Heute vor 20 Jahren: Völler gibt sein Debüt als DFB-Teamchef

Nach der enttäuschenden Europameisterschaft 2000 in Belgien und den Niederlanden suchte der DFB einen neuen Bundestrainer. An der Verlängerung des Vertrags mit Erich Ribbeck hatten nach dem schmählichen Vorrundenaus beide Seiten kein Interesse mehr. Der Neue war schnell gefunden: bei der entscheidenden vierstündigen Sitzung am 2. Juli 2000 in Frechen-Königsdorf einigten sich DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, Generalsekretär Horst R. Schmidt, Mediendirektor Wolfgang Niersbach und Vertreter der führenden Bundesligisten Bayern München und Bayer Leverkusen auf Christoph Daum.

Doch der war noch bei Bayer Leverkusen beschäftigt und der Klub wollte ihn erst zum 1. Juni 2001 gehen lassen. Es bedurfte also einer Übergangslösung "und auf einmal schauten alle in meine Richtung", erinnert sich der damalige Sportdirektor von Bayer Leverkusen, Rudi Völler. Der damals 40-Jährige besaß zwar keine Trainerlizenz, aber allerlei Referenzen: allen voran war er Weltmeister (1990). Völler schlug ein: "Ich habe einige Minuten nachdenken müssen. Ich hätte es mir bei Beginn der Tagung nicht in den kühnsten Träumen vorgestellt, dass ich vier Stunden später als Teamchef vorgestellt werde." Es war ja nur für ein Jahr und sieben Spiele – dachten alle. "Der Entschluss ist zwar aus dem Bauch heraus gefallen, war aber dennoch gut überlegt", sagte er und konnte doch nicht ahnen, was da kommen würde. Letztlich wurden es vier sehr bewegte und abwechslungsreiche Jahre, die seinem Kultstatus nicht geschadet haben. Heute vor 20 Jahren gab er gegen Spanien beim 4:1 (1:0) sein Debüt auf der Bank und als in Hannover die Spielernamen über das Stadionmikrofon vorgelesen wurden, riefen die Zuschauer elfmal "Völler" statt Kahn, Ballack oder Scholl.

Aufbruch in eine bessere Zeit

Die Spieler standen nach der verkorksten EM noch in Ungnade beim Volk, der Star war der Trainer, dem mit Michael Skibbe ein Mann mit Lizenz zur Seite gestellt wurde. Völler: "Er verrichtet im Training die Hauptarbeit. Natürlich werde ich meine Erfahrung und mein Wissen einbringen."

Die Premiere gegen Spanien war nicht der viel beschworene Umbruch, wohl aber ein Aufbruch in eine bessere Zeit, wie man allgemein hoffte. Neun der Elf, die vier Tage nach dem ersten Bundesliga-Spieltag 2000/2001 aufliefen, waren bei der EM dabei gewesen. Völler vertrat die Meinung: "Die Einstellung ist so wichtig wie die Aufstellung." Die Leute wollten die Nationalmannschaft wieder kämpfen und leiden sehen – und natürlich siegen.

Es war also alles andere als nur ein Freundschaftsspiel an jenem 16. August 2000 in Hannover, wo das Stadion sicherlich auch wegen der Urlaubszeit nur halb gefüllt war (35.000 Zuschauer). Auch der Gegner zog nicht sonderlich. Spanien stand noch nicht mal am Anfang seiner großen Ära, war wie Deutschland in der EM-Vorrunde ausgeschieden und stellte ein ziemlich namenloses Team auf. Nur Real-Stürmer Raul verdiente das Prädikat Weltklasse und Barcelonas Pep Guardiola wurde als Trainer weit berühmter als noch als Spieler. Umgekehrt verhielt es sich mit Trainer Jose Camacho, den mancher als beinharter Real-Verteidiger der Siebziger in Erinnerung hatte.

"Völler weckt Begeisterung"

Als der Däne Fisker die Partie anpfiff, begann umgehend die Wiedergutmachung am deutschen Publikum. Schon in der ersten Minute hatte Bayern-Stürmer Carsten Jancker eine Kopfballchance. Nach 24 Minuten sorgte Mehmet Scholl, der einzige Torschütze bei der EM, per 25-Meter-Freistoß für die verdiente Führung, mit der es in die Pause ging.

Wieder kam Jancker am besten aus der Kabine, nun köpfte er auf die Latte des spanischen Tores (46.). Kein Angriff lief ohne Bayern-Beteiligung: Völler hatte mit Scholl, Jancker und Alexander Zickler ein eingespieltes Trio des Meisters in die Spitze gestellt und das zahlte sich aus. Nach Doppelpass mit Jancker gelang Scholl sein zweites Tor (52.). Dann kamen die großen Momente des Alexander Zicker, einer der beiden Spieler ohne den Makel der EM-Teilnahme (neben Dortmunds Jörg Heinrich): nach Janckers Vorlage eilte er allen davon und markierte das 3:0 (57.), nach Scholls Zuspiel glückte ihm gar das 4:0 (62.) mit einem Schuss ins kurze Eck.

