Guido Streichsbier: "Die Reife hat gefehlt"

Die deutsche U 19-Nationalmannschaft hat die zweite EM-Qualifikationsrunde mit einem 3:0 gegen Slowenien beendet. Im DFB.de-Interview erklärt Trainer Guido Streichsbier, warum es trotzdem nicht mit der Qualifikation für die Endrunde in Malta geklappt hat. Der Chefcoach analysiert vor allem eine Halbzeit in Bremen kritisch.  

DFB.de: Herr Streichsbier, Sie sprachen im Vorfeld von einem der härtesten Wettbewerbe im europäischen Fußball, den diese zweite Qualifikationsrunde darstellt. Welche Beobachtungen haben Sie nun während dieser sogenannten Eliterunde, in der sich nur die Gruppensieger der sieben Vierergruppen für die EM in Malta qualifizieren, gemacht?

Guido Streichsbier: Es hat sich bewahrheitet, dass mit Belgien, Italien und Deutschland drei Topteams mit unterschiedlichen, hohen Qualitäten in einer Gruppe waren. Auch Slowenien wurde in der ersten Qualirunde nicht einfach so Erster in einer Gruppe mit den Niederlanden. Sie verteidigen sehr konsequent und robust. Die Belgier haben mit sehr viel individueller Klasse geglänzt. Und Italien hatte ein sehr starkes Kollektiv, das in der Lage ist, auch an einem durchschnittlichen Tag Spiele zu gewinnen. Wenn dann eben nur der Erste zur Endrunde fahren darf, ist das hart. Umso mehr, wenn man Zweiter wird.

DFB.de: Eine deutsche U 19 hat sich letztmals 2017 für die EM qualifiziert. Woran hat es aus Ihrer Sicht gelegen, dass die Qualifikation für die EM in Malta nun erneut verpasst wurde?

Streichsbier: Mit ein wenig Abstand hat uns die persönliche Reife gefehlt. Potenzial bedeutet für mich, dass man es in einer Drucksituation abruft. Da waren wir, obwohl wir viele Spieler im Kader hatten, die regelmäßig im Profibereich zu Einsatzzeiten kommen, nicht gut genug. Trotz einer schwachen ersten Halbzeit gegen Italien haben wir auf 2:2 gestellt – leider konnten wir diesen Rückenwind nicht nutzen. Hinzu kamen Ausfälle wie der von Brajan Gruda, der uns mit seiner frechen Spielweise sicher gutgetan hätte. Anton Kade wollte lieber im Verein bleiben und trainieren.

DFB.de: Die Resultate im Vorfeld der zweiten Qualirunde ließen darauf schließen, dass das Team dennoch bereit ist für die schwierigen Gegner.

Streichsbier: Im November, beim topbesetzten Turnier mit Portugal und Polen, hat die Mannschaft gezeigt, dass sie es eigentlich kann. Jetzt kamen zu viele unserer Schlüsselspieler leider nicht an ihr Leistungsmaximum heran. Junge Menschen machen nun einmal Fehler und das ist auch Teil der Entwicklung. Ausscheiden muss sich immer schlecht anfühlen, trotzdem lassen wir sie nicht fallen. Wir haben den Auftrag, ihnen klar die Defizite aufzuzeigen, aber auch den Weg zur Verbesserung. Die Jungs müssen hart an sich arbeiten und lernen, dann haben Vereine und Verband in zwei bis drei Jahren ihre Freude an ihnen.

DFB.de: Wie haben das Trainerteam und Sie als Cheftrainer die Mannschaft auf das Qualiturnier vorbereitet?

Streichsbier: Zunächst haben wir für uns einen 28er-Kader definiert, den wir ab Januar eng verfolgt haben. Wir waren bei jedem Spieler, entweder im Training oder bei einem Spiel, vor Ort und haben persönlich gesprochen. Dazu haben wir gemeinsam mit unseren Scouts Christian Brüntjen und Oliver Heine mindestens ein Livespiel und zwei Videobeobachtungen durchgeführt. Zusätzlich haben wir viele Informationen über die Gegner eingeholt, haben deren Länderspiele und die wichtigsten Einzelspieler beobachtet. In Belgien und Italien haben wir Vereinsspiele live angeschaut und zusätzlich Infos von deutschen Vereinsscouts zu den belgischen und italienischen Spielern eingeholt. Es war unser Ziel, die Einzelspieler bestmöglich zu analysieren, damit unsere Mannschaft weiß, was auf sie zukommt – und, wo wir diesen Gegnern wehtun können.

