Bundestrainer Nummer elf: So starteten Flicks Vorgänger

Heute Abend (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) beginnt die Ära Hansi Flick. Der elfte Bundestrainer führt die Nationalmannschaft gleich zum Auftakt in ein Pflichtspiel. Die Hürde Liechtenstein ist eher niedrig, ein Sieg wird erwartet vom viermaligen Weltmeister. Die Historie zeigt allerdings, dass Auftaktsiege nicht unbedingt ein gutes Omen sind. Drei der vier Weltmeistertrainer gewannen ihr erstes Spiel nicht, erst Joachim Löw brach 2006 mit dieser merkwürdigen Tradition. So starteten die Bundestrainer vor Flick:

Otto Nerz

Der Mannheimer war offiziell Reichstrainer und übernahm die 18 Jahre fachlich quasi unbetreute Nationalmannschaft im Herbst 1926. Nachdem zuvor der DFB-Spielausschuss für die Nominierung der Mannschaft zuständig gewesen war und es keinen Nationaltrainer im heutigen Sinne gab, wurde in Länderspiel Nummer 59 Geschichte geschrieben. In Amsterdam gab es am 31. Oktober 1926 erstmals einen hauptamtlichen Trainer, der dafür verantwortlich war, "daß erstmals in der Geschichte der Nationalmannschaft systematisch und gewissenhaft gearbeitet wurde", schrieb Ludger Schulze in seiner Chronik "Die Mannschaft".

Hintergrund der Personalie war der Aufbau einer schlagkräftigen Elf für das Olympiaturnier 1928 in Amsterdam. Der 34 Jahre alte Nerz, bis heute der Jüngste in diesem Amt, führte das englische WM-System (3-2-2-3) ein und baute mit Ausnahme des Debütanten Karl Scherm auf bewährte Kräfte. Nach 90 Minuten durfte er sich über einen 3:2-Auswärtssieg gegen die Niederlande freuen, zu dem der Hamburger Tull Harder zwei Tore beisteuerte und so für die Wende sorgte. Die Gastgeber waren in Führung gegangen, der Nürnberger Ludwig Wieder glich aus. Das Spiel brachte dem DFB einen Rekord ein, denn es war der dritte Auswärtssieg in Folge und damit die bis dahin längste Serie. Sehr zur Freude übrigens von 1000 Schlachtenbummler*innen, die in Sonderzügen angereist waren - damals noch eine Seltenheit beim Fußball.

In einer Länderspiel-Chronik von 1937 heißt es: "40.000 Zuschauer von nah und fern hatten eine solche Überfüllung gebracht, daß es in Amsterdam keine Badewanne geschweige denn ein Zimmer zum Übernachten mehr gab." Zu lachen gab es auch etwas: der Nürnberger Heinrich Träg kam mit der neuen Abseitsregel nicht klar und wurde so oft zurückgepfiffen, dass er dem englischen Schiedsrichter an den Kragen wollte. Harder verhinderte es. In der zweiten Hälfte der Partie sprang der diesmal nur als Ersatztorwart mitgekommene Nürnberger Heiner Stuhlfauth als Linienrichter ein und stellte fest: "Es ist gar nicht so einfach, wie es aussieht."

Sepp Herberger

Wann die Karriere des am längsten amtierenden DFB-Trainers begann, ist umstritten und den undurchsichtigen Verhältnissen jener Tage geschuldet. Nach dem Olympia-Aus 1936 gegen Norwegen (0:2) war Nerz nicht mehr wohlgelitten und wurde beurlaubt, aber eben nicht entlassen. Herberger vertrat ihn beim 1:1 in Warschau am 13. September offiziell als "Begleiter". Lange wurde dieses Polen-Spiel als Auftakt seiner Karriere als Nationaltrainer angesehen.

Da Nerz aber zurückkam, hat sich der DFB aufgrund neuerer Forschungen festgelegt: Herbergers offizielles Debüt erfolgte erst nach seiner Ernennung zum Reichstrainer am 2. November 1936. Selbständig agieren durfte er auch dann nicht, Nerz war sein Vorgesetzter und wollte bei Aufstellungen das letzte Wort haben. Die Arbeit auf dem Trainingsplatz hatte jedoch Herberger, der auch den besseren Draht zu den Spielern hatte.

Sein erstes von 162 Länderspielen leitete er offiziell am 15. November 1936 gegen Weltmeister Italien. Im Berliner Olympiastadion gab es zum Einstand einen Zuschauerrekord (102.000) und nach wechselnden Führungen ein gerechtes 2:2. Beide Tore schoss ein "Landsmann" von Herberger, der Mannheimer Otto Siffling. Die Zuschauer waren begeistert vom "Spiel des Jahres", wie es in den Vorankündigungen hieß. Die Berliner Morgenpost titelte: "Wir können stolz sein auf das 2:2."

