Kuntz: "Wir haben auch außerhalb des Trainings Reize gesetzt"

Hinter der deutschen U 21-Nationalmannschaft liegen zehn Tage im Trainingslager in Natz (Südtirol). Bevor das Team von DFB-Trainer Stefan Kuntz am Freitag ins EM-Quartier reist, spricht der 56-Jährige im DFB.de-Interview mit Redakteur Maximilian Schwartz über sein Fazit zur Vorbereitung, die richtigen Reize und die Ziele für die U 21-Europameisterschaft in Italien und San Marino (16. bis 30. Juni).

DFB.de: Stefan Kuntz, wie fällt Ihr Fazit zum Trainingslager in Natz aus?

Stefan Kuntz: Wir können in allen Bereichen ein absolut positives Fazit ziehen. Die Bedingungen im Hotel Seehof und auf den Trainingsplätzen waren ideal. In den Trainingseinheiten haben wir alles umgesetzt was wir uns vorgenommen haben, auch im taktischen Bereich. Hier haben wir durch das Testspiel gegen Polen nochmal wichtige Erkenntnisse gewinnen können. Wichtig am Trainingslager war vor allem auch, dass wir die Unterschiede zwischen den Spielern, die konditionell oder nach Verletzungen nicht ganz auf der Höhe waren, und den fitten Spielern ausgleichen konnten.

DFB.de: Hatten Sie sich die Bedingungen genauso erhofft?

Kuntz: Ehrlich gesagt wurden unsere Erwartungen übertroffen. Die Region in Südtirol und der Ort Natz haben sich schon sehr dafür eingesetzt, dass wir das Trainingslager hier absolvieren konnten. Von Anfang an haben wir eine unglaubliche Herzlichkeit und Offenheit der Leute gespürt. Sofort wurde eine familiäre Atmosphäre geschaffen. Das merkt man auch daran, dass nur wenige Spieler in der Freizeit die Hotelanlage verlassen haben. Sie haben sich lieber am See oder im Spa-Bereich erholt, einige haben auf der Terrasse Karten gespielt. Außerdem muss man herausheben, dass der ASV Natz uns zu jedem Zeitpunkt zwei sensationelle Trainingsplätze zur Verfügung gestellt hat und all unsere Wünsche umgesetzt hat. Das hat bei uns allen für eine hohe Zufriedenheit gesorgt und im Unterbewusstsein die Leistungsbereitschaft der Spieler und des Funktionsteams erhöht.

DFB.de: Wie schwer ist Ihnen die Entscheidung bei der Nominierung des finalen 23-köpfigen EM-Kaders gefallen?

Kuntz: Brutal schwer. Nuancen haben den Ausschlag gegeben. Im Trainerteam haben wir einige Fakten und Daten aus dem Training zusammengetragen, auf deren Grundlage wir die Entscheidung gefällt haben. Am Ende hat aber auch mein Bauchgefühl eine Rolle gespielt. Die Enttäuschung der Spieler kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich musste das als Spieler leider auch erleben, als ich kurz vor der WM 1990 nach Hause fahren musste. Die Entscheidung haben wir vor der gesamten Mannschaft verkündet, weil wir allen gleichzeitig die Information geben wollten.

DFB.de: Welche Aspekte überwiegen in einem EM-Trainingslager: die Arbeit an der körperlichen Fitness oder die mentale Einstellung aufs Turnier?

Kuntz: Wir haben auf eine gesunde Mischung von beidem Wert gelegt. Natürlich steht der körperliche Aspekt zunächst im Vordergrund, damit alle möglichst auf dem gleichen Fitnesslevel sind. Das bildet die Basis. Der mentale Aspekt ist aber auch nicht zu unterschätzen. Die Spieler sollen ihren Alltag beim Verein ausblenden, Enttäuschungen abhaken, aber natürlich auch Euphorie mit zur U 21 nehmen und ans Team weitergeben. Dafür haben wir außerhalb des Trainings auch einige Reize gesetzt.

DFB.de: Zum Beispiel den Motivationsvortrag und die Trainingseinheit mit Football-Coach Patrick Esume.

Kuntz: Ganz genau. Im Rahmen der TV-Kooperation mit ran habe ich Patrick kennengelernt und direkt gedacht, dass seine Geschichten und sein Wissen vom Football und vom Sport allgemein für die Jungs interessant sein können. Außerdem hat er den Jungs bei der gemeinsamen Einheit gut eingeheizt. Die Reaktion der Spieler zeigt, dass wir richtig gelegen haben und dass Patricks authentische Art sehr gut bei ihnen ankam. Wir haben ausschließlich positive Rückmeldungen bekommen, die Zitate aus dem Football oder Videos aus der Kabine haben die Jungs motiviert.

DFB.de: Inwieweit stand die Vorbereitung auf die Gruppengegner bei der EM, Dänemark, Serbien und Österreich, im Trainingslager auf dem Programm?

