DFB-All-Stars
Von Szymaniak bis Thomas Müller: Diese deutschen All-Stars spielten in den US-Ligen

Thomas Müller hat die Bundesliga verlassen und setzt seine Karriere in Vancouver fort. Das liegt zwar in Kanada, aber die Mannschaften dort spielen mit den USA-Teams zusammen in der Major League Soccer (MLS), der Western Conference in seinem Fall. Müller, der mit den Vancouver Whitecaps gerade die Canadian Championship gewonnen hat, ging damit den Weg, den schon viele Ex-Nationalspieler vor ihm gingen. Allein mit der Nennung von Welt- und Europameistern könnte man beinahe eine Elf aufstellen.
Ihr Pionier war Horst Szymaniak (WM-Teilnehmer 1958 und 1962), der 1967 für die Chicago Spurs spielte, zwölfmal in einer "wilden Liga", die die Fifa nicht anerkannte. Der richtige Boom begann in den Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts, als die Amerikaner den Fußball quasi erst zu entdecken begannen. Die North American Soccer League (NASL) wurde erst 1968 gegründet, Profibedingungen gab es erst seit 1974.
Zogen zunächst nur B-Promis wie der Verteidiger von Tasmania Berlin, Herbert Finken, oder TeBe-Torwart Hubert Birkenmaier am Abend ihrer Karriere über den großen Teich, setzte die NASL dank potenter Sponsoren zunehmend auf Weltstars, wenn sie auch nicht mehr die Jüngsten waren. Bei Cosmos New York tummelten sich schon ein Pelé und ein Carlos Alberto, beide Weltmeister mit Brasilien, als Ende Mai 1977 der erste Deutsche eintraf: Franz Beckenbauer. Mit dem Kaiser begann der USA-Boom für deutsche Nationalspieler so richtig. Ihm folgten viele weitere – auch einige Nationalspielerinnen. Und sie alle mussten sich daran gewöhnen, dass vieles anders war. Spiele auf Kunstrasen mit Abseitslinie, Cheerleader, eine Saison von März bis September, lange Flüge und Verlängerung bei Unentschieden, zur Not bis zum Penaltyschießen.
Männer
Franz Beckenbauer spielte von 1977 bis 1980 bei Cosmos New York, das für ihn 1,75 Millionen DM an Bayern München zahlte. Wovon der Kaiser 350.000 selbst übernahm, um das Gezerre zu beenden. Er wurde bei Cosmos wie ein Messias empfangen und auf Anhieb Meister, insgesamt dreimal (1977, 1978, 1980), ehe er für eineinhalb Jahre nach Deutschland zurückkehrte (zum HSV). 1983 ließ er seine Karriere dann bei Cosmos ausklingen, für letzte 25 Spiele und zwei Tore.
Gerd Müller: 1979 folgte "der Bomber" seinem langjährigen Doppelpass- und Zimmerpartner bei Bayern und in der Nationalelf in die NASL. Allerdings heuerte er in Florida bei den Fort Lauderdale Strikers an. Für zweieinhalb Jahre und mehr Geld, als er bei Bayern je verdient hat. In seiner ersten Saison erzielte er in 27 Spielen 19 Tore, in seiner zweiten hieß die Bilanz 36/16. Müllers erste Eindrücke: "Die Amerikaner kämpfen und rennen und spielen auch nicht schlecht. Die Zuschauerpfeifen nicht, wenn etwas schief geht." Weil es eben doch nicht so wichtig ist, dieses Soccer, wie die Amerikaner bis heute zum Fußball sagen.
1980 trifft Müller Beckenbauer auf dem Platz wieder, im Finale um die Meisterschaft gewinnt der Kaiser mit Cosmos 3:0. Platz zwei ist der Höhepunkt seiner US-Zeit, der Tiefpunkt folgt sogleich für den da schon 35-jährigen. 1981 stellt ihn ausgerechnet der neue deutsche Trainer Eckhard Krautzun wegen Müllers nachlassender Fitness nicht mehr regelmäßig auf, was dem wegen seiner Flugangst sogar gar nicht so unrecht ist. Am 11. August 1981 spielt der Bomber letztmals für Fort Lauderdale, wechselt zum Amateurklub Smith Brothers Lounge und schießt dort seine letzten Tore – 33 in 42 Spielen.
