Schönweitz: "Die Jungs können das entsprechende Niveau abliefern"

Die Bundesligadebüts deutscher Talente nehmen zuletzt zu. Nachdem der Außerordentliche DFB-Bundestag am 25. Mai für den Saisonabbruch der Junioren-Wettbewerbe stimmte, rückten einige junge Spieler bei den Profimannschaften in den Fokus. Das freut auch Meikel Schönweitz, den Cheftrainer der U-Nationalmannschaften. Im DFB.de-Interview spricht er über die coronabedingten Folgen für Juniorenspieler und erklärt, was er sich für die Zukunft wünscht, damit weiterhin viele Talente oben ankommen.

DFB.de: Herr Schönweitz, aufgrund der Coronapandemie musste die Saison 2019/2020 in den Junioren-Wettbewerben abgebrochen werden. Wie bewerten Sie als Cheftrainer der U-Nationalmannschaften diese Entscheidung?

Meikel Schönweitz: Fakt ist, dass die Gesundheit der Menschen und unser Beitrag zur Eindämmung der Coronapandemie nun einmal Vorrang genießen. Aus sportlicher Sicht tut das im ersten Moment den beteiligten Mannschaften, die um den Titel gespielt haben, und der fußballerischen Weiterentwicklung der Jungs weh, aber wenn man die gesamte Situation sieht, war das in Anbetracht der Umstände die richtige Entscheidung.

DFB.de: Inwiefern?

Schönweitz: Sportliche Ergebnisse sind wichtig und sollten auch immer das Ziel aller Akteure sein, aber in der Jugend steht die Ausbildung dennoch über allem. Die Übergänge der einzelnen Jahrgangsstufen, Vereinswechsel, Unterbringungen von Internatsspielern, Schulwechsel, die unterschiedlichen Verfügungslagen in den einzelnen Bundesländern – all das hätte bei einer Fortsetzung der aktuellen Saison über den Sommer hinaus zu Chaos und zum Nachteil vieler Spieler geführt. Die Konsequenzen einer Saisonfortsetzung hätten nicht in Relation zu einem Abbruch gestanden. Durch die getroffene Entscheidung weiß jeder, woran er ist und kann sich auf die neue Saison einstellen

DFB.de: Ist die fehlende Wettkampf- und Spielpraxis für die Weiterentwicklung der Talente ein Nachteil oder – anders gefragt – kann es auch etwas Gutes haben, wenn die Jungs mal für ein paar Monate aus dem klassischen Rhythmus kommen?

Schönweitz: Ob es einen Nachteil geben wird, ist aus heutiger Sicht schwer abzusehen. Schließlich gab es solch eine Situation noch nie. Wenn ein Spieler verletzt oder krankheitsbedingt ausfällt, dann hat er natürlich anschließend ein Defizit gegenüber den anderen Talenten und muss das aufholen. Diesmal haben jedoch nicht einzelne, sondern alle Spieler ausgesetzt – und das nicht nur in Deutschland, sondern in nahezu allen Ländern. Auf der anderen Seite war die Pause sicherlich – nicht nur für die Spieler, sondern auch für die Trainer und Funktionäre – mal gut, um aus dem immer schneller werdenden Hamsterrad für eine kurze Zeit auszusteigen und Energie zu tanken, stets in Abhängigkeit von der privaten Situation.

DFB.de: Sie und Ihre U-Trainerkollegen haben in den Junioren-Bundesligen sehr intensiv gesichtet. Mit den Talenten, die zuletzt noch U 19 spielten und nun in der Bundesliga debütierten, dürften Sie sich besonders gefreut haben …

Schönweitz: Nach der Coronapause sind auf einmal zahlreiche junge Spieler, die in den vergangenen Monaten schon bei uns in den DFB-Teams auf sich aufmerksam gemacht haben, in der Bundesliga ins kalte Wasser geworfen worden. Das hat uns extrem gefreut. Es zeigt, dass die Jungs das entsprechende Niveau abliefern können, wenn sie ihre Chance und das Vertrauen bekommen. Wir haben nun oft genug den Finger in die Wunde gelegt und Wege aufgezeigt, was sich im Nachwuchs tun muss, wir haben viele Themen und viele Personen angestoßen und sind auf unterschiedlichen Ebenen im Dialog. Viele Vereine haben die Situation auch richtig erkannt und gedeutet. In unseren Gesprächen in den vergangenen Monaten konnten wir nun feststellen, dass immer mehr Vereinsverantwortliche ähnliche Gedanken verfolgen. Jetzt hoffen wir, dass diese Gedanken einerseits ins Tagesgeschäft einfließen und dass sich andererseits der Trend mit mehr Spielpraxis für unsere deutschen Talente weiter fortsetzt. Davon profitiert das gesamte deutsche Fußballsystem. Ausruhen dürfen wir uns auf diesem Zwischenhoch keineswegs.

