Männer-Nationalmannschaft
Immer ein Sieger bei Deutschland gegen Slowakei

In der WM-Qualifikation trifft Deutschland heute Abend (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) auf die Slowakei. Zum zwölften Mal steht diese Paarung auf dem Terminplan, zum vierten Mal geht es um Punkte. Unentschieden fehlen in der Geschichte dieses Duells mit acht deutschen Siegen und drei Niederlagen, in dem es auffällig oft historisch wurde.
Bratislava, 27. August 1939: Slowakei – Deutschland 2:0
Der Beginn war in mehrfacher Hinsicht merkwürdig. Für die Slowaken war es das allererste Länderspiel überhaupt. Nach der von Hitler-Deutschland erzwungenen Zerschlagung der Tschechoslowakei 1938 hatte sich die Slowakei im Folgejahr gegründet. Der kicker schrieb damals in seinem Vorbericht: "Es verstand sich von selbst, dass die Slowaken zum ersten Länderkampf ihre Befreier einluden."
Es verpflichtete sie jedoch nicht, ihre "Befreier" auch siegen zu lassen. Für das 0:2 waren durchaus mildernde Umstände anzuführen. Am 27. August 1939 sollten gleich zwei Länderspiele stattfinden - was damals nicht unüblich war. Die erste Vertretung hatte sich in Berlin eingefunden, um nach Stockholm zu fliegen. Zeitgleich traf sich die nahezu nur aus Wienern bestehende Auswahl in Bratislava. Die vom NS-Fachamt Fußball gewünschte Verschmelzung von "Altreich" und "Ostmark" hatte 1938 zum frühen WM-Aus geführt, Trainer Sepp Herberger hielt die unterschiedlichen Fußballergruppen nun lieber auseinander. Bratislava war ein Fall für die Österreicher, sie kamen am Vortag per Dampfer die Donau herauf gefahren, im Grunde war es eine Wiener Stadt-Auswahl. „Was Deutschland in den Kampf schickte, war ohnehin keine Mannschaft, sondern eine Zusammenstellung von elf Spielern, die noch dazu von ganz unausgeglichenem Können“, entschuldigte der kicker.
Der spätere Meistertrainer Max Merkel gab an diesem Tag sein Debüt. Reichstrainer Sepp Herberger wurde vom Freiburger Professor Josef Glaser in seiner Funktion als DFB-Sportwart vertreten. Herberger bereitete die A-Elf auf ein Spiel in Schweden vor, das aber wegen "drohender Kriegsgefahr" abgesagt wurde. In Bratislava indes wurde ein Volksfest gefeiert. 17.000 Zuschauer überfüllten das kleine Stadion, selbst auf dem Dach saßen Neugierige. Sie durften zwei Tore ihrer Mannschaft bejubeln: Nach 20 Minuten verwandelte Lokalmatador Arpas eine Flanke zum 1:0, in der 80. Minute verschätzte sich Keeper Jürissen bei einer Flanke von Luknar, die zum Torschuss wurde. Vier Tage später brach der zweite Weltkrieg aus.
Chemnitz, 3. Dezember 1939: Deutschland – Slowakei 3:1
Bei der Revanche tat sich Deutschland unerwartet schwer. Vor 30.000 Zuschauern gingen die Slowaken wieder durch Luknar in Führung (63.). Doch die zerrann binnen drei Minuten, als der Fürther Hans Fiederer (65.) und der Dresdner Helmut Schön (66.), späterer Bundestrainer, ihnen einen Doppelschlag versetzten. Für die Entscheidung sorgte Ernst Lehner aus Augsburg (79.). Worte der Kritik fand der kicker für das Publikum: "…es geht nie und nimmer an, daß Spieler der Nationalmannschaft ausgepfiffen werden oder mit Zurufen bedacht werden." Die Pfiffe galten Helmut Schön, der laut kicker "in einer Krise steckt". Und doch: ein Tor erzielt, eines vorbereitet und eines des Gegners auf der Torlinie verhindert. Solche Krise wünschte sich so mancher.
