Chatzialexiou: "Benötigen eine andere Härte"

Am Tag nach dem EM-Aus sprachen U 21-Nationaltrainer Antonio Di Salvo und Joti Chatzialexiou, der Sportliche Leiter der Nationalmannschaften, auf DFB.de über die Niederlage gegen England, die Erkenntnisse aus dem Ausscheiden und die nötigen Änderungen in der deutschen Nachwuchsförderung.

Antonio Di Salvo über…

…die Gefühlslage nach dem Ausscheiden: Die Enttäuschung ist immer noch groß. Ich konnte in der vergangenen Nacht aber besser schlafen als in den Nächten nach den Spielen gegen Israel und Tschechien, in denen wir viel zu viel liegen gelassen haben. In diesen beiden Partien haben wir das Turnier hergeschenkt. Gegen England war der Klassenunterschied einfach zu groß. Deshalb konnte ich das Spiel besser abhaken als die beiden zuvor.

…den Spielverlauf gegen England: Wir wussten, dass es ein extrem schweres Spiel wird und dass sehr viel bei uns passen muss, damit wir erfolgreich sein können. Trotzdem hatten wir den Glauben, es schaffen zu können. Wir mussten Druck aufbauen, weil wir das Spiel gewinnen wollten. Die Engländer haben es super gemacht, sie hatten eine gute Ballzirkulation, haben uns herausgelockt und uns nicht in die Zweikämpfe kommen lassen. Mit den langen Bällen auf ihre schnellen Spieler haben sie jedes Mal Torgefahr erzeugt. In der zweiten Halbzeit haben wir versucht, erst einmal stabiler zu stehen, um an Sicherheit zu gewinnen. Wir wollten in bestimmten Momenten ins Pressing und in Umschaltsituationen kommen, auch über Standards gefährlich sein. Das ist uns, außer in den letzten zehn Minuten, leider nicht gelungen.

…die Gespräche nach dem Spiel: Wir haben gestern Abend noch lange mit dem Trainerteam und der Sportlichen Leitung zusammengesessen. Wir haben über das Spiel gegen England gesprochen und darüber, was im Vergleich zu solchen Mannschaften fehlt. Außerdem haben wir das Turnier und die vergangenen eineinhalb Jahre Revue passieren lassen, um erste Erkenntnisse zu erlangen und den Blick wieder nach vorne zu richten.

…den Unterschied zu den vergangenen Jahrgängen: Mit dem letzten Jahrgang konnten wir fast zwei Jahre zusammenarbeiten, da der Stamm fast immer beisammen war. So konnten wir unsere Abläufe optimieren und eine Mannschaft werden. Bei dem aktuellen Jahrgang haben wir fast 50 Spieler getestet – aus unterschiedlichsten Gründen. Es gab Verletzungen, coronabedingte Ausfälle und Verbandswechsel, sodass wir oft kurzfristig neue Spieler integrieren mussten. Beim Turnier haben uns zehn Startelf-Kandidaten gefehlt, die eine enorme Qualität haben. Sowohl im Trainingslager als auch während des Turniers kamen noch einmal verletzungsbedingte Rückschläge hinzu.

…den kommenden U 21-Jahrgang: Der Blick geht immer nach vorne. Es waren bereits jetzt sieben jüngere Spieler dabei, die nicht zum Kernjahrgang 2000/2001 gehörten – mit Nelson Weiper sogar einer, der 2005 geboren ist. Dazu haben Ansgar Knauff und Jan Thielmann verletzungsbedingt gefehlt. Diese Jungs werden ihre Lehren aus dem Turnier ziehen, sie wissen nun besser, was gefordert ist, um erfolgreich zu sein. Ich hoffe, dass sie sich in den nächsten zwei Jahren weiterentwickeln und in den Vereinen möglichst viel Spielzeit bekommen, damit sie das Niveau erreichen, das nötig ist, um Erfolge feiern zu können.

Joti Chatzialexiou über…

…das frühe Aus der deutschen U 21: Wir haben unsere Mission nicht erfüllt. Wir wussten, dass England eine starke Mannschaft ist, hatten aber die Hoffnung, Gruppenzweiter zu werden. Das Ziel, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren, war für uns sehr wichtig. Denn für die Spieler ist jedes Turnier auf diesem Niveau wertvoll, um sich international zu messen.

…den Status Quo im deutschen Fußball: Schwankungen haben wir immer. Vor einigen Wochen lagen wir uns in den Armen, weil unsere U 17 Europameister geworden ist. Nachdem in diesem Sommer sowohl die A-Nationalmannschaft als auch die U 21 enttäuscht haben, würde ich den deutschen Fußball allerdings auch nicht begraben.

