Alexander Fangmann: Blindes Verständnis

Alexander Fangmann gehört zu Deutschlands besten Blindenfußballern. Sein Sport ist für ihn mehr als Spaß am Spiel. Wer Blindenfußball spiele, sagt er, gewinne Selbstvertrauen, bewege sich besser im Alltag. Seit einigen Wochen engagiert sich der 34-jährige Fangmann darüber hinaus im Kuratorium der Sepp-Herberger-Stiftung.

Am Ende muss es eine Art siebter Sinn sein, der jeden rechtzeitig anhalten lässt, bevor die metallene Laufbahnbegrenzung und der Ballzaun in den Weg kommen. Es ist kalt in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Die Sportplätze des MTV Stuttgart, am Killesberg im Norden der Stadt gelegen, sind von hauchdünnen Eiskristallen überzogen. Flutlicht erhellt die Dunkelheit, auf jeden Fall für die, die sehen können. Für alle anderen ist es auf dem letzten Meter ein Tasten und Erahnen, wo sich der Durchgang zum Kunstrasenplatz befindet, auf dem die Blindenfußballer des mehrmaligen Deutschen Meisters ihr Training abhalten.

"Nachwuchs ist selten im Blindenfußball - zum Glück"

Auch Amsa ist gekommen. Ein 12 Jahre alter Junge. Blind von Geburt an. Sein Vater bringt ihn seit drei Wochen aus dem 50 Kilometer entfernten Rottenburg. Die anderen sind Erwachsene, viele davon deutsche Nationalspieler. Alexander Fangmann bespricht mit Mulgheta Russom und Trainer Giuseppe Calaciura kurz den "Trainingsplan" für den Nachwuchsfußballer. Dann kümmert sich der 67-malige Nationalspieler Russom alleine um den Neuen. "Nachwuchs ist selten im Blindenfußball", sagt Fangmann und fügt ein "zum Glück" an. "Die Medizin ist weiter und die Therapien besser." Zudem fehlt das, was man Unterbau oder Breitensportebene nennt. Entweder man ist irgendwann fit für die Bundesliga, was bis zu einem Jahr dauern kann, oder es bleiben nur die Trainingseinheiten. Umso wichtiger ist es, dass Amsa am Ball bleibt. Und der hat Freude, das erzählt sein unüberhörbares Lachen, wenn der Entertainer Russom seine Übungenmit Späßen würzt, was er ständig tut.

Alexander Fangmann ist seit den Anfängen des Blindenfußballs in Deutschland dabei. Im Zuge der WM 2006 gab es die ersten Teams und eine Art organisierten Spielbetrieb. Heute ist der gebürtige Niedersachse ein "Multitasking-Funktionär": Kapitän der Nationalmannschaft, Aktiven-Sprecher des Behindertensportverbandes, eine Art Manager im Klub, Inklusions-Manager beim Württembergischen Landessportbund und seit neuestem Kuratoriumsmitglied der Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes.

Deren Arbeit teilt sich in die Schwerpunktbereiche Resozialisierung von Strafgefangenen, Behindertenfußball, Schule und Vereine sowie das DFB-Sozialwerk auf. Zudem unterstützt die Stiftung im Rahmen ihrer Inklusionsinitiative 21 Beauftragte in den DFB-Landesverbänden und koordiniert eine Steuerungsgruppe, die sich um die Qualifizierung von Trainern im Handicap-Fußball bemüht. Dem Blindenfußball ist Deutschlands älteste Fußballstiftung seit dem Jahr 2008 verbunden. Damals startete die Blindenfußball-Bundesliga, die bis heute von der Stiftung, die Alleinerbin der kinderlosen Eheleute Sepp und Eva Herberger ist, mit zwei Kooperationspartnern organisiert und finanziert wird.

Im Kuratorium mit Rehhagel, Seeler und Eckel

Anfang Dezember fuhr der Rhetorik- und Sprachwissenschaftler Fangmann zur ersten Sitzung in die DFB-Zentrale nach Frankfurt am Main. Dort traf er seine Kuratoriumskollegen wie Otto Rehhagel, Reinhold Beckmann, Uwe Seeler und Horst Eckel. Gemeinsam mit der früheren Bundesministerin Ilse Aigner und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zählt Fangmann zu den Neuzugängen für die aktuelle DFB-Legislaturperiode im stiftungsinternen Aufsichtsorgan. "Die aktive Einbindung der Menschen, für die wir uns engagieren dürfen, liegt uns am Herzen – selbstverständlich auch in den höchsten Stiftungsgremien", sagt Stiftungsgeschäftsführer Tobias Wrzesinski. "Wir sprechen gerade im Blindenfußball nicht über, sondern mit den Aktiven, um diese faszinierende Fußballfacette gemeinsam weiterzuentwickeln."