Helmut Schön

Nach 28 Jahren unter Sepp Herberger, mit dem Höhepunkt des WM-Titels 1954, trat sein Assistent Helmut Schön ein schweres Erbe an. Schwer war auch, wie das Sprichwort es lehrt, der Anfang. Am 4. November 1964 ging es - ebenfalls in Berlin - gegen Schweden gleich um Punkte in der WM-Qualifikation. Schön ging Risiko und stellte mit dem Münchner Löwen Rudi Brunnenmeier einen Debütanten auf, der prompt das 1:0 erzielte. Doch mehr Tore gelangen trotz klarer Feldüberlegenheit nicht und fünf Minuten vor Schluss belohnten sich die Schweden für ihre Hartnäckigkeit mit dem Ausgleich.

"Für uns auf der Bank war das ein böser Schock. Die Weltmeisterschaftsteilnahme schien verloren", schrieb Schön in seinen Memoiren. Den Medien sagte er: "Ich bin nicht zufrieden mit meiner Mannschaft. Sie spielte nur teilweise so, wie wir es uns eigentlich vorgenommen hatten." Weshalb es auch nur einen Teilerfolg gab. Der Kicker titelte: "Wir haben den Sieg vertändelt!". Als Schön in geknickter Stimmung nach Hause kam, sagte er seiner Anneliese: "Jetzt bleibt uns nichts anderes übrig als in Schweden zu gewinnen." Taten sie dann auch (2:1) und der Weg führte die Deutschen bis ins WM-Finale.

Jupp Derwall

Nach der WM 1978 löste der Rheinländer Jupp Derwall Helmut Schön ab. Wieder folgte der Assistent seinem langjährigen Chef. Sein Auftrag war: Neuaufbau einer Mannschaft nach der Enttäuschung von Argentinien. Derwall durfte am 11. Oktober mit einem Testspiel in Prag beginnen, der Anfang war furios und vielversprechend. Schon zur Halbzeit führten die Deutschen beim amtierenden Europameister 4:1, am Ende wurde es noch knapp (4:3).

40.000 Zuschauer waren beeindruckt von der deutschen Angriffslust, die zu Toren durch Rüdiger Abramczik (8.), Rainer Bonhof (11./38.) und Hansi Müller (35.) führte. Nach der Pause ließ die mit zehn WM-Teilnehmern und Neuling Karlheinz Förster gestartete Elf etwas nach und Sepp Maier musste den Sieg retten. Derwall, der Düsseldorfs Klaus Allofs mit einem Kurzeinsatz zum Nationalspieler machte, war hinterher sogar froh "dass wir 4:3 statt 4:1 gewonnen haben, damit bleibt die Euphorie in Grenzen."

Franz Beckenbauer

Als Jupp Derwall nach dem EM-Aus in der Vorrunde 1984 zurücktrat, schlug die Stunde von Franz Beckenbauer. Der "Kaiser" hatte nicht mal einen Trainerschein, aber ihn umgab die Aura eines Alleskönners. Offiziell war zwar sein Assistent Horst Köppel Trainer, ihm blieb der neugeschaffene Titel des Teamchefs. Beckenbauer wollte den Job ohnehin nur für ein Jahr machen. Der Auftakt ging am 12. September 1984 in Düsseldorf gegen Argentinien (ohne Maradona) auch gleich in die Hose.

"Franz vor einem Berg von Sorgen", schrieb der Kicker nach der ersten Niederlage eines neuen Bundestrainers. Mit dem Mönchengladbacher Michael Frontzeck und dem Frankfurter Ralf Falkenmayer hatte er die linke Seite mit Debütanten besetzt, in Ditmar Jakobs einem 31 Jahre alten Verteidiger zu seinem zweiten Länderspiel verholfen. Auch die Gladbacher Hans-Günter Bruns und Frank Mill sowie Düsseldorfs Rudi Bommer, bis dahin Reservisten, rückten in die kräftig erneuerte Elf.

Sie konnte gegen die Südamerikaner nicht bestehen, lag schon zur Pause 0:2 zurück, Falkenmayers Eigentor zum Einstand (56.) bedeutete die Entscheidung, ehe Jakobs per Kopf das Ehrentor (78.) gelang. 45.000 Zuschauer im nicht ausverkauften Rheinstadion waren ernüchtert, auch der Kaiser konnte nicht zaubern. Sein Kommentar: "Wenn man Wunderdinge von mir erwartet, dann hätte man besser einen vom Zirkus Krone holen sollen. Ein Zauberer bin ich nicht." Aber ein akribischer Arbeiter. Schon zwei Jahre später sahen sich die Mannschaften im WM-Finale wieder (2:3) und 1990 (1:0) nochmal - dann ging der Kaiser im Triumph.

