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Rottenberg: "Arbeit auf Torhüterinnenposition muss weiter professionalisiert werden"

Viermal im Jahr veranstaltet der DFB den Torwart-Leistungskurs, um angehenden Torwarttrainer*innen vielfältige Kompetenzen für ihre spätere Arbeit auf den Weg zu geben "Die Trainingsbedingungen und Umfelder der Torwarttrainerinnen sind noch sehr unterschiedlich", sagt Lehrgangsleiter Jörg Daniel. "Der Kurs soll dazu dienen, dass die Teilnehmerinnen Einblicke in leistungsorientiertes Torwarttraining erhalte. Mit diesen Erfahrungen können sie in ihren Vereinen einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Bedingungen stetig verbessern. Das Engagement und die Bereitschaft der Teilnehmerinnen, sich einzubringen, war hoch, sodass sie aus dem Austausch untereinander wertvolle Erfahrungen sammeln konnten, was in anderen Vereinen möglich ist."
Auch Jan Blei, Torwarttrainer der deutschen U 23-Frauen-Nationalmannschaft und beim Leistungskurs dabei, war zufrieden. "Die Premiere war ein starkes Signal für die Weiterentwicklung des Frauenfußballs. Zum einen wurde deutlich, wie groß das Interesse und die Motivation unter den Torhüterinnen und angehenden Trainerinnen ist, sich gezielt weiterzubilden. Zum anderen hat der Kurs eine Plattform zum Austausch geschaffen, in der sich die Teilnehmerinnen gegenseitig stärken und voneinander lernen konnten. Besonders wertvoll ist, dass dadurch ein Netzwerk entstanden ist, das auch über die Kurswoche hinaus wirken kann. Dieses Netzwerk kann der Grundstein für künftige Kooperationen und gegenseitige Unterstützung im Bereich der Torhüterinnen-Ausbildung legen."
Im DFB.de-Interview erklärt DFB-Torwartkoordinatorin Silke Rottenberg, warum in der vergangenen Woche erstmals ein Leistungskurs nur für Frauen stattfand – und sie verrät, welche Unterschiede es in der Trainingsarbeit mit männlichen und weiblichen Keeper*innen gibt.
DFB.de: In der vergangenen Woche fand in Kaiserau einmal mehr der DFB-Torwart-Leistungskurs statt. Dieses Mal gab es allerdings eine Besonderheit, denn der Leistungskurs war nur für weibliche Teilnehmerinnen ausgeschrieben. Was steckt dahinter?
Silke Rottenberg: In erster Linie wollen wir talentierte Torhüterinnen dazu animieren, ihr Wissen weiterzugeben. Gefühlt sind im Frauenfußball auch heute noch mehr als 80 Prozent aller Torwarttrainer*innen männlich. In der Google Pixel Frauen-Bundesliga gibt es zum Beispiel mit Alisa Vetterlein von Union Berlin nur eine einzige Frau in dieser Funktion. Bereits zu meiner aktiven Zeit war ich deshalb der Meinung, dass wir mehr Trainerinnen brauchen – sowohl im Feldspielerinnenbereich, aber vor allem auf der Keeper-Position. Das heißt natürlich nicht, dass die männliche Kompetenz in Frage gestellt wird oder im Frauenfußball plötzlich keine Männer mehr arbeiten sollen; aber zum Beispiel im Jugendbereich ist es für eine junge Torhüterin wichtig, auch mal eine weibliche Ansprechpartnerin zu haben. Das wollen wir mit dem Lehrgang fördern. Auch Dank der Unterstützung unserer DFB-Ausbildung konnte der Kurs in dieser Form umgesetzt werden.
DFB.de: Wer sind die Teilnehmerinnen – aktive Torhüterinnen oder Ex-Profis, die nach ihrer aktiven Zeit eine zweite Karriere als Torwarttrainerin anstreben?
Rottenberg: Sowohl als auch. Das Teilnehmerinnenfeld ist breit gefächert: Neben aktiven Torhüterinnen wie Kari Närdemann vom VfL Bochum oder Franziska Maier und Anna-Lena Daum vom FC Ingolstadt 04 hat zum Beispiel auch die frühere Nationalkeeperin Almuth Schult an dem Lehrgang teilgenommen.
DFB.de: Schult ist 66-mal für das DFB-Team aufgelaufen und hat zudem mit dem VfL Wolfsburg die Champions League und mehrmals die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Hat sie auch das Zeug, sich auf höchstem Niveau als Torwarttrainerin zu etablieren?
