. Was mache ich nach der Karriere, was, wenn ich mich verletze? Fragen wie diese hatte sie immer im Hinterkopf. Von dem Geld, das sie als Fußballerin bekam, habe sie nicht leben und noch weniger vorsorgen können für das Leben nach der Karriere. Und so gab es keine Alternative, als sich neben dem Fußball fortzubilden und ein zweites Standbein aufzubauen. "Ich bin froh, dass ich das so gemacht habe", sagt sie, auch wenn sie heute nicht mehr in ihrem Beruf als Polizistin arbeitet.

Ehemalige im DFB

Schaut man sich die Trainer*innen der (U-)Nationalmannschaften an, liest man einige bekannte Namen – ehemalige Nationalspielerinnen und Nationalspieler, die heute für den DFB tätig sind. Darunter einige, mit denen Sandra Smisek auf dem Platz gestanden hat. Etwa Saskia Bartusiak, die an der Seite von Bundestrainer Christian Wück bei der Frauen-Nationalmannschaft wirkt, oder Melanie Behringer, die Cheftrainerin der U 16-Juniorinnen ist, oder Silke Rottenberg, die als Torwarttrainerin für den DFB im Einsatz ist.

Für "Smi" war es nie eine konkrete Option, nach ihrer aktiven Karriere den Weg in Trainerteams einzuschlagen. "Ich habe zwar die B-Lizenz in Köln gemacht, aber es hat mich nie angesprochen, Hauptverantwortliche in einer Mannschaft zu sein", sagt sie. Wobei sie nicht ausschließt, "irgendwann mal" im Umfeld des Cheftrainers, beispielsweise als Mental-Coach, Co- oder Fitnesstrainerin, zu arbeiten. Ideen für die Zukunft.

So wie Saskia Bartusiak, Melanie Behringer und Silke Rottenberg hat auch Smisek den Weg zurück zum DFB gefunden, anders als diese drei und noch einige andere arbeitet Smisek aber abseits des Sports. "Schuld" an ihrer Rückkehr zum DFB ist Lars Linkorn. Linkorn war zusammen mit Smisek bei der Polizei, ihre Wege führten auseinander, als Linkorn die Polizei verließ und in die Stabstelle Sicherheit des DFB wechselte. Beim Padel-Tennis traf man sich wieder – vor etwa fünf Jahren war das. "Hey Smi, wir schreiben aus, brauchen noch Leute für die Heim-EM. Komm doch zum DFB!", so, sagt Smisek, habe er sie bei einer Partie im Sommer 2023 auf die Stelle beim DFB angesprochen. "Nee, wieso denn? Ich habe hier bei der Polizei Beamtenstatus, ein sicheres Leben", war ihre erste Antwort. Das Thema ließ sie dennoch nicht los. Sicherheit, Fußball – ein Beruf, der wie für "Smi" gemacht war. So nahm sie die Stelle schließlich doch an, gab ihre Absicherung als Beamtin auf und kam zurück zum DFB.

Schlimme Diagnose

Kaum hatte sie den Job, gelangte sie an die nächste Weiche: Bei Smisek wurde eine schwere Krankheit diagnostiziert. Die Aufgaben in der Stabstelle konnte sie nicht ausfüllen – zu unruhig und hektisch wäre es für sie geworden. Seit dem 1. August 2025 hat sie nun eine neue Aufgabe beim DFB – die zweimalige Weltmeisterin arbeitet im Depot in Langen. "Ich komme wirklich gerne hierher. Ich habe eine Routine, wiederkehrende Aufgaben", sagt sie. Im Moment ist Smisek für den Nachwuchs zuständig. Die U-Teams benötigen Ausstattung, Ausrüstung und Trainingsmaterial. Smisek bearbeitet die Aufträge, nimmt Bestellungen auf und gibt Bestellungen raus.

Nach dem Gespräch muss sie los: "Jetzt muss ich was aus dem Hochregal holen, das habe ich noch nie gemacht", sagt sie. "Deshalb muss ich jemanden fragen, der mir die Sachen da runterholt. Dann mache ich wieder meine Aufträge", sagt Smisek. Sie lächelt bei dieser Erzählung, denn sie zeigt: Wenn sie mal nicht weiterweiß, findet sich immer eine helfende Hand. Weil im DFB-Depot vieles so funktioniert wie früher auf dem Platz: mit Teamwork. Und so fühlt es sich für sie aktuell in Langen ähnlich an wie früher in gegnerischen Strafräumen: Sandra Smisek ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

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Autor: sl