Legath: "Trautmann war ein untadeliger Sportsmann"

Am 14. März kommt "Trautmann" in die Kinos, die Verfilmung der Lebensgeschichte von Bert Trautmann, deutscher Keeper bei Manchester City. Als Kriegsgefangener anfangs ausgebuht und angefeindet, eroberte er die Herzen der englischen Fans und wurde nach dem FA-Cup-Finale 1956 zur Legende. Hans Legath, heute 90 Jahre alt und damals Stürmer des FC Bayern München, erinnert sich im DFB.de-Interview an seine Begegnung mit Bert.

DFB.de: Herr Legath, wie kam es überhaupt dazu, dass am 9. Mai 1954 die Bayern gegen ManCity spielten?

Hans Legath: Schon Anfang der fünfziger Jahre hatte der FC Bayern München begonnen, wieder internationale Spiele zu bestreiten, etwa bei Girondins Bordeaux und Olympique Marseille. Später gastierte Hajduk Split in München. Für zwei Spiele fuhren wir sogar in die DDR, eine absolute Seltenheit damals. Ich sehe noch diesen Mann, der in unserer Kabine saß, der sich nicht vorstellte, kein Wort sagte und einfach die ganze Zeit stumm zuhörte. Hochgradig unangenehm. Das Abschiedsspiel von Jakob Streitle war dann der Grund, warum ManCity zu uns nach München anreiste. Der Jakob war einer der besten deutschen Verteidiger und hatte es dennoch bedingt durch die Kriegsumstände nur auf 15 Länderspiele gebracht. Der Bert Trautmann? Ja klar, der war bei uns allen schon ein bisschen bekannt, auch wenn die Medienlandschaft eine ganz andere war als heute.

DFB.de: Wo fand das Spiel statt?

Legath: Im Stadion an der Grünwalder Straße. Die Journalisten von heute sagen manchmal Grünwalder Stadion. Das Spiel fand im Mai statt, kurz vor der Weltmeisterschaft in der Schweiz und kurz vor meinem Examen an der Uni München.

DFB.de: Unvorstellbar heute. Sie standen in der höchsten deutschen Spielklasse unter Vertrag und haben parallel studiert?

Legath: Genau, Betriebswirtschaft. War alles zu vereinbaren, wir haben nur zweimal die Woche trainiert, dienstags und donnerstags. Die Spiele fanden in der Regel sonntags statt. Spielten wir etwa bei Eintracht Frankfurt, dann fuhren wir um 6 Uhr morgens mit dem Zug dorthin, bestritten das Punktspiel und fuhren abends wieder nach Hause.

DFB.de: Stimmt es, dass Sie gegen Bert Trautmann ein Tor erzielt haben?

Legath: Eineinhalb, würde ich sagen.

DFB.de: Wie das?

Legath: Das 1:0 für uns fiel so aus dem Gewühl im Sechzehner. Der Ball kam halt zu mir. Und das letzte zum 3:3-Endstand war dann eine weite Flanke, ich habe den Ball an die Unterkante der Querlatte geköpft. Ob der schon drin war? Einer meiner Mitspieler staubte ab und schoss den Ball ins Tornetz. Da war die Sache klar.

DFB.de: Wie gut war Trautmann?

Legath: Na ja, der Toni Turek war sicher besser. Trautmann war aber schon ein guter Keeper, sehr stark auf der Linie. Dass er sich beim englischen Pokalfinale zwei Jahre später das Genick brach, und trotzdem bis zum Ende spielte, habe ich dann in der Zeitung gelesen.

DFB.de: Herr Legath, in den fünfziger Jahren schossen Sie 40 Tore in 98 Spielen für den FC Bayern München. Wie hatten die Bayern Sie entdeckt?

Hans Legath: Irgendjemand kam auf die Idee, mich aus der A-Klasse in Kolbermoor zu den Bayern zu holen. Erstmal wollte ich meinen Verein nicht im Stich lassen, bis meine Mitspieler sagten: "Du bist doch verrückt, wenn die Bayern anklopfen, dann geh‘ halt hin".

