Frauen-Nationalmannschaft

Rebecca Knaak: "Plötzlich hatte ich den Bundestrainer am Handy"

24.12.2025
Knaak über ihr Länderspieldebüt in der Startelf: "Das war schon ein krasses Gefühl" Foto: Yuliia Perekopaiko/DFB

2015 war Rebecca Knaak schon einmal für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft nominiert, kam aber nicht zum Einsatz. Genau zehn Jahre später hat sich die inzwischen 28 Jahre alte Abwehrspielerin ihren Traum erfüllt und ihr Debüt bei den DFB-Frauen gefeiert. Seitdem ist viel passiert. Sie hat elf Länderspiele bestritten, unter anderem bei der Europameisterschaft im Sommer in der Schweiz. Im DFB.de-Interview blickt die Verteidigerin von Manchester City auf ein bewegtes, emotionales und besonderes Jahr zurück.

DFB.de: Rebecca Knaak, lassen Sie uns in das Gespräch mit dem 21. Februar 2025 einsteigen…

Rebecca Knaak: … der Tag, an dem ich mein Debüt für die A-Nationalmannschaft gegeben haben.

DFB.de: Genau, beim 2:2 in Breda in der Nations League gegen die Niederlande.

Knaak: Das war ein sehr besonderer Moment für mich. Ich bin voller Vorfreude zu diesem Lehrgang gefahren und war selbst sehr gespannt, was passieren und wie er enden würden. Werde ich spielen? Wenn ja, wie lange? Das waren die Fragen, die ich mir vorher gestellt habe. Als ich dann erfahren habe, dass ich sogar in der Startelf stehen werde, war das schon ein krasses Gefühl.

DFB.de: Wie war es, als die Hymne lief?

Knaak: Meine ganze Familie und meine besten Freunde waren im Stadion. Ich habe versucht, während der Hymne Blickkontakt zu ihnen herzustellen. Oft klappt das nicht. In diesem Fall habe ich meinem Bruder genau in dem Moment in die Augen gesehen, als die Textzeile "Brüderlich mit Herz und Hand" lief. Das war sehr schön. So etwas vergisst man nicht.

DFB.de: Ihre Karriere ist deshalb besonders, weil sie 2015 schon einmal nominiert waren, aber nicht zum Einsatz kamen. Danach herrschte fast zehn Jahre Funkstille.

Knaak: Ehrlich gesagt, hatte ich damit auch nicht mehr gerechnet. Ich habe mein Leben gelebt, bin jeden Tag zum Training gegangen und habe immer mein Bestes gegeben. Ich habe auf jeden Fall nicht jeden Tag zuhause gesessen und gedacht, dass ich dieses Ziel erreichen muss.

DFB.de: Und dann kam doch irgendwann der Anruf von Christian Wück?

Knaak: Genau so war es. Plötzlich hatte ich den Bundestrainer am Handy, der mir mitteilte, dass er mich treffen wolle und bei meinem nächsten Spiel auf der Tribüne sitzen werde.

DFB.de: Wie ist das, wenn der Bundestrainer sich ankündigt und dann das Spiel schaut?

Knaak: Das war crazy. Ich wusste, dass er da oben sitzt und nur wegen mir da ist. Ich habe einfach nur gehofft, dass ich an dem Tag eine gute Leistung zeigen werde.

DFB.de: Und?

Knaak: Hat offenbar funktioniert. Ein paar Tage später hat er mich dann ja auch nominiert.

DFB.de: Wenn Sie jetzt zurückblicken: Warum hat es vorher nicht funktioniert?

Knaak: Ich habe lange in Leverkusen und Freiburg gespielt. Und vielleicht war es einfach so, dass meine Leistungen dort nicht gut genug waren. Das kann sogar sehr gut sein.

DFB.de: Sie haben dann 2022 einen sehr mutigen Schritt gemacht und sind nach Schweden zum FC Rosengard gewechselt.

Knaak: Es war auf jeden Fall so, dass ich meine Komfortzone verlassen habe. Es war keine leichte Entscheidung, aber für mich genau die richtige. Ich habe dort Champions League gespielt, wir hatten ein sehr starkes Team. Und obwohl ich durch meinen Wechsel nach Schweden für die Verantwortlichen nicht mehr Woche für Woche in der Bundesliga zu sehen war, hatte ich den Eindruck, dass mich dieser Schritt weg aus Deutschland kurioserweise wieder näher an die Nationalmannschaft gebracht hat. Schweden hat für mich alles verändert - es war ein absoluter Gamechanger.

DFB.de: Sie wurden dort zur besten Verteidigerin der Liga gewählt und sind Anfang 2025 nach England zu Manchester City gegangen.

Knaak: Das war die nächste riesige Herausforderung für mich. Ich war glücklich in Schweden, aber ich wollte weiterkommen. Als dann die Anfrage von ManCity kam, musste ich nicht lange überlegen. Das war die Chance, die ich ergreifen musste. Ich hätte es mir nicht verzeihen können, wenn ich das nicht gemacht hätte.

DFB.de: Sie haben dort gerade ihren Vertrag bis 2028 verlängert. Wie erleben Sie die Zeit in Manchester?

