"Eine tolle Auszeichnung": Julius Hirsch Preis doppelt verliehen

"Eine tolle Auszeichnung, die uns sehr stolz macht", sagte Matthias Thoma im Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengartens. Dort, in dem 1870 erbauten Festsaal, zeichnete der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Montagabend das Eintracht Frankfurt Museum mit dem Julius Hirsch Preis aus. Thoma als Leiter des Museums nahm die Ehrung gemeinsam mit Eintracht-Vorstandssprecher Axel Hellman entgegen. Aufgrund der aktuellen Lage in der Covid-19-Pandemie fand die Veranstaltung am Montagabend unter 2G-Regeln und vor reduzierter Gästeanzahl statt.

Ebenfalls ausgezeichnet wurde der Berliner Verein "Gesellschaftsspiele", der gezielt die verbindende Kraft des Fußballs nutzt, um Bildungsangebote für den Kampf gegen Rassismus anzubieten. Der FC Victoria Wittenberg aus Sachsen-Anhalt erhielt als dritter Preisträger die silberne Schale. Seit 2005 erinnert der DFB an den deutschen Nationalspieler Julius Hirsch, der aufgrund seines jüdischen Glaubens im März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden war.

"Erinnerung muss lebendig bleiben"

Die 1. DFB-Vizepräsidenten Peter Peters und Dr. Rainer Koch betonten zu Beginn des stimmungsvollen Abends die Bedeutsamkeit des Preises, der an diesem Abend in einer Doppelveranstaltung zum 16. und 17. Mal vergeben wurde. "Wahrheit muss Wahrheit bleiben", so Peters. "Erinnerung muss lebendig bleiben. Wir müssen jeden Funken, der ein Feuer auslösen könnte, so früh wie möglich austreten."

Koch lobte den Julius Hirsch Preis als "ein sichtbares Zeichen gegen Antisemitismus und gegen jede Form der Diskriminierung." Er kündigte die Beauftragung einer wissenschaftlichen Studie an, die sich auch mit Fragen personeller Kontinuitäten im deutschen Fußball nach 1945 beschäftigen soll. 2005 hatte der DFB die unabhängige Aufarbeitung "Fußball unterm Hakenkreuz" über die Verbandsgeschichte zwischen 1933 und 1945 veröffentlicht und in deren Folge den Julius Hirsch Preis gestiftet.

Hirsch-Urenkelin mahnt: "Größte Gefahr kommt von rechts"

Das Museum von Eintracht Frankfurt, seit 2007 im Stadion des Bundesligaklubs zuhause, hat die Geschichte des Vereins in den Jahren der Nazi-Diktatur in einer vorbildlichen methodischen Vielfalt und Tiefe ergründet. Zur umfangreichen Erinnerungsarbeit des Museums, hinter dem ein Förderverein mit 750 Mitgliedern steht, zählen Stolperstein-Verlegungen und Spurensuchen. Nach Bekanntgabe der Auszeichnung, waren bei Museumsleiter Matthias Thoma "Glückwünsche aus dem ganzen Land" eingegangen. Er gemahnte zu einer niemals nachlassenden Wachsamkeit: "In den 20er-Jahren war die Eintracht ein weltoffener und liberaler Verein. Und konnte es dann doch nicht verhindern, gleichgeschaltet zu werden."

Zuvor hatte der Präsident von Maccabi Deutschland die Laudatio auf den diesjährigen Erstplatzierten gehalten. Alon Meyer sagte in seiner bewegenden Rede: "Fast alle Fußballvereine in Deutschland bekamen die Schrecken des Nationalsozialismus zu spüren, viele mit Mitläufern in den eigenen Reihen, einige mit Mittätern. Und viel zu lange gab es keinerlei Aufarbeitung."

Auch Julia Hirsch sprach harte Wahrheiten an. Die Urenkelin des Namensgebers beobachtet eine Grenzverschiebung in Deutschland, nicht nur beim Gesagten. "Die größte Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland kommt von rechts", mahnte sie und wies hin auf 23.000 politisch motivierte Straftaten im Land. Den Wunsch nach einem politischen Impuls zur aktiven Demokratiestärkung bekräftigte Julia Hirsch mit ihrem Appell: "Wir sind mehr! Beweisen wir das weiterhin!"

Preise für "Gesellschaftsspiele" und SC Victoria Wittenberg

"Gesellschaftsspiele" war im vergangenen Jahr bereits mit dem Fanpreis der Deutschen Akademie für Fußballkultur ausgezeichnet worden. Nun also fand das Engagement der Berliner Anerkennung durch eine weitere renommierte Auszeichnung. "Noch ist der Fußball in den Stadien kein Abbild der Gesellschaft, noch ist das Stadionpublikum zu weiß und zu männlich", sagte Rico Noack im Talk mit dem Moderatorenduo Nina Reip und Bezhad Borhani. "Wir wollen, dass sich wirklich alle wohl fühlen im Fußball."