DFB.de: Klassische Trainerarbeit, das Verbinden eigener Stärken mit möglichen Schwächen der Gegner.

Streichsbier: Genau. Man schaut, welche Stärken und Schwachstellen der Gegner hat und bringt das mit den eigenen Fähigkeiten zusammen. Wir haben Bereiche definiert, wo wir den Gegner für Ballgewinne hinlenken wollen, um nach Ballgewinnen schnell zum gegnerischen Tor umzuschalten. Nicht nur, aber auch daran haben wir unsere Strategie ausgerichtet.

DFB.de: Woran noch?

Streichsbier: Neben dem Umschaltspiel haben wir die Mannschaft auch darauf vorbereitet, wie wir einen organisiert verteidigenden Gegner knacken können. Erstens mit unserer Dynamik über den Flügel und zweitens mit Abläufen durchs Zentrum über das Herstellen von verschiedenen Ebenen. Taktiken, die dem Naturell der Spieler und ihren Stärken entsprechen, die ihnen genügend offensive Freiheitsgrade geboten haben. Meines Erachtens ist das bei zwei Tagen Vorbereitung die einzige sinnvolle Vorgehensweise.

DFB.de: Lässt sich aus deutscher Sicht ansonsten noch etwas Positives aus diesem Miniturnier ziehen?

Streichsbier: Dass wir nach der schwachen ersten Halbzeit im Auftaktspiel gegen Italien so zurückkommen, war sehr gut. Wir kassieren mehr als unglückliche Gegentore, gleichen mit einer Leistungssteigerung nach der Pause verdient zum 2:2 aus und haben nach dem erneuten Gegentor noch drei dicke Chancen, den Ausgleich zu erzielen. Das sehe ich positiv. Auch gegen Belgien haben wir in der zweiten Halbzeit einen Fight geliefert. Nachdem wir zuvor zu viele lange Bälle geschlagen haben, konnten sich die Jungs ab der 60. Minute mit enormem Willen gute Möglichkeiten herausspielen. Im abschließenden Spiel, als das Turnier eigentlich schon gelaufen war, hat es die Mannschaft gewissenhaft zu Ende gespielt und sich mit dem klaren Sieg gegen Slowenien belohnt.

DFB.de: War es im Nachhinein eher Vor- oder Nachteil, dass zuhause in Bremen gespielt wurde?

Streichsbier: Die Trainingsbedingungen waren super, Werder Bremen hat uns da toll unterstützt. Und gerade für die Spieler, die sonntags noch im Einsatz waren, war die kurze Anreise ein kleiner Vorteil. Im ersten und zweiten Spiel hatten wir eine schöne Kulisse und danach haben es die Jungs auch als positiv empfunden, vor ihren Familien und Freunden zu spielen. Leider haben sie sich – ich spreche immer von einem Turnier für die Spieler – durch die verpasste Quali trotzdem einer Turniererfahrung beraubt.

DFB.de: Was bringen nun die nächsten Wochen?

Streichsbier: Vor allem Scouting. In der A-Junioren-Bundesliga steht die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft an, genau wie bei den B-Junioren. Nächste Woche bin ich an drei Tagen zu Gast bei der A+ Trainerausbildung und am 30. April steigt das DFB-Pokalfinale der Junioren in Potsdam. Zuvor sind mein Co-Trainer Gunther Metz in Köln und ich auf Schalke bei den Halbfinalspielen. Zudem werden wir für meinen Kollegen Christian Wörns und sein Trainerteam die Erkenntnisse der diesjährigen Qualirunden zusammenfassen, da sie im kommenden Jahr den Zyklus bestreiten werden.

