"Entscheidungen zum Kopfballregelwerk mit Augenmaß treffen"

Bergen Kopfbälle im Fußball gesundheitliche Risiken - speziell für Kinder? Eine eindeutige wissenschaftliche Antwort gibt es auf diese Frage bisher nicht. Doch der DFB nimmt neue Erkenntnisse sehr ernst und gibt Vereinen und Trainer*innen bezüglich des Kopfballspiels neue Empfehlungen. Im DFB.de-Interview klären Prof. Dr. Tim Meyer, Vorsitzender der Medizinischen Kommission des Verbandes und Teamarzt der Nationalmannschaft, und Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger, Mitglied der Medizinischen Kommission und klinisch tätiger Neurologe und Sportmediziner, über die Hintergründe der Entscheidung auf.

DFB.de: Herr Meyer, in der kürzlich veröffentlichen DFB-Mitteilung ist zu lesen, der Verband reagiere auf "neue Erkenntnisse zum Kopfballspiel im Kindes- und Jugendalter". Auf welche Erkenntnisse beziehen Sie sich?

Prof. Dr. Tim Meyer: Die Empfehlungen der UEFA, die der DFB übernommen hat, ziehen insbesondere die Konsequenz aus zwei Studien der UEFA. Eine erste Untersuchung schottischer Wissenschaftlerinnen stellte europaweit geringe Kenntnisse zu den gesundheitlichen Risiken des Kopfballspiels und daher einen Bedarf fest, das Thema noch stärker ins Bewusstsein zu rücken. Bei der zweiten Studie der UEFA war unter anderem mein Institut (Institut für Sport und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes, Anm. d. Red.) beteiligt. Wir haben in acht europäischen Ländern untersucht, wie hoch die real vorkommende Anzahl an Kopfbällen im Kinder- und Jugendfußball ist.

DFB.de: Mit welchen Ergebnissen?

Meyer: Im Spiel sind die Zahlen sehr gering, bei Jugendspielen liegen sie im Mittel pro Spieler zwischen null und eins. Im Training schwanken die Zahlen allerdings stärker. An den meisten Tagen köpfen Spieler*innen im Training kein einziges Mal, manchmal aber auch eher zu viel. Die UEFA nahm allerdings nicht nur unsere Ergebnisse und die Erkenntnisse aus Schottland als Grundlage für ihre Empfehlungen, sondern führte schon vor über einem Jahr ein Experten-Hearing durch. Denn man sollte sich für derartige Empfehlungen nicht auf Einzelstudien verlassen, sondern einen Gesamtblick anstreben.

DFB.de: Herr Reinsberger, eine weitere Studie, die in den Medien häufig zitiert wurde, ist eine Untersuchung aus Glasgow. Sie ergab, dass für professionell Fußball spielende Menschen ein deutlich erhöhtes Risiko einer Erkrankung an Alzheimer oder Demenz bestehe. Wie bewerten Sie diese Studie?

Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger: Die Studie ermittelte aus Registerdaten ein etwa 3,5-fach erhöhtes Risiko, an Demenz zu versterben. Bei der Studie gibt es aus meiner Sicht allerdings verschiedene methodische Fragen. Die untersuchten Fußballer haben bereits vor sehr langer Zeit gespielt, sie lebten trotz der häufiger diagnostizierten Demenz länger als Vergleichspersonen und eine ursächliche Klärung ist aus den erhobenen Daten nicht möglich. Die Tatsache, dass eine Demenz bei Torhütern nicht seltener als bei Feldspielern gefunden wurde, spricht zumindest gegen eine ursächliche Bedeutung der Kopfbälle. Alternative Möglichkeiten wie Umwelteinflüsse, Alkohol oder andere hirnschädigende Substanzen werden nicht adäquat berücksichtigt. Gerade angesichts der für ein Land wie Schottland immens hohen Zahl an eingeschlossenen Spielern ergibt sich die Frage, wie streng man mit der Definition eines Profifußballers umgegangen ist.

DFB.de: Wie ist angesichts dieser offenen Fragen die hohe mediale Reichweite der Studienergebnisse zu erklären?

