Gesicht der Wende und Einheit: Hans-Georg Moldenhauer wird 80

Jahrzehntelang stand er in der Öffentlichkeit, als Funktionär noch mehr als als Spieler. Die Öffentlichkeit sucht Dr. Hans-Georg Moldenhauer heute, da er seinen 80. Geburtstag feiert, nicht mehr. Selbst seine Heimatzeitung, die Magdeburger Volksstimme, hat kein Interview von ihm bekommen, aber immerhin erfahren, dass er seinen Jubeltag im kleinen Familienkreis feiern will. Die engste Familie, das sind seine Frau, zwei Kinder und drei Enkelkinder. Er soll, gar nicht hoch genug zu bewerten in diesen Zeiten, bei bester Gesundheit sein. DFB.de gratuliert zum runden Geburtstag.

Moldenhauer blickt auf ein erfülltes Leben zurück, auch dank des Fußballs. Der letzte Präsident des Fußballverbandes der DDR hat den meisten DFB-Präsidenten etwas voraus: Er hat selbst hochklassig gespielt. Nur A-Nationalspieler wurde er im Gegensatz zu Peco Bauwens (ein Spiel 1910) nicht, aber Moldenhauer bestritt sechs Juniorenländerspiele, nahm an Olympia teil (1964), spielte im Europapokal, gewann dreimal den Verbandspokal der DDR (FDGB-Pokal) und stand in 111 Oberligaspielen im Kasten seines 1. FC Magdeburg beziehungsweise dessen Vorläufers SC Aufbau Magdeburg.

"Mit Mut und gesundem Selbstvertrauen in die Vereinigung"

Er erlebte die erste große Zeit des Magdeburger Fußballs und spielte noch mit Jürgen Sparwasser zusammen, gemeinsam standen sie 1969 im Pokalfinale gegen Karl-Marx-Stadt (4:0). Die ganz große Zeit mit dem Europapokalsieg 1974 im Pokalsiegerwettbewerb verfolgte Moldenhauer nach seinem Karriereende 1971 mit 30 Jahren schon als Ex-Spieler und Fan, 1975 kam er als Torwarttrainer wieder in den Dienst seines Vereins, bei dem er bis heute Mitglied ist. Im FCM schlug der Diplomingenieur, der 1988 promovierte, als Vorstandsmitglied auch eine Funktionärskarriere ein.

Ab 1984 war Moldenhauer dann auch Vorsitzender des Bezirksfachausschusses Fußball in Magdeburg. Am 31. März 1990 wurde er in einer für die DDR gänzlich ungewöhnlichen Kampfabstimmung mit einer knappen Mehrheit von 143 zu 115 Stimmen letzter DFV-Präsident und zunächst in den Medien skeptisch als "Mann der Basis" begrüßt, dem der Rückhalt der Spitzenklubs zu fehlen schien.

Doch die Zeichen standen ja auf Aufbruch, und der damals 48 Jahre alte Doktor der Ingenieurwissenschaften schien ihn zu verkörpern. Bezeichnend seine Schlussworte auf dem letzten DFV-Bundestag am 20. November 1990: "Mit Mut und gesundem Selbstvertrauen gehen wir in die Vereinigung." Süffisant verwies er bei der Gelegenheit auf die positive Länderspielbilanz zwischen DDR und Bundesrepublik, die durch das berühmte Sparewasser-Tor bei der WM 1974 entstanden war.

Die Vollziehung der Fußballeinheit

Für die Fußballfans im Westen der Republik wurde er zu einem Gesicht der Wende und Einheit, denn das berühmteste Foto seines Lebens kennen alle, die die damalige Zeit mit wachem Bewusstsein verfolgten. Am 21. November 1990 reichten sich Hans-Georg Moldenhauer und DFB-Präsident Hermann Neuberger in Leipzig mit ausgestreckten Armen über ein Trabi-Dach hinweg symbolisch die Hände - die Fußballeinheit war vollzogen.

Noch Jahrzehnte später sprach Moldenhauer von "einer emotionalen Zeit". Ein Staat wurde abgewickelt, was bei aller Freude über die deutsche Einheit auch mit Sorgen verbunden war. Auch im Fußball. Moldenhauer vertrat die Interessen der DDR-Vereine, die am liebsten natürlich an ihren jeweiligen Status angeknüpft hätten. Doch nur zwei von 16 Oberligisten durften ab 1991 an der Bundesliga teilnehmen, in der 2. Bundesliga waren es sechs - und der Rest fiel zunächst ins Bodenlose, auch sein 1. FC Magdeburg.

