DFB-Pokal

Von "Ente" bis "Kobra": Sturmlegenden bei RWE und BVB

18.08.2025
Bei RWE und BVB aktiv: Willi "Ente" Lippens (v.) und Manfred Burgsmüller Foto: IMAGO

Eine besondere Paarung der ersten DFB-Pokalrunde steigt am heutigen Montagabend (ab 20.45 Uhr, live in der ARD und bei Sky). Dann treffen Rot-Weiß Essen und Borussia Dortmund aufeinander. Rein sportlich trennen sie zwei Ligen, was im Fußball Welten sind, über die nur der Pokal Stege baut. Geographisch liegen sie dicht beieinander, 36 Minuten braucht man über die A 40, mit dem Nahverkehr sind es 20 von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof. Und diese Kurzreise traten vor einem halben Jahrhundert Tausende Fans beider Lager an, denn RWE und der BVB waren auch mal Klassenkameraden, 1977 stieg das letzte Bundesligaspiel zwischen beiden Klubs. Epische Schlachten lieferten sich die Meister der Jahre 1955 bis 1957 auch in der alten Oberliga West. Es war also mal ein prickelndes Revierderby, von dem heute nur noch wenige sprechen beziehungsweise etwas wissen.

Die Brisanz ergab sich auch durch die vielen persönlichen Kontakte, es mangelt nicht an prominenten Namen, die sich auf den Einsatzlisten beider Vereine finden. Darunter waren auffällig viele Torjäger, die alle in Essen anfingen und später nach Dortmund gingen. Lebten sie alle noch, müsste das Platzangebot im Ehrengastbereich des Stadions an der Hafenstraße erweitert werden. Wer prägte die buchstäblich stürmische Beziehung zwischen RWE und BVB?

"Ente" und "Burgsknüller"

Willi Lippens: Der Niederländer, der im November 80 wird, spielte nur für zwei Klubs: RWE und den BVB. Den Dribbler, den sie wegen seines Watschelgangs "Ente" riefen, wurde in Essen Kult, wo er von 1965 bis 1976 in Punktspielen der ersten beiden Ligen 185 Tore erzielte. Schon 1972 baute er dort ein Haus trotz lockender Angebote, aber er fand: "Wenn ich gehe, bin ich doch nicht für immer fort." Aber so schnell ging er nicht, es ging ihm ja viel zu gut bei RWE. "In den hohen Zeiten sind mir die Leute auf der Kettwiger Straße nachgelaufen und wollten mit mir reden. Das hat mich nicht gestört, das habe ich genossen", sagte er noch 2019. Nicht wenige sagen, dass sein Wechsel zur Borussia 1976 entscheidend für Essens Bundesligaabstieg war. Beim BVB, nach vier Jahren 2. Liga ins Oberhaus zurückgekehrt, kam er in drei Jahren auf 70 Spiele (13 Tore), verlor aber am Ende seinen Stammplatz. Also kehrte er 1979 zu RWE zurück und schoss noch mal 23 Zweitligatreffer in zwei Jahren. Mit 35 beendete er seine Profikarriere – als Publikumsliebling.

Manfred Burgsmüller: In Essen geboren, machte der spätere Nationalspieler (drei A-Einsätze) ab 1968 seine ersten Profischritte folgerichtig bei RWE, 1970/1971 durfte er mit 21 zweimal in die Bundesliga reinschnuppern. Er wollte mehr und ging nach Uerdingen, wo er in drei Jahren 80 Regionalligatore erzielte. Die halbe Bundesliga riss sich prompt um ihn, allen voran Borussia Mönchengladbach. Doch Manni kehrte "aus privaten Gründen" zu RWE zurück und setzte die Torproduktion nun im Oberhaus fort – 32 Tore von 1974 bis 1976. Eine Lokalzeitung musste Abbitte leisten: "Einst nannten wir ihn Murksmüller, nun müssen wir ihn hochachtungsvoll in Burgsknüller umtaufen." Zum Knüller wurde er ab 1976 in Dortmund, wo er in sieben Jahren 135 Bundesligatore erzielte – Rekordtorschütze bis heute. Das Schlitzohr mit den wehenden blonden Haaren wurde Kult, nicht nur in Dortmund. Noch mit 40 jagte er in Bremen, wo er 1988 zum einzigen Mal Deutscher Meister wurde, dem Ball nach.

