DER DFB

BFC Germania Berlin: Der älteste deutsche Fußballverein

08.04.2025
Besuch in Berlin: "Willkommen beim BFC Germania 88 - Deutschlands ältestem Fußballverein" Foto: Imago

Am 24. Januar 2025 beging der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit einer feierlichen Gala an seinem Gründungsort Leipzig seinen 125. Geburtstag. In vielen Beiträgen und Reden wurde an die großen Erfolge des deutschen Fußballs und an dessen Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erinnert. Die Gäste sahen bewegende Bilder der Sternstunden bei Welt- und Europameisterschaften. Viele der noch lebenden Titelträger wohnten der Veranstaltung bei. So wurde die Verbindung von Tradition und Zukunft des deutschen Fußballs allen Beteiligten deutlich vor Augen geführt. In einer zehnteiligen Serie erinnert DFB.de an die Gründervereine des DFB. Heute im sechsten Teil: BFC Germania Berlin, der älteste deutsche Fußballverein.

Als die Gründerväter im Januar 1900 in Leipzig zusammensaßen, ragte ein Mann buchstäblich heraus. Georg Demmler war nicht nur auf allen Mannschaftsfotos von Germania 1888 Berlin der Größte. Der Kapitän des Vereins, der als ältester Deutschlands gilt, der dem Fußballspiel huldigte, hatte 1896 als Leichtathlet an Olympia in Athen teilgenommen und würde einige Monate später Deutscher Meister im Fußballweitstoßen werden. In Leipzig musste er sich den Vertretern des Verbands Deutscher Ballspielvereine (Berlin und Brandenburg) zumindest nicht vorstellen, den hatte er schon mitbegründet. Auch sonst kannten ihn viele Delegierte, schließlich vertrat der Hüne auch den ersten "Deutschen Meister".

"Deutsche Meisterschaft" nur für Berliner Klubs

Offiziell waren sie es natürlich nicht, denn beim Triumph der Germania 1891 spielte noch längst nicht ganz Deutschland um Titel. Das wilhelminische Berlin war Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur das Zentrum des Kaiserreichs, sondern auch der noch recht überschaubaren Fußballwelt. Der damals gerade gegründete "Bund Deutscher Fußballspieler" hatte noch zu wenige Mitglieder für eine Liga und richtete im Pokalmodus eine "Deutsche Meisterschaft" nur für Berliner Vereine aus, über die nicht viel mehr bekannt ist als dass Germania sie im Finale gegen die Victoria einfuhr.

Überliefert sind immerhin die Konditionen, unter denen die Partie am 14, Juni 1891 um 17 Uhr auf dem Tempelhofer Feld auszutragen war. Dazu wurde eigens ein Vertrag geschlossen. Wir lesen: "Der siegende Club gewinnt den Preis in Gestalt von elf silbernen Medaillen im Wert von 60 Mark und hat ein Drittel dieser Kosten (20 Mark) zu tragen, während die übrigen zwei Drittel (40 Mark) vom Verlierer zu bezahlen sind." Also auch die Sieger wurden zur Kasse gebeten…

Im Kader durften 13 Spieler stehen, die Halbzeit hatte zehn Minuten zu dauern. Der Ball war braun und eine mit Luft gefüllte Gummiblase, nicht jeder überstand damals ein Spiel. Die Mannschaft der Germania bestand überwiegend aus Gymnasiasten, am 15. April 1888 gegründet von den vier Brüdern Jestram, der Älteste, Paul, war 17 – und vorwiegend aus Deutschen, wie der Name schon erahnen lässt. Was dazu führte, dass sie bald auf Widerstand im liberaleren Bund Deutscher Fußballspieler stießen, den die Germanen deshalb im Februar 1892 verließen.

"Mehr freie Sonntage" gefordert

Es gab ja nicht nur einen Verband in Berlin. Als Vertreter des Deutschen Fußball und Cricket-Bunds gewannen sie 1892 erneut die "Deutsche Meisterschaft", die nun aber selbst in Berlin niemand mehr als solche anerkannte. Im Finale wurde der Meister des BDF, der "English FC", mit 3:1 geschlagen. In den folgenden Jahren lieferten sich die Germanen ein Dauerduell mit der Victoria, hinter der sie in der nun in Punktspielen ausgetragenen Berliner Meisterschaft nahezu regelmäßig als Zweite einliefen – bis es zum Bruch kam.

Im September 1897 stellten die streitbaren Germanen auf dem "Außerordentlichen Bundestag" im Restaurant Patzenhofer sieben Anträge, die alle abgelehnt wurden. Unter anderem wollten sie festgestellt wissen, dass die Schiedsrichter im jüngsten Spiel gegen die Victoria "als nicht regelkundig erklärt" werden sollten. Ferner forderten sie "mehr freie Sonntage für das Heranbilden des Nachwuchses und Ausruhen der Wettspieler". Nach Ablehnung ihrer Anträge mit 9:4 Stimmen verließen die Germanen Demmler und Fabian die Versammlung und eine Woche später den Verband.