"Er ist oft unterwegs für seine Leidenschaft", sagt Paola, Fangmanns sehende Ehefrau. Fußball ist nicht ihr Ding, die Stuttgarterin mit italienischen Wurzeln unterstützt lieber ihre Eltern, die ein italienisches Restaurant im Klubzentrum des MTV betreiben. Auf längeren Reisen, zum Beispiel nach Japan, ist sie trotzdem oft dabei. Im Oktober, drei Monate nach dem Standesamt in Deutschland, haben die beiden ihre kirchliche Hochzeit im Süden Italiens nachgeholt.

Paolas Bruder Gianmarco hat früher im Tor des MTV-Teams gespielt. Der Torwart ist immer ein Sehender, darf aber maximal zwei Meter aus dem Tor heraus. Sein Trumpf ist Reaktionsschnelligkeit. Den mitspielenden Torwart wie im Fußball der Sehenden gibt es im Blindenfußball nur eingeschränkt. Auch der sogenannte Guide hinter dem Tor ist ein Sehender. Der hilft durch Ruf-Laute, bei einem Elfmeter die richtige Ecke anzuvisieren.

Blindenfußball ist Hochleistungssport

Während Paola im weitläufigen Klubzentrum Pizza und Pasta an die Tische bringt, steigert sich auf dem Trainingsplatz das Tempo. Die Kicker tänzeln artistisch und atemberaubend schnell mit dem Ball, der durch seine Glöckchen im Innern akustische Signale zur besseren Ortung liefert. Es scheint, als wolle Herr Fangmann unbedingt die Schokoladenlebkuchen abtrainieren, die Frau Fangmann vorhin als Überraschung zum Kaffee auf den Tisch stellte. "Er liebt sie", sagt sie und streichelt ihm über den Kopf.

Dabei ist der Mittelfeldspieler topfit. "Die Fußballer, die ich kenne, sind alle extrem mobil und fit. Der 1,90-Meter-Mann, der mehr als 120 Kilo wiegt, das gab es höchstens ganz am Anfang", sagt Fangmann. Wer Blindenfußball spielt, bewegt sich im Alltag "sehr viel geschmeidiger und mit wesentlich mehr Selbstvertrauen". Entfernungen schätzen, blitzschnelles Reagieren auf Geräusche – Blindenfußball ist Hochleistungssport und Training für den Alltag, der anders aussieht als bei Sehenden. Blinde sehen mit den Ohren, Geräusche sind Koordinaten zur Orientierung.

Offen mit der "Einschränkung"umgehen

Fehlen die, wird es schwierig. Neulich auf dem Bahnsteig verlor Fangmann kurz die Orientierung, als er auf einen verspäteten Zug wartete und Musik hörte. "Es war kalt, ich zog die Kapuze über den Kopf und habe mich irgendwie gedreht." Mit weniger Geräuschen zur Orientierung im Ohr stand er plötzlich mit dem Rücken zum richtigen Gleis. "Jemand fragte, ob er mir helfen könne. Ich sagte, ja gerne, aber der Zug auf Gleis zehn ist ja noch nicht da." "Doch", sagte derjenige, "aber sie stehen mit dem Rücken zum Gleis."

Zu Hause in der Drei-Zimmer-Wohnung in Stuttgart-Ost ist alles am vertrauten Platz. Jede Ecke und jede Schublade sind ebenso im Kopf gespeichert wie die Treppenstufen im Haus des Sports, seinem Arbeitsplatz im Stadtteil Bad Cannstatt, gleich neben dem Stadion des VfB Stuttgart. Dort gibt es barrierefreie Zugänge, anderenorts ist es oft ein mühsames Vorwärtstasten. Draußen im Alltag zurechtzukommen, bleibt ebenso eine Herausforderung, wie die Scham zu überwinden, auch mal um Hilfe zu bitten. Offen mit der "Einschränkung" umzugehen, ist ein Lernprozess. Oft für beide Seiten. "Am Anfang", sagt Fangmann, "habe ich mich nie getraut, im Restaurant die Serviette auf den Schoß zu legen, weil ich dachte, ich bin der Einzige, der das macht. Bis mir Sehende gesagt haben, sie machen das auch, weil sie ihre Hose nicht bekleckern wollen."