DFB.de: Aus Kolbermoor stammen auch zwei Weltmeister. Nicht schlecht für eine Ortschaft von heute 18.000 Einwohnern bei Rosenheim.

Legath: Mit Paul Breitners Vater habe ich in der Jugend zusammen Fußball gespielt. Wir waren beide Jahrgang 1928. Und dann sehr viel später kam natürlich noch Bastian Schweinsteiger aus Kolbermoor.

DFB.de: Trafen Sie während ihrer aktiven Zeit auch auf Weltmeister aus der 54er Mannschaft?

Legath: Bei den Bayern spielte der Hans Bauer, den Sepp Herberger in der Schweiz aber nur beim 3:8 gegen die Ungarn eingesetzt hat. In der Liga habe ich einige Male gegen Alfred Pfaff von Eintracht Frankfurt und gegen Max Morlock vom 1. FC Nürnberg sowie Karl Mai von der SpVgg. Fürth gespielt.

DFB.de: Was Trautmann und Sie auch vereint, ist dass Sie beide starke Leichtathleten waren.

Legath: Leichtathletik wäre vielleicht der bessere Job gewesen (lacht). Da hätte ich 1952 die Chance gehabt, als Mitglied der Staffel zu den Olympischen Spielen zu gehen. Ich lief die 100 Meter in 10,9 Sekunden, das war damals relativ gut. Damals gab es keine Trainer, die lagen alle tot in Russland oder auf anderen Schlachtfeldern. Ich habe mir alles selbst beibringen müssen.

DFB.de: Bert Trautmann beschreibt in seinem Buch, wie er als erfolgreicher Sportler von den Nazis vereinnahmt wurde. Sie sind sechs Jahre später geboren worden. Wie haben Sie es erlebt?

Legath: Ich bin nur bis zum Deutschen Jungvolk gekommen. Da war ich 14. Anders als Trautmann war ich also nie in der Hitlerjugend. Wir waren so jung, wir haben Fußball gespielt, wir haben Geländespiele gemacht. Heute weiß ich, dabei ging es auch um eine vormilitärische Ausbildung.

DFB.de: Bei Kriegsende waren Sie gerademal 17 Jahre. Wurden Sie noch eingezogen?

Legath: Von Frühjahr 1944 bis Kriegsende war ich als Luftwaffenhelfer in Innsbruck eingesetzt. Vom Gymnasium in Rosenheim wurden wir dorthin verfrachtet und an die 8,8 Millimeter Flakgeschütze gestellt. Wir waren eigentlich noch Kinder.

DFB.de: Trautmann kam als Kriegsgefangener nach England und spielte dann in der Premier League. Wie bewerten Sie seine Geschichte?

Legath: Dass plötzlich ein deutscher Kriegsgefangener in einer englischen Mannschaft spielt, das war doch unvorstellbar. Er war ein untadeliger Sportsmann.

DFB.de: Sie haben drei Jahre für die erste Mannschaft der Bayern gespielt. Verraten Sie uns, wie viel finanziell hängen blieb?

Legath: Im ersten Jahr habe ich 320 Mark im Monat bekommen und die letzten beiden Jahre je 360 Mark im Monat. Für mich als Student war das großartig.

DFB.de: Am Montag hat Sie die Filmgesellschaft zur Premiere in München eingeladen. Wann waren Sie denn das letzte Mal im Kino?

Legath: Ist schon ein paar Jahre her (lacht). Ich bin immer mit dem Rollator unterwegs. In meinem Alter können die Knie nicht mehr operiert werden, auch wegen der Gefahr einer Demenz als Folge der Narkose.

DFB.de: Schauen Sie noch alle Spiele der Bayern?

Legath: Unsere Tochter und der Schwiegersohn haben Sky. An jedem Auswärtswochenende werde ich samstags oder sonntags abgeholt und dann schauen wir uns das an. Demnächst will ich wieder mal in die Arena gehen. Körperlich geht’s auch noch. Mir ist‘s halt nur zuviel Trubel.

