Schönweitz über die U 21: "Teamgeist und Identifikation"

Die deutsche U 21-Nationalmannschaft trifft heute Abend (ab 21 Uhr, live auf ProSieben) im Halbfinale der U 21-Europameisterschaft auf die Niederlande. Bei einem Erfolg würde das Trainerteam um Stefan Kuntz zum dritten Mal in Folge das EM-Finale erreichen. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Karl Evers spricht Meikel Schönweitz, DFB-Cheftrainer der U-Nationalmannschaften, über die besondere Leistung von Mannschaft und Trainer, das Spiel gegen die Niederlande und über die Lehrgänge, die weitere U-Teams des DFB nach langer coronabedinger Pause jüngst absolviert haben.

DFB.de: Herr Schönweitz, Sie haben nach der Vorrunde der U 21 die klassischen deutschen Tugenden der Mannschaft gelobt: Mut, Disziplin und Widerstandsfähigkeit. Fühlen Sie sich nach dem Dänemark-Spiel bestätigt? Oder kommen weitere Tugenden hinzu?

Meikel Schönweitz: Das hat sich total bestätigt. Es hat wieder richtig Spaß gemacht, den Jungs zuzuschauen, auch wenn es sehr spannend und nervenaufreibend war. Die Mannschaft ist so aufgetreten, wie ich es mir von deutschen Nationalmannschaften vorstelle, insbesondere, was die Art und Weise betrifft. Die drei genannten Tugenden waren wieder klar zu erkennen. Hinzu kamen Teamgeist, ebenfalls eine klassische deutsche Tugend, und Identifikation – mit Deutschland, dem Adler auf der Brust, aber auch mit der eigenen Mannschaft und den Werten, für die sie steht.

DFB.de: Trainer Stefan Kuntz sprach von versteckten oder besonderen Talenten, die im Jahrgang 1998 und jünger stecken und die nicht klar durch Statistiken oder Marktwerte zu erkennen sind. Stimmen Sie ihm zu? Und welche Talente sind das?

Schönweitz: Norbert Elgert hat einmal den schönen Satz gesagt: "Talent stellt dich nur in die Tür, Charakter, Einstellung und Fleiß bringen dich durch diese Tür hindurch." Das macht sich in dieser Mannschaft bemerkbar und das ist sicher auch einer der Aspekte, die Stefan Kuntz meint, wenn er von versteckten Talenten spricht. Wir kritisieren im Moment sehr viel das System im deutschen Fußball, und dass wir aktuell nicht die große Breite an Weltklassespielern ausbilden. Die Diskussion wird den Jungs aus der U 21 gerade nicht gerecht, weil sie sich total aufopfern und gemeinsam auf ihr Ziel hinarbeiten. Hier zeigt sich: Wenn die Jungs ihre Chance bekommen, Spielpraxis auf hohem Niveau zu sammeln und sich mit internationalen Top-Teams zu messen, dann nutzen sie die auch und zeigen eben jene besonderen Talente.

DFB.de: Gegen Dänemark kamen mit Josha Vagnoman, Florian Wirtz, Jonathan Burkardt, Karim Adeyemi, Mateo Klimowicz und Lars Lukas Mai sechs Spieler für das deutsche Team zum Einsatz, die auch im kommenden Jahr noch in der U 21 spielen können. Mit dem Jahrgang 2000 und jünger dürfte also ebenso zu rechnen sein?

Schönweitz: Wir wollen die Erwartungshaltung nicht zu hoch setzen, vor allem bei einzelnen Spielern nicht. Ich finde hierbei einen anderen Punkt interessant: Bei den sechs aufgezählten Jungs trifft das eben Erklärte zu, sie haben Spielpraxis in ihren Vereinen. Wer auf höchstem Niveau Spielpraxis sammelt, kann auch auf höchstem Niveau Leistung bringen. Das müssen wir noch bei vielen Spielern hinbekommen, um unseren Talentpool in Deutschland optimal ausschöpfen zu können.

DFB.de: Die hochgehandelten Mannschaften aus England und Frankreich sind bereits ausgeschieden. Lässt sich mit Blick auf die Leistungsdichte schon ein Zwischenfazit zum Turnier ziehen?

