Braunschweigs Kessel: "Nicht immer höher, schneller, weiter"

Für den gebürtigen Rheinland-Pfälzer Benjamin Kessel ist Niedersachsen längst zur zweiten Heimat geworden. Der Rechtsverteidiger von Eintracht Braunschweig sehnt zwar die Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der 3. Liga herbei, kann der Corona-Krise aber auch Positives abgewinnen. Im DFB.de-Interview spricht der 32-Jährige mit Mitarbeiter Dominik Dittmar auch über seine Vorbereitung auf Tag X.

DFB.de: An einen Spielbetrieb ist in der 3. Liga wegen der Corona-Krise aktuell nicht zu denken. Wie motivieren Sie sich, das individuelle Sportprogramm zu absolvieren, Herr Kessel?

Benjamin Kessel: Zugegeben: Das ist schon schwierig. Wir halten uns mit Läufen und Stabilisationsübungen in Form. Wir wollen schließlich fit sein, wenn es wieder weitergeht.

DFB.de: Ist das Training derzeit mit dem in einer Sommerpause vergleichbar?

Kessel: Die bisherige Dauer der Pause und auch die Einheiten sind schon ähnlich. Bei einer Sommer- oder Winterpause haben wir allerdings einen genauen Tag, auf den wir hinarbeiten können. Wann dieser Tag X nun sein wird, weiß dagegen keiner. Die Gesundheit aller steht natürlich bei allem an oberster Stelle, aber diese Ungewissheit nervt schon ein Stück weit.

DFB.de: Zumindest virtuell rollt der Ball momentan, Ihr Teamkollege Marcel Bär ist an der Spielkonsole gegen andere Drittligaspieler im Einsatz. Haben Sie da ein Auge drauf?

Kessel: Das 1:1 gegen Niclas Stierlin von der SpVgg Unterhaching habe ich live verfolgt. Über Instagram bekam ich mit, dass Marcel in seinem Spiel gegen Panagiotis Vlachodimos von der SG Sonnenhof Großaspach zur Halbzeit 2:0 in Führung lag. Der Endstand war leider 3:4. Ich sage es mal so: Steigerungspotenzial ist noch vorhanden. (lacht)

DFB.de: Wie steht es um Ihre Fähigkeiten an der Spielkonsole?

Kessel: Die waren früher mal gut. Seitdem mein Sohn David vor 16 Monaten geboren wurde, haben sich bei mir jedoch die Prioritäten verschoben. Ich hatte nicht mehr so viel Zeit zum Spielen. Deshalb ist auch meine Spielkonsole mittlerweile verkauft.

DFB.de: Neben dem individuellen Training: Wie sehr beeinflusst die Corona-Krise Ihren Alltag und Ihr Leben?

Kessel: Mein Hund Levi, ein Akita-Labrador-Mix, freut sich, dass wir jeden Morgen zum Joggen gehen. Sonst genieße ich die zusätzliche Zeit mit meiner Familie.

DFB.de: Bietet die Zwangspause auch die Möglichkeit, Dinge anzugehen, die zuletzt eher liegengeblieben waren?

Kessel: Im zurückliegenden Jahr hatten wir uns ein Haus in Braunschweig gekauft. Da meine Frau Sarah beruflich nun auch in Kurzarbeit ist, können wir uns viel unserem Garten widmen und ihn fit für den Sommer machen. Das füllt unseren Tagesablauf schon ganz gut.

DFB.de: Wenn man etwas Positives aus der aktuellen Situation ziehen kann, dann die steigende Solidarität, oder?

Kessel: Es ist absolut zu erkennen, dass die Menschen näher zusammenrücken. Alle haben ein größeres Gespür für ihr Umfeld gewonnen. Es ist zu hoffen, dass dieses Gemeinschaftsgefühl auch nach der Krise anhält und wir nicht in alte Muster zurückfallen. Es muss nicht immer höher, schneller und weiter sein

DFB.de: Fans der Eintracht sind unter anderem als Einkaufshelfer für Personen aus der Corona-Risikogruppe unterwegs. Außerdem werden insgesamt 4000 Masken für Bedienstete der Stadt genäht. Wie nehmen Sie die Hilfsaktionen wahr?

