"Fitness-App kann dir Fußball nicht ersetzen"

Der 1. DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch warnt vor den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Amateurfußball. "Allein werden es viele gemeinnützige Vereine nicht schaffen, zu überleben", so der 61 Jahre alte Jurist, der den deutschen Fußball im UEFA-Exekutivkomitee repräsentiert, vor rund zwei Wochen zur ARD-Sportschau.

Inzwischen hat sich viel getan. Die Nationalmannschaft spendete 2,5 Millionen Euro. Zusätzlich starteten die Nationalspieler Joshua Kimmich und Leon Goretzka mit beträchtlichen Spenden die Initiative "We kick Corona". Doch auch wenn einzelne Bundesländer wie etwa Nordrhein-Westfalen dem Sport in der Not finanziell zur Seite stehen, gibt es natürlich die Probleme bei den Amateurvereinen. DFB.de sprach mit drei Ehrenamtlern: in Sachsen, NRW und Baden-Württemberg. Ein Abteilungsleiter, ein Vorstandsmitglied und ein Vereinspräsident berichten, wie Corona sich im eigenen Fußballverein auswirkt.

Torsten Lange, 33, Betriebswirt und Vorstandsmitglied beim SV Schwarz-Gelb Bernburg:

"Unser Verein hat schon einige Talente hervorgebracht, zuletzt etwa Laurin Schössler, der mit einem Zwischenschritt zu RB Leipzig wechselte. Dennoch mussten wir im Nachwuchsbereich aufholen. Ein Nachbarverein ist DFB-Stützpunkt, da sind wir doch etwas ins Hintertreffen geraten. Weshalb wir die Initiative "Play more Football" gegründet und unsere Trainer an Kitas und eine Grundschule geschickt haben. Man muss den Leuten ja zumindest den Aufwand erstatten. Und jetzt, durch Corona, sind uns die Einnahmen komplett weggebrochen. Wir haben eigentlich alles richtig gemacht. Die Schule ist heutzutage für Fußballvereine ein enorm wichtiger Ort, um Nachwuchs zu rekrutieren, deshalb ist es für uns als Verein wichtig, dass wir mit der Regenbogenschule in Bernburg kooperieren können. Denn von alleine kommen die Kids nicht mehr. Unser kleiner Klub kooperiert mit dem VfL Wolfsburg, Ausbilder schulen ab sofort unsere Jugendtrainer, die auch ab und zu dort in der Akademie Fortbildungen erhalten werden. Für die Zukunft ist mir also nicht bange. Aber jetzt müssen wir als kleiner Verein mit festen Kosten erstmal Corona überstehen."

Florian Südhölter, 34, selbstständig und Vorsitzender des Herforder SV Borussia Friedenstal:

"Wir sind ein reiner Mädchen- und Frauenfußballverein. Unsere erste Mannschaft spielt in der Regionalliga, also in der dritthöchsten deutschen Frauenliga. Einige regionale Unternehmen haben uns unterstützt. Pro Saison kamen da rund 10.000 bis 12.000 Euro zusammen. Diese kleineren Firmen und Betriebe müssen jetzt aber erstmal selbst schauen, wie es weitergeht. Und auch für die Zeit nach Corona bin ich eher skeptisch. Wie vorher, auf diesem finanziellen Niveau, werden wir die Zusammenarbeit erstmal nicht fortsetzen können. Ich fürchte, die Auswirkungen der Pandemie werden dem Amateurfußball noch eine gewisse Zeit nachhängen. Unsere Spielerinnen haben klasse reagiert und verzichten auf ihre Aufwandsentschädigungen. ‚Solange nicht gespielt wird, wollen wir kein Geld‘, haben viele gesagt. Aber einige sind drauf angewiesen, sonst wird’s eng mit der Miete. Da zahlen wir noch weiter. Ich denke, wir sollten die Rückrunde erst im Herbst austragen. Würde der Spielbetrieb jetzt sofort fortgesetzt, würde uns ein Teil der Mannschaft wegbrechen. Unser Kader ist sehr jung und die Eltern haben sicherlich auch Angst um ihre Mädels. Man sollte die ganze Thematik um Corona nicht unterschätzen."