Berti Vogts

Der Satz in der Siegernacht von Rom, von Franz Beckenbauer im Überschwang ausgesprochen, sollte Berti Vogts noch lange verfolgen. "Auf Jahre hinaus nicht zu besiegen" sei die Nationalmannschaft, da zu den Weltmeistern nun noch die Stars aus der DDR kämen. Bei Vogts Debüt am 29. August 1990 in Lissabon durften sie noch nicht mitspielen und so schickte der Nachfolger des Kaisers elf Weltmeister ins Rennen. Allzu hohe Erwartungen hatte er wegen des frühen Termins in der Saison nicht, die Öffentlichkeit jedoch forderte Siege.

Kapitän Lothar Matthäus schoss auch das 1:0, das die Überlegenheit vor der Pause nur undeutlich abbildete. Dann verletzte sich Matthäus und mit dem Frankfurter Manfred Binz kam nach 53 Minuten der erste Debütant der Vogts-Ära zum Einsatz. Vier Minuten später fiel nach einem Brehme-Fehler der Ausgleich und dabei blieb es nach einer "matten Vorstellung" (Kicker). Andreas Brehme geknickt: "Es tut mir vor allem für Berti Vogts leid, daß ich ihm den Sieg bei seiner Premiere vermasselt habe." Niemand regte sich sonderlich auf, zu groß war der Kredit für die Weltmeister, aber der Kicker mahnte: "Bei der Premiere von Berti Vogts überwog der Eindruck, daß seiner Mannschaft die Entschlossenheit fehlte, das Spiel zu entscheiden, als sie es sicher im Griff hatte. Aller Anfang ist schwer, auch für Weltmeister."

Erich Ribbeck

Nach dem Rücktritt von Vogts im September 1998 musste der DFB schnell einen Nachfolger finden, denn die EM-Qualifikation stand schon bald an. Erich Ribbeck, bereits 61 Jahre alt, übernahm das schwere Amt, assistiert von Europameister Uli Stielike. Ribbeck hatte schon 1984 auf den Job spekuliert, weil er damals Assistent von Derwall war. Mit 14 Jahren Verspätung ging sein Wunsch in Erfüllung, doch war die überalterte Mannschaft nach dem Viertelfinalaus bei der WM 1998 in keiner guten Verfassung. Ribbecks Vorbereitungszeit auf das erste Spiel betrug vier Wochen. Und es ging gleich um Punkte.

Am 10. Oktober 1998 setzte sich in Bursa die Misserfolgsserie fort, als die verjüngte DFB-Elf mit dem Debütanten Carsten Ramelow und dem 22 Jahre altenLars Ricken der Türkei unglücklich mit 0:1 unterlag. Torwart Oliver Kahn unterlief ein Eigentor (70.) und selbst als der spätere Bundesligatrainer Tayfun Korkut zwei Minuten später vom Platz flog, kamen die Gäste aus Deutschland zu keinem Treffer. Schlecht gespielt hatten sie nicht. "Bis auf eine Situation hatten wir doch alles unter Kontrolle. Das sah schon zukunftsträchtig aus", kam Ribbeck zu einem milden Urteil. Doch mit der schönen Zukunft sollte er sich irren…

Rudi Völler

Nach der verkorksten EM 2000 wurde Ribbecks Vertrag im beiderseitigen Einvernehmen nicht verlängert. Der angedachte Nachfolger Christoph Daum wollte Bayer Leverkusen noch nicht im Stich verlassen und so schickte der Werksklub eben seinen davon selbst am meisten überraschten Sportdirektor Rudi Völler an die Front. Für ein Jahr - so der Plan. Wie einst Beckenbauer hatte auch Völler keinen Trainerschein, wohl aber sein Assistent Michael Skibbe. Das Duo bekam zum Auftakt einen dankbaren Gegner. Spanien war zwar ein großer Name, aber während die Bundesligisten immerhin schon den ersten Spieltag und eine Pokalrunde absolviert hatten, waren die Spanier quasi noch in der Sommerpause.