Das Schlüsselwort lautet "Voy"

Mit der Behinderung offen umzugehen, schafft Mut. Sport ist dabei zur Brücke geworden, für die Blindenfußballer wie für viele andere behinderte Menschen. "Einen, der im Alltag eher ruhig ist und sich nicht raustraut, das gibt es im Blindenfußball nicht. Das langsame Fußgängerdasein im Alltag wird einfacher und routinierter durch den Sport", sagt Fangmann. Auf dem Platz geht es rasanter, enger und ruppiger zu als im Alltag. Immer eng am Ball, meist im Sprinttempo, eng am Gegenspieler. In Sekundenschnelle orientieren, kommunizieren, das gibt Selbstvertrauen für das "normale" Leben. Fangmann sagt: "Dass Sport und speziell Fußball wirklich eine große Hilfe sind, ist das Schwierigste, was man Eltern vermitteln muss, die das erste Mal mit Kindern zu uns kommen." Sie sehen zuerst die Gefahren, aber bald danach auch die großen Chancen.

Vom Trainingsplatz dringt ein Gewirr an Stimmen herüber. "Voy", rufen die Kicker immer wieder. Das spanische Wort für "ich komme" soll dem Mannschaftskollegen die eigene Position anzeigen oder dem Gegenspieler ankündigen, es nähert sich ein "Hindernis". Wer vergisst, zu rufen, begeht ein Foul. Es gibt strenge Regeln im Blindenfußball. Grätschen am Mann ist verboten. Manchmal wirft sich Alexander Fangmann trotzdem mit dem ganzen Körper in den Ball. Weil es Spaß macht kurz vor der Torlinie und, weil er nicht anders kann. Er hat für sich entschieden: Fußball geht nur mit Leidenschaft, auch wenn man nicht sehen kann.

[dfb]

Alexander Fangmann gehört zu Deutschlands besten Blindenfußballern. Sein Sport ist für ihn mehr als Spaß am Spiel. Wer Blindenfußball spiele, sagt er, gewinne Selbstvertrauen, bewege sich besser im Alltag. Seit einigen Wochen engagiert sich der 34-jährige Fangmann darüber hinaus im Kuratorium der Sepp-Herberger-Stiftung.

Am Ende muss es eine Art siebter Sinn sein, der jeden rechtzeitig anhalten lässt, bevor die metallene Laufbahnbegrenzung und der Ballzaun in den Weg kommen. Es ist kalt in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Die Sportplätze des MTV Stuttgart, am Killesberg im Norden der Stadt gelegen, sind von hauchdünnen Eiskristallen überzogen. Flutlicht erhellt die Dunkelheit, auf jeden Fall für die, die sehen können. Für alle anderen ist es auf dem letzten Meter ein Tasten und Erahnen, wo sich der Durchgang zum Kunstrasenplatz befindet, auf dem die Blindenfußballer des mehrmaligen Deutschen Meisters ihr Training abhalten.

"Nachwuchs ist selten im Blindenfußball - zum Glück"

Auch Amsa ist gekommen. Ein 12 Jahre alter Junge. Blind von Geburt an. Sein Vater bringt ihn seit drei Wochen aus dem 50 Kilometer entfernten Rottenburg. Die anderen sind Erwachsene, viele davon deutsche Nationalspieler. Alexander Fangmann bespricht mit Mulgheta Russom und Trainer Giuseppe Calaciura kurz den "Trainingsplan" für den Nachwuchsfußballer. Dann kümmert sich der 67-malige Nationalspieler Russom alleine um den Neuen. "Nachwuchs ist selten im Blindenfußball", sagt Fangmann und fügt ein "zum Glück" an. "Die Medizin ist weiter und die Therapien besser." Zudem fehlt das, was man Unterbau oder Breitensportebene nennt. Entweder man ist irgendwann fit für die Bundesliga, was bis zu einem Jahr dauern kann, oder es bleiben nur die Trainingseinheiten. Umso wichtiger ist es, dass Amsa am Ball bleibt. Und der hat Freude, das erzählt sein unüberhörbares Lachen, wenn der Entertainer Russom seine Übungenmit Späßen würzt, was er ständig tut.