Meyer: Man muss das mediale und wissenschaftliche System des Publizierens berücksichtigen. Studien, die bei Fußballern kein erhöhtes Demenzrisiko feststellen oder entsprechende unauffällige Ergebnisse zu Tage fördern, haben geringere Chancen auf eine Veröffentlichung in wissenschaftlichen Zeitschriften und auch auf öffentliche Aufmerksamkeit. So kann nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im wissenschaftlichen Diskurs ein falscher Eindruck über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse entstehen.

Reinsberger: Man könnte noch anfügen, dass trotz Schwächen in der Methodik vieler Studien diese zum Teil in hochrangigen Journals veröffentlicht werden. Das illustriert zusätzlich die Problematik, dass wir zu wenig gute, valide und verallgemeinerbare Studien zu dem Thema haben.

DFB.de: In England dürfen Kinder im Alter zwischen sechs bis elf Jahren den Ball im Training überhaupt nicht mehr mit dem Kopf spielen. Ein ähnliches Verbot gilt in den USA. Warum ist ein generelles Kopfballverbot aus Ihrer Sicht nicht zielführend?

Reinsberger: Man könnte es auch anders beschreiben: In fast allen Mitgliedsländern der FIFA gibt es keine derartigen Verbote. In den beiden Ländern, die Sie ansprechen, liegen nach unserer Wahrnehmung besondere Rahmenbedingungen vor. In den USA sorgen in der Vergangenheit vermehrt auftretende Hirnerkrankungen im American Football für eine deutlich höhere Aufmerksamkeit für die gesundheitlichen Gefahren des Sports. Ähnliches gilt in England, wo Rugby sehr populär und das Kopfballspiel traditionell überproportional ausgeprägt ist. Beide Sportarten lassen sich jedoch nur bedingt mit dem Fußball vergleichen. Es geht darum, Hinweise auf Hirnschädigungen durch den Sport ernst zu nehmen und Entscheidungen, die in das Regelwerk des Fußballs eingreifen, mit Augenmaß zu treffen.

DFB.de: Welche alternativen Präventivmaßnahmen zu folgenreichen Regeländerungen wären möglich?

Reinsberger: Man sollte sich über die Auswirkungen von solchen Verboten im Klaren sein. Wenn ich einen bestimmten Trainingsinhalt verbiete und nicht trainiere, aber das nicht trainierte Bewegungsmuster später im Spiel anwenden muss, wird es schlechter und ungenauer ausgeführt. Eine schlechte Technik bei Kopfbällen ist mit vermehrten Verletzungen verbunden. Zudem gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Kopfballtraining auch positive Effekte im Gehirn hervorrufen kann. Zu definieren, wie viel Kopfballtraining positive Wirkungen hat und ab wann möglicherweise Schädigungen auftreten können, ist Aufgabe der Wissenschaft in den nächsten Jahren.

DFB.de: Wie hilfreich wären weitere Untersuchungen speziell zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Fußballs als Entscheidungsgrundlage für zukünftige Entscheidungen des DFB?

Meyer: Eine belastbare Datengrundlage wäre sehr begrüßenswert. Daher unterstützt der DFB aktuell in Zusammenarbeit mit der DFL und der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) eine Studie im Rahmen der NAKO (Nationale Kohorte, Anm.d.Red,), die auch über Kopfballspiel und Kopfverletzungen hinaus weitere Erkenntnisse zu gesundheitlichen Auswirkungen des Fußballs liefern soll. Ergebnisse werden jedoch unter anderem aufgrund der Corona-Pandemie erst in frühestens zwei Jahren erwartet.

DFB.de: Nun sind Kopfbälle im Fußball nicht die einzigen Momente, in denen eine große Erschütterung auf den Kopf erzeugt wird. Welche Rolle spielen andersartige Zusammenstöße?

Reinsberger: Bei akuten Kopfverletzungen, Gehirnerschütterungen sind dabei weitaus am häufigsten, geht es nicht nur um Kopfbälle. Es liegen aus unterschiedlichen Ligen und Leistungsniveaus Zahlen vor. Eher selten laufen Spieler zum Beispiel gegen den Pfosten oder schlagen ungebremst auf dem Boden auf. Deutlich häufiger treten Kopf-an-Kopf- und Ellbogen-an-Kopf-Situationen auf.

DFB.de: Die wiederum am häufigsten aufgrund der Kopfballduelle entstehen.

