Männer-Nationalmannschaft

Franz Beckenbauer zum 80.: Ein Fußball-Leben als Lichtgestalt

11.09.2025
Führt Deutschland als Teamchef zum WM-Titel 1990 in Rom: Franz Beckenbauer DFB

Heute vor 80 Jahren wurde Franz Beckenbauer geboren, diesen runden Geburtstag kann der "Kaiser" aber leider nicht mehr erleben. Am 7. Januar 2024 verstarb der Weltmeister von 1974, Europameister von 1972 und Weltmeistercoach von 1990 im Alter von 78 Jahren. DFB.de erinnert an eine der prägendsten Figuren des deutschen Fußballs.

An seinem 50. Geburtstag stand der größte deutsche Fußballer aller Zeiten zum letzten Mal auf dem Rasen, der seine Welt bedeutete, und kickte im Münchner Olympiastadion mit einer Weltauswahl. Anschließend feierte er das Jubiläum mit rund 1400 Gästen. Als er 60 wurde, war der Rummel noch größer, und ihm grauste: "Die ganze Woche wird eine einzige Feierlichkeit, ich hoffe dass der Geburtstag bald rum ist." Den er süffisant, typisch Franz Beckenbauer, so kommentierte: "Jetzt bin ich ein Sechz‘ger!" Die Betonung lag auf jetzt, mit knapp 45 Jahren Verspätung und natürlich doppeldeutig. Zum TSV 1860 ging der einstige Bayern-Star bekanntlich wegen einer Watsch’n nie, zum großen Glück für den Lokalrivalen.

Beckenbauer hat es nie bedauert und hatte zu jenem Zeitpunkt auch sonst nichts zu bereuen beziehungsweise nachzuholen, wie er in 2005 einem großen Interview beteuerte. In dem gab er auch den Philosophen: "Es gibt sowieso nur glückliche Momente, das Glück auf Dauer gibt’s nicht." Es waren prophetische Worte, auch in eigener Sache.

Tod des Sohnes 

Als der 70. Geburtstag kam ("Der war mir wurscht") stand das einstige Glückskind, dem alles zu gelingen schien, nicht mehr auf der Sonnenseite des Lebens. Zu eigenen gesundheitlichen Problemen kamen die des ältesten Sohnes Stephan, der 2015 an einem Hirntumor starb. Das war einen Monat vor dem 70. Beckenbauer zog sich zurück aus Ämtern, Gremien und Expertenrollen, aber einer wie er kann keinen runden Geburtstag feiern ohne Würdigungen, Interviews, Feiern. Also stand er noch einmal zur Verfügung und gestand 2020: "Jetzt, beim 75., ist es das erste Mal, dass ich anfange nachzudenken. 75 ist ein Alter, da kannst du das Ende ahnen. Ich hoffe, dass mir vom Lieben Gott noch viele Jahre gegeben werden."

Dem war nicht so. Beckenbauer selbst glaubte an die Rückkehr der Seele, "das alles muss doch einen Sinn haben." Er verstarb am 7. Januar 2024 plötzlich und nach längerer Krankheit doch nicht unerwartet zuhause in Salzburg. Wer an jenem  Montagabend vor dem Fernseher saß, konnte ihm kaum entkommen. Beckenbauer lief in den Abendstunden gleichzeitig auf drei Kanälen. Die ARD strahlte ihre ohnehin geplante Doku über den Mann, den man den "Kaiser" nannte, aus. Das ZDF zeigte ein vorbereitetes Porträt, und auf Sky huldigten Experten und Studiogäste stundenlang dem Mann, der als Größter in die deutsche Fußballgeschichte eingegangen ist. "Unser Kaiser ist tot", titelte die Bild.

Trikotnummer 5 beim FC Bayern nicht mehr vergeben

Wer den Menschen kannte und natürlich den großen Fußballer, der empfand vor allem Trauer und Verlust. Vermutlich hinterließ zumindest in diesem Jahrhundert kein Deutscher eine größere Trauergemeinde als Franz Beckenbauer, für den sein FC Bayern am 19. Januar 2024 eine Trauerfeier im Stadion veranstaltete. Da lag Beckenbauers Körper bereits im Familiengrab in Giesing auf dem Perlacher Forst, der Friedhof geriet in den ersten Tagen zu einer einzigen Pilgerstätte.

