U 21-Männer
Di Salvo: "Da habe ich selbst Entwicklungsschritte gemacht"

Antonio Di Salvo blickt auf ein Jahr 2025 mit großen Erfolgen und spannenden Erfahrungen bei der U 21-Nationalmannschaft zurück. Bei der Europameisterschaft in der Slowakei kam die Mannschaft bis ins Finale, übergreifend gab es zwölf Siege in diesem Jahr - nie zuvor gewann eine U 21 so viele Spiele in einem Jahr. Für 2026 steht die Qualifikation zur EM 2027 in Serbien und Albanien im Vordergrund, verbunden mit dem Anspruch, weiterhin die Talentschmiede für die A-Nationalmannschaft zu sein.
DFB.de: Antonio Di Salvo, was war für Sie persönlich der emotionalste Moment im Jahr 2025 mit der U 21?
Antonio Di Salvo: Das war ganz bestimmt das EM-Finale in Bratislava. Aber nicht nur, weil es ein Finale war, sondern weil es das letzte gemeinsame Spiel dieses Jahrgangs war. Die Jungs haben zum letzten Mal in dieser Konstellation zusammengespielt und waren sich dessen sehr bewusst. Die Mannschaft wollte alles daransetzen, dieses letzte Spiel zu gewinnen und sich für die gemeinsame Reise zu belohnen, was dann leider nicht gelungen ist.
DFB.de: Es war ein sehr ereignisreiches Jahr. Der Start zuhause war das Highlightspiel in Darmstadt gegen Spanien …
Di Salvo: … nachdem wir zuvor im Gastgeberland Slowakei ein Vorbereitungsspiel absolviert hatten. Es war wichtig, vorher einmal in Bratislava gewesen zu sein. Das war der Startpunkt hin zu unserer Zielsetzung bei der EM: "Wir wollen nach Bratislava!" Dann die Partie in Darmstadt, mit einer großartigen Kulisse, einem starken Gegner und einem Spiel, das uns sehr viel Selbstvertrauen gegeben hat. Nicht nur das Ergebnis mit 3:1, sondern auch die Art und Weise, wie wir gespielt haben, hat eine Euphorie erzeugt, die uns getragen hat.
DFB.de: … dann die EM im Sommer …
Di Salvo: … war die Fortführung der vergangenen zwei Jahre, in denen die Mannschaft so sehr zusammengewachsen ist. Jeder hatte ein klares Rollenverständnis - neben dem Anspruch, immer spielen zu wollen. Wir haben dem Erfolg alles untergeordnet und das Team hat gemeinsam mit dem Staff Schritt für Schritt den Finaleinzug gemeistert. Das sind Dinge, die ich mitnehme und von denen ich hoffe, dass auch die neue Mannschaft dieses Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt und erkennt, dass man zusammen immer mehr erreichen kann als allein.
DFB.de: Wie haben Sie die Niederlage im EM-Finale verarbeitet - als Trainer, aber auch als Mensch?
Di Salvo: Die Zeit heilt dann schon die Wunden. Ich habe im Anschluss in meinem privaten Umfeld viel darüber gesprochen und die Rückmeldung bekommen, dass wir die Herzen der Menschen erreicht haben. Auch auf sportlicher Ebene gab es viel positives Feedback, das hilft enorm. Es gibt einem das Gefühl, dass es trotz der Niederlage ein schönes Erlebnis war. Und das zweite Ziel ist es ja immer, Spieler für die A-Nationalmannschaft zu entwickeln. Wenn Nick Woltemade jetzt zwei wichtige Tore zur WM-Qualifikation schießt, Nathaniel Brown und einige andere im Anschluss an die EM oben dabei sind, dann hilft das auch eine Finalniederlage zu akzeptieren.
DFB.de: Im Anschluss an so ein Finalspiel gibt es, unabhängig von Sieg oder Niederlage, nach Gratulation und Abklatschen, Feiern und Trösten, diesen Moment auf dem Rasen, indem man kurz für sich ist. Haben Sie noch eine Erinnerung daran?