Kessel: Total positiv. Die Hilfsaktionen können - auch außerhalb des Fußballs - als Beispiel dienen, Verantwortung im Umfeld zu übernehmen. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch wir als Mannschaft uns eine gemeinsame Aktion überlegen werden.

DFB.de: Wie halten Sie Kontakt zu Ihren Mitspielern?

Kessel: Es gibt zwei WhatsApp-Gruppen: Eine offizielle mit allen Verantwortlichen der Eintracht und eine eher private. Da schickt ein Mitspieler mal hin und wieder etwas Lustiges gegen die Langeweile. Sonst telefonieren wir viel. Den persönlichen und täglichen Austausch in der Mannschaftskabine kann das allerdings nicht ersetzen. Ich hoffe, dass wir uns alle schnell und gesund wiedersehen.

DFB.de: Neben den Mitarbeitern haben auch das Trainerteam und die Mannschaft der Kurzarbeit zugestimmt. Mussten Sie lange überlegen?

Kessel: Geschäftsführer Wolfram Benz und Sportdirektor Peter Vollmann waren schon recht zeitnah, als die Ausmaße der Corona-Krise in dieser Form noch gar nicht absehbar waren, auf die Mannschaft zugekommen und hatten mitgeteilt, dass die Spielpause den Verein vor große Herausforderungen stellt. Es hat keine fünf Minuten gedauert, bis wir den Vorschlag der Kurzarbeit angenommen haben. Uns war sofort klar, dass auch wir Spieler und die Trainer unseren Beitrag leisten wollen, dass die Eintracht diese Situation meistert. Da steht es außer Frage, dass die Situation des Einzelnen nicht im Vordergrund steht.

DFB.de: Zumal Eintracht Braunschweig für Sie persönlich ja ohnehin nicht nur irgendein Verein ist, oder?

Kessel: Schon in den fünf Jahren meiner ersten Station in Braunschweig ist die Stadt zu meiner Heimat und die Eintracht zu meinem Herzensverein geworden. Als im Januar 2019 die Anfrage kam, ob ich nicht zurückkehren will, musste ich dann auch nicht zweimal überlegen. Wie es dann gelaufen ist, hätte ich mir nicht erträumen lassen können. Obwohl die Situation zur Winterpause sehr schwierig war, ist uns am 38. und letzten Spieltag doch noch der Klassenverbleib gelungen.

DFB.de: Die Aussetzung des Spielbetriebs bringt viele Vereine in große Schwierigkeiten und sogar existenzielle Probleme. Wie sehr beschäftigt Sie das?

Kessel: Man liest momentan sehr viel, vor welchen Problemen auch die anderen Drittligisten stehen. Aktuell ist ja auch die Zeit dafür da, sich damit zu beschäftigen. Da macht man sich zwangsläufig Gedanken, wie die Zukunft aussieht. Bei möglichen "Geisterspielen" würden Zuschauereinnahmen wegfallen, die bei den Drittligisten einen höheren Anteil der Einnahmen ausmachen als bei Klubs der Bundesliga und 2. Bundesliga. Es ist eine komplizierte Situation.

DFB.de: Ein mögliches Szenario für die Fortsetzung des Spielbetriebs haben Sie mit den Geisterspielen bereits angesprochen. Was würden Sie davon halten?

Kessel: Als Spieler sage ich: Bevor wir gar nicht mehr spielen, dann lieber unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ganz klar: Die Emotionen der Fans würden fehlen, die Sehnsucht nach dem Fußball ist bei mir aber sehr groß. Allerdings würde es auch dann einige Unabwägbarkeiten geben. Wir hätten - anders als nach einer normalen Vorbereitung - mehr oder weniger einen kalten Start in die elf noch ausstehenden Spieltage und keine Testspiele. Alle Aspekte zu berücksichtigen, ist ein schmaler Grat. An erster Stelle steht aber ganz klar die Gesundheit.

