Autoren-Nationalmannschaft: "Ein Gefühl, wie bei den Profis"

Anlässlich der Frankfurter Buchmesse kamen das französische und das deutsche Nationalteam zusammen - beim Fußball. Doch auf dem Platz trafen sich nicht etwa Mats Hummels oder Antoine Griezmann, die Namen der Gegner sind weniger bekannter, denn es ging um das Duell der Autoren-Nationalmannschaften. In Frankfurt-Sossenheim trafen beide Teams auf Einladung der DFB-Kulturstiftung aufeinander. Nach Toren von Victor Witte, Nikita Afanasjew (2), Philipp Reinartz und Johannes Ehrmann siegte die deutsche Auswahl mit 5:2.

Der Hamburger Hannes Köhler stand als Torwart der deutschen Autoren-Nationalmannschaft auf dem Platz. Zu Frankreich, dem Gastland der Buchmesse, hat er einen besonderen Bezug: Der 35-Jährige hat unter anderem in Toulouse studiert, seit 2014 ist er Stipendiat für deutsch-französische Literaturübersetzung. Profi beim Schreiben, im Fußball eher Amateur - für DFB.de beschreibt der Hamburger seine Eindrücke einer ganz speziellen Begegnung.

Es gibt diese kurzen Momente, in denen es sich echt anfühlt, wie bei den Profis. Als wir einlaufen mit den Ballkindern an der Hand, als sie die Hymnen spielen, denen ich in einer sonderbaren Mischung aus Ehrfurcht und Albernheit zuhöre, die französische und deutsche Fahne am Zaun hinter dem Platz, vor allem als die Kinder nach dem Spiel angelaufen kommen und sich ihre T-Shirts und Fußbälle signieren lassen. Sind wir da noch die Autoren-Nationalmannschaft, oder nicht doch schon ein wenig das echte Team? Immerhin, 5:2 gewonnen, wann hat Deutschland das gegen Frankreich das letzte Mal geschafft? (Laut Wikipedia, nie – aber ein 5:1 gab es, im September 1967.)

"Hey, Torwart! Kann ich dein Trikot haben?" So lange hält der Traum, fünf Meter, bis der nächste Steppke vor mir steht und mich erwartungsvoll anschaut. "Nee, tut mir leid, ich hab nur das eine. Und das ist gar nicht meins."

Er legt den Kopf schief, zuckt die Schultern, ich habe das Gefühl, er glaubt mir kein Wort. Er rennt weiter, versucht es beim Nächsten. Aber wir sind eben doch die kickenden Autoren, keine Profis, die zu jedem Spiel ein neues Trikot über dem Platz hängen haben. Wir waschen noch selbst, wir schreiben noch selbst, ganz ohne Ghostwriter. Und tatsächlich habe ich, als Neuling in der "Autonama", noch gar kein eigenes Trikot - Merkel 30 prangt auf meinem Rücken. "Bien joué, Merkel", ruft mir der französische Stürmer zu, als ich eine Ecke herunterpflücke, und ich begreife erst gar nicht, dass er mich meint. Diese drei Tage in Frankfurt während der Buchmesse sind mein offizielles Debüt für das Team, weil Stammkeeper Merkel nicht dabei sein konnte. Vor der Abfahrt hat er mir, nach unserem mittwöchlichen Training in Berlin Mitte, viel Glück gewünscht, sein Trikot und sein Buch über den 1. FC Köln überreicht, das ich auf der Fahrt nach Frankfurt als Werder-Fan zuerst aus kollegialem Pflichtgefühl und bald schon äußerst gut unterhalten lese.

Frankreich ist Gastland dieses Jahr, natürlich bietet sich da ein Rückspiel gegen die "Equipe" der französischen Autoren an, die sich erst vor einem Jahr gegründet und ihr erstes Spiel damals vor der richtigen EM in Paris gegen Deutschland bestritten hat. Die Franzosen brennen auf Revanche für das damalige 1:2, trotzdem ist das Wiedersehen – oder Kennenlernen für mich und einige andere – äußerst herzlich, die Stimmung bei Training und anschließendem Empfang am Freitag ist gut, man tauscht sich aus, über Fußball und Literatur, auf Französisch, Deutsch und Englisch. Kulturaustausch auf Kunstrasen und bei Bier und Hessischen Spezialitäten, von großer Rivalität keine Spur. Am Samstagmittag noch Lesung und Diskussion über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Fankulturen beider Länder, bevor es in die Vorbereitungsphase für das große Spiel geht. Um halb fünf fahren wir, gemeinsam, nicht getrennt, im Bus der U 21-Nationalmannschaft (auch so ein Moment) nach Sossenheim, wo uns die heimische SG ihren Platz zur Verfügung stellt und keine Mühen gescheut hat. Die Fahnen hängen hoch, die Bratwürste für die Zuschauer brutzeln, der DJ und Stadionsprecher macht ordentlich Lärm. Und die beste Idee des Tages, besser als jeder Geistesblitz später auf dem Spielfeld, sind die Kinder, die mit den Teams auflaufen, Hand in Hand, voller Begeisterung, für sie scheint es echt und das kreiert auch für uns die Illusion.