Was den umjubelten 4:1-Heimsieg ein Stück weit erklärt. 45.000 Zuschauer in Hannover waren in der Erwartung auf Wiedergutmachung gekommen und riefen bei der Mannschaftsvorstellung elfmal den Namen Völler. Der Star war der Trainer, den am EM-Debakel ja keine Schuld traf. Mit Ausnahme von Bayern-Stürmer Alexander Zickler nominierte er nur EM-Fahrer und es war bezeichnend, dass ausgerechnet Zickler Mann des Abends wurde. Ebenso wie sein Teamkollege Mehmet Scholl (24., 51.) traf "Zico" zweimal (57., 62.) ins spanische Tor, ehe der kommende Weltstar Raul (70.) verkürzte. Für den höchsten Sieg eines neuen Trainers gab es viel Beifall, auch von höchster Stelle. Franz Beckenbauer schrieb in seiner Kolumne: "Das ist das Verdienst von Rudi Völler. Er hat diese Mannschaft wachgerüttelt und bei der Ehre gepackt." Völler atmete durch: "Der Druck, der auf uns lastete, ist etwas kleiner geworden. Die Stimmung ist wieder gut." Zwei Jahre später führt er sie bis ins WM-Finale.

Jürgen Klinsmann

Als Völler nach dem EM-Vorrundenaus 2004 überraschend zurücktrat, übernahm sein Sturmpartner aus der Weltmeisterelf von 1990 den Job. Klinsmann, damals 40, lebte in den USA und hatte keine Erfahrung als Trainer. Aber er brachte allerlei neue Ideen und Assistenten mit. Auch neue Spieler brauchte das Land. Umso überraschter war der 34 Jahre alte Bayern-Profi Thomas Linke, der bereits zurückgetreten war, dass auch er eine Einladung für den Test am 18. August in Wien erhielt. Er sollte dem Bremer Frank Fahrenhorst, einziger Debütant in der Startelf, Sicherheit geben. Mit dem Reservisten vom FC Chelsea, Robert Huth, saß ein weiterer Mann ohne Länderspielerfahrung auf der Bank.

Die EM-Reservisten Andreas Hinkel und Bastian Schweinsteiger durften beginnen, mit Tim Borowski und Gerald Asamoah spielten zwei junge Rückkehrer mit, die nicht zur EM gefahren waren. Der Umbruch nahm Formen an. Ein großes Thema war die Absetzung von Oliver Kahn als Kapitän, erstmals führte Michael Ballack die Mannschaft aufs Feld. Auch wurde eine Torwartrotation angekündigt, das Duell Kahn/Lehmann war eröffnet - jeder spielte eine Halbzeit. Die Skepsis, die diesen Neuanfang umgab, wich schnell.

Schon nach zwei Minuten und damit schneller als jeder andere neue Bundestrainer durfte Klinsmann ein Tor bejubeln, der Stuttgarter Kevin Kuranyi war in Wien nicht zu bremsen. Er erzielte nach der Pause (61., 73.) auch die anderen Treffer beim 3:1, der auch nach Ecken (6:0) und Chancen (7:4) verdient war. Der Kicker urteilte: "Ein hoffnungsvoller Neustart, obwohl sich gegen stärkere Mannschaften der neue Trend erst bestätigen muss." Und was sagte der Debütant? Klinsmann gab zu: "Ich habe Nervosität gespürt und war aufgeregt, daran muss ich mich erst gewöhnen. Ich bin zufrieden, wie die Jungs in die Partie gegangen sind. Das gibt einen Schub."

Joachim Löw

Nach Platz drei bei der WM 2006 im eigenen Land sah Klinsmann sein "Projekt" als beendet an und übergab den Marschallstab an Assistent Joachim Löw. Auch der musste mit einem August-Spiel beginnen - aber wie seine beiden Vorgänger meisterte er mit seinem Team die erste Hürde. Schweden wurde in Gelsenkirchen am 16. August 2006 mit 3:0 geschlagen und die Sommermärchen-Stimmung erlebte ein Revival in Deutschland.

Die WM-Truppe war mit wenigen Ausnahmen (Oliver Kahn/Sebastian Kehl) beisammen geblieben und begeisterte weiterhin ihr Publikum. Bernd Schneider traf früh zum 1:0 (4.), der frisch gekürte Fußballer des Jahres, Miroslav Klose, legte zweimal nach (8., 44.). Das Endergebnis stand schon zur Halbzeit auf der Anzeigetafel, 53.000 Zuschauer waren zufrieden. "Traumstart für Löw!", titelte der Kicker und der neue Trainer, der erst nach der Pause zwei Debütanten - Malik Fathi und Manuel Friedrich - einsetzte, stellte fest: "Wir freuen uns alle, dass das erste Spiel so positiv war. Wir haben einen guten Beginn gemacht für die nächsten Monate."

Dass er der erste Weltmeistertrainer werden würde, der mit einem Sieg startete, ahnte er da noch nicht. Für Hansi Flick ist es ein gutes Vorzeichen: man muss nicht mit einer Niederlage beginnen, um Weltmeister zu werden.