Johannes Leibold, 37, Betriebswirt, Abteilungsleiter Fußball bei SG Herzogsweiler-Durrweiler:

"Wir sind ein kleiner Verein hier im nördlichen Schwarzwald, zwei erste Mannschaften stehen im Wettbewerb, rund 50 Kinder und Jugendliche spielen bei uns Fußball. Idyllisch, die Natur ist hier bei uns wunderschön. Das ändert leider nichts daran, dass auch wir die Auswirkungen von Corona hart zu spüren bekommen. Wir waren Tabellenzweiter, standen also vor dem Aufstieg in die Landesliga. Und im Pokal trennten uns nur zwei Siege vom Einzug in den DB-Regiopokal. Die Heimspiele sind eine wichtige Einnahmequelle, gerade mögliche Relegationsspiele wären für uns finanziell attraktiv gewesen. Das fällt jetzt alles zu 100 Prozent weg. Zu allem Überfluss ist nun auch noch die Heizung im Vereinsheim kaputt gegangen. Man kann also nur kalt duschen. Und die beiden Rasenplätze müssen gedüngt werden, auch wenn der Spielbetrieb ruht. Die Einnahmen brechen weg, die Fixkosten laufen weiter. Sonst geht uns noch die Infrastruktur verloren. Klar ist aber auch, all das ist nebensächlich. Dass die Menschen gesund bleiben und die, die erkranken, top versorgt werden, darum geht es jetzt. Und darum, dass der wirtschaftliche Schaden abgefedert werden kann. Und erst dann kommt vielleicht der Fußball. Natürlich sind wir ungeduldig. Es ist dieses Gemeinschaftserlebnis. Nicht die tollste Fitness-App kann dir das ersetzen. Wir warten alle auf den Tag X."

[th]

Der 1. DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch warnt vor den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Amateurfußball. "Allein werden es viele gemeinnützige Vereine nicht schaffen, zu überleben", so der 61 Jahre alte Jurist, der den deutschen Fußball im UEFA-Exekutivkomitee repräsentiert, vor rund zwei Wochen zur ARD-Sportschau.

Inzwischen hat sich viel getan. Die Nationalmannschaft spendete 2,5 Millionen Euro. Zusätzlich starteten die Nationalspieler Joshua Kimmich und Leon Goretzka mit beträchtlichen Spenden die Initiative "We kick Corona". Doch auch wenn einzelne Bundesländer wie etwa Nordrhein-Westfalen dem Sport in der Not finanziell zur Seite stehen, gibt es natürlich die Probleme bei den Amateurvereinen. DFB.de sprach mit drei Ehrenamtlern: in Sachsen, NRW und Baden-Württemberg. Ein Abteilungsleiter, ein Vorstandsmitglied und ein Vereinspräsident berichten, wie Corona sich im eigenen Fußballverein auswirkt.

Torsten Lange, 33, Betriebswirt und Vorstandsmitglied beim SV Schwarz-Gelb Bernburg:

"Unser Verein hat schon einige Talente hervorgebracht, zuletzt etwa Laurin Schössler, der mit einem Zwischenschritt zu RB Leipzig wechselte. Dennoch mussten wir im Nachwuchsbereich aufholen. Ein Nachbarverein ist DFB-Stützpunkt, da sind wir doch etwas ins Hintertreffen geraten. Weshalb wir die Initiative "Play more Football" gegründet und unsere Trainer an Kitas und eine Grundschule geschickt haben. Man muss den Leuten ja zumindest den Aufwand erstatten. Und jetzt, durch Corona, sind uns die Einnahmen komplett weggebrochen. Wir haben eigentlich alles richtig gemacht. Die Schule ist heutzutage für Fußballvereine ein enorm wichtiger Ort, um Nachwuchs zu rekrutieren, deshalb ist es für uns als Verein wichtig, dass wir mit der Regenbogenschule in Bernburg kooperieren können. Denn von alleine kommen die Kids nicht mehr. Unser kleiner Klub kooperiert mit dem VfL Wolfsburg, Ausbilder schulen ab sofort unsere Jugendtrainer, die auch ab und zu dort in der Akademie Fortbildungen erhalten werden. Für die Zukunft ist mir also nicht bange. Aber jetzt müssen wir als kleiner Verein mit festen Kosten erstmal Corona überstehen."