Die sich in Urlaubs-Modus befindlichen Spanier, deren Liga noch nicht begonnen hatte, durften durch Raul ein Ehrentor erzielen (69.), das den Gesamteindruck nicht schmälerte. "Völler weckt Begeisterung", schrieb der Kicker, "so schlecht wie sich die deutschen Fußballer zuletzt präsentiert haben, ist der Fußball hier zu Lande wirklich nicht."

Vize-Weltmeister 2002: Nicht schön aber erfolgreich

Aber der Weg blieb holprig. Zur WM 2002 schafften es die Deutschen erst in den Play-offs. Nach Asien flogen sie als krasser Außenseiter, kamen sensationell ins Endspiel. Und wer war Trainer? Rudi Völler. Weil sich Daum im dramatischen Herbst 2000 selbst aus dem Spiel nahm und auf öffentlichen Druck eine Haarprobe veranlasste, die seinen Kokaingebrauch bewies. Dann konnte er nicht Bundestrainer sein, da behielt sein Widersacher Uli Hoeneß Recht. Medienliebling Völler (Rudi Riese), der Daum im Herbst 2000 auch in Leverkusen vertrat, blieb bis zur EM 2004 und trat nach dem abermaligen Vorrundenaus zurück. Unter dem Beifall der Fans, die ihn ebenso gern behalten hätten wie der DFB. Doch Völler sagte: "Jetzt muss jemand ran, der völlig unbelastet ist" und öffnete seinem Sturmpartner von Rom 1990, Jürgen Klinsmann die Tür zur Heim-WM 2006.

Wie ist seine Amtszeit zu bewerten? Sie fiel in eine der schwierigsten Phasen des deutschen Fußballs nach dem Krieg. Das Bosman-Urteil von 1995 hatte sich mit Verzögerung um die Jahrtausendwende voll ausgewirkt auf die Bundesliga, in der immer weniger Deutsche spielten, unter denen sich ein Bundestrainer Spieler suchen konnte. Mit Oliver Kahn und Michael Ballack hatte er nur zwei Weltklassespieler. Umso bemerkenswerter das Fazit der Völler-Zeit. In Zahlen: 53 Spiele, 29 Siege, elf Remis, 13 Niederlagen, 109:57 Tore, WM-Zweiter. In Worten: "Großer Fußball gelang nicht, dafür erfolgreicher" (Kicker).

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Nach der enttäuschenden Europameisterschaft 2000 in Belgien und den Niederlanden suchte der DFB einen neuen Bundestrainer. An der Verlängerung des Vertrags mit Erich Ribbeck hatten nach dem schmählichen Vorrundenaus beide Seiten kein Interesse mehr. Der Neue war schnell gefunden: bei der entscheidenden vierstündigen Sitzung am 2. Juli 2000 in Frechen-Königsdorf einigten sich DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, Generalsekretär Horst R. Schmidt, Mediendirektor Wolfgang Niersbach und Vertreter der führenden Bundesligisten Bayern München und Bayer Leverkusen auf Christoph Daum.

Doch der war noch bei Bayer Leverkusen beschäftigt und der Klub wollte ihn erst zum 1. Juni 2001 gehen lassen. Es bedurfte also einer Übergangslösung "und auf einmal schauten alle in meine Richtung", erinnert sich der damalige Sportdirektor von Bayer Leverkusen, Rudi Völler. Der damals 40-Jährige besaß zwar keine Trainerlizenz, aber allerlei Referenzen: allen voran war er Weltmeister (1990). Völler schlug ein: "Ich habe einige Minuten nachdenken müssen. Ich hätte es mir bei Beginn der Tagung nicht in den kühnsten Träumen vorgestellt, dass ich vier Stunden später als Teamchef vorgestellt werde." Es war ja nur für ein Jahr und sieben Spiele – dachten alle. "Der Entschluss ist zwar aus dem Bauch heraus gefallen, war aber dennoch gut überlegt", sagte er und konnte doch nicht ahnen, was da kommen würde. Letztlich wurden es vier sehr bewegte und abwechslungsreiche Jahre, die seinem Kultstatus nicht geschadet haben. Heute vor 20 Jahren gab er gegen Spanien beim 4:1 (1:0) sein Debüt auf der Bank und als in Hannover die Spielernamen über das Stadionmikrofon vorgelesen wurden, riefen die Zuschauer elfmal "Völler" statt Kahn, Ballack oder Scholl.

Aufbruch in eine bessere Zeit

Die Spieler standen nach der verkorksten EM noch in Ungnade beim Volk, der Star war der Trainer, dem mit Michael Skibbe ein Mann mit Lizenz zur Seite gestellt wurde. Völler: "Er verrichtet im Training die Hauptarbeit. Natürlich werde ich meine Erfahrung und mein Wissen einbringen."