Di Salvo: Ja, habe ich. Das war ein Moment der Leere. Das ergibt sich im Inneren, wenn man in die enttäuschten Gesichter der Spieler, des Trainerteams, des Staffs schaut. Zumal wir drauf und dran waren, dieses Spiel zu gewinnen, und die verpasste Chance einem bewusst wird. Wenn einem die Momente klar werden, die im Spiel gegen uns gelaufen sind - die Lattenschüsse von Paul Nebel in der 93. Minute und Merlin Röhl zum Ende der Verlängerung - dann wird einem bewusst: Es sollte nicht sein.
DFB.de: Viel Zeit zum Erholen gab es nicht. Drei Tage nach dem EM-Finale hieß die Aufgabe: Zusammenstellung eines neuen Teams. Wie schwer war es, vom EM-Turniermodus auf die Qualifikationsspiele umzuschalten?
Di Salvo: Es war nicht schwer, weil ich die Situation kenne. Und sie hat ja auch ihren Reiz: Die Zusammenstellung eines neuen Kaders macht Spaß und beginnt schon viel früher durch die Beobachtung der nachfolgenden U-Mannschaften und der potenziellen Spieler. Zudem bin ich mit Hannes Wolf, Christian Wörns und Hanno Balitsch im ständigen Austausch. Hinzu kommen Spieler, die im letzten Jahrgang schon dabei waren.
DFB.de: Es gab auch Veränderungen auf wichtigen Positionen im Trainerteam: Schon zu Beginn des Jahres mit Ovid Hajou für Daniel Niedzkowski, nach der EM Shkodran Mustafi für Hermann Gerland, wie hat sich das eingespielt?
Di Salvo: Solche Veränderungen sind auch immer die Chance, neue Energien und neue Ideen in ein Trainerteam zu bringen. Als Freund habe ich dem Wunsch von Daniel, sich zu verändern, gerne entsprochen und gleichzeitig mit Ovid jemand dazugewonnen, mit dem ich die ersten Trainerlizenzen zusammen gemacht habe und von daher schon seit vielen Jahren ein Vertrauensverhältnis aufgebaut habe. Damit gab es neue Impulse in unserer Spielphilosophie, in der Ansprache und in den Abläufen mit der Mannschaft. Die gab es auch durch den Wechsel von Hermann zu Shkodran. Sicherlich braucht es eine Zeit der Gewöhnung und Anpassung, aber jetzt fühlt es sich so an, als ob wir schon zehn Jahre zusammenarbeiten würden.
DFB.de: Der Start in die EM-Qualifikation 2027 begann mit Siegen im Freundschaftsspiel in Albanien und dem 5:0 in Rostock erfolgreich, dann gab es die Niederlage gegen Griechenland und anschließend noch einmal drei Siege. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?
Di Salvo: Wir haben eine sehr spannende Mannschaft und eine herausfordernde Gruppe. Wir haben gegen Griechenland verloren und sind so vom Gejagten zum Jäger geworden. Die Griechen machen das bislang sehr gut und haben eine sehr interessante Mannschaft. Uns haben in diesem Spiel, auch aufgrund personeller Engpässe, Stabilität und wichtige Mechanismen gerade in der Anfangsphase gefehlt. Trotzdem sind wir zurückgekommen und haben einen Zwei-Tore-Rückstand aufgeholt. Leider haben wir in der Phase, als wir am Drücker waren, den vermeidbaren dritten Gegentreffer kassiert. Da haben wir den Finger in die Wunde gelegt und aufgezeigt, welche Fehler wir abstellen müssen. In den drei folgenden Spielen haben wir eine gute Reaktion gezeigt. Jetzt gehen wir mit vollem Fokus erstmal das Heimspiel gegen Nordirland an und dann wollen und müssen wir das Spiel in Griechenland gewinnen.
DFB.de: Was wünschen Sie sich für Ihre Spieler im kommenden Jahr?
Di Salvo: Zunächst wünsche ich allen viele Einsätze und gute Leistungen bis zur Winterpause, damit sie anschließend entspannen und die Weihnachtszeit mit ihren Familien genießen können. Im neuen Jahr hoffe ich, dass sie sich in ihren Vereinen als Stammkräfte etablieren, mutig bleiben, Verantwortung übernehmen und sich kontinuierlich verbessern. Das gilt nicht nur für den aktuell nominierten Kader, sondern auch für Spieler, die im Blickfeld der U 21 stehen.
DFB.de: Inwiefern ist das eben angesprochen Rollenverständnis für die jungen Spieler wichtig - bei der U 21, aber auch in Ihren Vereinen?
