Weltmeisterin Bettina Wiegmann wird 50: "Eine traumhafte Karriere"

Wer wissen möchte, wie man seine Fußballkarriere zum idealen Zeitpunkt beendet, kann getrost Bettina Wiegmann fragen. Die DFB-Ehrenspielführerin, die heute ihren 50. Geburtstag feiert, hat ihn jedenfalls erwischt: Am 12. Oktober 2003 trat sie in Carson/USA als Weltmeisterin von der Bühne, die ihre Welt bedeutete. Mit sechs Jahren kam sie zum Fußball, mit 32 hörte sie auf – aber nur als Aktive. "Alles in allem hatte ich eine traumhafte Karriere", hat sie auf FUSSBALL.DE vor einem Jahr gesagt und wer die Fakten sieht, kann schlecht zu einem anderen Urteil kommen. Weltmeisterin, vierfache Europameisterin, deutsche Meisterin, dreifache Pokalsiegerin – und mehr Länderspiele als Lothar Matthäus. Letzteres bedeutet bei den Frauen noch längst keinen Rekord, mit ihren 154 Einsätzen ist die gebürtige Euskirchenerin "nur" die Nummer fünf der DFB-Rangliste, ein Platz besser als nach Toren.

Ihr Talent fiel früh auf, als Kind und Jugendliche hatte sie bereits drei Vereinen gedient, ehe sie mit 16 zum damaligen Zweitligisten Grün-Weiß Brauweiler wechselte, dem sie 13 Jahre die Treue hielt. Noch als Zweitligaspielerin gab sie zwei Tage vor ihrem 18. Geburtstag unter Gero Bisanz in Straubing 1989 gegen die Ungarn ihr Länderspieldebüt. Nun ging sie los, die wilde Fahrt durch die Fußballwelt. Bis 2003 fuhren die DFB-Frauen zu keinem Turnier ohne die vielseitige Mittelfeldspielerin, die konnte, was man im Mittelfeld idealerweise können muss: stürmen und verteidigen. Weshalb sie zuweilen auch im Sturm spielte. Mit dem Toreschießen ließ sie sich etwas Zeit, das erste von 51 für Deutschland fiel im siebten Spiel – wieder standen die Ungarn Pate bei einer Wiegmann-Premiere.

Europameisterin mit 19

Bei ihrer ersten Turnierteilnahme kam sie gleich als Siegerin zurück nach Brauweiler, das es endlich in die Bundesliga geschafft hatte: in Dänemark wurde Wiegmann 1991 Europameisterin. Mit 19! Ihre Kapitänin war Silvia Neid, ihre Sturmpartnerin Heidi Mohr. Im Herbst 1991 ging es nach China zur ersten WM für Wiegmann, sie verpasste keine Minute in sechs Spielen und schoss drei Tore. Dieses Turnier endete jedoch mit einer kleinen Enttäuschung und dem vierten Platz.

Zwei Jahre später reichte es bei der EM in Italien wieder nur zum vierten Platz. An ihr lag es nicht, im verlorenen Elfmeterschießen gegen die Gastgeberinnen traf sie als erste vom Punkt. Am 31. März 1994 glückten ihr beim 12:0-Schützenfest gegen Wales erstmals drei Tore in einem Spiel, aber weit bedeutender war das eine im EM-Finale von Kaiserslautern gegen die Schwedinnen 1995 (3:2). Drei EM-Turniere, zwei Titel - die Quote ließ sich sehen. 

Im selben Jahr folgte noch eine WM. Im Halbfinale gegen China war es Wiegmann, die das einzige Tor schoss und die Deutschen nach den Sternen greifen ließ. Doch der Griff ging ins Leere, gegen Norwegen setzte es ein 0:2. Bei dieser WM in Schweden fehlte sie keine Minute und schoss wie 1991 drei Tore. 1996 reiste Wiegmann mit dem DFB-Tross erstmals zu Olympischen Spielen. Von Atlanta bekamen sie nicht viel zu sehen – Fußballer*innen-Los bei Olympia. Dazu hätten sie in den USA schon die Vorrunde überstehen müssen, was trotz zwei Wiegmann-Toren diesmal nicht glückte.