Kuntz: Auch das war natürlich ein Aspekt, an dem wir in Südtirol gearbeitet haben. In den Individualtrainingseinheiten, in denen wir mit verschiedenen Mannschaftsteilen im taktischen Bereich trainiert haben, haben wir die Spieler auf Besonderheiten im Spiel unserer Gruppengegner eingestellt. Die detaillierte Vorbereitung auf die Gegner folgt dann unmittelbar vor den Spielen.

DFB.de: Nach Ihren Einsätzen bei der A-Nationalmannschaft stoßen Jonathan Tah und Lukas Klostermann zur U 21-EM zum Team. Ist es ein Nachteil, dass sie die EM-Vorbereitung nicht mit der Mannschaft absolviert haben?

Kuntz: Jona und Lukas sind absolute Führungspersönlichkeiten bei uns. Sie haben in den letzten Monaten schon den Spagat zwischen A-Nationalmannschaft und U 21 geschafft und werden von den Erfahrungen in der EM-Qualifikation profitieren. Sie kennen die Abläufe und das Team bei der U 21, von daher ist es kein großer Nachteil, dass sie das Trainingslager nicht bei uns absolviert haben.

DFB.de: Was haben Sie sich mit Ihrem Team für die Europameisterschaft vorgenommen?

Kuntz: Ich finde es immer schwer, wenn man von einer Titelverteidigung spricht, denn wir treten mit einem komplett anderen Kader als vor zwei Jahren an. Mit der Europameisterschaft steht uns nun das absolute Highlight bevor, auf das wir mit diesem Jahrgang zwei Jahre hingearbeitet haben. Wir haben ambitionierte Ziele und wollen gemeinsam den nächsten Schritt machen. Mindestens bis ins Halbfinale, weil wir uns damit auch für die Olympischen Spiele in Tokio 2020 qualifizieren würden.

DFB.de: Jetzt geht es für alle Spieler nochmal zwei Tage nach Hause, ehe Ihr Team am Freitag ins EM-Quartier nach Fagagna bei Udine reist. Wie wichtig ist diese kurze Pause?

Kuntz: Optimalerweise ist es jetzt so, dass die Spieler froh sind über die Abwechslung bei ihren Familien und Freunden. Aber dann muss sich relativ schnell auch das Gefühl einstellen, dass sie heiß sind auf die EM und kaum erwarten können, dass es los geht. Das brauchen wir, um in den Drei-Tages-Rhythmus zu kommen, in dem wir bei der EM spielen werden. Außerdem hatten wir einige Trainingseinheiten mit hoher Belastung, die körperliche Erholung wird den Spielern daher auch guttun.

[ms]

Hinter der deutschen U 21-Nationalmannschaft liegen zehn Tage im Trainingslager in Natz (Südtirol). Bevor das Team von DFB-Trainer Stefan Kuntz am Freitag ins EM-Quartier reist, spricht der 56-Jährige im DFB.de-Interview mit Redakteur Maximilian Schwartz über sein Fazit zur Vorbereitung, die richtigen Reize und die Ziele für die U 21-Europameisterschaft in Italien und San Marino (16. bis 30. Juni).

DFB.de: Stefan Kuntz, wie fällt Ihr Fazit zum Trainingslager in Natz aus?

Stefan Kuntz: Wir können in allen Bereichen ein absolut positives Fazit ziehen. Die Bedingungen im Hotel Seehof und auf den Trainingsplätzen waren ideal. In den Trainingseinheiten haben wir alles umgesetzt was wir uns vorgenommen haben, auch im taktischen Bereich. Hier haben wir durch das Testspiel gegen Polen nochmal wichtige Erkenntnisse gewinnen können. Wichtig am Trainingslager war vor allem auch, dass wir die Unterschiede zwischen den Spielern, die konditionell oder nach Verletzungen nicht ganz auf der Höhe waren, und den fitten Spielern ausgleichen konnten.

DFB.de: Hatten Sie sich die Bedingungen genauso erhofft?

Kuntz: Ehrlich gesagt wurden unsere Erwartungen übertroffen. Die Region in Südtirol und der Ort Natz haben sich schon sehr dafür eingesetzt, dass wir das Trainingslager hier absolvieren konnten. Von Anfang an haben wir eine unglaubliche Herzlichkeit und Offenheit der Leute gespürt. Sofort wurde eine familiäre Atmosphäre geschaffen. Das merkt man auch daran, dass nur wenige Spieler in der Freizeit die Hotelanlage verlassen haben. Sie haben sich lieber am See oder im Spa-Bereich erholt, einige haben auf der Terrasse Karten gespielt. Außerdem muss man herausheben, dass der ASV Natz uns zu jedem Zeitpunkt zwei sensationelle Trainingsplätze zur Verfügung gestellt hat und all unsere Wünsche umgesetzt hat. Das hat bei uns allen für eine hohe Zufriedenheit gesorgt und im Unterbewusstsein die Leistungsbereitschaft der Spieler und des Funktionsteams erhöht.

DFB.de: Wie schwer ist Ihnen die Entscheidung bei der Nominierung des finalen 23-köpfigen EM-Kaders gefallen?