…den Vergleich mit anderen Nationen: Wir müssen den Spieler und das Training in den Mittelpunkt stellen. Bei den Franzosen, den Spaniern oder den Portugiesen hat das Training gegenüber dem Spiel einen anderen Stellenwert als bei uns. Leider wird in vielen Vereinen im Nachwuchsbereich zu häufig über die Spiele und die Ergebnisse anstatt über die Entwicklung diskutiert. Am Ende ist es nicht entscheidend, ob ein Leistungszentrum – egal, ob A-, B-, oder C-Junioren – deutscher Meister wird. Sondern darum, die Spieler individuell auszubilden und sie mit viel Qualität in den Profibereich zu führen. Dieser Geist herrscht in vielen anderen Nationen, und er muss auch in Deutschland in die Köpfe der Personen, die in unserem Sport tätig sind.

…die Bewertung der Mannschaft: Wir beurteilen solche Turniere anhand unserer Leistungs-DNA. Sie beinhaltet Themen wie Überzeugung, Intensität oder Präzision. Diese Dinge haben die Engländer gestern gezeigt. Wenn wir die Liga-Einsatzzeiten der englischen Spieler mit denen unserer Jungs vergleichen, wird offensichtlich, dass sie gestern selbstsicherer auf dem Platz agiert haben als wir, eine andere Passgenauigkeit und ein anderes Spieltempo gezeigt haben. Das sind keine Zufälle.

…die nötigen Veränderungen in der Nachwuchsförderung: Es gibt sehr gute Vorbilder. Viele Leistungszentren verfolgen genau die Themen, die wir auch für uns in Anspruch nehmen. Wir sind davon überzeugt, dass die Prozesse, die wir jetzt angestoßen haben, unserem Fußball und der Entwicklung der Spieler gut tun werden. In vielen Bereichen erziehen wir unsere Spieler zu weich und benötigen vielleicht eine andere Härte. Das ist ein schmaler Grat, aber es gibt viele Ansätze, um unser System anzupassen und zu verbessern.

…den Blick nach vorne, unter anderem auf die EURO 2024: Bei all den Diskussionen und der Kritik, die wir auch selbst ansprechen, blicke ich trotzdem optimistisch nach vorne. Wir wollen besser werden und unseren Talentpool noch besser ausschöpfen. Wir sind eine Fußballnation. In der Spitze benötigen wir eine größere Breite und mehr Auswahl für unsere Trainer. Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten, denn hier wurden wir in der Vergangenheit leider überholt.

[ke]

Am Tag nach dem EM-Aus sprachen U 21-Nationaltrainer Antonio Di Salvo und Joti Chatzialexiou, der Sportliche Leiter der Nationalmannschaften, auf DFB.de über die Niederlage gegen England, die Erkenntnisse aus dem Ausscheiden und die nötigen Änderungen in der deutschen Nachwuchsförderung.

Antonio Di Salvo über…

…die Gefühlslage nach dem Ausscheiden: Die Enttäuschung ist immer noch groß. Ich konnte in der vergangenen Nacht aber besser schlafen als in den Nächten nach den Spielen gegen Israel und Tschechien, in denen wir viel zu viel liegen gelassen haben. In diesen beiden Partien haben wir das Turnier hergeschenkt. Gegen England war der Klassenunterschied einfach zu groß. Deshalb konnte ich das Spiel besser abhaken als die beiden zuvor.

…den Spielverlauf gegen England: Wir wussten, dass es ein extrem schweres Spiel wird und dass sehr viel bei uns passen muss, damit wir erfolgreich sein können. Trotzdem hatten wir den Glauben, es schaffen zu können. Wir mussten Druck aufbauen, weil wir das Spiel gewinnen wollten. Die Engländer haben es super gemacht, sie hatten eine gute Ballzirkulation, haben uns herausgelockt und uns nicht in die Zweikämpfe kommen lassen. Mit den langen Bällen auf ihre schnellen Spieler haben sie jedes Mal Torgefahr erzeugt. In der zweiten Halbzeit haben wir versucht, erst einmal stabiler zu stehen, um an Sicherheit zu gewinnen. Wir wollten in bestimmten Momenten ins Pressing und in Umschaltsituationen kommen, auch über Standards gefährlich sein. Das ist uns, außer in den letzten zehn Minuten, leider nicht gelungen.

…die Gespräche nach dem Spiel: Wir haben gestern Abend noch lange mit dem Trainerteam und der Sportlichen Leitung zusammengesessen. Wir haben über das Spiel gegen England gesprochen und darüber, was im Vergleich zu solchen Mannschaften fehlt. Außerdem haben wir das Turnier und die vergangenen eineinhalb Jahre Revue passieren lassen, um erste Erkenntnisse zu erlangen und den Blick wieder nach vorne zu richten.

