Stiftungen
Helfen und schützen: 25 Jahre Daniel-Nivel-Stiftung

Nicht selten ist der Anlass für eine Stiftungsgründung ein trauriger. Auch der DFB hätte die am 1. August 2000 ins Leben gerufene Daniel-Nivel-Stiftung gewiss am liebsten niemals gründen müssen. Doch es war das einzig Richtige, was der Verband noch für das Opfer roher Fan-Gewalt tun konnte. Daniel Nivel war ein Gendarm, der bei der Fußball-WM 1998 in Frankreich zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort war. Im Nachgang des Spiels gegen Jugoslawien am 21. Juni 1998 zogen deutsche "Fans" randalierend durch die Straßen von Lens und richteten ihre Aggression nicht nur gegen gegnerische Anhänger, sondern auch gegen Passanten, Geschäftsleute – und Polizisten, die all dem Einhalt gebieten wollten und mussten.
Daniel Nivel hatte das Gesetz auf seiner Seite, aber das half ihm nichts, als ihn eine Horde Gewalttäter in einer Seitenstraße überfiel. Zusammen mit zwei Kollegen war er auf sie getroffen. "Komm, es sind nur noch drei. Die hauen wir weg", animierte ein Schläger die Meute. Zwei Gendarmen konnten rechtzeitig entkommen, der damals 43-jährige Nivel nicht. Die Täter gingen unfassbar brutal vor, traten und schlagen den am Boden liegenden mit dem Aufsatz seines Gewehrs und einem Werbeschild auf den Kopf, den kein Helm mehr schützte. Diese wenigen Sekunden änderten das Leben des Daniel Nivel buchstäblich auf einen Schlag. Zwei Minuten soll das Martyrium nur gedauert haben, in Wahrheit währt es sein Leben lang. Als am Abend die ersten Nachrichten und sogar Bilder in die Welt gelangten, ist die Empörung groß.
Bundeskanzler Helmut Kohl sprach von "einer Schande für unser Land" und DFB-Präsident Egidius Braun dachte im Kreise der Delegation laut über eine Abreise von der WM nach. Dazu kam es nicht, es kam zu etwas viel Besserem: der Gründung der Daniel Nivel-Stiftung.
"Unser Leben wurde zerstört"
Sie kommt, natürlich, zuerst dem Opfer und seiner Familie zugute. Der Gendarm erwachte sechs Wochen nach dem Überfall aus dem Koma, war und ist rechtsseitig gelähmt und kann nur noch auf einem Auge sehen. Alle Sinnesorgane sind beeinträchtigt, bis heute ist er auf Betreuung angewiesen. Sein Zuhause wurde behindertengerecht umgebaut, Frau Lorette pflegt ihn liebevoll. Aber nichts kann wiedergutmachen, was enthemmte junge Männer an jenem Tag angerichtet haben. "An diesem 21. Juni wurde unser Leben zerstört", sagte Lorette. Fünf Täter wurden ermittelt, teils durch ihre eigenen Kameraaufzeichnungen enttarnt, mussten zwischen dreieinhalb und zehn Jahre ins Gefängnis. Daniel Nivel, das mag der einzige Trost sein, kann sich an die Tat nicht mehr erinnern. Umso wichtiger, dass andere es tun und dass darüber hinaus die richtigen Signale in die Gesellschaft gesendet werden.
Alle waren sich damals einig: Die Familie Nivel benötigte Hilfe, unverschuldet war sie in Not geraten. Der Vater zweier Kinder konnte nie wieder arbeiten, ist auf einen Rollstuhl angewiesen. In einem Benefizspiel am 20. September 1998 in Kehl kamen rund 500.000 Mark zusammen, zuvor hatten Spenden bereits 1,5 Millionen Mark erbracht. Schon im Juli hatten Chemnitzer Studenten ein Benefizspiel für Nivel ausgetragen, gegen einen Landesligisten – für drei Mark Eintritt. Die Geste war unbezahlbar.
Doch damit sollte es nicht abgegolten sein, was sich in Lens und auch sonst im Umfeld von Fußballspielen immer wieder ereignet. Am 3. August 2000 wurde am Rande eines FIFA-Kongresses in Zürich die Stiftung gegründet (Startkapital eine Million Mark). Sie hatte viele Väter – den DFB, die FIFA, die UEFA und den französischen Fußballverband – aber nur ein übergeordnetes Ziel: Gewaltprävention im Fußball – und Opfern dieser und ähnlicher Vorfälle im Rahmen von Spielen, die doch eigentlich nur der Unterhaltung dienen sollen, Hilfe zu leisten. Seither ist viel geschehen.
Auch Jahrzehnte später noch Kontakt mit Nivel
Bis 2017 fand jährlich der Daniel Nivel-Cup statt, der in Leipzig ausgetragen wurde und sich zum zweitgrößten Hobbyfußballerturnier Europas entwickelte. Erst mit dem Tod des Organisators Pedro Feller wurde es eingestellt. Der Kontakt zur Familie Nivel wurde ständig aufrechterhalten seitens des DFB, so wurde sie zur WM 2006 eingeladen und sah das deutsche 1:0 gegen Polen in Dortmund. Auch bei der EM 2016 in Frankreich begrüßte der DFB seinen Ehrengast, der sich beim 2:0 gegen die Ukraine erneut als Glücksbringer erwies.
DFB-Ehrenpräsident Egidius Braun war es stets ein besonderes Anliegen, dass sich die Stiftung nicht auf Geldleistungen beschränkte, so hielt er bis ins hohe Alter den Kontakt zu dem tapferen Gendarmen, der zur falschen Zeit am falschen Ort war. So war es beinahe folgerichtig, dass die im März 2024 aufgelöste Stiftung Schweizer Rechts in der Egidius Braun-Stiftung als Treuhandstiftung fortlebt. Das ist auch für den aktuellen DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf, der die Familie Nivel noch 2023 zu Hause in Lyon aufsuchte, eine absolute Selbstverständlichkeit. Er sagte damals bei der Eingliederung der Daniel Nivel-Stiftung: "Mich beeindruckt zutiefst, wie die Familie mit ihrem Schicksal umgegangen ist, und auch, dass sie unsere Hilfen und unsere gereichte Hand angenommen hat. Vergeben und Verzeihen sind Zeichen von Größe, unser Auftrag ist, dass daraus kein Vergessen wird."
Kategorien: Stiftungen
Autor: um
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