DER DFB

Für immer Kaiser: Zum 1. Todestag Franz Beckenbauers

07.01.2025
Weltmeister als Spieler und Bundestrainer: Franz Beckenbauer AFP/Getty Images

Heute vor einem Jahr starb Franz Beckenbauer. Das Sonntagskind schied an einem Sonntag aus der Welt, die es erst am nächsten Tag erfuhr. Am Montag, den 8. Januar, erschütterte diese Nachricht der Familie die globale Fußballgemeinde: "In tiefer Trauer teilen wir mit, dass mein Mann und unser Vater Franz Beckenbauer am gestrigen Sonntag im Kreise seiner Familie friedlich eingeschlafen ist. Wir bitten, in Stille trauern zu können und von allen Fragen abzusehen."

Wer an jenem Montagabend vor dem Fernseher saß, konnte ihm kaum entkommen. Franz Beckenbauer lief in den Abendstunden gleichzeitig auf drei Kanälen. Die ARD strahlte ihre mysteriöserweise ohnehin geplante Doku über den Mann, den man den "Kaiser" nannte, aus.

Kontakt zum 90er-Team riss nie ab

Das ZDF zeigte ein Porträt und auf Sky huldigten Experten und Studiogäste stundenlang dem Mann, der als Größter des deutschen Fußballs in die Geschichte eingegangen ist.

Er starb im Alter von 78 Jahren in seiner Wahlheimat Salzburg nach längerer Krankheit. Dass es ihm schlecht ging, hörte man zuweilen, auch aus dem Munde seiner Weltmeisterspieler von 1990, die den persönlichen Kontakt nach seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit aufrechterhielten.

Aber als es wahr wurde, regierte allgemeine Fassungslosigkeit.

"Unser Kaiser ist tot", titelte die Bild und ihr Chefkolumnist Franz-Josef Wagner schrieb pathetisch: "Mit ihm stirbt auch mein Leben!" Uli Köhler, eine bayerische Reporterlegende, hatte Tränen in den Augen und sichtlich Mühe über das Undenkbare zu reden.

Wer den Menschen kannte und natürlich den großen Fußballer, der empfand vor allem Trauer und Verlust. Vermutlich hinterließ zumindest in diesem Jahrhundert kein Deutscher eine größere Trauergemeinde als Franz Beckenbauer.

"Gute Freunde kann niemand trennen"

Was geschah in den Tagen danach? Im ersten Bundesligaspiel nach seinem Tod machte der FC Bayern München aus seinem Kult-Hit "Gute Freunde kann niemand von trennen" den Tor-Jingle. Er wurde dreimal gespielt gegen die TSG Hoffenheim (3:0). In allen anderen Stadien, einschließlich der 2. Liga, wurde an ihn mit einer Gedenkminute und einem überlebensgroßen Porträt im Anstoßkreis gedacht.

Da lag Beckenbauer bereits im Familiengrab in Giesing auf dem Perlacher Forst, der Friedhof geriet in den ersten Tagen zu einer Pilgerstätte. Am 19. Januar fand in der Allianz Arena eine live in der ARD übertragene, ergreifende Trauerfeier statt, während die Serien über sein Leben in Zeitschriften noch liefen.

Supercup wird nach dem Kaiser benannt

Allein drei Magazine erschienen im Frühjahr 2024, die Beckenbauers Wirken beleuchteten – und Biographien wurden neu aufgelegt. Berti Vogts, der mit ihm 1974 als Mitspieler und 1990 als Trainerassistent Weltmeister wurde, schlug vor, den DFB-Pokal nach Beckenbauer zu benennen. Dazu kam es nicht, aber der Supercup, der zum Saisonauftakt zwischen dem Meister und dem DFB-Pokalsieger ausgespielt wird, heißt künftig nach Franz Beckenbauer.

Auf der Jahreshauptversammlung im Dezember gab der FC Bayern München, für den er 19 Jahre (1958 bis 1977) spielte und ab 1991 in fast allen anderen denkbaren Funktionen tätig war (Präsident, Vizepräsident, Aufsichtsrat, Ehrenpräsident und Trainer), bekannt, seine legendäre Nummer 5 nie mehr vergeben zu wollen.

In diesen Tagen läuft eine weitere dreiteilige Dokumentation auf Arte über ihn an und im Verlag Fußballgold wird das im Vorjahr erschienene Magazin in limitierter Auflage angeboten, in Kombination mit einem Bild des Kaisers mit seinem Idol Fritz Walter.