…den Unterschied zu den vergangenen Jahrgängen: Mit dem letzten Jahrgang konnten wir fast zwei Jahre zusammenarbeiten, da der Stamm fast immer beisammen war. So konnten wir unsere Abläufe optimieren und eine Mannschaft werden. Bei dem aktuellen Jahrgang haben wir fast 50 Spieler getestet – aus unterschiedlichsten Gründen. Es gab Verletzungen, coronabedingte Ausfälle und Verbandswechsel, sodass wir oft kurzfristig neue Spieler integrieren mussten. Beim Turnier haben uns zehn Startelf-Kandidaten gefehlt, die eine enorme Qualität haben. Sowohl im Trainingslager als auch während des Turniers kamen noch einmal verletzungsbedingte Rückschläge hinzu.

…den kommenden U 21-Jahrgang: Der Blick geht immer nach vorne. Es waren bereits jetzt sieben jüngere Spieler dabei, die nicht zum Kernjahrgang 2000/2001 gehörten – mit Nelson Weiper sogar einer, der 2005 geboren ist. Dazu haben Ansgar Knauff und Jan Thielmann verletzungsbedingt gefehlt. Diese Jungs werden ihre Lehren aus dem Turnier ziehen, sie wissen nun besser, was gefordert ist, um erfolgreich zu sein. Ich hoffe, dass sie sich in den nächsten zwei Jahren weiterentwickeln und in den Vereinen möglichst viel Spielzeit bekommen, damit sie das Niveau erreichen, das nötig ist, um Erfolge feiern zu können.

Joti Chatzialexiou über…

…das frühe Aus der deutschen U 21: Wir haben unsere Mission nicht erfüllt. Wir wussten, dass England eine starke Mannschaft ist, hatten aber die Hoffnung, Gruppenzweiter zu werden. Das Ziel, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren, war für uns sehr wichtig. Denn für die Spieler ist jedes Turnier auf diesem Niveau wertvoll, um sich international zu messen.

…den Status Quo im deutschen Fußball: Schwankungen haben wir immer. Vor einigen Wochen lagen wir uns in den Armen, weil unsere U 17 Europameister geworden ist. Nachdem in diesem Sommer sowohl die A-Nationalmannschaft als auch die U 21 enttäuscht haben, würde ich den deutschen Fußball allerdings auch nicht begraben.

…den Vergleich mit anderen Nationen: Wir müssen den Spieler und das Training in den Mittelpunkt stellen. Bei den Franzosen, den Spaniern oder den Portugiesen hat das Training gegenüber dem Spiel einen anderen Stellenwert als bei uns. Leider wird in vielen Vereinen im Nachwuchsbereich zu häufig über die Spiele und die Ergebnisse anstatt über die Entwicklung diskutiert. Am Ende ist es nicht entscheidend, ob ein Leistungszentrum – egal, ob A-, B-, oder C-Junioren – deutscher Meister wird. Sondern darum, die Spieler individuell auszubilden und sie mit viel Qualität in den Profibereich zu führen. Dieser Geist herrscht in vielen anderen Nationen, und er muss auch in Deutschland in die Köpfe der Personen, die in unserem Sport tätig sind.

…die Bewertung der Mannschaft: Wir beurteilen solche Turniere anhand unserer Leistungs-DNA. Sie beinhaltet Themen wie Überzeugung, Intensität oder Präzision. Diese Dinge haben die Engländer gestern gezeigt. Wenn wir die Liga-Einsatzzeiten der englischen Spieler mit denen unserer Jungs vergleichen, wird offensichtlich, dass sie gestern selbstsicherer auf dem Platz agiert haben als wir, eine andere Passgenauigkeit und ein anderes Spieltempo gezeigt haben. Das sind keine Zufälle.

…die nötigen Veränderungen in der Nachwuchsförderung: Es gibt sehr gute Vorbilder. Viele Leistungszentren verfolgen genau die Themen, die wir auch für uns in Anspruch nehmen. Wir sind davon überzeugt, dass die Prozesse, die wir jetzt angestoßen haben, unserem Fußball und der Entwicklung der Spieler gut tun werden. In vielen Bereichen erziehen wir unsere Spieler zu weich und benötigen vielleicht eine andere Härte. Das ist ein schmaler Grat, aber es gibt viele Ansätze, um unser System anzupassen und zu verbessern.

…den Blick nach vorne, unter anderem auf die EURO 2024: Bei all den Diskussionen und der Kritik, die wir auch selbst ansprechen, blicke ich trotzdem optimistisch nach vorne. Wir wollen besser werden und unseren Talentpool noch besser ausschöpfen. Wir sind eine Fußballnation. In der Spitze benötigen wir eine größere Breite und mehr Auswahl für unsere Trainer. Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten, denn hier wurden wir in der Vergangenheit leider überholt.

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