Der Fußballklub SC Victoria Wittenberg erhielt den dritten Preis für sein erfolgreiches Wirken, Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte im Verein aufzunehmen. "Loyalität, Respekt und Disziplin, das sind in unserem Verein keine Worthülsen", sagte Sebastian Dähne von dem vor sieben Jahren gegründeten Klub aus der Lutherstadt. "Wer Gutes tut, bekommt auch Gutes zurück."

Ehrenpreis an Michael Vaněk und Kevin Simpson

Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo und Vizeeuropameister Thomas Hitzlsperger gehören zum illustren Kreis der Persönlichkeiten, deren Engagement in der Vergangenheit mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet worden war. 2021 ging er an Dr. Michael Vaněk, Kurator des slowakischen Nationalmuseums, und Prof. Dr. Kevin Simpson von der John Brown University in Arkansas, die eine Ausstellung im Slowakischen Nationalmuseum Bratislava veranstaltet hatten. "Fußball unterm Hakenkreuz – Die Geschichte von Leopold "Jim" Štàstný" brachte angesichts eines spürbaren Wiederauflebens des Antisemitismus Fußballfans, Historiker, Vereine und Spieler zusammen. DFL-Geschäftsführer Christian Seifert übernahm zum Abschluss der Preisverleihung die Auszeichnung der beiden Wissenschaftler.

Auch die Vorjahrssieger Hawar.help, das Gemeinschaftsprojekt von Spirit of Football und dem Erinnerungsort Topf & Söhne aus Erfurt sowie das Filmprojekt "Zahor - Erinnere dich", eine Kooperation der TSG Akademie Hoffenheim und des Forschungszentrums Centropa, wurden feierlich auf der Bühne geehrt. Als Ehrenpreisträger 2020 wurde  Oded Breda aus Israel ausgezeichnet, der mit der Ausstellung und dem Film "Liga Terezin" die Geschichte der Fußball-Liga im Lager Theresienstadt aufarbeitete, nachdem er erfahren hatte, dass sein später ermordeter Onkel dort gespielt hatte.  Im vergangenen Herbst musste die Verleihung der Preise 2020 aufgrund der pandemischen Lage abgesagt werden. 

[th]

"Eine tolle Auszeichnung, die uns sehr stolz macht", sagte Matthias Thoma im Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengartens. Dort, in dem 1870 erbauten Festsaal, zeichnete der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Montagabend das Eintracht Frankfurt Museum mit dem Julius Hirsch Preis aus. Thoma als Leiter des Museums nahm die Ehrung gemeinsam mit Eintracht-Vorstandssprecher Axel Hellman entgegen. Aufgrund der aktuellen Lage in der Covid-19-Pandemie fand die Veranstaltung am Montagabend unter 2G-Regeln und vor reduzierter Gästeanzahl statt.

Ebenfalls ausgezeichnet wurde der Berliner Verein "Gesellschaftsspiele", der gezielt die verbindende Kraft des Fußballs nutzt, um Bildungsangebote für den Kampf gegen Rassismus anzubieten. Der FC Victoria Wittenberg aus Sachsen-Anhalt erhielt als dritter Preisträger die silberne Schale. Seit 2005 erinnert der DFB an den deutschen Nationalspieler Julius Hirsch, der aufgrund seines jüdischen Glaubens im März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden war.

"Erinnerung muss lebendig bleiben"

Die 1. DFB-Vizepräsidenten Peter Peters und Dr. Rainer Koch betonten zu Beginn des stimmungsvollen Abends die Bedeutsamkeit des Preises, der an diesem Abend in einer Doppelveranstaltung zum 16. und 17. Mal vergeben wurde. "Wahrheit muss Wahrheit bleiben", so Peters. "Erinnerung muss lebendig bleiben. Wir müssen jeden Funken, der ein Feuer auslösen könnte, so früh wie möglich austreten."

Koch lobte den Julius Hirsch Preis als "ein sichtbares Zeichen gegen Antisemitismus und gegen jede Form der Diskriminierung." Er kündigte die Beauftragung einer wissenschaftlichen Studie an, die sich auch mit Fragen personeller Kontinuitäten im deutschen Fußball nach 1945 beschäftigen soll. 2005 hatte der DFB die unabhängige Aufarbeitung "Fußball unterm Hakenkreuz" über die Verbandsgeschichte zwischen 1933 und 1945 veröffentlicht und in deren Folge den Julius Hirsch Preis gestiftet.