Alexander Fangmann ist seit den Anfängen des Blindenfußballs in Deutschland dabei. Im Zuge der WM 2006 gab es die ersten Teams und eine Art organisierten Spielbetrieb. Heute ist der gebürtige Niedersachse ein "Multitasking-Funktionär": Kapitän der Nationalmannschaft, Aktiven-Sprecher des Behindertensportverbandes, eine Art Manager im Klub, Inklusions-Manager beim Württembergischen Landessportbund und seit neuestem Kuratoriumsmitglied der Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes.

Deren Arbeit teilt sich in die Schwerpunktbereiche Resozialisierung von Strafgefangenen, Behindertenfußball, Schule und Vereine sowie das DFB-Sozialwerk auf. Zudem unterstützt die Stiftung im Rahmen ihrer Inklusionsinitiative 21 Beauftragte in den DFB-Landesverbänden und koordiniert eine Steuerungsgruppe, die sich um die Qualifizierung von Trainern im Handicap-Fußball bemüht. Dem Blindenfußball ist Deutschlands älteste Fußballstiftung seit dem Jahr 2008 verbunden. Damals startete die Blindenfußball-Bundesliga, die bis heute von der Stiftung, die Alleinerbin der kinderlosen Eheleute Sepp und Eva Herberger ist, mit zwei Kooperationspartnern organisiert und finanziert wird.

Im Kuratorium mit Rehhagel, Seeler und Eckel

Anfang Dezember fuhr der Rhetorik- und Sprachwissenschaftler Fangmann zur ersten Sitzung in die DFB-Zentrale nach Frankfurt am Main. Dort traf er seine Kuratoriumskollegen wie Otto Rehhagel, Reinhold Beckmann, Uwe Seeler und Horst Eckel. Gemeinsam mit der früheren Bundesministerin Ilse Aigner und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zählt Fangmann zu den Neuzugängen für die aktuelle DFB-Legislaturperiode im stiftungsinternen Aufsichtsorgan. "Die aktive Einbindung der Menschen, für die wir uns engagieren dürfen, liegt uns am Herzen – selbstverständlich auch in den höchsten Stiftungsgremien", sagt Stiftungsgeschäftsführer Tobias Wrzesinski. "Wir sprechen gerade im Blindenfußball nicht über, sondern mit den Aktiven, um diese faszinierende Fußballfacette gemeinsam weiterzuentwickeln."

"Er ist oft unterwegs für seine Leidenschaft", sagt Paola, Fangmanns sehende Ehefrau. Fußball ist nicht ihr Ding, die Stuttgarterin mit italienischen Wurzeln unterstützt lieber ihre Eltern, die ein italienisches Restaurant im Klubzentrum des MTV betreiben. Auf längeren Reisen, zum Beispiel nach Japan, ist sie trotzdem oft dabei. Im Oktober, drei Monate nach dem Standesamt in Deutschland, haben die beiden ihre kirchliche Hochzeit im Süden Italiens nachgeholt.

Paolas Bruder Gianmarco hat früher im Tor des MTV-Teams gespielt. Der Torwart ist immer ein Sehender, darf aber maximal zwei Meter aus dem Tor heraus. Sein Trumpf ist Reaktionsschnelligkeit. Den mitspielenden Torwart wie im Fußball der Sehenden gibt es im Blindenfußball nur eingeschränkt. Auch der sogenannte Guide hinter dem Tor ist ein Sehender. Der hilft durch Ruf-Laute, bei einem Elfmeter die richtige Ecke anzuvisieren.

Blindenfußball ist Hochleistungssport

Während Paola im weitläufigen Klubzentrum Pizza und Pasta an die Tische bringt, steigert sich auf dem Trainingsplatz das Tempo. Die Kicker tänzeln artistisch und atemberaubend schnell mit dem Ball, der durch seine Glöckchen im Innern akustische Signale zur besseren Ortung liefert. Es scheint, als wolle Herr Fangmann unbedingt die Schokoladenlebkuchen abtrainieren, die Frau Fangmann vorhin als Überraschung zum Kaffee auf den Tisch stellte. "Er liebt sie", sagt sie und streichelt ihm über den Kopf.