[jf]

Die deutsche U 19-Nationalmannschaft hat die zweite EM-Qualifikationsrunde mit einem 3:0 gegen Slowenien beendet. Im DFB.de-Interview erklärt Trainer Guido Streichsbier, warum es trotzdem nicht mit der Qualifikation für die Endrunde in Malta geklappt hat. Der Chefcoach analysiert vor allem eine Halbzeit in Bremen kritisch.  

DFB.de: Herr Streichsbier, Sie sprachen im Vorfeld von einem der härtesten Wettbewerbe im europäischen Fußball, den diese zweite Qualifikationsrunde darstellt. Welche Beobachtungen haben Sie nun während dieser sogenannten Eliterunde, in der sich nur die Gruppensieger der sieben Vierergruppen für die EM in Malta qualifizieren, gemacht?

Guido Streichsbier: Es hat sich bewahrheitet, dass mit Belgien, Italien und Deutschland drei Topteams mit unterschiedlichen, hohen Qualitäten in einer Gruppe waren. Auch Slowenien wurde in der ersten Qualirunde nicht einfach so Erster in einer Gruppe mit den Niederlanden. Sie verteidigen sehr konsequent und robust. Die Belgier haben mit sehr viel individueller Klasse geglänzt. Und Italien hatte ein sehr starkes Kollektiv, das in der Lage ist, auch an einem durchschnittlichen Tag Spiele zu gewinnen. Wenn dann eben nur der Erste zur Endrunde fahren darf, ist das hart. Umso mehr, wenn man Zweiter wird.

DFB.de: Eine deutsche U 19 hat sich letztmals 2017 für die EM qualifiziert. Woran hat es aus Ihrer Sicht gelegen, dass die Qualifikation für die EM in Malta nun erneut verpasst wurde?

Streichsbier: Mit ein wenig Abstand hat uns die persönliche Reife gefehlt. Potenzial bedeutet für mich, dass man es in einer Drucksituation abruft. Da waren wir, obwohl wir viele Spieler im Kader hatten, die regelmäßig im Profibereich zu Einsatzzeiten kommen, nicht gut genug. Trotz einer schwachen ersten Halbzeit gegen Italien haben wir auf 2:2 gestellt – leider konnten wir diesen Rückenwind nicht nutzen. Hinzu kamen Ausfälle wie der von Brajan Gruda, der uns mit seiner frechen Spielweise sicher gutgetan hätte. Anton Kade wollte lieber im Verein bleiben und trainieren.

DFB.de: Die Resultate im Vorfeld der zweiten Qualirunde ließen darauf schließen, dass das Team dennoch bereit ist für die schwierigen Gegner.

Streichsbier: Im November, beim topbesetzten Turnier mit Portugal und Polen, hat die Mannschaft gezeigt, dass sie es eigentlich kann. Jetzt kamen zu viele unserer Schlüsselspieler leider nicht an ihr Leistungsmaximum heran. Junge Menschen machen nun einmal Fehler und das ist auch Teil der Entwicklung. Ausscheiden muss sich immer schlecht anfühlen, trotzdem lassen wir sie nicht fallen. Wir haben den Auftrag, ihnen klar die Defizite aufzuzeigen, aber auch den Weg zur Verbesserung. Die Jungs müssen hart an sich arbeiten und lernen, dann haben Vereine und Verband in zwei bis drei Jahren ihre Freude an ihnen.

DFB.de: Wie haben das Trainerteam und Sie als Cheftrainer die Mannschaft auf das Qualiturnier vorbereitet?

Streichsbier: Zunächst haben wir für uns einen 28er-Kader definiert, den wir ab Januar eng verfolgt haben. Wir waren bei jedem Spieler, entweder im Training oder bei einem Spiel, vor Ort und haben persönlich gesprochen. Dazu haben wir gemeinsam mit unseren Scouts Christian Brüntjen und Oliver Heine mindestens ein Livespiel und zwei Videobeobachtungen durchgeführt. Zusätzlich haben wir viele Informationen über die Gegner eingeholt, haben deren Länderspiele und die wichtigsten Einzelspieler beobachtet. In Belgien und Italien haben wir Vereinsspiele live angeschaut und zusätzlich Infos von deutschen Vereinsscouts zu den belgischen und italienischen Spielern eingeholt. Es war unser Ziel, die Einzelspieler bestmöglich zu analysieren, damit unsere Mannschaft weiß, was auf sie zukommt – und, wo wir diesen Gegnern wehtun können.