Reinsberger: Genau. Man kann also annehmen, dass durch ein komplettes Kopfballverbot die Luftduelle und dadurch auch die akuten Kopfverletzungen reduziert würden. Allerdings muss man berücksichtigen, dass Kopfverletzungen im Fußball relativ selten sind und auch mehrheitlich im Erwachsenenfußball auftreten, wahrscheinlich weil er mehr Dynamik beinhaltet. In der eingangs erwähnten UEFA-Studie in acht Ländern wurde zum Beispiel lediglich eine Gehirnerschütterung in rund 500 Spielen festgestellt, die durch einen Zusammenprall mit dem Pfosten ausgelöst wurde.

DFB.de: Dennoch sah die DFB-Kommission Handlungsbedarf beim Kopfballspiel. Welche Änderungen soll es geben?

Meyer: Das Regelwerk sieht bei der Ballgröße und dem Balldruck Spielräume vor. Unsere Empfehlung ist es, in den unteren Altersklassen das untere erlaubte Level anzuwenden. Zusätzlich sollten Kinder auf das Kopfballspiel optimal vorbereitet werden. Zum einen durch Kräftigungsübungen für die Nackenmuskulatur, zum anderen durch das Erlernen der richtigen Kopfballtechnik

Reinsberger: Schließlich legen wir auch viel Wert darauf, dass Zeichen einer Gehirnerschütterung nicht ignoriert werden. Neben der angemessenen medizinischen Versorgung geht es hier auch um eine frühe Bewusstseinsbildung. Dazu gehört natürlich auch eine angemessene Erholung und Rehabilitation nach einer Gehirnerschütterung.

DFB.de: Inwieweit führen die vom DFB neu eingeführten Spielformen im Kinderfußball zu weniger Kopfbällen?

Meyer: Bei der Trainingsgestaltung sollte man unnötige Kopfbälle vermeiden, indem kleinere Tore und Spielformen zum Einsatz kommen, die das Flachpassspiel betonen. Die neuen Spielformen für den Kinderfußball gehen in dieselbe Richtung, sodass sie auch aus gesundheitlicher Perspektive sehr begrüßenswert sind. Die sportlichen und strategischen Gedanken des Verbandes werden also durch einen erfreulichen Nebeneffekt ergänzt.

[dfb]

Bergen Kopfbälle im Fußball gesundheitliche Risiken - speziell für Kinder? Eine eindeutige wissenschaftliche Antwort gibt es auf diese Frage bisher nicht. Doch der DFB nimmt neue Erkenntnisse sehr ernst und gibt Vereinen und Trainer*innen bezüglich des Kopfballspiels neue Empfehlungen. Im DFB.de-Interview klären Prof. Dr. Tim Meyer, Vorsitzender der Medizinischen Kommission des Verbandes und Teamarzt der Nationalmannschaft, und Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger, Mitglied der Medizinischen Kommission und klinisch tätiger Neurologe und Sportmediziner, über die Hintergründe der Entscheidung auf.

DFB.de: Herr Meyer, in der kürzlich veröffentlichen DFB-Mitteilung ist zu lesen, der Verband reagiere auf "neue Erkenntnisse zum Kopfballspiel im Kindes- und Jugendalter". Auf welche Erkenntnisse beziehen Sie sich?

Prof. Dr. Tim Meyer: Die Empfehlungen der UEFA, die der DFB übernommen hat, ziehen insbesondere die Konsequenz aus zwei Studien der UEFA. Eine erste Untersuchung schottischer Wissenschaftlerinnen stellte europaweit geringe Kenntnisse zu den gesundheitlichen Risiken des Kopfballspiels und daher einen Bedarf fest, das Thema noch stärker ins Bewusstsein zu rücken. Bei der zweiten Studie der UEFA war unter anderem mein Institut (Institut für Sport und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes, Anm. d. Red.) beteiligt. Wir haben in acht europäischen Ländern untersucht, wie hoch die real vorkommende Anzahl an Kopfbällen im Kinder- und Jugendfußball ist.

DFB.de: Mit welchen Ergebnissen?