Di Salvo: Die Jungs sind bei der U 21 und in Ihren Vereinen längst im Leistungssport angekommen und müssen wissen, dass es in alle Richtungen schnell gehen kann. Heute Stammspieler und gesetzt zu sein bedeutet nicht automatisch, dass dies in drei Monaten noch so ist. Umgekehrt bietet es Spielern, die aktuell etwas hintendran sind, die Möglichkeit, sich mit harter Arbeit weiterzuentwickeln und in den Fokus zu spielen. Es liegt an jedem Einzelnen, Situationen anzunehmen und zu akzeptieren, um anschließend das Beste daraus zu machen.
DFB.de: Wie sehr hat Sie das Jahr 2025 als Trainer geprägt - haben Sie selbst etwas Neues über Ihre eigene Führungsrolle gelernt und wo lagen Herausforderungen?
Di Salvo: Gute Frage! Ich bin schon lange Trainer und nun über vier Jahre Cheftrainer bei der U 21. Man entwickelt sich immer weiter, durch neue Situationen, weil sich der Fußball generell weiterentwickelt, sich die Menschen und die Spielergenerationen verändern und dadurch neue Herausforderungen entstehen. Ich habe dem Staff und dem Team vor der EM gesagt, dass sie trotz aller Zielsetzungen, allem Ehrgeiz und aller intrinsischen Motivation, immer das Beste erreichen zu wollen, das Turnier auch genießen sollen, weil es einzigartige Momente sein werden. Diesen Switch hinzubekommen - neben der ambitionierten Arbeit mit einer tollen Mannschaft und einem fantastischen Staff auch Momente genießen zu können - das ist wichtig. Und da habe ich selbst Entwicklungsschritte gemacht.
DFB.de: Wenn Sie auf die Reisen, Trainingslager und Spiele zurückblicken: Gibt es eine persönliche Erinnerung, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Di Salvo: Es sind viele kleine Dinge. Manchmal ist es eine Art Wertschätzung und Genugtuung, wenn ich auch nach der Europameisterschaft mit den Spielern in Kontakt bleibe und sie der neuen Generation, dem Staff und auch mir persönlich alles Gute wünschen und den Weg verfolgen. Wenn wir gespiegelt bekommen, dass wir für ihre Entwicklung sehr wichtig waren und ihnen geholfen haben, das bleibt hängen.
DFB.de: Welche Spieler haben Sie nicht nur sportlich, sondern auch menschlich beeindruckt?
Di Salvo: Es gab schon Spieler, die eine sich verändernde Rolle, wie ich es eben beschrieben habe, sehr gut angenommen haben. Die neben den sportlichen Aspekten eine Wertschätzung für die Entwicklung der letzten gemeinsamen Jahre haben. Ein Beispiel sei erlaubt: Nick Woltemade war uns sehr dankbar, dass wir ihm in einer Phase vertraut und auf ihn gesetzt haben, als er sportlich noch nicht den Durchbruch geschafft hatte. Es ist sehr schön zu sehen, was daraus geworden ist - das sind besondere Momente.
DFB.de: Das Spiel gegen Lettland war aufgrund Ihrer Historie in Rostock ein besonderes. Gibt es auch im nächsten Jahr ein Spiel, das für Sie eine besondere Bedeutung hat?
Di Salvo: Ich habe noch nie auf Malta gespielt! Ich hatte schon immer den Wunsch, dorthin zu reisen, da es nicht weit von Sizilien, der Heimat meiner Eltern, entfernt ist und mein Onkel mir davon erzählt hat, weil er dort einmal gearbeitet hat. Ansonsten brenne ich natürlich auf das Spiel in Griechenland und bin gespannt, wie wir dem Ganzen standhalten werden.
DFB.de: Nach einigen Ligaspieltagen steht eine kurze Winterpause an. Wie sieht die bei Antonio Di Salvo aus?
Di Salvo: Das muss ich zuhause noch besprechen. (lacht) Weihnachten ist Familienzeit und wir besuchen uns gegenseitig. Es wird eine ruhige und entspannte Zeit. Möglicherweise unternehme ich noch etwas nur mit meiner Frau und den Kindern, das planen wir in den nächsten Wochen gemeinsam.
Kategorien: U 21-Männer
Autor: mb

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