Männer-Nationalmannschaft

Qualispiele in Luxemburg: Nicht immer eine klare Sache

14.11.2025
Die Weltmeister siegen nur knapp: Klinsmann und Co. gewinnen 1990 in Luxemburg "nur" 3:2 Foto: imago

Zum achten Mal führt der Weg die deutsche Nationalmannschaft heute (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) ins kleine Luxemburg. Zumeist reiste sie ins Großherzogtum, um zu testen, aber zweimal wurde es durchaus ernst: Im ersten WM-Qualifikationsspiel überhaupt und zum Start in die EM-Qualifikation 1992 ging es um Punkte. Der Start brachte einen Rekordsieg, die Zweitauflage um ein Haar eine Blamage. DFB.de blickt auf beide Duelle zurück.

11. März 1934: Luxemburg – Deutschland 1:9

Der 11. März 1934 brachte eine doppelte Premiere und ein Jubiläum. Noch nie hatten Deutschlands Fußballer gegen das kleine Luxemburg gespielt, auch noch nie ein WM-Qualifikationsspiel bestritten - und es sollte zugleich das 100. DFB-Länderspiel sein. Im Nachhinein kam eine dritte Premiere hinzu: Nie war Deutschland und auch sonst kein Land der Welt schneller bei einer WM, denn es blieb das einzige Qualifikationsspiel.

Wie kam es dazu? Die Idee einer Fußball-WM war noch jung. Zur Premiere 1930 in Uruguay bekam die FIFA das Teilnehmerfeld von 16 Mannschaften nicht zusammen, so dass an Qualifikationsspiele niemand denken musste. Wer dabei sein wollte, war dabei - am Ende waren es 13 Teams. Vor allem, weil den Europäern der Weg über den Atlantik, damals noch per Schiff, zu weit war. 1934 in Italien aber bewarben sich schon 31 Mannschaften nebst Gastgeber, und so mussten erstmals Ausscheidungsspiele ausgetragen werden, um das Feld zu halbieren. Gelost aber wurde nicht, das Exekutivkomitee, in dem der spätere DFB-Präsident Peco Bauwens und sein Landsmann Yvo Schricker saßen, stellte Gruppen "unter Berücksichtigung der geographischen Lage der Länder" zusammen, wie der Presse zu entnehmen war. Das dauerte zehn Stunden, dann standen die zwölf Gruppen fest.

Das Ergebnis, das am 1. Juli 1933 publiziert wurde, kam einem Freilos für Deutschland gleich. Es war in einer von drei Dreiergruppen, in der sich zwei Teams qualifizierten. Mit Frankreich und eben Luxemburg. Ansonsten gab es acht Zweier- und eine Dreiergruppe, aus der nur ein Sieger ermittelt werden musste. Die Zusammensetzung von Gruppe 12 war schon ein großer Vorteil für das DFB-Team, der Modus der zweite. "Jede Gruppe kann das System, in dem die Ausscheidungsspiele ausgetragen werden können, selbst bestimmen", war der Deutschen Reichszeitung zu entnehmen.

Die Teilnehmer wählten den einfachsten Weg: Die beiden Großen spielten gegen den Kleinen und wenn sie den erwartungsgemäß schlügen, wäre ein von jeher brisantes Duell zwischen Deutschland und Frankreich "überflüssig", wie es das Fachblatt Fußball seinen Lesern erklärte. Zumal es keine Rückspiele geben würde, wie schon am 12. Juli 1933 bekannt wurde. Um den Luxemburgern diesen Modus schmackhaft zu machen, gaben ihnen beide Gegner gönnerhaft das Heimrecht, so dass zumindest zwei große Einnahmen zu erwarten waren. "Wir freuen uns aufrichtig, Fußballgrößen wie Buchloh, Haringer, Janes, Szepan usw. in Luxemburg am Werke zu sehen", schrieb ein Luxemburger Journalist im Fußball vom 6. März 1934.

Am 11. März 1934 füllten dann 18.000 Zuschauer das Stadion der Hauptstadt, die auch Luxemburg heißt, und sorgten dort für einen Zuschauerrekord. Darunter waren 5000 Deutsche, die den Weg über die Westgrenze des Reiches in Sonderzügen nahmen. Auch die Nationalspieler hatten eine kurze Anreise. Es spielte sozusagen eine verstärkte Düsseldorfer Auswahl. Fortuna Düsseldorf war der erste Meister im nationalsozialistischen Deutschland und stellte vier Spieler, aus dem Stadtteilklub VfL Benrath waren zwei dabei. Nur Bayern-Verteidiger Josef Haringer und der Nürnberger Richard Oehm gehörten keinem westdeutschen Verein an. Damals spielte oft nicht die beste Elf, sondern die mit der kürzesten Anreise. Jedenfalls, wenn man es sich leisten konnte. Am Sieg gegen Luxemburg, das allerdings zuvor Belgien 3:2 geschlagen hatte, bestanden keinerlei Zweifel, hatten die Deutschen doch die Belgier gerade erst 8:1 geschlagen - mit fast identischer Formation.