Knaak: Ich wüsste gerade keinen besseren Ort für mich. Das Jahr in England war Wahnsinn. Für mich geht es immer um die Macht des Umfelds, und das ist hier einfach perfekt. Ich habe menschlich und sportlich einen riesigen Schritt nach vorne gemacht. Wir führen mit ManCity die Tabelle mit sechs Punkten Vorsprung an. Ich möchte mit diesem großartigen Verein gerne Titel gewinnen. Die Ausgangslage zum Jahresende ist super, aber der Weg ist noch weit.

DFB.de: Lassen Sie uns zum Höhepunkt des Jahres kommen…

Knaak: … der Europameisterschaft in der Schweiz im Sommer. Da sind wir extrem als Team zusammengewachsen.

DFB.de: Das Viertelfinale gegen Frankreich hat deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt. Wie denken Sie heute über dieses historische Duell?

Knaak: Das war absoluter Wahnsinn. Was da alles passiert ist, kann man kaum in Worte fassen. Dieses eine Spiel könnte eine ganze Karriere füllen. Wir haben uns kürzlich im Team noch mal die Doku angeschaut. Da ist mir erst mal aufgefallen, wie viele Dinge dieses Duells ich verdrängt oder vergessen hatte.

DFB.de: Zum Beispiel?

Knaak: Die beiden Abseitstore der Französinnen. Es war einfach alles sehr viel. Bei anderen Momenten habe ich immer wieder Flashbacks - die Rote Karte gegen Kathy Hendrich zum Beispiel. Oder natürlich das Elfmeterschießen. Die grandiose Unterstützung unserer Fans. Auch die unfassbare Parade von Ann-Katrin Berger.

DFB.de: Wie haben Sie genau diesen Moment in der Verlängerung in Erinnerung?

Knaak: Das war ein Slow-Mo-Moment. Alles hat sich wie in Zeitlupe abgespielt. Ich habe wahrgenommen, dass der Ball von Janina Minge unglücklich verlängert wurde und sich hinter Ann-Katrin Berger dem Tor näherte. Ihr Arm wurde dann länger und länger. Irgendwie war mir klar, dass die den rausholt. Keine Ahnung, wie sie das gemacht hat. Aber sie hat es geschafft. Spätestens da war uns allen bewusst, dass wir dieses Spiel gewinnen werden. Wir standen dann nachts um zwölf Uhr auf dem Rasen und haben uns gefragt, was hier eigentlich gerade passiert ist.

DFB.de: Und drei Tage später sind Sie dann im Halbfinale gegen Spanien ins Tal der Tränen gestürzt.

Knaak: So ist leider der Fußball. Freud und Leid liegen manchmal sehr eng beisammen. Hinterher sind Tränen geflossen. Wir konnten uns in dem Moment unter den Gegebenheiten nichts vorwerfen. Wir alle hatten alles gegeben. Wirklich alle!

DFB.de: Mit Ihrem Auftreten haben Sie sich nicht nur in die Herzen der Deutschen gespielt. Sie haben viele junge Mädchen inspiriert, auch mit dem Fußball zu beginnen. Ist das am Ende vielleicht genauso wichtig wie Sieg oder Niederlage?

Knaak: Das ist ein schöner Nebeneffekt, der uns stolz macht. Aber wir hätten das Spiel gerne gewonnen. Wir haben vieles geschafft, aber das eben nicht. Aber klar: Wir wollen nicht nur als Fußballerinnen wahrgenommen werden, sondern auch als Persönlichkeiten. Wir stehen für Werte wie Ehrlichkeit, Leidenschaft und Disziplin. Aber wir wollen nicht nur die Kämpfermannschaft sein, die viele Hindernisse überwinden kann. Gerade nach der Europameisterschaft haben wir gezeigt, dass wir auch richtig guten Fußball spielen können. Daran wollen wir anknüpfen.

DFB.de: Die nächsten Höhepunkte sind die WM 2027 in Brasilien und die Heim-EURO 2029. Sind das auch Ihre persönlichen Ziele?

Knaak: Natürlich, darauf arbeiten wir jetzt gemeinsam hin. Im kommenden Jahr wollen wir die Qualifikation für die WM schaffen. Und dass wir 2029 eine EM im eigenen Land spielen können, ist unfassbar toll. Etwas Größeres gibt es nicht.

DFB.de: Bei allem, was in den vergangenen zwölf Monaten passiert ist, ist es kaum vorstellbar, dass Sie erst im Februar Ihr Debüt gefeiert haben. Wie fühlt es sich für Sie an?

Knaak: Für mich ist es immer noch und immer wieder eine große Ehre, bei der Nationalmannschaft dabei zu sein. Ich weiß nicht, ob sich das irgendwann mal verändert. Im Moment aber sicher nicht. Für mich fühlt es sich immer noch so an: "Okay, wow, ich bin wieder dabei." Es gibt noch immer Tage, an denen ich mich kneifen muss, um sicher zu gehen, dass das wirklich alles passiert ist. Mein Traum ist wahr geworden.

DFB.de: Nun stehen Weihnachten und der Jahreswechsel an. Wie ist Ihr persönlicher Plan?

Knaak: Nach unserem letzten Spiel mit ManCity fliege ich nach Hause, um die Zeit mit meinen Freunden und meiner Familie zu verbringen. Aber viel Zeit bleibt ja gar nicht. Anfang Januar geht es schon weiter. Ich freue mich darauf.

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Autor: sw