Dabei ist der Mittelfeldspieler topfit. "Die Fußballer, die ich kenne, sind alle extrem mobil und fit. Der 1,90-Meter-Mann, der mehr als 120 Kilo wiegt, das gab es höchstens ganz am Anfang", sagt Fangmann. Wer Blindenfußball spielt, bewegt sich im Alltag "sehr viel geschmeidiger und mit wesentlich mehr Selbstvertrauen". Entfernungen schätzen, blitzschnelles Reagieren auf Geräusche – Blindenfußball ist Hochleistungssport und Training für den Alltag, der anders aussieht als bei Sehenden. Blinde sehen mit den Ohren, Geräusche sind Koordinaten zur Orientierung.

Offen mit der "Einschränkung"umgehen

Fehlen die, wird es schwierig. Neulich auf dem Bahnsteig verlor Fangmann kurz die Orientierung, als er auf einen verspäteten Zug wartete und Musik hörte. "Es war kalt, ich zog die Kapuze über den Kopf und habe mich irgendwie gedreht." Mit weniger Geräuschen zur Orientierung im Ohr stand er plötzlich mit dem Rücken zum richtigen Gleis. "Jemand fragte, ob er mir helfen könne. Ich sagte, ja gerne, aber der Zug auf Gleis zehn ist ja noch nicht da." "Doch", sagte derjenige, "aber sie stehen mit dem Rücken zum Gleis."

Zu Hause in der Drei-Zimmer-Wohnung in Stuttgart-Ost ist alles am vertrauten Platz. Jede Ecke und jede Schublade sind ebenso im Kopf gespeichert wie die Treppenstufen im Haus des Sports, seinem Arbeitsplatz im Stadtteil Bad Cannstatt, gleich neben dem Stadion des VfB Stuttgart. Dort gibt es barrierefreie Zugänge, anderenorts ist es oft ein mühsames Vorwärtstasten. Draußen im Alltag zurechtzukommen, bleibt ebenso eine Herausforderung, wie die Scham zu überwinden, auch mal um Hilfe zu bitten. Offen mit der "Einschränkung" umzugehen, ist ein Lernprozess. Oft für beide Seiten. "Am Anfang", sagt Fangmann, "habe ich mich nie getraut, im Restaurant die Serviette auf den Schoß zu legen, weil ich dachte, ich bin der Einzige, der das macht. Bis mir Sehende gesagt haben, sie machen das auch, weil sie ihre Hose nicht bekleckern wollen."

Das Schlüsselwort lautet "Voy"

Mit der Behinderung offen umzugehen, schafft Mut. Sport ist dabei zur Brücke geworden, für die Blindenfußballer wie für viele andere behinderte Menschen. "Einen, der im Alltag eher ruhig ist und sich nicht raustraut, das gibt es im Blindenfußball nicht. Das langsame Fußgängerdasein im Alltag wird einfacher und routinierter durch den Sport", sagt Fangmann. Auf dem Platz geht es rasanter, enger und ruppiger zu als im Alltag. Immer eng am Ball, meist im Sprinttempo, eng am Gegenspieler. In Sekundenschnelle orientieren, kommunizieren, das gibt Selbstvertrauen für das "normale" Leben. Fangmann sagt: "Dass Sport und speziell Fußball wirklich eine große Hilfe sind, ist das Schwierigste, was man Eltern vermitteln muss, die das erste Mal mit Kindern zu uns kommen." Sie sehen zuerst die Gefahren, aber bald danach auch die großen Chancen.

Vom Trainingsplatz dringt ein Gewirr an Stimmen herüber. "Voy", rufen die Kicker immer wieder. Das spanische Wort für "ich komme" soll dem Mannschaftskollegen die eigene Position anzeigen oder dem Gegenspieler ankündigen, es nähert sich ein "Hindernis". Wer vergisst, zu rufen, begeht ein Foul. Es gibt strenge Regeln im Blindenfußball. Grätschen am Mann ist verboten. Manchmal wirft sich Alexander Fangmann trotzdem mit dem ganzen Körper in den Ball. Weil es Spaß macht kurz vor der Torlinie und, weil er nicht anders kann. Er hat für sich entschieden: Fußball geht nur mit Leidenschaft, auch wenn man nicht sehen kann.

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