DFB.de: Klassische Trainerarbeit, das Verbinden eigener Stärken mit möglichen Schwächen der Gegner.

Streichsbier: Genau. Man schaut, welche Stärken und Schwachstellen der Gegner hat und bringt das mit den eigenen Fähigkeiten zusammen. Wir haben Bereiche definiert, wo wir den Gegner für Ballgewinne hinlenken wollen, um nach Ballgewinnen schnell zum gegnerischen Tor umzuschalten. Nicht nur, aber auch daran haben wir unsere Strategie ausgerichtet.

DFB.de: Woran noch?

Streichsbier: Neben dem Umschaltspiel haben wir die Mannschaft auch darauf vorbereitet, wie wir einen organisiert verteidigenden Gegner knacken können. Erstens mit unserer Dynamik über den Flügel und zweitens mit Abläufen durchs Zentrum über das Herstellen von verschiedenen Ebenen. Taktiken, die dem Naturell der Spieler und ihren Stärken entsprechen, die ihnen genügend offensive Freiheitsgrade geboten haben. Meines Erachtens ist das bei zwei Tagen Vorbereitung die einzige sinnvolle Vorgehensweise.

DFB.de: Lässt sich aus deutscher Sicht ansonsten noch etwas Positives aus diesem Miniturnier ziehen?

Streichsbier: Dass wir nach der schwachen ersten Halbzeit im Auftaktspiel gegen Italien so zurückkommen, war sehr gut. Wir kassieren mehr als unglückliche Gegentore, gleichen mit einer Leistungssteigerung nach der Pause verdient zum 2:2 aus und haben nach dem erneuten Gegentor noch drei dicke Chancen, den Ausgleich zu erzielen. Das sehe ich positiv. Auch gegen Belgien haben wir in der zweiten Halbzeit einen Fight geliefert. Nachdem wir zuvor zu viele lange Bälle geschlagen haben, konnten sich die Jungs ab der 60. Minute mit enormem Willen gute Möglichkeiten herausspielen. Im abschließenden Spiel, als das Turnier eigentlich schon gelaufen war, hat es die Mannschaft gewissenhaft zu Ende gespielt und sich mit dem klaren Sieg gegen Slowenien belohnt.

DFB.de: War es im Nachhinein eher Vor- oder Nachteil, dass zuhause in Bremen gespielt wurde?

Streichsbier: Die Trainingsbedingungen waren super, Werder Bremen hat uns da toll unterstützt. Und gerade für die Spieler, die sonntags noch im Einsatz waren, war die kurze Anreise ein kleiner Vorteil. Im ersten und zweiten Spiel hatten wir eine schöne Kulisse und danach haben es die Jungs auch als positiv empfunden, vor ihren Familien und Freunden zu spielen. Leider haben sie sich – ich spreche immer von einem Turnier für die Spieler – durch die verpasste Quali trotzdem einer Turniererfahrung beraubt.

DFB.de: Was bringen nun die nächsten Wochen?

Streichsbier: Vor allem Scouting. In der A-Junioren-Bundesliga steht die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft an, genau wie bei den B-Junioren. Nächste Woche bin ich an drei Tagen zu Gast bei der A+ Trainerausbildung und am 30. April steigt das DFB-Pokalfinale der Junioren in Potsdam. Zuvor sind mein Co-Trainer Gunther Metz in Köln und ich auf Schalke bei den Halbfinalspielen. Zudem werden wir für meinen Kollegen Christian Wörns und sein Trainerteam die Erkenntnisse der diesjährigen Qualirunden zusammenfassen, da sie im kommenden Jahr den Zyklus bestreiten werden.

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