[mspw]

Für den gebürtigen Rheinland-Pfälzer Benjamin Kessel ist Niedersachsen längst zur zweiten Heimat geworden. Der Rechtsverteidiger von Eintracht Braunschweig sehnt zwar die Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der 3. Liga herbei, kann der Corona-Krise aber auch Positives abgewinnen. Im DFB.de-Interview spricht der 32-Jährige mit Mitarbeiter Dominik Dittmar auch über seine Vorbereitung auf Tag X.

DFB.de: An einen Spielbetrieb ist in der 3. Liga wegen der Corona-Krise aktuell nicht zu denken. Wie motivieren Sie sich, das individuelle Sportprogramm zu absolvieren, Herr Kessel?

Benjamin Kessel: Zugegeben: Das ist schon schwierig. Wir halten uns mit Läufen und Stabilisationsübungen in Form. Wir wollen schließlich fit sein, wenn es wieder weitergeht.

DFB.de: Ist das Training derzeit mit dem in einer Sommerpause vergleichbar?

Kessel: Die bisherige Dauer der Pause und auch die Einheiten sind schon ähnlich. Bei einer Sommer- oder Winterpause haben wir allerdings einen genauen Tag, auf den wir hinarbeiten können. Wann dieser Tag X nun sein wird, weiß dagegen keiner. Die Gesundheit aller steht natürlich bei allem an oberster Stelle, aber diese Ungewissheit nervt schon ein Stück weit.

DFB.de: Zumindest virtuell rollt der Ball momentan, Ihr Teamkollege Marcel Bär ist an der Spielkonsole gegen andere Drittligaspieler im Einsatz. Haben Sie da ein Auge drauf?

Kessel: Das 1:1 gegen Niclas Stierlin von der SpVgg Unterhaching habe ich live verfolgt. Über Instagram bekam ich mit, dass Marcel in seinem Spiel gegen Panagiotis Vlachodimos von der SG Sonnenhof Großaspach zur Halbzeit 2:0 in Führung lag. Der Endstand war leider 3:4. Ich sage es mal so: Steigerungspotenzial ist noch vorhanden. (lacht)

DFB.de: Wie steht es um Ihre Fähigkeiten an der Spielkonsole?

Kessel: Die waren früher mal gut. Seitdem mein Sohn David vor 16 Monaten geboren wurde, haben sich bei mir jedoch die Prioritäten verschoben. Ich hatte nicht mehr so viel Zeit zum Spielen. Deshalb ist auch meine Spielkonsole mittlerweile verkauft.

DFB.de: Neben dem individuellen Training: Wie sehr beeinflusst die Corona-Krise Ihren Alltag und Ihr Leben?

Kessel: Mein Hund Levi, ein Akita-Labrador-Mix, freut sich, dass wir jeden Morgen zum Joggen gehen. Sonst genieße ich die zusätzliche Zeit mit meiner Familie.

DFB.de: Bietet die Zwangspause auch die Möglichkeit, Dinge anzugehen, die zuletzt eher liegengeblieben waren?

Kessel: Im zurückliegenden Jahr hatten wir uns ein Haus in Braunschweig gekauft. Da meine Frau Sarah beruflich nun auch in Kurzarbeit ist, können wir uns viel unserem Garten widmen und ihn fit für den Sommer machen. Das füllt unseren Tagesablauf schon ganz gut.

DFB.de: Wenn man etwas Positives aus der aktuellen Situation ziehen kann, dann die steigende Solidarität, oder?

Kessel: Es ist absolut zu erkennen, dass die Menschen näher zusammenrücken. Alle haben ein größeres Gespür für ihr Umfeld gewonnen. Es ist zu hoffen, dass dieses Gemeinschaftsgefühl auch nach der Krise anhält und wir nicht in alte Muster zurückfallen. Es muss nicht immer höher, schneller und weiter sein

DFB.de: Fans der Eintracht sind unter anderem als Einkaufshelfer für Personen aus der Corona-Risikogruppe unterwegs. Außerdem werden insgesamt 4000 Masken für Bedienstete der Stadt genäht. Wie nehmen Sie die Hilfsaktionen wahr?