Die neue Realität spiegelte eben sowohl die wirtschaftlichen als auch die sportlichen Verhältnis der Jahrzehnte der Teilung wider, der kapitalistische Westen war dem sozialistische Osten um Jahrzehnte enteilt. Nicht in jeder Hinsicht allerdings. Moldenhauer, zunächst Präsident des neugeschaffenen NOFV, hat gerne darauf verwiesen, dass "die Ausbildung in den DDR-Klubs schon gut gewesen sein muss". Das dachte er im Juli 1990, als er neben Franz Beckenbauer in Rom auf der Pressekonferenz war, als jener nach dem WM-Triumph die legendären Worte sagte, die Nationalmannschaft sei, "wo jetzt die Spieler der DDR noch dazu kommen, auf Jahre hinaus nicht zu besiegen." Nun, das kam nicht so.

"In der Wiedervereinigung hatte keiner Zeit"

Umso glatter lief es mit der Fußballeinheit. Moldenhauer berichtete dem DFB-Journal 2019 über die Gespräche mit Neuberger: "Ich wollte gleich, er noch zwei Jahre warten, aber in der Wiedervereinigung hatte keiner Zeit." Neuberger hatte sich auf Kanzler Helmut Kohl verlassen, der ihm versicherte, dass es ein geeintes Deutschland nicht vor Ende 1991 geben werde. Es kam dann doch ein Jahr früher.

Auch für Moldenhauer brachen neue Zeiten an, als Forschungsingenieur an der TU Otto von Guericke in Magdeburg wurde er nun weniger gebraucht denn als Retter des Ostfußballs. Er konzentrierte sich also auf seine Funktionärskarriere, war mit der Einheit Vorstandsmitglied des DFB und von 1994 bis 2004 einer der Vizepräsidenten. In seine Verantwortung fiel in jenen Tagen die Trainerausbildung und Talentförderung. Enttäuschungen gab es auch: Gerne hätte Moldenhauer das Sommermärchen 2006 oder die Frauen-WM 2011 auch nach Magdeburg geholt, aber die neue Arena wurde kein Spielort. Dafür sah Magdeburg bis 2015 den DFB-Hallencup.

Bis 2006 fungierte Moldenhauer auch als "Vize" im Deutschen Sportbund, denn er hatte nicht nur ein Herz für Fußballer, was auch sein langjähriges Engagement als Vorsitzender des Trägervereins des Bundesleistungszentrums in Kienbaum dokumentiert. Besonderes Vergnügen fand er angeblich in der von ihm initiierten Gründung des SV Oldies Magdeburg (1991), in dem er seiner Leidenschaft noch etliche Jahre nachging und sich an der Seite seiner Kumpels von einst fit hielt.

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Jahrzehntelang stand er in der Öffentlichkeit, als Funktionär noch mehr als als Spieler. Die Öffentlichkeit sucht Dr. Hans-Georg Moldenhauer heute, da er seinen 80. Geburtstag feiert, nicht mehr. Selbst seine Heimatzeitung, die Magdeburger Volksstimme, hat kein Interview von ihm bekommen, aber immerhin erfahren, dass er seinen Jubeltag im kleinen Familienkreis feiern will. Die engste Familie, das sind seine Frau, zwei Kinder und drei Enkelkinder. Er soll, gar nicht hoch genug zu bewerten in diesen Zeiten, bei bester Gesundheit sein. DFB.de gratuliert zum runden Geburtstag.

Moldenhauer blickt auf ein erfülltes Leben zurück, auch dank des Fußballs. Der letzte Präsident des Fußballverbandes der DDR hat den meisten DFB-Präsidenten etwas voraus: Er hat selbst hochklassig gespielt. Nur A-Nationalspieler wurde er im Gegensatz zu Peco Bauwens (ein Spiel 1910) nicht, aber Moldenhauer bestritt sechs Juniorenländerspiele, nahm an Olympia teil (1964), spielte im Europapokal, gewann dreimal den Verbandspokal der DDR (FDGB-Pokal) und stand in 111 Oberligaspielen im Kasten seines 1. FC Magdeburg beziehungsweise dessen Vorläufers SC Aufbau Magdeburg.

"Mit Mut und gesundem Selbstvertrauen in die Vereinigung"

Er erlebte die erste große Zeit des Magdeburger Fußballs und spielte noch mit Jürgen Sparwasser zusammen, gemeinsam standen sie 1969 im Pokalfinale gegen Karl-Marx-Stadt (4:0). Die ganz große Zeit mit dem Europapokalsieg 1974 im Pokalsiegerwettbewerb verfolgte Moldenhauer nach seinem Karriereende 1971 mit 30 Jahren schon als Ex-Spieler und Fan, 1975 kam er als Torwarttrainer wieder in den Dienst seines Vereins, bei dem er bis heute Mitglied ist. Im FCM schlug der Diplomingenieur, der 1988 promovierte, als Vorstandsmitglied auch eine Funktionärskarriere ein.