Die Premiere gegen Spanien war nicht der viel beschworene Umbruch, wohl aber ein Aufbruch in eine bessere Zeit, wie man allgemein hoffte. Neun der Elf, die vier Tage nach dem ersten Bundesliga-Spieltag 2000/2001 aufliefen, waren bei der EM dabei gewesen. Völler vertrat die Meinung: "Die Einstellung ist so wichtig wie die Aufstellung." Die Leute wollten die Nationalmannschaft wieder kämpfen und leiden sehen – und natürlich siegen.

Es war also alles andere als nur ein Freundschaftsspiel an jenem 16. August 2000 in Hannover, wo das Stadion sicherlich auch wegen der Urlaubszeit nur halb gefüllt war (35.000 Zuschauer). Auch der Gegner zog nicht sonderlich. Spanien stand noch nicht mal am Anfang seiner großen Ära, war wie Deutschland in der EM-Vorrunde ausgeschieden und stellte ein ziemlich namenloses Team auf. Nur Real-Stürmer Raul verdiente das Prädikat Weltklasse und Barcelonas Pep Guardiola wurde als Trainer weit berühmter als noch als Spieler. Umgekehrt verhielt es sich mit Trainer Jose Camacho, den mancher als beinharter Real-Verteidiger der Siebziger in Erinnerung hatte.

"Völler weckt Begeisterung"

Als der Däne Fisker die Partie anpfiff, begann umgehend die Wiedergutmachung am deutschen Publikum. Schon in der ersten Minute hatte Bayern-Stürmer Carsten Jancker eine Kopfballchance. Nach 24 Minuten sorgte Mehmet Scholl, der einzige Torschütze bei der EM, per 25-Meter-Freistoß für die verdiente Führung, mit der es in die Pause ging.

Wieder kam Jancker am besten aus der Kabine, nun köpfte er auf die Latte des spanischen Tores (46.). Kein Angriff lief ohne Bayern-Beteiligung: Völler hatte mit Scholl, Jancker und Alexander Zickler ein eingespieltes Trio des Meisters in die Spitze gestellt und das zahlte sich aus. Nach Doppelpass mit Jancker gelang Scholl sein zweites Tor (52.). Dann kamen die großen Momente des Alexander Zicker, einer der beiden Spieler ohne den Makel der EM-Teilnahme (neben Dortmunds Jörg Heinrich): nach Janckers Vorlage eilte er allen davon und markierte das 3:0 (57.), nach Scholls Zuspiel glückte ihm gar das 4:0 (62.) mit einem Schuss ins kurze Eck.

Die sich in Urlaubs-Modus befindlichen Spanier, deren Liga noch nicht begonnen hatte, durften durch Raul ein Ehrentor erzielen (69.), das den Gesamteindruck nicht schmälerte. "Völler weckt Begeisterung", schrieb der Kicker, "so schlecht wie sich die deutschen Fußballer zuletzt präsentiert haben, ist der Fußball hier zu Lande wirklich nicht."

Vize-Weltmeister 2002: Nicht schön aber erfolgreich

Aber der Weg blieb holprig. Zur WM 2002 schafften es die Deutschen erst in den Play-offs. Nach Asien flogen sie als krasser Außenseiter, kamen sensationell ins Endspiel. Und wer war Trainer? Rudi Völler. Weil sich Daum im dramatischen Herbst 2000 selbst aus dem Spiel nahm und auf öffentlichen Druck eine Haarprobe veranlasste, die seinen Kokaingebrauch bewies. Dann konnte er nicht Bundestrainer sein, da behielt sein Widersacher Uli Hoeneß Recht. Medienliebling Völler (Rudi Riese), der Daum im Herbst 2000 auch in Leverkusen vertrat, blieb bis zur EM 2004 und trat nach dem abermaligen Vorrundenaus zurück. Unter dem Beifall der Fans, die ihn ebenso gern behalten hätten wie der DFB. Doch Völler sagte: "Jetzt muss jemand ran, der völlig unbelastet ist" und öffnete seinem Sturmpartner von Rom 1990, Jürgen Klinsmann die Tür zur Heim-WM 2006.

Wie ist seine Amtszeit zu bewerten? Sie fiel in eine der schwierigsten Phasen des deutschen Fußballs nach dem Krieg. Das Bosman-Urteil von 1995 hatte sich mit Verzögerung um die Jahrtausendwende voll ausgewirkt auf die Bundesliga, in der immer weniger Deutsche spielten, unter denen sich ein Bundestrainer Spieler suchen konnte. Mit Oliver Kahn und Michael Ballack hatte er nur zwei Weltklassespieler. Umso bemerkenswerter das Fazit der Völler-Zeit. In Zahlen: 53 Spiele, 29 Siege, elf Remis, 13 Niederlagen, 109:57 Tore, WM-Zweiter. In Worten: "Großer Fußball gelang nicht, dafür erfolgreicher" (Kicker).

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