Schönweitz: Mit den Niederlanden, Deutschland, Spanien und Portugal stehen nun trotzdem vier große Namen im Halbfinale, das damit sehr gut bestückt ist. Natürlich fehlen mit den Engländern und den Franzosen zwei Top-Nationen, die nebenbei auch den größten Marktwert haben. Wenn es am Ende um den Titel geht, gilt der berühmte Satz "Geld schießt Tore" eben nur bis zu einer gewissen Grenze.

DFB.de: Stefan Kuntz und sein Trainerteam könnten nun zum dritten Mal in Folge ins Finale der U 21-EM einziehen. Was sagt das über die Arbeit der Trainer aus?

Schönweitz: Die Arbeit der Trainer bewerten wir nicht nur anhand der Ergebnisse, sondern auch auf Grundlage der Art und Weise, wie sie in der Zeit dazwischen agieren. Und da kann man für das Trainerteam der U 21 nur Lob aussprechen. Sie haben sehr viel Erfahrung in ihren Spezialgebieten, teilen ihre Kompetenzen und die Arbeit gut auf, sie sind sehr engagiert, sehr fleißig, sehr reflektiert und finden ein sehr gutes Maß, den Spielern sportliche Inhalte, gleichzeitig aber auch Werte und die nötige Portion Menschlichkeit mit auf den Weg zu geben. Ein weiterer Schlüssel ist, dass sie ein tolles Team hinter dem Team haben, was sie allerdings auch mit der entsprechenden Wertschätzung hervorragend einbinden. Das Ergebnis dieser guten Arbeit ist nun der absolut verdiente Halbfinaleinzug.

DFB.de: Was erwarten Sie vom Spiel gegen die Niederlande?

Schönweitz: Ein Duell auf Augenhöhe. Ich erwarte es ähnlich spannend wie im Viertelfinale, hoffe aber nicht, dass wir noch einmal bis zum Elfmeterschießen zittern müssen. (lacht) Letztlich werden es womöglich nicht die fußballerischen Komponenten ausmachen, sondern am Ende, wer den größeren Willen hat.

DFB.de: Auch unterhalb der U 21 sind U-Mannschaften des DFB nun nach langer coronabedingter Pause erstmals wieder für Lehrgänge zusammengekommen. Haben Sie dazu schon Rückmeldungen der jeweiligen Trainer bekommen?

Schönweitz: Ja, die Trainer waren mit den Lehrgängen alle sehr zufrieden. Erwartungsgemäß gab es viele Absagen, einige Jungs haben momentan Schulprüfungen, bei anderen war die Saison sehr lang, speziell in den älteren Mannschaften. Darauf haben wir natürlich Rücksicht genommen, zumal diese Lehrgänge auch nicht im Rahmenterminkalender eingeplant waren, sondern als Saisonabschluss eingesetzt worden sind. Das Fazit ist positiv, wir sind froh, dass wir die Lehrgänge ohne Probleme durchführen konnten. Das Wichtigste ist ohnehin, dass alle gesund geblieben sind. Zudem konnten wir die Schwerpunkte, die wir uns vorgenommen haben – positionsspezifisches Training und Intuition – gut umsetzen.

DFB.de: Nach mehr als einem Jahr Corona, in dem unterhalb des Profifußballs kaum Wettbewerb für junge Spieler möglich war: Wo hat der deutsche Nachwuchs nun Nachholbedarf? Und wo gibt es möglicherweise sogar Lerneffekte?

Schönweitz: Nachholbedarf haben wir logischerweise bei der Spielpraxis. Du kannst noch so viel trainieren, ein Spiel ersetzt das letztlich aber nie. Auf der anderen Seite konnte man die Corona-Zeit natürlich auch nutzten, um individuell und viel gezielter an Stärken und Schwächen zu arbeiten oder im Training ohne den Ergebnisdruck vom Wochenende Schwerpunkte zu setzen. Deswegen kann diese Phase, wenn man sie richtig genutzt hat, in einigen Bereichen durchaus auch eine Weiterentwicklung mit sich gebracht haben. Das wird sich nun zeigen.