Fußballerin des Jahres 1997

1997 wurde sie doppelt und dreifach entschädigt, es war ihr größtes Jahr. Als Deutsche Meisterin stieß sie zum EM-Kader, Brauweiler war plötzlich eine Fußballmacht. Natürlich auch dank Wiegmann, die im Interview 2020 sinnierte: "Das war unsere glorreiche Zeit." Auch für die Nationalmannschaft, die in Norwegen den nächsten Titel holte. Im Halbfinale gegen die Schwedinnen warteten die Zuschauer*innen bis zur 84. Minute auf Tore. Dann passierte es: "Wiegmann hob die Deutschen ins Finale", titelte der kicker nach dem 1:0-Sieg. Von einem Kunstschuss schwärmten die Kritiker, sie selbst befand: "Ich habe zum Glück die Nerven behalten." In Oslo gab es ein 2:0 gegen Italien, Sandra Minnert und Birgit Prinz trafen für die Elf von Tina Theune – und wieder waren sie Europas Königinnen. Und die Fußballerin des Jahres 1997 kam diesmal aus Brauweiler!

Was der Generation Wiegmann noch fehlte, war der WM-Titel. Den gab es auch 1999 in den USA nicht, trotz drei Treffer der Brauweilerin in vier Spielen. Immerhin wurden sie gute Dritte, wie im Jahr darauf bei Olympia 2000 in Sydney. Nun lag auch eine Bronzemedaille in Wiegmanns Schatztruhe. Sie hatte wie gewohnt alle Partien von Beginn an gespielt und gleich zum Auftakt gegen die Gastgeberinnen (3:0) getroffen. Wiegmann fehlt nie und trifft immer – auf diese Formel lassen sich ihre Turnierteilnahmen bringen.

Darauf war auch bei der EM 2001 im eigenen Land Verlass. Sie endete glorreich mit dem Triumph von Ulm gegen den alten Widersacher Norwegen (1:0). Wiegmanns Bilanz: fünfmal 90 Minuten und zwei Tore. Doch etwas war anders: sie war plötzlich Legionärin, hatte Brauweiler, das Rheinland und Deutschland verlassen. Ihr neue Destination war Boston, wo sie sich bei den Breakers eine Profisaison gönnte, woran in Deutschland vor 20 Jahren nicht zu denken war. "Teil einer Profiliga zu sein, war damals ein sagenhaftes Erlebnis. Ich habe den Schritt nie bereut", sagte sie zwei Jahrzehnte später. Vielleicht doch ein kleines bisschen? Jedenfalls hatte sie 2001 keine Zeit zum Feiern und musste sofort zurück gen Boston fliegen. Los eines Profis!

WM-Titel als "Abschluss und Höhepunkt"

In den USA blieb sie nur ein Jahr. 2002 kehrte sie nach Brauweiler zurück, um ihre letzte Saison zu spielen. An deren Ende stand noch eine Weltmeisterschaft – ihre dritte. Es war die letzte Chance, das war ihr klar. Immerhin genoss sie Heimvorteil, die Endrunde fand in den USA statt und wie sie ausging, weiß jeder Fußballfan. Zu berühmt und immer noch präsent ist das Golden Goal von Nia Künzer im Finale gegen die Schwedinnen, an dem natürlich auch Wiegmann teilnahm – wie an allen sechs Spielen. Mit zwei Toren gegen Kanada und Argentinien trug sie zum ersten deutschen WM-Triumph der Frauen nicht unwesentlich bei. Nun, da es am schönsten war, konnte sie gehen. Als Weltmeisterin, als Rekordspielerin, als erste Frau, die Lothar Matthäus (150 Länderspiele) überholt hatte – ja, es war "für mich ein schöner Abschluss und Höhepunkt zugleich."

Wer dem Fußball so viel verdankt, gibt auch gerne etwas zurück. Und so erlebte Wiegmann noch viele Turniere mit dem DFB – nun als Trainerin. Seit September 2007 betreut sie die U 15-Mannschaft. Das alles neben ihrer Tätigkeit als Verbandstrainerin des Mittelrheins. Die Mädchen und jungen Damen schauen auf zu einer Persönlichkeit, die sich viel Ansehen erworben hat. Sie ist Trägerin des Silbernen Lorbeerblatts und des Verdienstordens des Landes Nordrhein-Westfalen. Auch gehört sie dem Kuratorium der Stiftung Jugendfußball an. Dem Fußball und seinen Werten auch nach dem letzten Abpfiff verbunden – da kann man nur gratulieren. Nicht nur zum runden Geburtstag.