Bratislava, 15. September 1940: Slowakei – Deutschland 0:1
Preußische Märsche spielte die Militärkapelle vor dem zweiten Gastspiel der "Befreier", es war der Sound der Zeit. In die kleine Arena des SK Bratislava passten diesmal nur 15.000 Zuschauer. Die beste Garnitur konnte Herberger in Kriegszeiten eigentlich nie aufbieten, vor allem vermisste er Fritz Walter. Aber es war ohnehin kein Platz für Techniker. "Auf dem Spielfeld ist kein Grashalm sichtbar, und der Regen, der seit der Mittagsstunde herunterprasselt, verwandelt langsam und sicher die Lehmschicht in einen recht netten Brei", schrieb der kicker-Redakteur süffisant.
Den zähen Kampf entschied der 19 Jahre alte Debütant Ludwig Durek aus Wien (77.). Die Elf rettete den glücklichen Vorsprung über die Zeit. Fazit des kicker: "So schwer hatten wir uns diese Aufgabe nicht vorgestellt. Sie wurde durch zwei Umstände erschwert: 1. Den Boden. 2. den Gegner!"
Breslau, 7. Dezember 1941: Deutschland – Slowakei 4:0
Wieder fiel ein Schatten auf das Spiel. Der Kriegseintritt der USA wurde durch den japanischen Luftangriff auf Pearl Harbour am selben Tag provoziert und damit die Kriegswende. Die 20.000 Zuschauer in Breslau erfreuten sich dennoch eines klaren deutschen Sieges, der sich schon zur Halbzeit (3:0) abzeichnete. Fritz Walter hatte per Kopf vorgelegt (6.), auch Durek machte wieder sein Tor (9.). Nach 27 Minuten krönte Edmund Conen eine Musterkombination zum 3:0, nach 64 Minuten sorgte der lange Stuttgarter für den Endstand und damit für den noch immer höchsten Sieg gegen die Slowaken. Historisch auch dies: Düsseldorfs Paul Janes wurde Rekordnationalspieler, er überholte mit seinem 63. Einsatz Ernst Lehner.
Bratislava, 22. November 1942: Slowakei – Deutschland 2:5
Das fünfte Länderspiel mit den Slowaken markiert eine Zäsur. Acht Jahre lang, auf den Tag genau, trat die Nationalmannschaft danach nicht mehr an. Die Kriegswende von Stalingrad im Februar 1943, die Hitler-Deutschland in den "totalen Krieg" führte und zur Einstellung fast aller nicht kriegswichtiger Aktivitäten führte, war dafür verantwortlich. Herberger und die Spieler wussten das damals nicht, der Spielkalender sah für 1943 bereits vier Länderspiele vor. Aber die Stimmung an diesem Tag ließ schon nichts Gutes erahnen. Fritz Walter erinnerte sich: "Der wachsende Hass gegen das nationalsozialistische Deutschland wirkte sich aus. Die 12000 Zuschauer umgaben uns mit einer Mauer der Feindseligkeit. Bei der üblichen Gedenkminute für die Gefallenen brodelte es und murmelte es auf den Rängen des Stadions. Wir sahen zu, dass wir schnell in die Kabinen kamen."
Vorher erledigten sie noch ihren Job. Stürmer August Klingler vom badischen Gau-Ligisten FV Daxlanden erzielte einen beinah lupenreinen Hattrick, den nur der Pausenpfiff verdarb. Wieder einmal Luknar (49.) und Biro (54.) sorgten für neue Spannung, ehe der Hamburger Edmund Adamkiewicz (63.) die deutschen Anhänger beruhigte. Der Wiener Karl Decker zeichnete für den letzten Treffer (83.) für lange Zeit verantwortlich. Mit einem Jubiläum, es war der 100. Sieg im 198. Länderspiel, ging Deutschlands Fußball in einen achtjährigen Dornröschenschlaf.