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Heute Abend (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) beginnt die Ära Hansi Flick. Der elfte Bundestrainer führt die Nationalmannschaft gleich zum Auftakt in ein Pflichtspiel. Die Hürde Liechtenstein ist eher niedrig, ein Sieg wird erwartet vom viermaligen Weltmeister. Die Historie zeigt allerdings, dass Auftaktsiege nicht unbedingt ein gutes Omen sind. Drei der vier Weltmeistertrainer gewannen ihr erstes Spiel nicht, erst Joachim Löw brach 2006 mit dieser merkwürdigen Tradition. So starteten die Bundestrainer vor Flick:

Otto Nerz

Der Mannheimer war offiziell Reichstrainer und übernahm die 18 Jahre fachlich quasi unbetreute Nationalmannschaft im Herbst 1926. Nachdem zuvor der DFB-Spielausschuss für die Nominierung der Mannschaft zuständig gewesen war und es keinen Nationaltrainer im heutigen Sinne gab, wurde in Länderspiel Nummer 59 Geschichte geschrieben. In Amsterdam gab es am 31. Oktober 1926 erstmals einen hauptamtlichen Trainer, der dafür verantwortlich war, "daß erstmals in der Geschichte der Nationalmannschaft systematisch und gewissenhaft gearbeitet wurde", schrieb Ludger Schulze in seiner Chronik "Die Mannschaft".

Hintergrund der Personalie war der Aufbau einer schlagkräftigen Elf für das Olympiaturnier 1928 in Amsterdam. Der 34 Jahre alte Nerz, bis heute der Jüngste in diesem Amt, führte das englische WM-System (3-2-2-3) ein und baute mit Ausnahme des Debütanten Karl Scherm auf bewährte Kräfte. Nach 90 Minuten durfte er sich über einen 3:2-Auswärtssieg gegen die Niederlande freuen, zu dem der Hamburger Tull Harder zwei Tore beisteuerte und so für die Wende sorgte. Die Gastgeber waren in Führung gegangen, der Nürnberger Ludwig Wieder glich aus. Das Spiel brachte dem DFB einen Rekord ein, denn es war der dritte Auswärtssieg in Folge und damit die bis dahin längste Serie. Sehr zur Freude übrigens von 1000 Schlachtenbummler*innen, die in Sonderzügen angereist waren - damals noch eine Seltenheit beim Fußball.

In einer Länderspiel-Chronik von 1937 heißt es: "40.000 Zuschauer von nah und fern hatten eine solche Überfüllung gebracht, daß es in Amsterdam keine Badewanne geschweige denn ein Zimmer zum Übernachten mehr gab." Zu lachen gab es auch etwas: der Nürnberger Heinrich Träg kam mit der neuen Abseitsregel nicht klar und wurde so oft zurückgepfiffen, dass er dem englischen Schiedsrichter an den Kragen wollte. Harder verhinderte es. In der zweiten Hälfte der Partie sprang der diesmal nur als Ersatztorwart mitgekommene Nürnberger Heiner Stuhlfauth als Linienrichter ein und stellte fest: "Es ist gar nicht so einfach, wie es aussieht."

Sepp Herberger

Wann die Karriere des am längsten amtierenden DFB-Trainers begann, ist umstritten und den undurchsichtigen Verhältnissen jener Tage geschuldet. Nach dem Olympia-Aus 1936 gegen Norwegen (0:2) war Nerz nicht mehr wohlgelitten und wurde beurlaubt, aber eben nicht entlassen. Herberger vertrat ihn beim 1:1 in Warschau am 13. September offiziell als "Begleiter". Lange wurde dieses Polen-Spiel als Auftakt seiner Karriere als Nationaltrainer angesehen.

Da Nerz aber zurückkam, hat sich der DFB aufgrund neuerer Forschungen festgelegt: Herbergers offizielles Debüt erfolgte erst nach seiner Ernennung zum Reichstrainer am 2. November 1936. Selbständig agieren durfte er auch dann nicht, Nerz war sein Vorgesetzter und wollte bei Aufstellungen das letzte Wort haben. Die Arbeit auf dem Trainingsplatz hatte jedoch Herberger, der auch den besseren Draht zu den Spielern hatte.

Sein erstes von 162 Länderspielen leitete er offiziell am 15. November 1936 gegen Weltmeister Italien. Im Berliner Olympiastadion gab es zum Einstand einen Zuschauerrekord (102.000) und nach wechselnden Führungen ein gerechtes 2:2. Beide Tore schoss ein "Landsmann" von Herberger, der Mannheimer Otto Siffling. Die Zuschauer waren begeistert vom "Spiel des Jahres", wie es in den Vorankündigungen hieß. Die Berliner Morgenpost titelte: "Wir können stolz sein auf das 2:2."