Anlässlich der Frankfurter Buchmesse kamen das französische und das deutsche Nationalteam zusammen - beim Fußball. Doch auf dem Platz trafen sich nicht etwa Mats Hummels oder Antoine Griezmann, die Namen der Gegner sind weniger bekannter, denn es ging um das Duell der Autoren-Nationalmannschaften. In Frankfurt-Sossenheim trafen beide Teams auf Einladung der DFB-Kulturstiftung aufeinander. Nach Toren von Victor Witte, Nikita Afanasjew (2), Philipp Reinartz und Johannes Ehrmann siegte die deutsche Auswahl mit 5:2.

Der Hamburger Hannes Köhler stand als Torwart der deutschen Autoren-Nationalmannschaft auf dem Platz. Zu Frankreich, dem Gastland der Buchmesse, hat er einen besonderen Bezug: Der 35-Jährige hat unter anderem in Toulouse studiert, seit 2014 ist er Stipendiat für deutsch-französische Literaturübersetzung. Profi beim Schreiben, im Fußball eher Amateur - für DFB.de beschreibt der Hamburger seine Eindrücke einer ganz speziellen Begegnung.

Es gibt diese kurzen Momente, in denen es sich echt anfühlt, wie bei den Profis. Als wir einlaufen mit den Ballkindern an der Hand, als sie die Hymnen spielen, denen ich in einer sonderbaren Mischung aus Ehrfurcht und Albernheit zuhöre, die französische und deutsche Fahne am Zaun hinter dem Platz, vor allem als die Kinder nach dem Spiel angelaufen kommen und sich ihre T-Shirts und Fußbälle signieren lassen. Sind wir da noch die Autoren-Nationalmannschaft, oder nicht doch schon ein wenig das echte Team? Immerhin, 5:2 gewonnen, wann hat Deutschland das gegen Frankreich das letzte Mal geschafft? (Laut Wikipedia, nie – aber ein 5:1 gab es, im September 1967.)

"Hey, Torwart! Kann ich dein Trikot haben?" So lange hält der Traum, fünf Meter, bis der nächste Steppke vor mir steht und mich erwartungsvoll anschaut. "Nee, tut mir leid, ich hab nur das eine. Und das ist gar nicht meins."

Er legt den Kopf schief, zuckt die Schultern, ich habe das Gefühl, er glaubt mir kein Wort. Er rennt weiter, versucht es beim Nächsten. Aber wir sind eben doch die kickenden Autoren, keine Profis, die zu jedem Spiel ein neues Trikot über dem Platz hängen haben. Wir waschen noch selbst, wir schreiben noch selbst, ganz ohne Ghostwriter. Und tatsächlich habe ich, als Neuling in der "Autonama", noch gar kein eigenes Trikot - Merkel 30 prangt auf meinem Rücken. "Bien joué, Merkel", ruft mir der französische Stürmer zu, als ich eine Ecke herunterpflücke, und ich begreife erst gar nicht, dass er mich meint. Diese drei Tage in Frankfurt während der Buchmesse sind mein offizielles Debüt für das Team, weil Stammkeeper Merkel nicht dabei sein konnte. Vor der Abfahrt hat er mir, nach unserem mittwöchlichen Training in Berlin Mitte, viel Glück gewünscht, sein Trikot und sein Buch über den 1. FC Köln überreicht, das ich auf der Fahrt nach Frankfurt als Werder-Fan zuerst aus kollegialem Pflichtgefühl und bald schon äußerst gut unterhalten lese.

Frankreich ist Gastland dieses Jahr, natürlich bietet sich da ein Rückspiel gegen die "Equipe" der französischen Autoren an, die sich erst vor einem Jahr gegründet und ihr erstes Spiel damals vor der richtigen EM in Paris gegen Deutschland bestritten hat. Die Franzosen brennen auf Revanche für das damalige 1:2, trotzdem ist das Wiedersehen – oder Kennenlernen für mich und einige andere – äußerst herzlich, die Stimmung bei Training und anschließendem Empfang am Freitag ist gut, man tauscht sich aus, über Fußball und Literatur, auf Französisch, Deutsch und Englisch. Kulturaustausch auf Kunstrasen und bei Bier und Hessischen Spezialitäten, von großer Rivalität keine Spur. Am Samstagmittag noch Lesung und Diskussion über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Fankulturen beider Länder, bevor es in die Vorbereitungsphase für das große Spiel geht. Um halb fünf fahren wir, gemeinsam, nicht getrennt, im Bus der U 21-Nationalmannschaft (auch so ein Moment) nach Sossenheim, wo uns die heimische SG ihren Platz zur Verfügung stellt und keine Mühen gescheut hat. Die Fahnen hängen hoch, die Bratwürste für die Zuschauer brutzeln, der DJ und Stadionsprecher macht ordentlich Lärm. Und die beste Idee des Tages, besser als jeder Geistesblitz später auf dem Spielfeld, sind die Kinder, die mit den Teams auflaufen, Hand in Hand, voller Begeisterung, für sie scheint es echt und das kreiert auch für uns die Illusion.