"Staunen und Bedauern"

Sie trugen nun zwei Jahre lang nur "Gesellschaftsspiele" aus, dokumentiert sind Reisen nach Leipzig, Braunschweig und Prag. Denn wider Erwarten wurden die Rot-Schwarzen, die in ihren gestreiften Jerseys auf den Schwarz-Weiß-Fotos jener Tage an Matrosen erinnern, nicht gleich in den 1897 gegründeten Verband Deutscher Ballspielvereine aufgenommen.

Das sorgte durchaus für Unmut. In der Zeitschrift "Spiel und Sport" stand zu lesen: "Jedenfalls hat die Ablehnung Germanias auch in Verbandskreisen vielfach Staunen und Bedauern hervorgerufen", schließlich handele es sich um "einen der ältesten Berliner Fußballclubs, (der) ein Dezenium mit Ehren für den deutschen Fußballsport gestritten hat." Sie waren übrigens nicht der erste deutsche Fußballverein, schon 1885 gab es in Berlin einen, sind aber derjenige, der am längsten besteht.

Die Hintergründe der Ablehnung waren der vom passionierten Fußballhistoriker Udo Luy ausgewerteten Fachpresse (nachzulesen in "Fussball in Berlin", Band 1, 1883/84 – 1898/99) nicht zu entnehmen. Laut Wikipedia soll es an unzulässigen Doppelmitgliedschaften gelegen haben, denn viele Germanen gehörten damals auch Britannia 1892 an. Am 29. Oktober 1898 wurde Germania doch aufgenommen in den VDB. Allerdings zu spät, um in dem im Herbst beginnenden Ligabetrieb noch eingreifen zu können.

Prinz Wilhelm wird VIP-Fan

Doch 1899/1900 tauchen sie wieder in der Tabelle des VDB auf, auf Platz Vier. 1904 stiegen sie erstmals in die Zweitklassigkeit ab, doch die nächste Sternstunde nahte schon. Am 29. April 1905 erhielt Georg Demmler, längst Vorsitzender der Germanen, ein Telegramm aus dem Kaiserhaus. "Seine Kaiserliche Hoheit der Kronprinz wird zum heutigen Fußballwettkampf um 5:30 Uhr in Tempelhof eintreffen und bis 6 Uhr anwesend sein. Kronprinzliches Hofmarschallamt."

Prinz Wilhelm, der nie Kaiser wurde, hielt sich dann nicht an das Protokoll. Das Spiel gegen den englischen Amateurklub Civil Service London packte ihn so sehr, dass er in seiner durch Seile abgesperrten VIP-Loge stehend bis zum siegreichen Ende (3:2) blieb. Nun waren die Tempelhofer der Lieblingsklub des Kaiserhauses.

Nächster Höhepunkt: 1908 bei der Länderspielpremiere in Basel stellten sie mit Fritz Baumgarten den ersten deutschen Nationaltorwart, der ebenso eine Eintagsfliege blieb wie einige Wochen später sein Vereinskamerad Hans Schmidt. Die besten Zeiten waren eben schon im anlaufenden 20. Jahrhundert vorbei. Mit dem Kampf um die ab 1903 ausgespielte Victoria hatten die Alten Germanen nie etwas zu tun, es blieb bei ihrer Meisterschaft von 1891. Von 1905 bis 1909 waren sie wieder erstklassig, dann fuhr der Fahrstuhl wieder nach unten, 1911 ein vorletztes Mal hoch und gleich wieder runter. Im Ersten Weltkrieg fielen 44 Mitglieder und in der Spielzeit 1917/1918 waren sie letztmalig erstklassig im Berliner Fußball.

Tradition schafft Identifikation

Immer tiefer hinab ging es in der Zeit von Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. So tief, dass der Aufstieg 1953 in die Berliner Amateurliga, die damals zweithöchste Klasse, als bis heute letzter großer Erfolg gilt. Was blieb, ist eine erstklassige Geschichte und ein erstklassiger Beitrag zur Entwicklung des Fußballs in Berlin und darüber hinaus. So brachte der damalige DFB-Schatzmeister Egidius Braun zum 100-jährigen Bestehen der Germanen 1988 einen Scheck über 5000 Mark persönlich vorbei.

Als dann auch der DFB 100 Jahre alt wurde, berichtete die Berliner Morgenpost über den damaligen Bezirksligisten unter der Überschrift: "Am Anfang war Germania". Zitiert wurde darin der Vorsitzende Matthias Senger mit den Worten: "Für die meisten ist die Tradition des Vereins inzwischen nebensächlich." Weil sie keine Tore schießt, aber Identifikation schafft sie doch. Nicht umsonst werden Homepage-Besucher so begrüßt: "Willkommen beim BFC Germania 88 - Deutschlands ältestem Fußballverein".

Und wer den Sportplatz in Tempelhof besucht, befindet sich zwar in der Kreisliga B, aber auch auf dem Paul-Jestram-Platz. Seit 2019 ist das so, zu Ehren des Gründers – und der eigenen, gar nicht so nebensächlichen Geschichte.

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Autor: um