Klaus Toppmöller: Der Bundesligarekordtorschütze des 1. FC Kaiserslautern musste seine Karriere kurz nach seinem dritten Länderspiel wegen Knieschmerzen 1979 beenden. Eigentlich. Doch für die NASL schien es noch zu reichen, jedenfalls nahm er 1980 ein Angebot von Dallas Tornado an, wo er in 31 Spielen siebenmal traf. Beide Seiten hatten sich mehr erhofft, er wechselte zu den Calgary Boomers, für die er aber wegen besagter Beschwerden keine Sekunde spielte.
Helmut Kremers: Der Ex-Schalker, als Reservist 1974 Weltmeister, war der erste Nationalspieler mit einem Klub in Kanada. Libero Kremers schloss sich 1981 als einer von acht Deutschen den gerade von einem Unternehmer gegründeten Calgary Boomers an und kam auf 31 Einsätze (drei Tore). Nach der Saison wurde der Verein plötzlich wieder aufgelöst. Vor der Rückkehr gönnte sich Kremers deshalb 1981/82 noch etwas Hallenfußball mit den Memphis Academics.
Bernd Hölzenbein: Im Mai 1981 verabschiedet sich der Frankfurter mit dem Gewinn des DFB-Pokals aus Deutschland und wechselt zu Fort Lauderdale Strikers, wo Müller gerade seine letzten Tage zählt. Vier Monate sind die Weltmeister von 1974 noch Teamkollegen. "Holz" wohnt direkt am Strand und gesteht: "Ohne Krautzun wäre ich nicht in die USA gegangen." In dem Punkt spielt er nicht Doppelpass mit Müller. Hölzenbein hat Probleme mit der Hitze, Muskelverletzungen und der Integration in eine Söldnertruppe: "Die meisten im Team waren Egoisten. Für uns Deutsche war das sehr komisch und ungewohnt, hatte nichts mit Teamgeist und deutschen Tugenden zu tun."
Zwei Jahre hielt es der Außenstürmer dort aus (46 Spiele, zehn Tore), dann wechselte er nach Memphis und endete 1985 beim Hallenfußballteam der Baltimore Blasts. Dann ging es wieder heim. Mit dem Abbruch des Profifußballexperiments 1984, der letzten NASL-Saison, endete auch der Soccer-Boom vorläufig. Für Altstars waren nun andere Länder interessanter. Fast 15 Jahre lang…
Lothar Matthäus: Im März 2000 bestritt der deutsche Rekordnationalspieler und Weltmeister von 1990 sein letztes Bundesligaspiel für die Bayern und wechselte mit 39 Jahren zu den New York Metro Stars. Die höchste Spielklasse, 1995 gegründet, hieß nun Major League Soccer (MLS). Dort spielte er nur neun Monate und 16mal (ohne Tor), avancierte aber durch seine Einsätze bei der EM 2000 zum ersten Deutschen, der als US-Legionär Länderspiele bestritt. Mit den Metro Stars erreichte er die Play off-Spiele um die Meisterschaft.
Torsten Frings: Von 2011 bis 2013 spielte der Vizeweltmeister von 2002 in Kanada, bei Toronto FC. Er avancierte zum Publikumsliebling und Kapitän. 2012 wurde er mit Toronto kanadischer Meister, der Titel wurde neben dem MLS-Betrieb in einem Miniturnier ausgespielt. In der MLS kam der „Lutscher“ auf 33 Einsätze und zwei Tore, ehe er 36-jährig verletzungsbedingt die Zelte wieder abbrach und die Karriere beenden musste.
Arne Friedrich: Sein Reisebericht ist eine Kurzgeschichte. Der Ex-Herthaner (82 Länderspiele) heuerte mit 32 im März 2012 bei Chicago Fire an und kam in 24 Spielen zum Einsatz. Im Juni 2013 musste er seinen Vertrag vorzeitig kündigen wegen anhaltender Rückenbeschwerden.