[th]

Am 14. März kommt "Trautmann" in die Kinos, die Verfilmung der Lebensgeschichte von Bert Trautmann, deutscher Keeper bei Manchester City. Als Kriegsgefangener anfangs ausgebuht und angefeindet, eroberte er die Herzen der englischen Fans und wurde nach dem FA-Cup-Finale 1956 zur Legende. Hans Legath, heute 90 Jahre alt und damals Stürmer des FC Bayern München, erinnert sich im DFB.de-Interview an seine Begegnung mit Bert.

DFB.de: Herr Legath, wie kam es überhaupt dazu, dass am 9. Mai 1954 die Bayern gegen ManCity spielten?

Hans Legath: Schon Anfang der fünfziger Jahre hatte der FC Bayern München begonnen, wieder internationale Spiele zu bestreiten, etwa bei Girondins Bordeaux und Olympique Marseille. Später gastierte Hajduk Split in München. Für zwei Spiele fuhren wir sogar in die DDR, eine absolute Seltenheit damals. Ich sehe noch diesen Mann, der in unserer Kabine saß, der sich nicht vorstellte, kein Wort sagte und einfach die ganze Zeit stumm zuhörte. Hochgradig unangenehm. Das Abschiedsspiel von Jakob Streitle war dann der Grund, warum ManCity zu uns nach München anreiste. Der Jakob war einer der besten deutschen Verteidiger und hatte es dennoch bedingt durch die Kriegsumstände nur auf 15 Länderspiele gebracht. Der Bert Trautmann? Ja klar, der war bei uns allen schon ein bisschen bekannt, auch wenn die Medienlandschaft eine ganz andere war als heute.

DFB.de: Wo fand das Spiel statt?

Legath: Im Stadion an der Grünwalder Straße. Die Journalisten von heute sagen manchmal Grünwalder Stadion. Das Spiel fand im Mai statt, kurz vor der Weltmeisterschaft in der Schweiz und kurz vor meinem Examen an der Uni München.

DFB.de: Unvorstellbar heute. Sie standen in der höchsten deutschen Spielklasse unter Vertrag und haben parallel studiert?

Legath: Genau, Betriebswirtschaft. War alles zu vereinbaren, wir haben nur zweimal die Woche trainiert, dienstags und donnerstags. Die Spiele fanden in der Regel sonntags statt. Spielten wir etwa bei Eintracht Frankfurt, dann fuhren wir um 6 Uhr morgens mit dem Zug dorthin, bestritten das Punktspiel und fuhren abends wieder nach Hause.

DFB.de: Stimmt es, dass Sie gegen Bert Trautmann ein Tor erzielt haben?

Legath: Eineinhalb, würde ich sagen.

DFB.de: Wie das?

Legath: Das 1:0 für uns fiel so aus dem Gewühl im Sechzehner. Der Ball kam halt zu mir. Und das letzte zum 3:3-Endstand war dann eine weite Flanke, ich habe den Ball an die Unterkante der Querlatte geköpft. Ob der schon drin war? Einer meiner Mitspieler staubte ab und schoss den Ball ins Tornetz. Da war die Sache klar.

DFB.de: Wie gut war Trautmann?

Legath: Na ja, der Toni Turek war sicher besser. Trautmann war aber schon ein guter Keeper, sehr stark auf der Linie. Dass er sich beim englischen Pokalfinale zwei Jahre später das Genick brach, und trotzdem bis zum Ende spielte, habe ich dann in der Zeitung gelesen.

DFB.de: Herr Legath, in den fünfziger Jahren schossen Sie 40 Tore in 98 Spielen für den FC Bayern München. Wie hatten die Bayern Sie entdeckt?

Hans Legath: Irgendjemand kam auf die Idee, mich aus der A-Klasse in Kolbermoor zu den Bayern zu holen. Erstmal wollte ich meinen Verein nicht im Stich lassen, bis meine Mitspieler sagten: "Du bist doch verrückt, wenn die Bayern anklopfen, dann geh‘ halt hin".