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In den folgenden 90 Minuten macht sich auf dem Platz recht schnell bemerkbar, dass die deutschen Autoren jede Woche trainieren. Das Team ist sehr eingespielt, der Ball läuft flüssig, immer wieder wird über die sicher wirkende Abwehr neu aufgebaut und das Spiel verlagert. Mehrere Großchancen werden so über außen eingeleitet, aber sowohl per Kopf als auch per Fuß will der Ball anfangs nicht über die Linie. Doch gerade, als sich Unruhe über die mangelnde Chancenverwertung auszubreiten droht, vollendet Victor Witte in der 11. Minute einen Rückpass des bis auf die französische Grundlinie durchgebrochenen Moritz Rinke zum 1:0 - der Bann ist gebrochen! Zehn Minuten später macht Nik Afanasjew auf Zuspiel von Wolfram Eilenberger das 2:0 und beruhigt so die Nerven von Trainer Frank Willmann.

Im Anschluss haben die Franzosen ihr stärkste Phase, aber ein Distanzschuss ist zum Glück zu zentral und lässt sich über die Latte lenken und auch aus einem Missverständnis in der deutschen Abwehr können die Franzosen keinen Nutzen schlagen, der Schuss des französischen Stürmers landet direkt in meinen Armen. Den entstehenden Platz durch die französischen Angriffe nutzt unser Team vor der Pause nun vermehrt zum Kontern. Victor Witte bedient mustergültig Philipp Reinartz, der noch vor dem Halbzeitpfiff das 3:0 markiert.

In der Kabine ist Trainer Willmann anschließend sogar schon entspannter als das gesamte Team, das sich vornimmt, sich von der vermeintlich sicheren Führung nicht blenden zu lassen. Entsprechend konzentriert gehen die 11 Mann der Autonama in der zweiten Hälfte zu Werke. Nik Afanasjew erhöht bereits in Minute 48 nach Zuspiel von Wolfram Eilenberger auf 4:0, bevor Johannes Ehrmann in Minute 60 nach uneigennütziger Ablage von Afanasjew aus kurzer Distanz zum 5:0 einschiebt und das Spiel somit endgültig entscheidet.

Die anschließenden zahlreichen Wechsel beider Teams verwirren den ansonsten überragenden Abwehrchef Thomas Klupp derartig, dass er auf mein Zurufen zwar reagiert und den geforderten Rückpass spielt - allerdings nicht dorthin, wo ich tatsächlich stehe, rechts außen am Fünfmeterraum, sondern dorthin, wo er seinen Torwart instinktiv vermutet - mitten ins Tor. Auch Sprint und eingesprungene Grätsche können nicht verhindern, dass mein erstes Gegentor in der Autonama ein Eigentor ist. Anschließend ist das Spiel reichlich zerfahren, die vielen Wechsel haben beiden Mannschaften ein wenig den Rhythmus genommen. Die Franzosen drängen auf weitere Treffer, aber die deutsche Abwehr steht sicher, bis sich kurz vor Schluss der französische Stürmer ein Herz fasst und einen Freistoß mit dem Außenrist auf das Torwarteck hämmert. Ich begehe also auch meinen ersten Fehler, habe spekuliert auf einen Heber über die Mauer und komme zu spät. 5:2, kurz darauf pfeift der Schiedsrichter ab.

Nach dem Spiel versorgen uns der Gastwirt der SG Sossenheim und seine Familie mit großartigem indischen Essen und reichlich Bier, bevor die Rückkehr zum Hotel ansteht, von wo aus sich die Mannschaften in kleinen Gruppen über das nächtliche Frankfurt verstreuen. Bei der abschließenden Veranstaltung am Sonntag auf der Messe sind entsprechend einige äußert müde Gesichter auszumachen, was der Lebhaftigkeit des Panels aber keinesfalls schadet. Der Fußballer als Sisyphos von Olivier Pourriol, seine Verweise auf Achilles und die Ilias, finden bei seinem Mitspieler Bernard Chambaz regen Widerspruch, das Publikum ist bestens unterhalten. Anschließend fliehe ich vor Cosplay-Kindern und Besucheransturm zum Bahnhof. Und im Zug, wieder über das Buch des Kollegen Merkel gebeugt, denke ich, ganz nach Camus, dass man sich den Autonama-Spieler an diesem Tag als einen glücklichen Menschen vorstellen muss. Bis zum nächsten Spiel zumindest...

Deutschland – Frankreich 5:2 (3:0)

Tore:
1:0 Witte nach Vorlage von Rinke (11.)
2:0 Afanasjew nach Vorlage von Eilenberger (24.)
3:0 Reinartz nach Vorlage von Witte (37.)
4:0 Afanasjew nach Vorlage von Eilenberger (48.)
5:0 Ehrmann nach Vorlage von Afanasjew: (61.)
5:1 Klupp (Eigentor/62.)
5:2 Frankreich (87.)

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