Rottenberg: Ja, auf jeden Fall. Ihre Erfahrungen, die sie im Laufe ihrer Spielerinnenkarriere gesammelt hat, merkt man ihr sofort an; das wird ihr natürlich auf ihrem Weg sehr helfen. Das Schöne ist aber, dass sie damit nicht die Einzige ist. Da gibt es zum Beispiel Lena Nuding, die bis zur vergangenen Saison beim SC Freiburg unter Vertrag stand. Auch ihr traue ich viel zu. Allgemein kann man sagen, dass bei allen 20 Teilnehmerinnen viel Potenzial vorhanden ist. Die meisten haben selbst auf professionellem Niveau gespielt – ob in der Bundesliga, der 2. Liga oder den Regionalligen – und können ihr Wissen an die jüngeren Generationen weitergeben. Genau das wollen wir mit unserem Lehrgang fördern.
DFB.de: Wie läuft der Leistungskurs genau ab? Liegt der Fokus auf der Theorie oder auf der praktischen Trainingsarbeit auf dem Platz?
Rottenberg: Es ist eine Mischung aus beidem. Das fängt bei den Basics an: Wie baue ich eine Trainingseinheit auf? Worauf muss ich in der täglichen Arbeit mit den Torhüterinnen achten? Dabei legen wir Wert darauf, dass der Leistungskurs nicht nur eine analytische Ausbildung ist; vielmehr wollen wir konkrete Situationen, die so auch im Spiel vorkommen können, in den Lehrgang integrieren. Dafür wurden die Teilnehmerinnen in den ersten Tagen in unterschiedliche Arbeitsgruppen unterteilt, in denen sie gemeinsam Trainingseinheiten entwickelt haben, die dann auf dem Platz vorgestellt wurden.
DFB.de: Sollte man als Torwarttrainerin auch eine gute Psychologin sein?
Rottenberg: Absolut. Das eine ist das tägliche Training auf dem Platz, das andere die persönliche Zusammenarbeit auf der menschlichen Ebene. Dabei ist es unheimlich wichtig, sich in die Torhüterinnen hineinversetzen zu können – gerade, wenn es um Themen wie die Fehleranalyse nach einem Spiel geht. Ohne ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis mit ihrer Trainerin ist es für eine Spielerin kaum möglich, konstant ihre Leistungen abzurufen. Aber es geht nicht bloß darum, rund um die 90 Minuten auf dem Platz ein gutes Miteinander zu schaffen; der Mensch im Tor und sein Umfeld sollen im Vordergrund stehen und ganzheitlich betrachtet werden.
DFB.de: Gibt es eigentlich Unterschiede im Training von männlichen und weiblichen Keeper*innen?
Rottenberg: Vom Grundsatz her gibt es sowohl im Frauen- als auch im Männerfußball einen Ball, den ich als Torhüter*in fangen und halten muss. Aber natürlich ist es so, dass die körperlichen Voraussetzungen andere sind. Eine Frau ist in der Regel nicht so dynamisch wie ein Mann und hat zudem nicht die gleiche Körpergröße. Von daher deckt eine Torhüterin einen ganz anderen Bereich des Tores ab. Trotz dieser athletischen Unterschiede müssen Keeperinnen aber dieselbe Arbeit machen; daher kann man zusammenfassend sagen, dass Torhüterinnen einen verdammt guten Job machen.
DFB.de: Zum Abschluss: Was können die Vereine machen, damit es in Zukunft mehr weibliche Torwarttrainerinnen im Profifußball gibt?
Rottenberg: In erster Linie sollten die Klubs ihre späteren Trainer*innentalente bereits während ihrer aktiven Zeit identifizieren und Trainer*innenausbildungen unterstützen – sowohl zeitlich als auch finanziell. Dabei müssen Lizensierungen für Frauen realistisch umsetzbar sein. Darüber hinaus sollten die Vereine ihren Keeperinnen nach ihrer Karriere eine berufliche Perspektive bieten. Wenn diese Perspektive nicht vorhanden ist, ist es völlig klar, dass Spielerinnen sich umorientieren und dem Fußball verloren gehen. Kommen wir aber dahin, dass die Vereine ihre Torhüterinnen binden und zur Trainerin ausbilden, bin ich zuversichtlich, dass sich das in Zukunft ändern kann. Die Trainingsarbeit auf der Torhüterinnenposition muss einfach noch weiter professionalisiert werden. Fakt ist aber auch: Dafür muss man Geld in die Hand nehmen. Bei dem ein oder anderen Verein hat aber bereits ein Umdenkprozess begonnen – und das stimmt mich positiv.
Kategorien: Trainer, DFB-Akademie, Talentförderung
Autor: yl

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