Als er erwachte, war die Welt eine andere. Deutschland wurde geteilt und die Neuordnung Europas hatte auch zufolge, dass es keinen slowakischen Staat mehr gab - bis zur Unabhängigkeit 1993.
Bremen, 29. Mai 2001: Deutschland – Slowakei 2:0
59 Jahre später wurde wieder Geschichte geschrieben, an diesem Dienstagabend in Bremen. In der 50. Minute des Testspiels erzielte der 22 Jahre alte Debütant von Schalke 04, Gerald Asamoah, das 1:0. Es war das erste Tor eines dunkelhäutigen Spielers in der A-Nationalmannschaft und es krönte seinen Auftritt, der im kicker mit der Note 1,5 bedacht wurde. "Ich muss auf dem Teppich bleiben, das zweite Spiel wird viel schwerer", kommentierte der stets fröhliche Stürmer mit ghanaischen Wurzeln seinen großen Tag gelassen. Zwei weitere Debütanten schickte Bundestrainer Rudi Völler ins Rennen: Sebastian Kehl vom SC Freiburg und Jörg Böhme von Schalke. Böhme bereitete das 2:0 von Frank Baumann (59., Kopfball) vor. Spiel gewonnen, neue Talente entdeckt, die Zukunft konnte kommen. "Diese Typen tun jeder Elf gut", lobte Michael Ballack die Debütanten.
Bratislava, 3. September 2005: Slowakei – Deutschland 2:0
Ganz anders die Stimmungslage nach diesem Spiel. "Der Tiefpunkt - und was jetzt passieren muss", alarmierte der kicker seine Leser. Auf dem Weg zur Heim-WM war die Mannschaft von Jürgen Klinsmann aus der Spur geraten. Mit welcher Elf Klinsmann die WM bestreiten wollte, war nach den 90 Minuten unklarer denn je. Der Bundestrainer hatte überraschend Oliver Kahn zuhause gelassen und die Torwartrotation ausgerufen, es spielte Jens Lehmann. Und manch einer suchte seine Form. Kapitän Michael Ballack war ausnahmsweise ein Ausfall (kicker-Note: 5) und doch nicht mal der Schwächste. "Es war mein schlechtestes Länderspiel, ich war dankbar für meine Auswechslung", bekannte etwa der 20 Jahre alte Hannoveraner Per Mertesacker. Als er ausschied, stand es schon 2:0 nach Toren des Wolfsburgers Miroslav Karhan (20., Elfmeter, 38.). Positiv am deutschen Auftritt im grotesk leeren Stadion (9276 Zuschauer) waren nur die Flankenläufe von Sebastian Deisler und das Eckballverhältnis (13:3). Klinsmann bekämpfte die Weltuntergangsstimmung trotzig: "Unser Ziel, Weltmeister werden zu wollen, werden wir in keiner Weise korrigieren!"
Bratislava, 11. Oktober 2006: Slowakei – Deutschland 1:4
Beim fünften Spiel in Bratislava ging es erstmals um Punkte. Es war das dritte Spiel der Gruppe D in der EM-Qualifikation - und das fünfte in der Amtszeit von Joachim Löw. Es wurde gewonnen - und das in überzeugendem Stil. Wie 2005 spielte Deutschland in Rot, aber damit endeten die Parallelen. Von Anfang an dominierte der WM-Dritte, der wieder etwas für die Geschichtsbücher tat. Nach 13 Minuten erzielte Lukas Podolski das 1750. Länderspieltor. Dann erhöhte Ballack per Kopf auf 2:0 (25.). Ein Torwartfehler ermöglichte Bastian Schweinsteiger das 3:0 (36.). 21.000 Zuschauer ließen alle Hoffnung fahren, die Punktevergabe war frühzeitig geklärt.