DFB.de: Absteiger nein, Aufsteiger ja – unter dieser Regelung wurde die Saison in den Junioren-Bundesligen der U 19 und U 17 beendet. Dadurch muss das Teilnehmerfeld in der Spielzeit 2020/2021 zwangsläufig vergrößert werden. Ist das aus sportlicher Sicht eine Chance, weil sich mehr junge Spieler auf hohem Niveau präsentieren können oder ein Risiko, weil womöglich die Qualität darunter leidet und der Terminkalender noch voller wird?

Schönweitz: Die kommenden Spielzeiten müssen vor allem mit viel Sorgfalt und Weitsicht geplant werden. Mehr Mannschaften bedeutet im ersten Moment auch mehr Spieltage und mehr Absteiger. Rein faktisch gesehen, würden aus 26 Spieltagen nun 34 werden und aus drei Absteigern pro Liga plötzlich sechs pro Liga, wolle man unmittelbar in der Folgesaison wieder ‚normale Verhältnisse‘. Das würde unweigerlich die Spielweise einiger Teams ändern und die Belastungsgrenze würde überschritten werden. Beides müssen wir eventuell über ein verändertes Spielsystem abfedern. Hier erhoffe ich mir, dass die entscheidenden Gremien die sportlichen Aspekte und das, was Jugendspieler benötigen, bei allen Entscheidungen in den Vordergrund stellen werden. Wir dürfen nicht außer Acht lassen: Für die Spitzentalente kommen auch Länderspiel-Maßnahmen und mögliche internationale Endrunden-Turniere hinzu. Besonders wenn wir den Anspruch haben, international an die Weltspitze zurückzukehren, sollten wir den entsprechenden Freiraum im Terminkalender berücksichtigen.

DFB.de: Hat die aktuelle Situation denn Auswirkungen auf das "Projekt Zukunft", in dem DFB und DFL gemeinsam Verbesserungen für das deutsche Nachwuchs- und Ausbildungssystem anstoßen?

Schönweitz: Sie hat uns deutlich gemacht, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wären unsere Gedankenspiele für die neuen Wettbewerbe im Bereich der Leistungszentren schon umgesetzt, hätten wir keinerlei Probleme, was die Planung für die neue Saison angeht, weil wir viel flexibler wären. Wir denken die Wettbewerbe spieler- und nicht mehr zwangsläufig ligazentriert. Leider müssen wir uns da noch etwas gedulden, weil eine Umstellung von Wettbewerben zuvor einen enorm großen organisatorischen Anlauf braucht und viele Gremien involviert sind.

[dfb/rz]

Die Bundesligadebüts deutscher Talente nehmen zuletzt zu. Nachdem der Außerordentliche DFB-Bundestag am 25. Mai für den Saisonabbruch der Junioren-Wettbewerbe stimmte, rückten einige junge Spieler bei den Profimannschaften in den Fokus. Das freut auch Meikel Schönweitz, den Cheftrainer der U-Nationalmannschaften. Im DFB.de-Interview spricht er über die coronabedingten Folgen für Juniorenspieler und erklärt, was er sich für die Zukunft wünscht, damit weiterhin viele Talente oben ankommen.

DFB.de: Herr Schönweitz, aufgrund der Coronapandemie musste die Saison 2019/2020 in den Junioren-Wettbewerben abgebrochen werden. Wie bewerten Sie als Cheftrainer der U-Nationalmannschaften diese Entscheidung?

Meikel Schönweitz: Fakt ist, dass die Gesundheit der Menschen und unser Beitrag zur Eindämmung der Coronapandemie nun einmal Vorrang genießen. Aus sportlicher Sicht tut das im ersten Moment den beteiligten Mannschaften, die um den Titel gespielt haben, und der fußballerischen Weiterentwicklung der Jungs weh, aber wenn man die gesamte Situation sieht, war das in Anbetracht der Umstände die richtige Entscheidung.

DFB.de: Inwiefern?

Schönweitz: Sportliche Ergebnisse sind wichtig und sollten auch immer das Ziel aller Akteure sein, aber in der Jugend steht die Ausbildung dennoch über allem. Die Übergänge der einzelnen Jahrgangsstufen, Vereinswechsel, Unterbringungen von Internatsspielern, Schulwechsel, die unterschiedlichen Verfügungslagen in den einzelnen Bundesländern – all das hätte bei einer Fortsetzung der aktuellen Saison über den Sommer hinaus zu Chaos und zum Nachteil vieler Spieler geführt. Die Konsequenzen einer Saisonfortsetzung hätten nicht in Relation zu einem Abbruch gestanden. Durch die getroffene Entscheidung weiß jeder, woran er ist und kann sich auf die neue Saison einstellen

DFB.de: Ist die fehlende Wettkampf- und Spielpraxis für die Weiterentwicklung der Talente ein Nachteil oder – anders gefragt – kann es auch etwas Gutes haben, wenn die Jungs mal für ein paar Monate aus dem klassischen Rhythmus kommen?