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Die deutsche U 21-Nationalmannschaft trifft heute Abend (ab 21 Uhr, live auf ProSieben) im Halbfinale der U 21-Europameisterschaft auf die Niederlande. Bei einem Erfolg würde das Trainerteam um Stefan Kuntz zum dritten Mal in Folge das EM-Finale erreichen. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Karl Evers spricht Meikel Schönweitz, DFB-Cheftrainer der U-Nationalmannschaften, über die besondere Leistung von Mannschaft und Trainer, das Spiel gegen die Niederlande und über die Lehrgänge, die weitere U-Teams des DFB nach langer coronabedinger Pause jüngst absolviert haben.

DFB.de: Herr Schönweitz, Sie haben nach der Vorrunde der U 21 die klassischen deutschen Tugenden der Mannschaft gelobt: Mut, Disziplin und Widerstandsfähigkeit. Fühlen Sie sich nach dem Dänemark-Spiel bestätigt? Oder kommen weitere Tugenden hinzu?

Meikel Schönweitz: Das hat sich total bestätigt. Es hat wieder richtig Spaß gemacht, den Jungs zuzuschauen, auch wenn es sehr spannend und nervenaufreibend war. Die Mannschaft ist so aufgetreten, wie ich es mir von deutschen Nationalmannschaften vorstelle, insbesondere, was die Art und Weise betrifft. Die drei genannten Tugenden waren wieder klar zu erkennen. Hinzu kamen Teamgeist, ebenfalls eine klassische deutsche Tugend, und Identifikation – mit Deutschland, dem Adler auf der Brust, aber auch mit der eigenen Mannschaft und den Werten, für die sie steht.

DFB.de: Trainer Stefan Kuntz sprach von versteckten oder besonderen Talenten, die im Jahrgang 1998 und jünger stecken und die nicht klar durch Statistiken oder Marktwerte zu erkennen sind. Stimmen Sie ihm zu? Und welche Talente sind das?

Schönweitz: Norbert Elgert hat einmal den schönen Satz gesagt: "Talent stellt dich nur in die Tür, Charakter, Einstellung und Fleiß bringen dich durch diese Tür hindurch." Das macht sich in dieser Mannschaft bemerkbar und das ist sicher auch einer der Aspekte, die Stefan Kuntz meint, wenn er von versteckten Talenten spricht. Wir kritisieren im Moment sehr viel das System im deutschen Fußball, und dass wir aktuell nicht die große Breite an Weltklassespielern ausbilden. Die Diskussion wird den Jungs aus der U 21 gerade nicht gerecht, weil sie sich total aufopfern und gemeinsam auf ihr Ziel hinarbeiten. Hier zeigt sich: Wenn die Jungs ihre Chance bekommen, Spielpraxis auf hohem Niveau zu sammeln und sich mit internationalen Top-Teams zu messen, dann nutzen sie die auch und zeigen eben jene besonderen Talente.

DFB.de: Gegen Dänemark kamen mit Josha Vagnoman, Florian Wirtz, Jonathan Burkardt, Karim Adeyemi, Mateo Klimowicz und Lars Lukas Mai sechs Spieler für das deutsche Team zum Einsatz, die auch im kommenden Jahr noch in der U 21 spielen können. Mit dem Jahrgang 2000 und jünger dürfte also ebenso zu rechnen sein?

Schönweitz: Wir wollen die Erwartungshaltung nicht zu hoch setzen, vor allem bei einzelnen Spielern nicht. Ich finde hierbei einen anderen Punkt interessant: Bei den sechs aufgezählten Jungs trifft das eben Erklärte zu, sie haben Spielpraxis in ihren Vereinen. Wer auf höchstem Niveau Spielpraxis sammelt, kann auch auf höchstem Niveau Leistung bringen. Das müssen wir noch bei vielen Spielern hinbekommen, um unseren Talentpool in Deutschland optimal ausschöpfen zu können.

DFB.de: Die hochgehandelten Mannschaften aus England und Frankreich sind bereits ausgeschieden. Lässt sich mit Blick auf die Leistungsdichte schon ein Zwischenfazit zum Turnier ziehen?