Kessel: Total positiv. Die Hilfsaktionen können - auch außerhalb des Fußballs - als Beispiel dienen, Verantwortung im Umfeld zu übernehmen. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch wir als Mannschaft uns eine gemeinsame Aktion überlegen werden.

DFB.de: Wie halten Sie Kontakt zu Ihren Mitspielern?

Kessel: Es gibt zwei WhatsApp-Gruppen: Eine offizielle mit allen Verantwortlichen der Eintracht und eine eher private. Da schickt ein Mitspieler mal hin und wieder etwas Lustiges gegen die Langeweile. Sonst telefonieren wir viel. Den persönlichen und täglichen Austausch in der Mannschaftskabine kann das allerdings nicht ersetzen. Ich hoffe, dass wir uns alle schnell und gesund wiedersehen.

DFB.de: Neben den Mitarbeitern haben auch das Trainerteam und die Mannschaft der Kurzarbeit zugestimmt. Mussten Sie lange überlegen?

Kessel: Geschäftsführer Wolfram Benz und Sportdirektor Peter Vollmann waren schon recht zeitnah, als die Ausmaße der Corona-Krise in dieser Form noch gar nicht absehbar waren, auf die Mannschaft zugekommen und hatten mitgeteilt, dass die Spielpause den Verein vor große Herausforderungen stellt. Es hat keine fünf Minuten gedauert, bis wir den Vorschlag der Kurzarbeit angenommen haben. Uns war sofort klar, dass auch wir Spieler und die Trainer unseren Beitrag leisten wollen, dass die Eintracht diese Situation meistert. Da steht es außer Frage, dass die Situation des Einzelnen nicht im Vordergrund steht.

DFB.de: Zumal Eintracht Braunschweig für Sie persönlich ja ohnehin nicht nur irgendein Verein ist, oder?

Kessel: Schon in den fünf Jahren meiner ersten Station in Braunschweig ist die Stadt zu meiner Heimat und die Eintracht zu meinem Herzensverein geworden. Als im Januar 2019 die Anfrage kam, ob ich nicht zurückkehren will, musste ich dann auch nicht zweimal überlegen. Wie es dann gelaufen ist, hätte ich mir nicht erträumen lassen können. Obwohl die Situation zur Winterpause sehr schwierig war, ist uns am 38. und letzten Spieltag doch noch der Klassenverbleib gelungen.

DFB.de: Die Aussetzung des Spielbetriebs bringt viele Vereine in große Schwierigkeiten und sogar existenzielle Probleme. Wie sehr beschäftigt Sie das?

Kessel: Man liest momentan sehr viel, vor welchen Problemen auch die anderen Drittligisten stehen. Aktuell ist ja auch die Zeit dafür da, sich damit zu beschäftigen. Da macht man sich zwangsläufig Gedanken, wie die Zukunft aussieht. Bei möglichen "Geisterspielen" würden Zuschauereinnahmen wegfallen, die bei den Drittligisten einen höheren Anteil der Einnahmen ausmachen als bei Klubs der Bundesliga und 2. Bundesliga. Es ist eine komplizierte Situation.

DFB.de: Ein mögliches Szenario für die Fortsetzung des Spielbetriebs haben Sie mit den Geisterspielen bereits angesprochen. Was würden Sie davon halten?

Kessel: Als Spieler sage ich: Bevor wir gar nicht mehr spielen, dann lieber unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ganz klar: Die Emotionen der Fans würden fehlen, die Sehnsucht nach dem Fußball ist bei mir aber sehr groß. Allerdings würde es auch dann einige Unabwägbarkeiten geben. Wir hätten - anders als nach einer normalen Vorbereitung - mehr oder weniger einen kalten Start in die elf noch ausstehenden Spieltage und keine Testspiele. Alle Aspekte zu berücksichtigen, ist ein schmaler Grat. An erster Stelle steht aber ganz klar die Gesundheit.

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