Ab 1984 war Moldenhauer dann auch Vorsitzender des Bezirksfachausschusses Fußball in Magdeburg. Am 31. März 1990 wurde er in einer für die DDR gänzlich ungewöhnlichen Kampfabstimmung mit einer knappen Mehrheit von 143 zu 115 Stimmen letzter DFV-Präsident und zunächst in den Medien skeptisch als "Mann der Basis" begrüßt, dem der Rückhalt der Spitzenklubs zu fehlen schien.

Doch die Zeichen standen ja auf Aufbruch, und der damals 48 Jahre alte Doktor der Ingenieurwissenschaften schien ihn zu verkörpern. Bezeichnend seine Schlussworte auf dem letzten DFV-Bundestag am 20. November 1990: "Mit Mut und gesundem Selbstvertrauen gehen wir in die Vereinigung." Süffisant verwies er bei der Gelegenheit auf die positive Länderspielbilanz zwischen DDR und Bundesrepublik, die durch das berühmte Sparewasser-Tor bei der WM 1974 entstanden war.

Die Vollziehung der Fußballeinheit

Für die Fußballfans im Westen der Republik wurde er zu einem Gesicht der Wende und Einheit, denn das berühmteste Foto seines Lebens kennen alle, die die damalige Zeit mit wachem Bewusstsein verfolgten. Am 21. November 1990 reichten sich Hans-Georg Moldenhauer und DFB-Präsident Hermann Neuberger in Leipzig mit ausgestreckten Armen über ein Trabi-Dach hinweg symbolisch die Hände - die Fußballeinheit war vollzogen.

Noch Jahrzehnte später sprach Moldenhauer von "einer emotionalen Zeit". Ein Staat wurde abgewickelt, was bei aller Freude über die deutsche Einheit auch mit Sorgen verbunden war. Auch im Fußball. Moldenhauer vertrat die Interessen der DDR-Vereine, die am liebsten natürlich an ihren jeweiligen Status angeknüpft hätten. Doch nur zwei von 16 Oberligisten durften ab 1991 an der Bundesliga teilnehmen, in der 2. Bundesliga waren es sechs - und der Rest fiel zunächst ins Bodenlose, auch sein 1. FC Magdeburg.

Die neue Realität spiegelte eben sowohl die wirtschaftlichen als auch die sportlichen Verhältnis der Jahrzehnte der Teilung wider, der kapitalistische Westen war dem sozialistische Osten um Jahrzehnte enteilt. Nicht in jeder Hinsicht allerdings. Moldenhauer, zunächst Präsident des neugeschaffenen NOFV, hat gerne darauf verwiesen, dass "die Ausbildung in den DDR-Klubs schon gut gewesen sein muss". Das dachte er im Juli 1990, als er neben Franz Beckenbauer in Rom auf der Pressekonferenz war, als jener nach dem WM-Triumph die legendären Worte sagte, die Nationalmannschaft sei, "wo jetzt die Spieler der DDR noch dazu kommen, auf Jahre hinaus nicht zu besiegen." Nun, das kam nicht so.

"In der Wiedervereinigung hatte keiner Zeit"

Umso glatter lief es mit der Fußballeinheit. Moldenhauer berichtete dem DFB-Journal 2019 über die Gespräche mit Neuberger: "Ich wollte gleich, er noch zwei Jahre warten, aber in der Wiedervereinigung hatte keiner Zeit." Neuberger hatte sich auf Kanzler Helmut Kohl verlassen, der ihm versicherte, dass es ein geeintes Deutschland nicht vor Ende 1991 geben werde. Es kam dann doch ein Jahr früher.

Auch für Moldenhauer brachen neue Zeiten an, als Forschungsingenieur an der TU Otto von Guericke in Magdeburg wurde er nun weniger gebraucht denn als Retter des Ostfußballs. Er konzentrierte sich also auf seine Funktionärskarriere, war mit der Einheit Vorstandsmitglied des DFB und von 1994 bis 2004 einer der Vizepräsidenten. In seine Verantwortung fiel in jenen Tagen die Trainerausbildung und Talentförderung. Enttäuschungen gab es auch: Gerne hätte Moldenhauer das Sommermärchen 2006 oder die Frauen-WM 2011 auch nach Magdeburg geholt, aber die neue Arena wurde kein Spielort. Dafür sah Magdeburg bis 2015 den DFB-Hallencup.

Bis 2006 fungierte Moldenhauer auch als "Vize" im Deutschen Sportbund, denn er hatte nicht nur ein Herz für Fußballer, was auch sein langjähriges Engagement als Vorsitzender des Trägervereins des Bundesleistungszentrums in Kienbaum dokumentiert. Besonderes Vergnügen fand er angeblich in der von ihm initiierten Gründung des SV Oldies Magdeburg (1991), in dem er seiner Leidenschaft noch etliche Jahre nachging und sich an der Seite seiner Kumpels von einst fit hielt.

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