Meyer: Im Spiel sind die Zahlen sehr gering, bei Jugendspielen liegen sie im Mittel pro Spieler zwischen null und eins. Im Training schwanken die Zahlen allerdings stärker. An den meisten Tagen köpfen Spieler*innen im Training kein einziges Mal, manchmal aber auch eher zu viel. Die UEFA nahm allerdings nicht nur unsere Ergebnisse und die Erkenntnisse aus Schottland als Grundlage für ihre Empfehlungen, sondern führte schon vor über einem Jahr ein Experten-Hearing durch. Denn man sollte sich für derartige Empfehlungen nicht auf Einzelstudien verlassen, sondern einen Gesamtblick anstreben.

DFB.de: Herr Reinsberger, eine weitere Studie, die in den Medien häufig zitiert wurde, ist eine Untersuchung aus Glasgow. Sie ergab, dass für professionell Fußball spielende Menschen ein deutlich erhöhtes Risiko einer Erkrankung an Alzheimer oder Demenz bestehe. Wie bewerten Sie diese Studie?

Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger: Die Studie ermittelte aus Registerdaten ein etwa 3,5-fach erhöhtes Risiko, an Demenz zu versterben. Bei der Studie gibt es aus meiner Sicht allerdings verschiedene methodische Fragen. Die untersuchten Fußballer haben bereits vor sehr langer Zeit gespielt, sie lebten trotz der häufiger diagnostizierten Demenz länger als Vergleichspersonen und eine ursächliche Klärung ist aus den erhobenen Daten nicht möglich. Die Tatsache, dass eine Demenz bei Torhütern nicht seltener als bei Feldspielern gefunden wurde, spricht zumindest gegen eine ursächliche Bedeutung der Kopfbälle. Alternative Möglichkeiten wie Umwelteinflüsse, Alkohol oder andere hirnschädigende Substanzen werden nicht adäquat berücksichtigt. Gerade angesichts der für ein Land wie Schottland immens hohen Zahl an eingeschlossenen Spielern ergibt sich die Frage, wie streng man mit der Definition eines Profifußballers umgegangen ist.

DFB.de: Wie ist angesichts dieser offenen Fragen die hohe mediale Reichweite der Studienergebnisse zu erklären?

Meyer: Man muss das mediale und wissenschaftliche System des Publizierens berücksichtigen. Studien, die bei Fußballern kein erhöhtes Demenzrisiko feststellen oder entsprechende unauffällige Ergebnisse zu Tage fördern, haben geringere Chancen auf eine Veröffentlichung in wissenschaftlichen Zeitschriften und auch auf öffentliche Aufmerksamkeit. So kann nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im wissenschaftlichen Diskurs ein falscher Eindruck über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse entstehen.

Reinsberger: Man könnte noch anfügen, dass trotz Schwächen in der Methodik vieler Studien diese zum Teil in hochrangigen Journals veröffentlicht werden. Das illustriert zusätzlich die Problematik, dass wir zu wenig gute, valide und verallgemeinerbare Studien zu dem Thema haben.

DFB.de: In England dürfen Kinder im Alter zwischen sechs bis elf Jahren den Ball im Training überhaupt nicht mehr mit dem Kopf spielen. Ein ähnliches Verbot gilt in den USA. Warum ist ein generelles Kopfballverbot aus Ihrer Sicht nicht zielführend?

Reinsberger: Man könnte es auch anders beschreiben: In fast allen Mitgliedsländern der FIFA gibt es keine derartigen Verbote. In den beiden Ländern, die Sie ansprechen, liegen nach unserer Wahrnehmung besondere Rahmenbedingungen vor. In den USA sorgen in der Vergangenheit vermehrt auftretende Hirnerkrankungen im American Football für eine deutlich höhere Aufmerksamkeit für die gesundheitlichen Gefahren des Sports. Ähnliches gilt in England, wo Rugby sehr populär und das Kopfballspiel traditionell überproportional ausgeprägt ist. Beide Sportarten lassen sich jedoch nur bedingt mit dem Fußball vergleichen. Es geht darum, Hinweise auf Hirnschädigungen durch den Sport ernst zu nehmen und Entscheidungen, die in das Regelwerk des Fußballs eingreifen, mit Augenmaß zu treffen.

DFB.de: Welche alternativen Präventivmaßnahmen zu folgenreichen Regeländerungen wären möglich?