Allein drei Magazine erschienen im Frühjahr 2024, die Beckenbauers Wirken beleuchteten - und Biografien wurden neu aufgelegt. Berti Vogts, der mit ihm 1974 als Mitspieler und 1990 als Trainerassistent Weltmeister wurde, schlug vor, den DFB-Pokal nach Beckenbauer zu benennen. Dazu kam es nicht, aber der Super Cup, der zum Saisonauftakt zwischen dem Meister und dem Pokalsieger ausgespielt wird, heißt nun nach Franz Beckenbauer und wurde als erstes von seinen Bayern gewonnen.

Auf der Jahreshauptversammlung im Dezember gab der FC Bayern München, für den er 19 Jahre (1958 bis 1977) spielte und ab 1991 in fast allen denkbaren Funktionen tätig war (Präsident, Vizepräsident, Aufsichtsrat, Ehrenpräsident und Trainer), bekannt, Beckenbauers legendäre Trikotnummer 5 nie mehr vergeben zu wollen.

Titel und Ehrungen

Dass er das Idol vieler war, lag an der einzigartigen Kombination von Erfolg, Lässigkeit und Charme. Was Beckenbauer anfasste, schien zu gelingen, irgendwie im Vorbeischweben. Als Paradebeispiel gilt sein Treffer an der ZDF-Torwand mit einem auf Weizenbierglas liegenden Ball im Mai 1994. Und war der Spieler nicht immer mit sauberem Trikot vom Platz stolziert? Dass das nur ein Klischee war, wurden Weggefährten nicht müde zu beteuern. Gerade der Trainer Beckenbauer war ein akribischer Arbeiter, der nichts dem Zufall überlassen wollte. Der Spieler war ein wahrer Anführer und als Libero nicht zu schade, sich in Schüsse zu werfen und per Kopf zu klären. Aber meistens hatte er es einfach nicht nötig, dank gutem Stellungsspiels, der Fähigkeit zu antizipieren und einer grandiosen Technik.

Franz Beckenbauer ist der erste Deutsche, der zweimal zu Europas Fußballer des Jahres gewählt wurde (1972, 1976), und der erste, der die Marke von 100 Länderspielen nahm (103). Er wurde, jeweils als Kapitän, 1972 Europameister und 1974 Weltmeister, stand 1966 mit 20 im WM-Finale und 1976 im 100. Länderspiel erneut im EM-Finale. Bei der WM 1970 in Mexiko (dritter Platz) spielte er im Jahrhundertspiel gegen Italien (3:4 n.V. im Halbfinale) mit Arm in der Schlinge nach einem schweren Sturz. Spätestens da hatte er viele, die sich an seiner arrogant wirkenden Art, Fußball zu spielen, auf seine Seite gezogen.

Mit Bayern München wurde Beckenbauer viermal Meister und viermal Europapokalsieger. In seine Ära fallen die Jahre, die den Verein groß gemacht haben. Er wurde auch zweimal Meister in den USA mit Cosmos New York und nach seiner Bundesligarückkehr ein fünftes Mal in Deutschland - 1982 mit dem HSV.

Lichtgestalt nach zweitem WM-Triumph

Die Karriere nach der Karriere mehrte seinen Ruhm. 1984 ohne Trainerlizenz überraschend zum Teamchef der Nationalmannschaft aufgestiegen, stand er mit ihr zweimal im WM-Finale, jeweils gegen Argentinien. Was in Mexiko 1986 noch schief ging (2:3), glückte 1990 in Rom (1:0). In den Minuten nach dem Abpfiff entstand das Bild seines Lebens, allein schlenderte er sinnierend über den Rasen, über ihm ein voller Mond. Nun war er die Lichtgestalt.

Er trat auf dem Höhepunkt ab, widmete sich seinen Geschäften, seiner wohltätigen Stiftung für unschuldig in Not geratene Menschen und seinen Tätigkeiten als Kolumnist, Experte und Co-Kommentator. Zweimal riefen ihn die Bayern in der Not: Als Aushilfstrainer machte er sie 1994 zum Meister, da war er schon Vizepräsident. 1996 holte er gar als Präsident noch den UEFA-Pokal. Dann begann seine Zeit in DFB-Diensten, als OK-Chef für die WM 2006. Er reiste in weit mehr als 80 Tagen um die Welt und warb mit seiner jovialen Art für den Ausrichter Deutschland, im Juli 2000 war es geschafft.

Beckenbauer war der Vater des Sommermärchens, dessen letztes, unerfreuliches Kapitel erst geschrieben wurde, als die Besucher aus aller Welt schon längst wieder abgezogen waren. Es änderte nichts an seinem Grundgefühl von einem "schönen Leben, das ich führen durfte". Auch wenn es keine 80 Jahre währte.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf würdigt Franz Beckenbauer

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Autor: um