Eine etwas nachlässig geführte Anfangsviertelstunde der zweiten Hälfte wurde mit dem slowakischen Ehrentor von Varga (58.) bestraft. Es war der erste in der Löw-Ära, nach 417 Minuten der Unverwundbarkeit. Der überragende Podolski konterte mit seinem zweiten Treffer (72.) nach Vorarbeit des uneigennützigen Miroslav Klose. Kurios: In der Innenverteidigung stand der doppelte Friedrich. Dem Berliner Arne assistierte der Mainzer Manuel. Überschattet wurde "das beste Spiel seit Jahren" (Weltmeister Olaf Thon) von Hooligan-Krawallen im Stadion, 42 Deutsche wurden verhaftet.
Hamburg, 6. Juni 2007: Deutschland – Slowakei 2:1
Die Bundesligasaison war schon beendet, nun stand nur noch das Rückspiel in der EM-Qualifikation dem Urlaub der Nationalspieler im Wege und es war zu sehen, wie gerne einige ihn schon angetreten hätten. Spieler wie Ballack, Podolski und Schweinsteiger hatten ihn bereits, sie fehlten alle verletzt. So kam gegen den krassen Außenseiter, vom Ex-Bundesligaspieler Jan Kocian (St. Pauli) trainiert, nur ein Arbeitssieg heraus.
51.500 Zuschauer sahen schon vor der Pause alle Tore - und dabei gleich zwei, über die sich die Schützen nicht freuten. Auf das Eigentorgeschenk von Durica (10.) , von Klose bedrängt, antwortete Christoph Metzelder in gleicher Währung (20.). Doch noch vor dem Pausenpfiff fiel das 2:1 durch Thomas Hitzlsperger. Der schussgewaltige Stuttgarter traf ausnahmsweise per Kopf (43.).
Augsburg, 29. Mai 2016: Deutschland – Slowakei 1:3
Das Testspiel in Vorbereitung auf die EM in Frankreich litt unter außergewöhnlichen Rahmenbedingungen. Der Himmel öffnete seine Schleusen und bewirkte eine Spielverzögerung um 30 Minuten. So lange wartete der Schiedsrichter mit dem Anpfiff zur 2. Halbzeit, die unter annähernd irregulären Verhältnissen stattfand. Auch sportlich waren die 90 Wasserball-Minuten kein Genuss, nach starkem Beginn und dem 1:0 durch einen Elfmeter von Mario Gomez ließen die Gastgeber stark nach. Der Pausenrückstand von 1:2 nach Treffern von Hamsik (41.) und Duris (44.) war noch glücklich, aber nach der Pause verdienten sich die Slowaken ihren ersten Sieg auf deutschem Boden. Kurz nach der Pause köpfte Kucka dem eingewechselten Marc-Andre ter Stegen den Ball durch die Beine - 1:3 (52.). Das war schon der Endstand in einem Spiel ohne großen Erkenntnisgewinn. Löw experimentierte stark, verhalf Torwart Bernd Leno, Joshua Kimmich, Julian Weigl und Julian Brandt zum Debüt. Fazit des Bundestrainers: "Wir wissen, woran wir noch arbeiten müssen!"
Lille, 29. Juni 2016 (EM): Deutschland – Slowakei 3:0
Schon 28 Tage später traf man sich im Achtelfinale der EM wieder. Nun mit einem ganz anderen Spielverlauf bei weit besserem Wetter. Auf die Niederlage im "Wasserball" folgte ein souveränes 3:0, der wieder historisch wurde. Die slowakische Mannschaft stand von Beginn an auf verlorenem Posten. Nach dem ersten und einzigen Länderspieltor von Jerome Boateng und Treffern von Mario Gomez vor, sowie Julian Draxler nach der Pause, war frühzeitig alles geklärt, der verschossene Elfmeter von Mesut Özil fiel nicht weiter ins Gewicht. Anderes schon: 28,11 Millionen TV-Zuschauer bei dieser Partie markierten einen neuen Rekord für ein DFB-Länderspiel.
Kategorien: Männer-Nationalmannschaft
Autor: um

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