Bastian Schweinsteiger: Der Weltmeister von 2014 verließ München ein Jahr später und heuerte nach seinem Gastspiel bei Manchester United in der MLS bei Chicago Fire an. Titel gewann er keine in drei Jahren, gewann aber die Erkenntnis, dass der gelernte Stürmer und langjährige Mittelfeldspieler auch einen guten Innenverteidiger abgab. Immerhin waren ihm in 85 Einsätzen auch acht Tore vergönnt. Für Schweinsteiger hat es sich die Erfahrung USA gelohnt, aus vielen Gründen.
"Die schönsten Jahre als Fußballer hatte ich in Chicago. Die erfolgreichsten in München", hat er mal gesagt und dies so begründet: "Es war nicht nur der Fußball, es war der Mix. Die Umgebung, die Familie. Du konntest dich ein bisschen freier bewegen. Du warst nicht so unter Beobachtung. Die Mitspieler waren nicht so gut, die Kabinen waren nicht so schön wie in bei Bayern oder Manchester United. Aber das hat dich wieder auf den Boden gebracht, wenn die Mitspieler keinen Ferrari fahren. Das hat mir unglaublich Spaß gemacht, damals dabei zu sein und zu helfen."
Marco Reus: 2024 wechselte der Dribbelkönig aus Dortmund nach Los Angeles und wiederholte das bisher nur vom Kaiser vollbrachte Kunststück: Meister auf Anhieb. Im Finale gegen die New York Red Bulls wurde der 48malige Nationalspieler eingewechselt und konnte so endlich die erste Meisterschaft seiner Karriere feiern. In dieser Saison ist das kaum noch möglich, sein bis 2026 laufender Vertrag bietet ihm aber noch eine weitere Titeloption.
Frauen
Nadine Angerer: Die Doppelweltmeisterin (2003, 2007) bestritt die letzten 15 ihrer 146 Länderspiele als Vertreterin von Portland Thorns. Dort stand sie 2014 und 2015 zwischen den Pfosten und erreichte einmal das Halbfinale. Bis 2023 war sie dort auch Torwarttrainerin.
Doris Fitschen: Die viermalige Europameisterin (144 Länderspiele) beendete ihre Karriere 2001 bei Philadelphia Charge. "Doris im Wunderland", titelte der Spiegel damals. Als Spielführerin von Philadelphia Charge schoss sie das erste Tor in der Geschichte der Profiliga WUSA. Diesen weiteren historischen Moment ihrer Karriere kommentierte sie in der ihr eigenen Bescheidenheit. "Ich werde mich immer an dieses Tor erinnern; aber hauptsächlich daran, wie ich es geschossen habe. Es war einer meiner schlechtesten Elfmeter, aber manchmal braucht man eben auch ein wenig Glück", sagte Fitschen. Wegen eines Handbruchs war sie allerdings lediglich 13 Mal in charge und musste dann ihre Karriere beenden. Wie einzigartig und gut sie war, zeigt eindrucksvoll diese Auszeichnung: Trotz der geringen Anzahl an Spielen wurde sie zur besten Spielerin der Saison gewählt.
Maren Meinert schoss ihre letzten Tore für die Boston Breakers (2001-03), zu denen sie gemeinsam mit Bettina Wiegmann wechselte. In ihrem Gastland wurde sie 2003 Weltmeisterin, im selben Jahr stellte sie einen Ligarekord auf (81 Scorerpunkte).
Sandra Minnert: Die 147malige Nationalspielerin gab 2003 ein kurzes Gastspiel für Washington Freedom, wo Steffi Jones (111 Länderspiele) schon auf sie wartete. Jones zog sich bei der WM 2003 einen Kreuzbandriss zu und spielte deshalb nicht mehr für Washington.
Conny Pohlers: 2003 ließ sich Conny Pohlers von Potsdam zu Atlanta Beat ausleihen und wagte zehn Jahre später noch mal den Sprung in die WUSA. Für Washington Spirit kam sie auf 13 Einsätze und ein Tor, kehrte dann wie geplant nach Wolfsburg zurück.