Hirsch-Urenkelin mahnt: "Größte Gefahr kommt von rechts"

Das Museum von Eintracht Frankfurt, seit 2007 im Stadion des Bundesligaklubs zuhause, hat die Geschichte des Vereins in den Jahren der Nazi-Diktatur in einer vorbildlichen methodischen Vielfalt und Tiefe ergründet. Zur umfangreichen Erinnerungsarbeit des Museums, hinter dem ein Förderverein mit 750 Mitgliedern steht, zählen Stolperstein-Verlegungen und Spurensuchen. Nach Bekanntgabe der Auszeichnung, waren bei Museumsleiter Matthias Thoma "Glückwünsche aus dem ganzen Land" eingegangen. Er gemahnte zu einer niemals nachlassenden Wachsamkeit: "In den 20er-Jahren war die Eintracht ein weltoffener und liberaler Verein. Und konnte es dann doch nicht verhindern, gleichgeschaltet zu werden."

Zuvor hatte der Präsident von Maccabi Deutschland die Laudatio auf den diesjährigen Erstplatzierten gehalten. Alon Meyer sagte in seiner bewegenden Rede: "Fast alle Fußballvereine in Deutschland bekamen die Schrecken des Nationalsozialismus zu spüren, viele mit Mitläufern in den eigenen Reihen, einige mit Mittätern. Und viel zu lange gab es keinerlei Aufarbeitung."

Auch Julia Hirsch sprach harte Wahrheiten an. Die Urenkelin des Namensgebers beobachtet eine Grenzverschiebung in Deutschland, nicht nur beim Gesagten. "Die größte Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland kommt von rechts", mahnte sie und wies hin auf 23.000 politisch motivierte Straftaten im Land. Den Wunsch nach einem politischen Impuls zur aktiven Demokratiestärkung bekräftigte Julia Hirsch mit ihrem Appell: "Wir sind mehr! Beweisen wir das weiterhin!"

Preise für "Gesellschaftsspiele" und SC Victoria Wittenberg

"Gesellschaftsspiele" war im vergangenen Jahr bereits mit dem Fanpreis der Deutschen Akademie für Fußballkultur ausgezeichnet worden. Nun also fand das Engagement der Berliner Anerkennung durch eine weitere renommierte Auszeichnung. "Noch ist der Fußball in den Stadien kein Abbild der Gesellschaft, noch ist das Stadionpublikum zu weiß und zu männlich", sagte Rico Noack im Talk mit dem Moderatorenduo Nina Reip und Bezhad Borhani. "Wir wollen, dass sich wirklich alle wohl fühlen im Fußball."

Der Fußballklub SC Victoria Wittenberg erhielt den dritten Preis für sein erfolgreiches Wirken, Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte im Verein aufzunehmen. "Loyalität, Respekt und Disziplin, das sind in unserem Verein keine Worthülsen", sagte Sebastian Dähne von dem vor sieben Jahren gegründeten Klub aus der Lutherstadt. "Wer Gutes tut, bekommt auch Gutes zurück."

Ehrenpreis an Michael Vaněk und Kevin Simpson

Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo und Vizeeuropameister Thomas Hitzlsperger gehören zum illustren Kreis der Persönlichkeiten, deren Engagement in der Vergangenheit mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet worden war. 2021 ging er an Dr. Michael Vaněk, Kurator des slowakischen Nationalmuseums, und Prof. Dr. Kevin Simpson von der John Brown University in Arkansas, die eine Ausstellung im Slowakischen Nationalmuseum Bratislava veranstaltet hatten. "Fußball unterm Hakenkreuz – Die Geschichte von Leopold "Jim" Štàstný" brachte angesichts eines spürbaren Wiederauflebens des Antisemitismus Fußballfans, Historiker, Vereine und Spieler zusammen. DFL-Geschäftsführer Christian Seifert übernahm zum Abschluss der Preisverleihung die Auszeichnung der beiden Wissenschaftler.

Auch die Vorjahrssieger Hawar.help, das Gemeinschaftsprojekt von Spirit of Football und dem Erinnerungsort Topf & Söhne aus Erfurt sowie das Filmprojekt "Zahor - Erinnere dich", eine Kooperation der TSG Akademie Hoffenheim und des Forschungszentrums Centropa, wurden feierlich auf der Bühne geehrt. Als Ehrenpreisträger 2020 wurde  Oded Breda aus Israel ausgezeichnet, der mit der Ausstellung und dem Film "Liga Terezin" die Geschichte der Fußball-Liga im Lager Theresienstadt aufarbeitete, nachdem er erfahren hatte, dass sein später ermordeter Onkel dort gespielt hatte.  Im vergangenen Herbst musste die Verleihung der Preise 2020 aufgrund der pandemischen Lage abgesagt werden. 

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