Helmut Schön

Nach 28 Jahren unter Sepp Herberger, mit dem Höhepunkt des WM-Titels 1954, trat sein Assistent Helmut Schön ein schweres Erbe an. Schwer war auch, wie das Sprichwort es lehrt, der Anfang. Am 4. November 1964 ging es - ebenfalls in Berlin - gegen Schweden gleich um Punkte in der WM-Qualifikation. Schön ging Risiko und stellte mit dem Münchner Löwen Rudi Brunnenmeier einen Debütanten auf, der prompt das 1:0 erzielte. Doch mehr Tore gelangen trotz klarer Feldüberlegenheit nicht und fünf Minuten vor Schluss belohnten sich die Schweden für ihre Hartnäckigkeit mit dem Ausgleich.

"Für uns auf der Bank war das ein böser Schock. Die Weltmeisterschaftsteilnahme schien verloren", schrieb Schön in seinen Memoiren. Den Medien sagte er: "Ich bin nicht zufrieden mit meiner Mannschaft. Sie spielte nur teilweise so, wie wir es uns eigentlich vorgenommen hatten." Weshalb es auch nur einen Teilerfolg gab. Der Kicker titelte: "Wir haben den Sieg vertändelt!". Als Schön in geknickter Stimmung nach Hause kam, sagte er seiner Anneliese: "Jetzt bleibt uns nichts anderes übrig als in Schweden zu gewinnen." Taten sie dann auch (2:1) und der Weg führte die Deutschen bis ins WM-Finale.

Jupp Derwall

Nach der WM 1978 löste der Rheinländer Jupp Derwall Helmut Schön ab. Wieder folgte der Assistent seinem langjährigen Chef. Sein Auftrag war: Neuaufbau einer Mannschaft nach der Enttäuschung von Argentinien. Derwall durfte am 11. Oktober mit einem Testspiel in Prag beginnen, der Anfang war furios und vielversprechend. Schon zur Halbzeit führten die Deutschen beim amtierenden Europameister 4:1, am Ende wurde es noch knapp (4:3).

40.000 Zuschauer waren beeindruckt von der deutschen Angriffslust, die zu Toren durch Rüdiger Abramczik (8.), Rainer Bonhof (11./38.) und Hansi Müller (35.) führte. Nach der Pause ließ die mit zehn WM-Teilnehmern und Neuling Karlheinz Förster gestartete Elf etwas nach und Sepp Maier musste den Sieg retten. Derwall, der Düsseldorfs Klaus Allofs mit einem Kurzeinsatz zum Nationalspieler machte, war hinterher sogar froh "dass wir 4:3 statt 4:1 gewonnen haben, damit bleibt die Euphorie in Grenzen."

Franz Beckenbauer

Als Jupp Derwall nach dem EM-Aus in der Vorrunde 1984 zurücktrat, schlug die Stunde von Franz Beckenbauer. Der "Kaiser" hatte nicht mal einen Trainerschein, aber ihn umgab die Aura eines Alleskönners. Offiziell war zwar sein Assistent Horst Köppel Trainer, ihm blieb der neugeschaffene Titel des Teamchefs. Beckenbauer wollte den Job ohnehin nur für ein Jahr machen. Der Auftakt ging am 12. September 1984 in Düsseldorf gegen Argentinien (ohne Maradona) auch gleich in die Hose.

"Franz vor einem Berg von Sorgen", schrieb der Kicker nach der ersten Niederlage eines neuen Bundestrainers. Mit dem Mönchengladbacher Michael Frontzeck und dem Frankfurter Ralf Falkenmayer hatte er die linke Seite mit Debütanten besetzt, in Ditmar Jakobs einem 31 Jahre alten Verteidiger zu seinem zweiten Länderspiel verholfen. Auch die Gladbacher Hans-Günter Bruns und Frank Mill sowie Düsseldorfs Rudi Bommer, bis dahin Reservisten, rückten in die kräftig erneuerte Elf.

Sie konnte gegen die Südamerikaner nicht bestehen, lag schon zur Pause 0:2 zurück, Falkenmayers Eigentor zum Einstand (56.) bedeutete die Entscheidung, ehe Jakobs per Kopf das Ehrentor (78.) gelang. 45.000 Zuschauer im nicht ausverkauften Rheinstadion waren ernüchtert, auch der Kaiser konnte nicht zaubern. Sein Kommentar: "Wenn man Wunderdinge von mir erwartet, dann hätte man besser einen vom Zirkus Krone holen sollen. Ein Zauberer bin ich nicht." Aber ein akribischer Arbeiter. Schon zwei Jahre später sahen sich die Mannschaften im WM-Finale wieder (2:3) und 1990 (1:0) nochmal - dann ging der Kaiser im Triumph.