Schlitzohr "Fränkie"

Frank Mill: Der kürzlich verstorbene Frank "Fränkie" Mill begann seine Karriere bei RWE im Jahr eins nach Burgsmüller und Lippens und stand 1976/1977 im letzten Essener Bundesligakader. Als Teenager schoss er die drei ersten von 123 Bundesligatoren für RWE. Er ging mit in die 2. Bundesliga und verfehlte 1980/1981 den Torrekord seines einstigen Mitspielers Horst Hrubesch (42) nur um zwei Treffer. Der geschmeidige Kicker war ein Strafraumstürmer, der trotz seiner Größe (1,76) jedes zweite Tor mit dem Kopf erzielt haben soll. So einer blieb den Bundesligaspähern nicht verborgen und er landete nach fünf Mönchengladbacher Jahren 1986 bei der anderen Borussia der Bundesliga.

Sein Debüt für den BVB war legendär, als er in München unbedrängt den Ball an den Pfosten des Bayern-Kasten schoss. Daran wurde nach seinem Tod vor wenigen Wochen über Gebühr erinnert, der Karriere des 17-maligen Nationalspielers wurde das allerdings nicht gerecht. Die Torproduktion ließ zwar im Laufe seiner acht BVB-Jahre bis 1994 nach und am Ende war er nur ein Joker, doch gefährlich blieb Fränkie immer. Wie Lippens und Burgsmüller gehörte auch Mill in die Kategorie Schlitzohr und köpfte schon mal Torhütern den Ball beim Abschlag aus der Hand. In seine BVB-Zeit fielen die Karrierehöhepunkte: 1988 EM-Teilnahme, 1989 DFB-Pokalsieger (ein Tor im Finale), 1990 Weltmeister in Italien – zwar ohne Einsatz, aber von Teamchef Franz Beckenbauer als "Kapitän der Reserve" geadelt.

Der "Lange" und die "Kobra"

Horst Hrubesch: Dass "der Lange" in dieser Reihe auftaucht, mögen viele nicht mehr auf dem Schirm haben. Als HSV-Spieler hat ihn alle Welt in Erinnerung, dreimaliger Meister und 1983 Gewinner des Landesmeister-Pokals. Doch eingerahmt wurde die große Zeit des Europameisters von 1980 (21 Länderspiele) von seinen Stationen bei den beiden Revierklubs. Erst mit 24 debütierte er für RWE in der Bundesliga und erwarb sich einen Ruf als "Kopfballungeheuer". Zu 38 Treffern in zwei Spielzeiten kamen nach dem Abstieg bis dato im Unterhaus unerreichte 42 in der Saison 1977/1978. So kam er zum HSV, den er 1983 Richtung Belgien verließ. Doch 1985 war er plötzlich wieder da: Mit 34 heuerte er beim BVB an, Trainer Pal Csernai machte ihn zum Spielführer. Hrubesch war allerdings über seinem Zenit, spiele nur 17-mal und nur zweimal erschien sein Name noch auf der Anzeigetafel. Hrubesch war der einzige Torjäger, der aus Essen kam und in Dortmund hinter den Erwartungen blieb. Aber die waren womöglich auch überzogen. Eine Leistenoperation zwang ihn schließlich zum Aufhören.

Jürgen Wegmann: Wenn BVB-Fans die drei wichtigsten Tore der Vereinsgeschichte aufzählen müssen, dürfte der Name von "Kobra" Wegmann wohl immer fallen. Am 19. Mai 1986 rettete der klassische Mittelstürmer, auch er ein Schlitzohr, die Dortmunder mit seinem Abstaubertor in der Relegation gegen Fortuna Köln vor dem Abstieg. Sonst wäre der Verein kaum den Weg gegangen, der ihn zu fünf Meisterschaften und in drei Champions League-Finals führte. Da sind sich die Experten einig. Bis dahin war Wegmann zur persona non grata beim eingefleischten Anhang geworden, weil er seinen bevorstehenden Wechsel zu Erzrivale Schalke allzu euphorisch begründet und verkündet hatte.

Zweieinhalb Jahre hatte Wegmann für den BVB gespielt, das Toreschießen hatte auch er in Essen gelernt. Dort spielte er von 1981 bis 1983 als Teenager in der 2. Liga (32 Tore) und dort beendete er 1993 auch seine Karriere nach einer regelrechten Odyssee (acht Stationen). Auch nach Dortmund kehrte er nach seiner Bayern-Zeit 1989 zurück, doch war ihm der Torriecher unterwegs abhanden gekommen. Den Moment, als die Kobra in der Stunde der größten Not zubiss, haben sie in Dortmund aber nie vergessen. Auch dieser Essener Junge prägte die stürmische Beziehung der Revierklubs.

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Autor: um