DFB.de: Aus Kolbermoor stammen auch zwei Weltmeister. Nicht schlecht für eine Ortschaft von heute 18.000 Einwohnern bei Rosenheim.

Legath: Mit Paul Breitners Vater habe ich in der Jugend zusammen Fußball gespielt. Wir waren beide Jahrgang 1928. Und dann sehr viel später kam natürlich noch Bastian Schweinsteiger aus Kolbermoor.

DFB.de: Trafen Sie während ihrer aktiven Zeit auch auf Weltmeister aus der 54er Mannschaft?

Legath: Bei den Bayern spielte der Hans Bauer, den Sepp Herberger in der Schweiz aber nur beim 3:8 gegen die Ungarn eingesetzt hat. In der Liga habe ich einige Male gegen Alfred Pfaff von Eintracht Frankfurt und gegen Max Morlock vom 1. FC Nürnberg sowie Karl Mai von der SpVgg. Fürth gespielt.

DFB.de: Was Trautmann und Sie auch vereint, ist dass Sie beide starke Leichtathleten waren.

Legath: Leichtathletik wäre vielleicht der bessere Job gewesen (lacht). Da hätte ich 1952 die Chance gehabt, als Mitglied der Staffel zu den Olympischen Spielen zu gehen. Ich lief die 100 Meter in 10,9 Sekunden, das war damals relativ gut. Damals gab es keine Trainer, die lagen alle tot in Russland oder auf anderen Schlachtfeldern. Ich habe mir alles selbst beibringen müssen.

DFB.de: Bert Trautmann beschreibt in seinem Buch, wie er als erfolgreicher Sportler von den Nazis vereinnahmt wurde. Sie sind sechs Jahre später geboren worden. Wie haben Sie es erlebt?

Legath: Ich bin nur bis zum Deutschen Jungvolk gekommen. Da war ich 14. Anders als Trautmann war ich also nie in der Hitlerjugend. Wir waren so jung, wir haben Fußball gespielt, wir haben Geländespiele gemacht. Heute weiß ich, dabei ging es auch um eine vormilitärische Ausbildung.

DFB.de: Bei Kriegsende waren Sie gerademal 17 Jahre. Wurden Sie noch eingezogen?

Legath: Von Frühjahr 1944 bis Kriegsende war ich als Luftwaffenhelfer in Innsbruck eingesetzt. Vom Gymnasium in Rosenheim wurden wir dorthin verfrachtet und an die 8,8 Millimeter Flakgeschütze gestellt. Wir waren eigentlich noch Kinder.

DFB.de: Trautmann kam als Kriegsgefangener nach England und spielte dann in der Premier League. Wie bewerten Sie seine Geschichte?

Legath: Dass plötzlich ein deutscher Kriegsgefangener in einer englischen Mannschaft spielt, das war doch unvorstellbar. Er war ein untadeliger Sportsmann.

DFB.de: Sie haben drei Jahre für die erste Mannschaft der Bayern gespielt. Verraten Sie uns, wie viel finanziell hängen blieb?

Legath: Im ersten Jahr habe ich 320 Mark im Monat bekommen und die letzten beiden Jahre je 360 Mark im Monat. Für mich als Student war das großartig.

DFB.de: Am Montag hat Sie die Filmgesellschaft zur Premiere in München eingeladen. Wann waren Sie denn das letzte Mal im Kino?

Legath: Ist schon ein paar Jahre her (lacht). Ich bin immer mit dem Rollator unterwegs. In meinem Alter können die Knie nicht mehr operiert werden, auch wegen der Gefahr einer Demenz als Folge der Narkose.

DFB.de: Schauen Sie noch alle Spiele der Bayern?

Legath: Unsere Tochter und der Schwiegersohn haben Sky. An jedem Auswärtswochenende werde ich samstags oder sonntags abgeholt und dann schauen wir uns das an. Demnächst will ich wieder mal in die Arena gehen. Körperlich geht’s auch noch. Mir ist‘s halt nur zuviel Trubel.

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