Florian Südhölter, 34, selbstständig und Vorsitzender des Herforder SV Borussia Friedenstal:

"Wir sind ein reiner Mädchen- und Frauenfußballverein. Unsere erste Mannschaft spielt in der Regionalliga, also in der dritthöchsten deutschen Frauenliga. Einige regionale Unternehmen haben uns unterstützt. Pro Saison kamen da rund 10.000 bis 12.000 Euro zusammen. Diese kleineren Firmen und Betriebe müssen jetzt aber erstmal selbst schauen, wie es weitergeht. Und auch für die Zeit nach Corona bin ich eher skeptisch. Wie vorher, auf diesem finanziellen Niveau, werden wir die Zusammenarbeit erstmal nicht fortsetzen können. Ich fürchte, die Auswirkungen der Pandemie werden dem Amateurfußball noch eine gewisse Zeit nachhängen. Unsere Spielerinnen haben klasse reagiert und verzichten auf ihre Aufwandsentschädigungen. ‚Solange nicht gespielt wird, wollen wir kein Geld‘, haben viele gesagt. Aber einige sind drauf angewiesen, sonst wird’s eng mit der Miete. Da zahlen wir noch weiter. Ich denke, wir sollten die Rückrunde erst im Herbst austragen. Würde der Spielbetrieb jetzt sofort fortgesetzt, würde uns ein Teil der Mannschaft wegbrechen. Unser Kader ist sehr jung und die Eltern haben sicherlich auch Angst um ihre Mädels. Man sollte die ganze Thematik um Corona nicht unterschätzen."

Johannes Leibold, 37, Betriebswirt, Abteilungsleiter Fußball bei SG Herzogsweiler-Durrweiler:

"Wir sind ein kleiner Verein hier im nördlichen Schwarzwald, zwei erste Mannschaften stehen im Wettbewerb, rund 50 Kinder und Jugendliche spielen bei uns Fußball. Idyllisch, die Natur ist hier bei uns wunderschön. Das ändert leider nichts daran, dass auch wir die Auswirkungen von Corona hart zu spüren bekommen. Wir waren Tabellenzweiter, standen also vor dem Aufstieg in die Landesliga. Und im Pokal trennten uns nur zwei Siege vom Einzug in den DB-Regiopokal. Die Heimspiele sind eine wichtige Einnahmequelle, gerade mögliche Relegationsspiele wären für uns finanziell attraktiv gewesen. Das fällt jetzt alles zu 100 Prozent weg. Zu allem Überfluss ist nun auch noch die Heizung im Vereinsheim kaputt gegangen. Man kann also nur kalt duschen. Und die beiden Rasenplätze müssen gedüngt werden, auch wenn der Spielbetrieb ruht. Die Einnahmen brechen weg, die Fixkosten laufen weiter. Sonst geht uns noch die Infrastruktur verloren. Klar ist aber auch, all das ist nebensächlich. Dass die Menschen gesund bleiben und die, die erkranken, top versorgt werden, darum geht es jetzt. Und darum, dass der wirtschaftliche Schaden abgefedert werden kann. Und erst dann kommt vielleicht der Fußball. Natürlich sind wir ungeduldig. Es ist dieses Gemeinschaftserlebnis. Nicht die tollste Fitness-App kann dir das ersetzen. Wir warten alle auf den Tag X."

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