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Wer wissen möchte, wie man seine Fußballkarriere zum idealen Zeitpunkt beendet, kann getrost Bettina Wiegmann fragen. Die DFB-Ehrenspielführerin, die heute ihren 50. Geburtstag feiert, hat ihn jedenfalls erwischt: Am 12. Oktober 2003 trat sie in Carson/USA als Weltmeisterin von der Bühne, die ihre Welt bedeutete. Mit sechs Jahren kam sie zum Fußball, mit 32 hörte sie auf – aber nur als Aktive. "Alles in allem hatte ich eine traumhafte Karriere", hat sie auf FUSSBALL.DE vor einem Jahr gesagt und wer die Fakten sieht, kann schlecht zu einem anderen Urteil kommen. Weltmeisterin, vierfache Europameisterin, deutsche Meisterin, dreifache Pokalsiegerin – und mehr Länderspiele als Lothar Matthäus. Letzteres bedeutet bei den Frauen noch längst keinen Rekord, mit ihren 154 Einsätzen ist die gebürtige Euskirchenerin "nur" die Nummer fünf der DFB-Rangliste, ein Platz besser als nach Toren.

Ihr Talent fiel früh auf, als Kind und Jugendliche hatte sie bereits drei Vereinen gedient, ehe sie mit 16 zum damaligen Zweitligisten Grün-Weiß Brauweiler wechselte, dem sie 13 Jahre die Treue hielt. Noch als Zweitligaspielerin gab sie zwei Tage vor ihrem 18. Geburtstag unter Gero Bisanz in Straubing 1989 gegen die Ungarn ihr Länderspieldebüt. Nun ging sie los, die wilde Fahrt durch die Fußballwelt. Bis 2003 fuhren die DFB-Frauen zu keinem Turnier ohne die vielseitige Mittelfeldspielerin, die konnte, was man im Mittelfeld idealerweise können muss: stürmen und verteidigen. Weshalb sie zuweilen auch im Sturm spielte. Mit dem Toreschießen ließ sie sich etwas Zeit, das erste von 51 für Deutschland fiel im siebten Spiel – wieder standen die Ungarn Pate bei einer Wiegmann-Premiere.

Europameisterin mit 19

Bei ihrer ersten Turnierteilnahme kam sie gleich als Siegerin zurück nach Brauweiler, das es endlich in die Bundesliga geschafft hatte: in Dänemark wurde Wiegmann 1991 Europameisterin. Mit 19! Ihre Kapitänin war Silvia Neid, ihre Sturmpartnerin Heidi Mohr. Im Herbst 1991 ging es nach China zur ersten WM für Wiegmann, sie verpasste keine Minute in sechs Spielen und schoss drei Tore. Dieses Turnier endete jedoch mit einer kleinen Enttäuschung und dem vierten Platz.

Zwei Jahre später reichte es bei der EM in Italien wieder nur zum vierten Platz. An ihr lag es nicht, im verlorenen Elfmeterschießen gegen die Gastgeberinnen traf sie als erste vom Punkt. Am 31. März 1994 glückten ihr beim 12:0-Schützenfest gegen Wales erstmals drei Tore in einem Spiel, aber weit bedeutender war das eine im EM-Finale von Kaiserslautern gegen die Schwedinnen 1995 (3:2). Drei EM-Turniere, zwei Titel - die Quote ließ sich sehen. 

Im selben Jahr folgte noch eine WM. Im Halbfinale gegen China war es Wiegmann, die das einzige Tor schoss und die Deutschen nach den Sternen greifen ließ. Doch der Griff ging ins Leere, gegen Norwegen setzte es ein 0:2. Bei dieser WM in Schweden fehlte sie keine Minute und schoss wie 1991 drei Tore. 1996 reiste Wiegmann mit dem DFB-Tross erstmals zu Olympischen Spielen. Von Atlanta bekamen sie nicht viel zu sehen – Fußballer*innen-Los bei Olympia. Dazu hätten sie in den USA schon die Vorrunde überstehen müssen, was trotz zwei Wiegmann-Toren diesmal nicht glückte.