Kuntz: Brutal schwer. Nuancen haben den Ausschlag gegeben. Im Trainerteam haben wir einige Fakten und Daten aus dem Training zusammengetragen, auf deren Grundlage wir die Entscheidung gefällt haben. Am Ende hat aber auch mein Bauchgefühl eine Rolle gespielt. Die Enttäuschung der Spieler kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich musste das als Spieler leider auch erleben, als ich kurz vor der WM 1990 nach Hause fahren musste. Die Entscheidung haben wir vor der gesamten Mannschaft verkündet, weil wir allen gleichzeitig die Information geben wollten.

DFB.de: Welche Aspekte überwiegen in einem EM-Trainingslager: die Arbeit an der körperlichen Fitness oder die mentale Einstellung aufs Turnier?

Kuntz: Wir haben auf eine gesunde Mischung von beidem Wert gelegt. Natürlich steht der körperliche Aspekt zunächst im Vordergrund, damit alle möglichst auf dem gleichen Fitnesslevel sind. Das bildet die Basis. Der mentale Aspekt ist aber auch nicht zu unterschätzen. Die Spieler sollen ihren Alltag beim Verein ausblenden, Enttäuschungen abhaken, aber natürlich auch Euphorie mit zur U 21 nehmen und ans Team weitergeben. Dafür haben wir außerhalb des Trainings auch einige Reize gesetzt.

DFB.de: Zum Beispiel den Motivationsvortrag und die Trainingseinheit mit Football-Coach Patrick Esume.

Kuntz: Ganz genau. Im Rahmen der TV-Kooperation mit ran habe ich Patrick kennengelernt und direkt gedacht, dass seine Geschichten und sein Wissen vom Football und vom Sport allgemein für die Jungs interessant sein können. Außerdem hat er den Jungs bei der gemeinsamen Einheit gut eingeheizt. Die Reaktion der Spieler zeigt, dass wir richtig gelegen haben und dass Patricks authentische Art sehr gut bei ihnen ankam. Wir haben ausschließlich positive Rückmeldungen bekommen, die Zitate aus dem Football oder Videos aus der Kabine haben die Jungs motiviert.

DFB.de: Inwieweit stand die Vorbereitung auf die Gruppengegner bei der EM, Dänemark, Serbien und Österreich, im Trainingslager auf dem Programm?

Kuntz: Auch das war natürlich ein Aspekt, an dem wir in Südtirol gearbeitet haben. In den Individualtrainingseinheiten, in denen wir mit verschiedenen Mannschaftsteilen im taktischen Bereich trainiert haben, haben wir die Spieler auf Besonderheiten im Spiel unserer Gruppengegner eingestellt. Die detaillierte Vorbereitung auf die Gegner folgt dann unmittelbar vor den Spielen.

DFB.de: Nach Ihren Einsätzen bei der A-Nationalmannschaft stoßen Jonathan Tah und Lukas Klostermann zur U 21-EM zum Team. Ist es ein Nachteil, dass sie die EM-Vorbereitung nicht mit der Mannschaft absolviert haben?

Kuntz: Jona und Lukas sind absolute Führungspersönlichkeiten bei uns. Sie haben in den letzten Monaten schon den Spagat zwischen A-Nationalmannschaft und U 21 geschafft und werden von den Erfahrungen in der EM-Qualifikation profitieren. Sie kennen die Abläufe und das Team bei der U 21, von daher ist es kein großer Nachteil, dass sie das Trainingslager nicht bei uns absolviert haben.

DFB.de: Was haben Sie sich mit Ihrem Team für die Europameisterschaft vorgenommen?

Kuntz: Ich finde es immer schwer, wenn man von einer Titelverteidigung spricht, denn wir treten mit einem komplett anderen Kader als vor zwei Jahren an. Mit der Europameisterschaft steht uns nun das absolute Highlight bevor, auf das wir mit diesem Jahrgang zwei Jahre hingearbeitet haben. Wir haben ambitionierte Ziele und wollen gemeinsam den nächsten Schritt machen. Mindestens bis ins Halbfinale, weil wir uns damit auch für die Olympischen Spiele in Tokio 2020 qualifizieren würden.

DFB.de: Jetzt geht es für alle Spieler nochmal zwei Tage nach Hause, ehe Ihr Team am Freitag ins EM-Quartier nach Fagagna bei Udine reist. Wie wichtig ist diese kurze Pause?

Kuntz: Optimalerweise ist es jetzt so, dass die Spieler froh sind über die Abwechslung bei ihren Familien und Freunden. Aber dann muss sich relativ schnell auch das Gefühl einstellen, dass sie heiß sind auf die EM und kaum erwarten können, dass es los geht. Das brauchen wir, um in den Drei-Tages-Rhythmus zu kommen, in dem wir bei der EM spielen werden. Außerdem hatten wir einige Trainingseinheiten mit hoher Belastung, die körperliche Erholung wird den Spielern daher auch guttun.

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