Birgit Prinz: Bereits im Alter von 25 Jahren wechselte Birgit Prinz vom FSV Frankfurt zu Carolina Courage, wo sie in der Saison 2002 ihren Torriecher unter Beweis stellte: In 15 Spielen markierte sie zwölf Tore. Das kurze Gastspiel endete mit einer optimalen Ausbeute: Meisterschaft gewonnen und zur wertvollsten Spielerin der Saison gewählt.
Sonja Fuss und Inka Grings: Am 16. März 2013 unterschrieb Sonja Fuss, gemeinsam mit Inka Grings, einen ab 20. Mai 2013 gültigen Vertrag mit den Chicago Red Stars. Dort absolvierte sie in der Saison 2013 16 Ligaspiele und erzielte zwei Elfmetertore. Inka Grings erzielte drei Tore in 16 Spielen.
Almuth Schult: Die Europameisterin von 2013 (66 Länderspiele) stand 2022 nur für ein Spiel im Kasten von Angel City FC (Los Angeles), besser lief es zwei Jahre später bei Kansas City Current (elf Einsätze).
Bettina Wiegmann: 19 ihrer 154 Länderspiele bestritt Bettina Wiegmann als Aktive der Boston Breakers, für die sie in den Jahren 2001 und 2002 dem Ball nachjagte. Mehr als 10.000 Zuschauer strömten damals zu den Heimspielen. Es war eine schöne Zeit. Die Unterschiede zum Fußball in Deutschland? "Die Spielerinnen sind schnell und athletisch und spielen viele lange Bälle", sagt Wiegmann, "in Deutschland ist der Frauenfußball aber attraktiver, Technik und direkte Pässe stehen im Vordergrund."
Felicitas Rauch: Seit Januar 2024 spielt Felicitas Rauch in Amerika. Schnell war sie begeistert von ihrem neuen Umfeld bei North Carolina Courage: "Alles ist größer in den USA. Die Stadien sind größer, der Support. Wie Sport generell gefeiert wird, ist riesig und es macht einfach sehr viel Spaß, hier zu spielen, aber sich natürlich auch weiterzuentwickeln." Erstens als Spielerin. Einen der Vorzüge sieht sie darin, dass sie Woche für Woche auf Top-Niveau gefordert wird und die eigenen Grenzen dehnen muss. Sie sagt: "Es gibt keine leichten Spiele. Natürlich auch durch die Physis der Liga, wo ich mit 27, 28 noch mal eine Schippe drauflegen möchte." Und zweitens als Mensch: "Ich möchte persönlich reifen in einem neuen Land, auf einem neuen Kontinent, da wirklich neue Erfahrungen sammeln und die mit nach Deutschland bringen."
Ann-Katrin Berger: Die deutsche Nummer eins wird bei Gotham FC, einem Franchise aus Harrison, New Jersey, die "Brick-Wall", die Ziegelsteinwand genannt. Und das nicht ohne Grund. An Berger, die seit 2024 in den USA spielt, ist kaum ein Vorbeikommen, schon nach ihrer ersten Saison in den USA wurde sie nach lediglich 16 Gegentoren in 22 Spielen zur Torhüterin des Jahres gekürt. Vieles am Leben und Arbeiten in den USA gefällt ihr, auch, dass die Spiele ihres Teams fast immer vor großem Publikum stattfinden. "Es macht richtig Spaß, vor so vielen Zuschauern zu spielen", sagt sie. Ihr Vertrag bei Gotham läuft noch bis 2026, danach ist eine Rückkehr nach Deutschland im Hinterkopf. "Ich sage niemals nie. Es wäre schön, am Ende meiner Karriere noch mal in Deutschland zu spielen und in der Nähe meiner Familie zu sein."
Die nächste, die im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Geschichte schreiben will, ist Kathy Hendrich (86 A-Länderspiele), die jetzt bei den Chicago Red Stars einen Vertrag unterschrieb.
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Autor: um

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