Reinsberger: Man sollte sich über die Auswirkungen von solchen Verboten im Klaren sein. Wenn ich einen bestimmten Trainingsinhalt verbiete und nicht trainiere, aber das nicht trainierte Bewegungsmuster später im Spiel anwenden muss, wird es schlechter und ungenauer ausgeführt. Eine schlechte Technik bei Kopfbällen ist mit vermehrten Verletzungen verbunden. Zudem gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Kopfballtraining auch positive Effekte im Gehirn hervorrufen kann. Zu definieren, wie viel Kopfballtraining positive Wirkungen hat und ab wann möglicherweise Schädigungen auftreten können, ist Aufgabe der Wissenschaft in den nächsten Jahren.

DFB.de: Wie hilfreich wären weitere Untersuchungen speziell zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Fußballs als Entscheidungsgrundlage für zukünftige Entscheidungen des DFB?

Meyer: Eine belastbare Datengrundlage wäre sehr begrüßenswert. Daher unterstützt der DFB aktuell in Zusammenarbeit mit der DFL und der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) eine Studie im Rahmen der NAKO (Nationale Kohorte, Anm.d.Red,), die auch über Kopfballspiel und Kopfverletzungen hinaus weitere Erkenntnisse zu gesundheitlichen Auswirkungen des Fußballs liefern soll. Ergebnisse werden jedoch unter anderem aufgrund der Corona-Pandemie erst in frühestens zwei Jahren erwartet.

DFB.de: Nun sind Kopfbälle im Fußball nicht die einzigen Momente, in denen eine große Erschütterung auf den Kopf erzeugt wird. Welche Rolle spielen andersartige Zusammenstöße?

Reinsberger: Bei akuten Kopfverletzungen, Gehirnerschütterungen sind dabei weitaus am häufigsten, geht es nicht nur um Kopfbälle. Es liegen aus unterschiedlichen Ligen und Leistungsniveaus Zahlen vor. Eher selten laufen Spieler zum Beispiel gegen den Pfosten oder schlagen ungebremst auf dem Boden auf. Deutlich häufiger treten Kopf-an-Kopf- und Ellbogen-an-Kopf-Situationen auf.

DFB.de: Die wiederum am häufigsten aufgrund der Kopfballduelle entstehen.

Reinsberger: Genau. Man kann also annehmen, dass durch ein komplettes Kopfballverbot die Luftduelle und dadurch auch die akuten Kopfverletzungen reduziert würden. Allerdings muss man berücksichtigen, dass Kopfverletzungen im Fußball relativ selten sind und auch mehrheitlich im Erwachsenenfußball auftreten, wahrscheinlich weil er mehr Dynamik beinhaltet. In der eingangs erwähnten UEFA-Studie in acht Ländern wurde zum Beispiel lediglich eine Gehirnerschütterung in rund 500 Spielen festgestellt, die durch einen Zusammenprall mit dem Pfosten ausgelöst wurde.

DFB.de: Dennoch sah die DFB-Kommission Handlungsbedarf beim Kopfballspiel. Welche Änderungen soll es geben?

Meyer: Das Regelwerk sieht bei der Ballgröße und dem Balldruck Spielräume vor. Unsere Empfehlung ist es, in den unteren Altersklassen das untere erlaubte Level anzuwenden. Zusätzlich sollten Kinder auf das Kopfballspiel optimal vorbereitet werden. Zum einen durch Kräftigungsübungen für die Nackenmuskulatur, zum anderen durch das Erlernen der richtigen Kopfballtechnik

Reinsberger: Schließlich legen wir auch viel Wert darauf, dass Zeichen einer Gehirnerschütterung nicht ignoriert werden. Neben der angemessenen medizinischen Versorgung geht es hier auch um eine frühe Bewusstseinsbildung. Dazu gehört natürlich auch eine angemessene Erholung und Rehabilitation nach einer Gehirnerschütterung.

DFB.de: Inwieweit führen die vom DFB neu eingeführten Spielformen im Kinderfußball zu weniger Kopfbällen?

Meyer: Bei der Trainingsgestaltung sollte man unnötige Kopfbälle vermeiden, indem kleinere Tore und Spielformen zum Einsatz kommen, die das Flachpassspiel betonen. Die neuen Spielformen für den Kinderfußball gehen in dieselbe Richtung, sodass sie auch aus gesundheitlicher Perspektive sehr begrüßenswert sind. Die sportlichen und strategischen Gedanken des Verbandes werden also durch einen erfreulichen Nebeneffekt ergänzt.

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