Erfolg, Lässigkeit, Charme

Dass er selbst das Idol vieler war, lag an der schon einzigartigen Kombination von Erfolg, Lässigkeit und Charme. Was Beckenbauer anfasste, schien zu gelingen. Irgendwie im Vorbeischweben. Als Paradebeispiel gilt sein Treffer an der ZDF-Torwand mit einem von einem Weizenbierglas geschossenen Ball im Mai 1994.

Und war der Spieler nicht immer mit sauberem Trikot und sauberer Hose vom Platz stolziert? Dass das nur ein Klischee war, wurden Weggefährten nicht müde zu beteuern. Gerade der Trainer Beckenbauer war ein akribischer Arbeiter, der nichts dem Zufall überlassen wollte. Der Spieler war ein wahrer Anführer und als Abwehrchef, damals Libero, nicht zu schade, sich in Schüsse zu werfen und per Kopf zu klären. Aber meistens hatte er es einfach nicht nötig, dank guten Stellungsspiels, der Fähigkeit zu antizipieren und einer grandiosen Technik.

Welt- und Europameister und weitere große Triumphe

Franz Beckenbauer ist der erste Deutsche, der zweimal zu Europas Fußballer des Jahres gewählt wurde (1972, 1976) und der erste, der die Marke von 100 Länderspielen nahm (103). Er wurde, jeweils als Kapitän, 1972 Europameister und 1974 Weltmeister, stand 1966 mit gerade mal 20 Jahren im WM-Finale und 1976 im 100. Länderspiel erneut im EM-Endspiel.

Bei der WM 1970 in Mexiko (dritter Platz) spielte er im Jahrhundertspiel gegen Italien (3:4 n.V. im Halbfinale) mit Arm in der Schlinge nach einem schweren Sturz und erinnerte einen englische Journalisten an einen "verwundeten, besiegten, aber stolzen preußischen Offizier nach verlorener Schlacht".

Spätestens da hatte er viele, die sich an seiner elegant und deswegen manchmal arrogant wirkenden Art, Fußball zu spielen, auf seine Seite gezogen. Mit Bayern München wurde er vier Mal Meister und vier Mal Europapokalsieger. In seine Ära fallen die Jahre, die den Verein groß gemacht haben. Er wurde auch zweimal Meister in den USA mit Cosmos New York und nach seiner Bundesliga-Rückkehr ein fünftes Mal in der Bundesliga – 1982 mit dem HSV.

In Rom: Das Bild seines Lebens

Die Karriere nach der Karriere mehrte seinen Ruhm. 1984 ohne Trainerlizenz überraschend zum Teamchef der Nationalmannschaft aufgestiegen, stand er mit ihr zweimal im WM-Finale, jeweils gegen Argentinien. Was in Mexiko 1986 noch schief ging (2:3), glückte 1990 in Rom (1:0). In den Minuten nach dem Abpfiff entstand das Bild seines Lebens, allein schlenderte er sinnierend über den Rasen, über ihm ein voller Mond. Nun war er Lichtgestalt.

Er trat auf dem Höhepunkt ab, widmete sich seinen Geschäften, seiner wohltätigen Stiftung und seinen Tätigkeiten als Kolumnist, Experte und Co-Kommentator. Zweimal riefen ihn die Bayern in der Not: als Aushilfstrainer machte er sie 1994 zum Meister, da war er schon Vizepräsident. 1996 holte er gar als Präsident noch den UEFA-Pokal.

WM 2006: Vater des Sommermärchens

Dann begann seine Zeit als WM-OK-Chef. Er reiste in weit mehr als 80 Tagen um die Welt und warb mit seiner jovialen Art für den Ausrichter Deutschland, im Juli 2000 war es geschafft. Beckenbauer war der Vater des Sommermärchens, dessen letztes, unerfreuliches Kapitel erst geschrieben wurde, als die Besucher aus aller Herren Länder schon längst wieder abgezogen waren.

Die Berichte darüber, wie Deutschland an die WM 2006 gekommen sein könnte, fielen in das Jahr, in dem er auch seinen Sohn Stefan (Leukämie) verlor. Auch die eigene Gesundheit litt und so verschwand der Kaiser nach 2015 mehr und mehr von der Bühne. Sein Volk aber hat ihn nicht vergessen, wie sich seit jenem 7. Januar 2024 auf vielfältige Weise zeigte.

Kategorien: DER DFB, Männer-Nationalmannschaft, Weltmeisterschaft

Autor: um