Fußballerin des Jahres 1997

1997 wurde sie doppelt und dreifach entschädigt, es war ihr größtes Jahr. Als Deutsche Meisterin stieß sie zum EM-Kader, Brauweiler war plötzlich eine Fußballmacht. Natürlich auch dank Wiegmann, die im Interview 2020 sinnierte: "Das war unsere glorreiche Zeit." Auch für die Nationalmannschaft, die in Norwegen den nächsten Titel holte. Im Halbfinale gegen die Schwedinnen warteten die Zuschauer*innen bis zur 84. Minute auf Tore. Dann passierte es: "Wiegmann hob die Deutschen ins Finale", titelte der kicker nach dem 1:0-Sieg. Von einem Kunstschuss schwärmten die Kritiker, sie selbst befand: "Ich habe zum Glück die Nerven behalten." In Oslo gab es ein 2:0 gegen Italien, Sandra Minnert und Birgit Prinz trafen für die Elf von Tina Theune – und wieder waren sie Europas Königinnen. Und die Fußballerin des Jahres 1997 kam diesmal aus Brauweiler!

Was der Generation Wiegmann noch fehlte, war der WM-Titel. Den gab es auch 1999 in den USA nicht, trotz drei Treffer der Brauweilerin in vier Spielen. Immerhin wurden sie gute Dritte, wie im Jahr darauf bei Olympia 2000 in Sydney. Nun lag auch eine Bronzemedaille in Wiegmanns Schatztruhe. Sie hatte wie gewohnt alle Partien von Beginn an gespielt und gleich zum Auftakt gegen die Gastgeberinnen (3:0) getroffen. Wiegmann fehlt nie und trifft immer – auf diese Formel lassen sich ihre Turnierteilnahmen bringen.

Darauf war auch bei der EM 2001 im eigenen Land Verlass. Sie endete glorreich mit dem Triumph von Ulm gegen den alten Widersacher Norwegen (1:0). Wiegmanns Bilanz: fünfmal 90 Minuten und zwei Tore. Doch etwas war anders: sie war plötzlich Legionärin, hatte Brauweiler, das Rheinland und Deutschland verlassen. Ihr neue Destination war Boston, wo sie sich bei den Breakers eine Profisaison gönnte, woran in Deutschland vor 20 Jahren nicht zu denken war. "Teil einer Profiliga zu sein, war damals ein sagenhaftes Erlebnis. Ich habe den Schritt nie bereut", sagte sie zwei Jahrzehnte später. Vielleicht doch ein kleines bisschen? Jedenfalls hatte sie 2001 keine Zeit zum Feiern und musste sofort zurück gen Boston fliegen. Los eines Profis!

WM-Titel als "Abschluss und Höhepunkt"

In den USA blieb sie nur ein Jahr. 2002 kehrte sie nach Brauweiler zurück, um ihre letzte Saison zu spielen. An deren Ende stand noch eine Weltmeisterschaft – ihre dritte. Es war die letzte Chance, das war ihr klar. Immerhin genoss sie Heimvorteil, die Endrunde fand in den USA statt und wie sie ausging, weiß jeder Fußballfan. Zu berühmt und immer noch präsent ist das Golden Goal von Nia Künzer im Finale gegen die Schwedinnen, an dem natürlich auch Wiegmann teilnahm – wie an allen sechs Spielen. Mit zwei Toren gegen Kanada und Argentinien trug sie zum ersten deutschen WM-Triumph der Frauen nicht unwesentlich bei. Nun, da es am schönsten war, konnte sie gehen. Als Weltmeisterin, als Rekordspielerin, als erste Frau, die Lothar Matthäus (150 Länderspiele) überholt hatte – ja, es war "für mich ein schöner Abschluss und Höhepunkt zugleich."

Wer dem Fußball so viel verdankt, gibt auch gerne etwas zurück. Und so erlebte Wiegmann noch viele Turniere mit dem DFB – nun als Trainerin. Seit September 2007 betreut sie die U 15-Mannschaft. Das alles neben ihrer Tätigkeit als Verbandstrainerin des Mittelrheins. Die Mädchen und jungen Damen schauen auf zu einer Persönlichkeit, die sich viel Ansehen erworben hat. Sie ist Trägerin des Silbernen Lorbeerblatts und des Verdienstordens des Landes Nordrhein-Westfalen. Auch gehört sie dem Kuratorium der Stiftung Jugendfußball an. Dem Fußball und seinen Werten auch nach dem letzten Abpfiff verbunden – da kann man nur gratulieren. Nicht nur zum runden Geburtstag.

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