Schönweitz: Ob es einen Nachteil geben wird, ist aus heutiger Sicht schwer abzusehen. Schließlich gab es solch eine Situation noch nie. Wenn ein Spieler verletzt oder krankheitsbedingt ausfällt, dann hat er natürlich anschließend ein Defizit gegenüber den anderen Talenten und muss das aufholen. Diesmal haben jedoch nicht einzelne, sondern alle Spieler ausgesetzt – und das nicht nur in Deutschland, sondern in nahezu allen Ländern. Auf der anderen Seite war die Pause sicherlich – nicht nur für die Spieler, sondern auch für die Trainer und Funktionäre – mal gut, um aus dem immer schneller werdenden Hamsterrad für eine kurze Zeit auszusteigen und Energie zu tanken, stets in Abhängigkeit von der privaten Situation.

DFB.de: Sie und Ihre U-Trainerkollegen haben in den Junioren-Bundesligen sehr intensiv gesichtet. Mit den Talenten, die zuletzt noch U 19 spielten und nun in der Bundesliga debütierten, dürften Sie sich besonders gefreut haben …

Schönweitz: Nach der Coronapause sind auf einmal zahlreiche junge Spieler, die in den vergangenen Monaten schon bei uns in den DFB-Teams auf sich aufmerksam gemacht haben, in der Bundesliga ins kalte Wasser geworfen worden. Das hat uns extrem gefreut. Es zeigt, dass die Jungs das entsprechende Niveau abliefern können, wenn sie ihre Chance und das Vertrauen bekommen. Wir haben nun oft genug den Finger in die Wunde gelegt und Wege aufgezeigt, was sich im Nachwuchs tun muss, wir haben viele Themen und viele Personen angestoßen und sind auf unterschiedlichen Ebenen im Dialog. Viele Vereine haben die Situation auch richtig erkannt und gedeutet. In unseren Gesprächen in den vergangenen Monaten konnten wir nun feststellen, dass immer mehr Vereinsverantwortliche ähnliche Gedanken verfolgen. Jetzt hoffen wir, dass diese Gedanken einerseits ins Tagesgeschäft einfließen und dass sich andererseits der Trend mit mehr Spielpraxis für unsere deutschen Talente weiter fortsetzt. Davon profitiert das gesamte deutsche Fußballsystem. Ausruhen dürfen wir uns auf diesem Zwischenhoch keineswegs.

DFB.de: Absteiger nein, Aufsteiger ja – unter dieser Regelung wurde die Saison in den Junioren-Bundesligen der U 19 und U 17 beendet. Dadurch muss das Teilnehmerfeld in der Spielzeit 2020/2021 zwangsläufig vergrößert werden. Ist das aus sportlicher Sicht eine Chance, weil sich mehr junge Spieler auf hohem Niveau präsentieren können oder ein Risiko, weil womöglich die Qualität darunter leidet und der Terminkalender noch voller wird?

Schönweitz: Die kommenden Spielzeiten müssen vor allem mit viel Sorgfalt und Weitsicht geplant werden. Mehr Mannschaften bedeutet im ersten Moment auch mehr Spieltage und mehr Absteiger. Rein faktisch gesehen, würden aus 26 Spieltagen nun 34 werden und aus drei Absteigern pro Liga plötzlich sechs pro Liga, wolle man unmittelbar in der Folgesaison wieder ‚normale Verhältnisse‘. Das würde unweigerlich die Spielweise einiger Teams ändern und die Belastungsgrenze würde überschritten werden. Beides müssen wir eventuell über ein verändertes Spielsystem abfedern. Hier erhoffe ich mir, dass die entscheidenden Gremien die sportlichen Aspekte und das, was Jugendspieler benötigen, bei allen Entscheidungen in den Vordergrund stellen werden. Wir dürfen nicht außer Acht lassen: Für die Spitzentalente kommen auch Länderspiel-Maßnahmen und mögliche internationale Endrunden-Turniere hinzu. Besonders wenn wir den Anspruch haben, international an die Weltspitze zurückzukehren, sollten wir den entsprechenden Freiraum im Terminkalender berücksichtigen.

DFB.de: Hat die aktuelle Situation denn Auswirkungen auf das "Projekt Zukunft", in dem DFB und DFL gemeinsam Verbesserungen für das deutsche Nachwuchs- und Ausbildungssystem anstoßen?

Schönweitz: Sie hat uns deutlich gemacht, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wären unsere Gedankenspiele für die neuen Wettbewerbe im Bereich der Leistungszentren schon umgesetzt, hätten wir keinerlei Probleme, was die Planung für die neue Saison angeht, weil wir viel flexibler wären. Wir denken die Wettbewerbe spieler- und nicht mehr zwangsläufig ligazentriert. Leider müssen wir uns da noch etwas gedulden, weil eine Umstellung von Wettbewerben zuvor einen enorm großen organisatorischen Anlauf braucht und viele Gremien involviert sind.

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