Berti Vogts

Der Satz in der Siegernacht von Rom, von Franz Beckenbauer im Überschwang ausgesprochen, sollte Berti Vogts noch lange verfolgen. "Auf Jahre hinaus nicht zu besiegen" sei die Nationalmannschaft, da zu den Weltmeistern nun noch die Stars aus der DDR kämen. Bei Vogts Debüt am 29. August 1990 in Lissabon durften sie noch nicht mitspielen und so schickte der Nachfolger des Kaisers elf Weltmeister ins Rennen. Allzu hohe Erwartungen hatte er wegen des frühen Termins in der Saison nicht, die Öffentlichkeit jedoch forderte Siege.

Kapitän Lothar Matthäus schoss auch das 1:0, das die Überlegenheit vor der Pause nur undeutlich abbildete. Dann verletzte sich Matthäus und mit dem Frankfurter Manfred Binz kam nach 53 Minuten der erste Debütant der Vogts-Ära zum Einsatz. Vier Minuten später fiel nach einem Brehme-Fehler der Ausgleich und dabei blieb es nach einer "matten Vorstellung" (Kicker). Andreas Brehme geknickt: "Es tut mir vor allem für Berti Vogts leid, daß ich ihm den Sieg bei seiner Premiere vermasselt habe." Niemand regte sich sonderlich auf, zu groß war der Kredit für die Weltmeister, aber der Kicker mahnte: "Bei der Premiere von Berti Vogts überwog der Eindruck, daß seiner Mannschaft die Entschlossenheit fehlte, das Spiel zu entscheiden, als sie es sicher im Griff hatte. Aller Anfang ist schwer, auch für Weltmeister."

Erich Ribbeck

Nach dem Rücktritt von Vogts im September 1998 musste der DFB schnell einen Nachfolger finden, denn die EM-Qualifikation stand schon bald an. Erich Ribbeck, bereits 61 Jahre alt, übernahm das schwere Amt, assistiert von Europameister Uli Stielike. Ribbeck hatte schon 1984 auf den Job spekuliert, weil er damals Assistent von Derwall war. Mit 14 Jahren Verspätung ging sein Wunsch in Erfüllung, doch war die überalterte Mannschaft nach dem Viertelfinalaus bei der WM 1998 in keiner guten Verfassung. Ribbecks Vorbereitungszeit auf das erste Spiel betrug vier Wochen. Und es ging gleich um Punkte.

Am 10. Oktober 1998 setzte sich in Bursa die Misserfolgsserie fort, als die verjüngte DFB-Elf mit dem Debütanten Carsten Ramelow und dem 22 Jahre altenLars Ricken der Türkei unglücklich mit 0:1 unterlag. Torwart Oliver Kahn unterlief ein Eigentor (70.) und selbst als der spätere Bundesligatrainer Tayfun Korkut zwei Minuten später vom Platz flog, kamen die Gäste aus Deutschland zu keinem Treffer. Schlecht gespielt hatten sie nicht. "Bis auf eine Situation hatten wir doch alles unter Kontrolle. Das sah schon zukunftsträchtig aus", kam Ribbeck zu einem milden Urteil. Doch mit der schönen Zukunft sollte er sich irren…

Rudi Völler

Nach der verkorksten EM 2000 wurde Ribbecks Vertrag im beiderseitigen Einvernehmen nicht verlängert. Der angedachte Nachfolger Christoph Daum wollte Bayer Leverkusen noch nicht im Stich verlassen und so schickte der Werksklub eben seinen davon selbst am meisten überraschten Sportdirektor Rudi Völler an die Front. Für ein Jahr - so der Plan. Wie einst Beckenbauer hatte auch Völler keinen Trainerschein, wohl aber sein Assistent Michael Skibbe. Das Duo bekam zum Auftakt einen dankbaren Gegner. Spanien war zwar ein großer Name, aber während die Bundesligisten immerhin schon den ersten Spieltag und eine Pokalrunde absolviert hatten, waren die Spanier quasi noch in der Sommerpause.