Schönweitz: Mit den Niederlanden, Deutschland, Spanien und Portugal stehen nun trotzdem vier große Namen im Halbfinale, das damit sehr gut bestückt ist. Natürlich fehlen mit den Engländern und den Franzosen zwei Top-Nationen, die nebenbei auch den größten Marktwert haben. Wenn es am Ende um den Titel geht, gilt der berühmte Satz "Geld schießt Tore" eben nur bis zu einer gewissen Grenze.

DFB.de: Stefan Kuntz und sein Trainerteam könnten nun zum dritten Mal in Folge ins Finale der U 21-EM einziehen. Was sagt das über die Arbeit der Trainer aus?

Schönweitz: Die Arbeit der Trainer bewerten wir nicht nur anhand der Ergebnisse, sondern auch auf Grundlage der Art und Weise, wie sie in der Zeit dazwischen agieren. Und da kann man für das Trainerteam der U 21 nur Lob aussprechen. Sie haben sehr viel Erfahrung in ihren Spezialgebieten, teilen ihre Kompetenzen und die Arbeit gut auf, sie sind sehr engagiert, sehr fleißig, sehr reflektiert und finden ein sehr gutes Maß, den Spielern sportliche Inhalte, gleichzeitig aber auch Werte und die nötige Portion Menschlichkeit mit auf den Weg zu geben. Ein weiterer Schlüssel ist, dass sie ein tolles Team hinter dem Team haben, was sie allerdings auch mit der entsprechenden Wertschätzung hervorragend einbinden. Das Ergebnis dieser guten Arbeit ist nun der absolut verdiente Halbfinaleinzug.

DFB.de: Was erwarten Sie vom Spiel gegen die Niederlande?

Schönweitz: Ein Duell auf Augenhöhe. Ich erwarte es ähnlich spannend wie im Viertelfinale, hoffe aber nicht, dass wir noch einmal bis zum Elfmeterschießen zittern müssen. (lacht) Letztlich werden es womöglich nicht die fußballerischen Komponenten ausmachen, sondern am Ende, wer den größeren Willen hat.

DFB.de: Auch unterhalb der U 21 sind U-Mannschaften des DFB nun nach langer coronabedingter Pause erstmals wieder für Lehrgänge zusammengekommen. Haben Sie dazu schon Rückmeldungen der jeweiligen Trainer bekommen?

Schönweitz: Ja, die Trainer waren mit den Lehrgängen alle sehr zufrieden. Erwartungsgemäß gab es viele Absagen, einige Jungs haben momentan Schulprüfungen, bei anderen war die Saison sehr lang, speziell in den älteren Mannschaften. Darauf haben wir natürlich Rücksicht genommen, zumal diese Lehrgänge auch nicht im Rahmenterminkalender eingeplant waren, sondern als Saisonabschluss eingesetzt worden sind. Das Fazit ist positiv, wir sind froh, dass wir die Lehrgänge ohne Probleme durchführen konnten. Das Wichtigste ist ohnehin, dass alle gesund geblieben sind. Zudem konnten wir die Schwerpunkte, die wir uns vorgenommen haben – positionsspezifisches Training und Intuition – gut umsetzen.

DFB.de: Nach mehr als einem Jahr Corona, in dem unterhalb des Profifußballs kaum Wettbewerb für junge Spieler möglich war: Wo hat der deutsche Nachwuchs nun Nachholbedarf? Und wo gibt es möglicherweise sogar Lerneffekte?

Schönweitz: Nachholbedarf haben wir logischerweise bei der Spielpraxis. Du kannst noch so viel trainieren, ein Spiel ersetzt das letztlich aber nie. Auf der anderen Seite konnte man die Corona-Zeit natürlich auch nutzten, um individuell und viel gezielter an Stärken und Schwächen zu arbeiten oder im Training ohne den Ergebnisdruck vom Wochenende Schwerpunkte zu setzen. Deswegen kann diese Phase, wenn man sie richtig genutzt hat, in einigen Bereichen durchaus auch eine Weiterentwicklung mit sich gebracht haben. Das wird sich nun zeigen.

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