Am Spieltag regnete es in Strömen. "Der Platz war glatt und lehmig - wer kannte damals schon Rasen?", erzählte Benraths Karl Hohmann dem kicker 1969. Er war einer aus dem torhungrigen "Düsseldorfer Sturm", der an jenem Tag alle neun Tore erzielte. Josef Rasselnberg (Benrath) bekam mit vier Treffern den Löwenanteil, Klubkamerad Hohmann traf dreimal, für den Rest sorgten die Fortunen Ernst Albrecht und Willi Wigold. Was Kapitän Albrecht den anderen Schützen voraushatte: Er bekam vor der Seitenwahl von einem jungen Mädchen einen Blumenstrauß und zwei Küsse – "auf jede Wange einen, so Hohmann. "Noch nie hatten wir unseren Kapitän so verlegen gesehen!"

Nebst der Rekordeinnahme freuten sich die Luxemburger über ihren Ehrentreffer zum Stand von 1:3 durch Menzel (26.), aber schon beim 1:5 zur Pause hoffte keiner mehr auf ein Wunder. Die Luxemburger waren ansonsten so harmlos, dass der Fußball Torwart Buchloh nicht zu bewerten wusste. Mit dem damaligen Rekordsieg für ein Auswärtsspiel reisten die von Dr. Otto Nerz betreuten Deutschen wieder ab. 90 Minuten Schaulaufen im Regen reichten für die erste WM-Teilnahme, nie wieder wurde es so einfach. Die Franzosen folgten ihnen bald, vier Wochen später gewannen auch sie in Luxemburg - aber nur mit 6:1.

31. Oktober 1990: Luxemburg – Deutschland 2:3

Die Euphorie über den Triumph von Rom, als Deutschland zum dritten Mal Weltmeister geworden war, hatte sich allmählich gelegt. Neue Aufgaben warteten auf die Mannschaft, die weitgehend zusammengeblieben war und unter dem neuen Bundestrainer Berti Vogts in jede Partie als Favorit ging. In zwei Testspielen war sie ungeschlagen geblieben, ehe es am Reformationstag erstmals ernst wurde. Jedenfalls rein formal.

Die erste Dienstreise auf dem Weg zur EM 1992 führte nach Luxemburg. "Für viele ist das reine Formsache, hoffentlich nicht auch für die Spieler", mahnte kicker-Chefredakteur Karl-Heinz Heimann in seiner berühmten Kolumne "Scheinwerfer". Nur drei Spieler des Gastgebers waren Legionäre, Mittelstürmer Robby Langers vom OGC Nizza kannten auch deutsche Fans. Hatte er doch mal drei Bundesligaspiele für Borussia Mönchengladbach bestritten.

Vogts stellte neun Weltmeister auf, von Leichtsinn also keine Spur. Er forderte: "Wir müssen die Luxemburger von Anfang an total unter Druck setzen." Das Stadion war ausverkauft, was bedeutete: 9512 Zuschauer. "Es ist absolut zwecklos, ohne Eintrittskarte anzureisen", warnte DFB-Pressesprecher Wolfgang Niersbach. Vor dem Spiel gab es prompt Ausschreitungen durch deutsche Hooligans.

Wer es doch ins Stadion schaffte, sah ein unerwartet spannendes Spiel. Der Weltmeister schien zunächst alles zu kontrollieren und nutzte die erste Chance zum Tor. Nach 16 Minuten hechtete Jürgen Klinsmann in einen Volleyschuss von Thomas Häßler und traf per Kopf. Schon in dieser Phase gab es Widerstand der Gastgeber, Bodo Illgner musste einmal eingreifen, ehe Uwe Bein die Anzeige auf 2:0 (30.) stellte. Auf Vorlage von Rudi Völler fiel ihm das leicht, er traf aus drei Metern ins leere Tor. Damit ging es in die Pause, Vogts wechselte nicht. Daran war erst zu denken, als alles in trockenen Tüchern zu sein schien, wonach es sich nach 49 Minuten endgültig anfühlte. Nun hatte auch Rudi Völler sein Tor, auf Flanke von Andreas Brehme - 3:0.

Doch sieben Minuten später kamen die Luxemburger nach Fehler von Lothar Matthäus zum vermeintlichen Ehrentor, Jean-Paul Girres überlupfte Illgner (56.). Es war der Weckruf zum Zwergenaufstand, Robby Langers verlud Jürgen Kohler und verkürzte auf 2:3 (63.). Vogts brachte Knut Reinhardt für Uwe Bein und stärkte so die Defensive, es ging nur noch um die Punkte. Der Abpfiff wurde zur Erlösung. Im kicker hieß es: "Verkehrte Fußballwelt. In der Schlussphase war Deutschland um Schadensbegrenzung bemüht. Der knappe Erfolg war ein unerwartet schweres Stück Arbeit." 

Das sahen auch die Sieger selbst so. "Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen, weil sich die Luxemburger mit dem 2:3 zufrieden gegeben haben, statt alles auf eine Karte zu setzen", analysierte Torschütze Rudi Völler. Exoten, die Gnade walten lassen - eine ganz neue Erfahrung.

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Autor: um