Was den umjubelten 4:1-Heimsieg ein Stück weit erklärt. 45.000 Zuschauer in Hannover waren in der Erwartung auf Wiedergutmachung gekommen und riefen bei der Mannschaftsvorstellung elfmal den Namen Völler. Der Star war der Trainer, den am EM-Debakel ja keine Schuld traf. Mit Ausnahme von Bayern-Stürmer Alexander Zickler nominierte er nur EM-Fahrer und es war bezeichnend, dass ausgerechnet Zickler Mann des Abends wurde. Ebenso wie sein Teamkollege Mehmet Scholl (24., 51.) traf "Zico" zweimal (57., 62.) ins spanische Tor, ehe der kommende Weltstar Raul (70.) verkürzte. Für den höchsten Sieg eines neuen Trainers gab es viel Beifall, auch von höchster Stelle. Franz Beckenbauer schrieb in seiner Kolumne: "Das ist das Verdienst von Rudi Völler. Er hat diese Mannschaft wachgerüttelt und bei der Ehre gepackt." Völler atmete durch: "Der Druck, der auf uns lastete, ist etwas kleiner geworden. Die Stimmung ist wieder gut." Zwei Jahre später führt er sie bis ins WM-Finale.

Jürgen Klinsmann

Als Völler nach dem EM-Vorrundenaus 2004 überraschend zurücktrat, übernahm sein Sturmpartner aus der Weltmeisterelf von 1990 den Job. Klinsmann, damals 40, lebte in den USA und hatte keine Erfahrung als Trainer. Aber er brachte allerlei neue Ideen und Assistenten mit. Auch neue Spieler brauchte das Land. Umso überraschter war der 34 Jahre alte Bayern-Profi Thomas Linke, der bereits zurückgetreten war, dass auch er eine Einladung für den Test am 18. August in Wien erhielt. Er sollte dem Bremer Frank Fahrenhorst, einziger Debütant in der Startelf, Sicherheit geben. Mit dem Reservisten vom FC Chelsea, Robert Huth, saß ein weiterer Mann ohne Länderspielerfahrung auf der Bank.

Die EM-Reservisten Andreas Hinkel und Bastian Schweinsteiger durften beginnen, mit Tim Borowski und Gerald Asamoah spielten zwei junge Rückkehrer mit, die nicht zur EM gefahren waren. Der Umbruch nahm Formen an. Ein großes Thema war die Absetzung von Oliver Kahn als Kapitän, erstmals führte Michael Ballack die Mannschaft aufs Feld. Auch wurde eine Torwartrotation angekündigt, das Duell Kahn/Lehmann war eröffnet - jeder spielte eine Halbzeit. Die Skepsis, die diesen Neuanfang umgab, wich schnell.

Schon nach zwei Minuten und damit schneller als jeder andere neue Bundestrainer durfte Klinsmann ein Tor bejubeln, der Stuttgarter Kevin Kuranyi war in Wien nicht zu bremsen. Er erzielte nach der Pause (61., 73.) auch die anderen Treffer beim 3:1, der auch nach Ecken (6:0) und Chancen (7:4) verdient war. Der Kicker urteilte: "Ein hoffnungsvoller Neustart, obwohl sich gegen stärkere Mannschaften der neue Trend erst bestätigen muss." Und was sagte der Debütant? Klinsmann gab zu: "Ich habe Nervosität gespürt und war aufgeregt, daran muss ich mich erst gewöhnen. Ich bin zufrieden, wie die Jungs in die Partie gegangen sind. Das gibt einen Schub."

Joachim Löw

Nach Platz drei bei der WM 2006 im eigenen Land sah Klinsmann sein "Projekt" als beendet an und übergab den Marschallstab an Assistent Joachim Löw. Auch der musste mit einem August-Spiel beginnen - aber wie seine beiden Vorgänger meisterte er mit seinem Team die erste Hürde. Schweden wurde in Gelsenkirchen am 16. August 2006 mit 3:0 geschlagen und die Sommermärchen-Stimmung erlebte ein Revival in Deutschland.

Die WM-Truppe war mit wenigen Ausnahmen (Oliver Kahn/Sebastian Kehl) beisammen geblieben und begeisterte weiterhin ihr Publikum. Bernd Schneider traf früh zum 1:0 (4.), der frisch gekürte Fußballer des Jahres, Miroslav Klose, legte zweimal nach (8., 44.). Das Endergebnis stand schon zur Halbzeit auf der Anzeigetafel, 53.000 Zuschauer waren zufrieden. "Traumstart für Löw!", titelte der Kicker und der neue Trainer, der erst nach der Pause zwei Debütanten - Malik Fathi und Manuel Friedrich - einsetzte, stellte fest: "Wir freuen uns alle, dass das erste Spiel so positiv war. Wir haben einen guten Beginn gemacht für die nächsten Monate."

Dass er der erste Weltmeistertrainer werden würde, der mit einem Sieg startete, ahnte er da noch nicht. Für Hansi Flick ist es ein gutes Vorzeichen: man muss nicht mit einer Niederlage beginnen, um Weltmeister zu werden.

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