Andreas Köpke: "Imponiert hat mir Brauns Standhaftigkeit"

Andreas Köpke wurde 1996 mit der Fußball-Nationalmannschaft Europameister. Als Oliver Bierhoff mit seinem Golden Goal gegen Tschechien den dritten EM-Titel für Deutschland sicherte, hütete Köpke etwa 100 Meter entfernt das Tor der Nationalelf. Mit auf der Tribüne im Wembley-Stadion dabei: DFB-Präsident Egidius Braun. Der heutige Bundestorwarttrainer erinnert sich.

Während meiner Jahre als Deutschlands Nummer 1 war Egidius Braun die Nummer 1 des DFB. Das verbindet. Dazu empfinden wir beide eine besondere Sympathie für unser Nachbarland Frankreich. Und wir haben beide in einem Frühjahr das Licht der Welt erblickt. Er an einem 27. Februar, ich am 12. März. Uns trennen also 37 Jahre und rund zwei Wochen.

Während meiner Zeit als deutscher Nationalspieler sind wir uns oft begegnet. Etwa 1996 nach dem EM-Gewinn in unserer ziemlich ausgelassenen deutschen Kabine. Oft auch nach einem Länderspiel, wenn der DFB-Präsident traditionsgemäß noch mal zur Mannschaft spricht. Das konnte er übrigens hervorragend, vorbereitet, aber auch aus dem Stegreif. Und wir haben gerne zugehört, denn er erzählte immer sehr lebendig. Ich weiß noch 1990, Braun war damals noch Schatzmeister und wir waren gerade Weltmeister geworden. Irgendwann rief die Mannschaft zusammen: "Egidius, rück' die Kohle raus." Darüber konnte er lachen, wahrscheinlich typisch Rheinländer.

Braun hielt an Vogts fest

Imponiert hat mir Brauns Standhaftigkeit nach dem WM-Aus 1994 gegen Bulgarien. Berti Vogts hatte sich unmittelbar vor dem Turnier für Bodo Illgner entschieden und ich reiste als Nummer zwei in die USA. Später sagte Vogts, dass ich nicht gespielt habe, sei sein einziger Fehler gewesen. Noch in den USA entschuldigte er sich bei mir. Im letzten Gruppenspiel schlugen wir Südkorea 3:2, ein Spiel, das wegen Stefan Effenbergs Geste zu ein paar Zuschauern im Geschichtsbuch steht. Braun war es, der knallhart blieb, wir Spieler hätten Stefan gerne bei der Mannschaft behalten. Aber Egidius Braun war zu keinem Kompromiss bereit. Effenberg flog zurück nach Deutschland.

Im Achtelfinale gegen Belgien spielten wir wie entfesselt. Rudi traf, Klinsi auch. Aber dann folgte die schlimme Pleite. Wir hatten die Chance zum 2:0, doch am Ende hieß es 2:1 für die Bulgaren. Uns als Spielern war völlig klar, dass der Trainer jetzt unter Beschuss geraten würde. Es gibt dieses schlimme Foto, wie Berti einsam am großen, runden Essenstisch sitzt. Das war natürlich unfair, die anderen waren einfach ans Buffet gegangen und der Fotograf nutzte den Moment. Eine Zeitung druckte einen oder zwei Tage später auf einer ganzen Seite ein Kündigungsschreiben, "Unterschreiben Sie hier, Herr Vogts", stand darunter. Aber Egidius Braun hielt stand. Wegen seines sozialen Engagements hatten manche gedacht, Braun fehle für das raue Fußballgeschäft die nötige Härte. Wahrscheinlich wäre es leicht gewesen, damals den Trainer rauszu­werfen. Der DFB-Präsident hätte dafür bestimmt viel öffentlichen Applaus bekommen. Aber Braun hielt an Vogts fest. Und zwei Jahre später wurden wir mit Berti Europameister. 

Braun prägt den DFB bis heute

Egidius Braun hat den DFB geprägt. Die von ihm gestartete Mexico-Hilfe begann 1986 und läuft bis heute – phänomenal. Zuletzt unterstützte die Stiftung Vereine, die geflüchtete Menschen zum Fußballspielen einluden und im Klub aufnahmen. Jonathan Tah ist Botschafter der DFB-Stiftung Egidius Braun

Fußball ist vor allem und erst mal ein überragendes Spiel. Was zählt, passiert auf dem Platz. Aber Egidius Braun hat trotzdem bis heute recht. Es gibt diesen Mehrwert des Spiels. Denn Fußball ist mehr als ein 1:0. Gerade merken wir doch, wie wichtig in unserer Gesellschaft der Zusammenhalt ist. Auch wenn der sich leider gerade jetzt durch zwei Meter Abstand ausdrückt.

Andreas Köpke wurde als Spieler (1990) und Torwarttrainer (2014) der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister. Seine Parade gegen Gareth Southgate im Elfmeterschießen des Halbfinales machte den EM-Gewinn 1996 überhaupt erst möglich. Mit 0,76 Gegentoren pro Länderspiel im Durchschnitt weist er die beste Quote aller Torhüter mit mehr als 20 Einsätzen auf. Viermal ehrten ihn die Journalisten als besten Torhüter Deutschlands, 1996 als Welttorhüter des Jahres.
 

[dfb]

Andreas Köpke wurde 1996 mit der Fußball-Nationalmannschaft Europameister. Als Oliver Bierhoff mit seinem Golden Goal gegen Tschechien den dritten EM-Titel für Deutschland sicherte, hütete Köpke etwa 100 Meter entfernt das Tor der Nationalelf. Mit auf der Tribüne im Wembley-Stadion dabei: DFB-Präsident Egidius Braun. Der heutige Bundestorwarttrainer erinnert sich.

Während meiner Jahre als Deutschlands Nummer 1 war Egidius Braun die Nummer 1 des DFB. Das verbindet. Dazu empfinden wir beide eine besondere Sympathie für unser Nachbarland Frankreich. Und wir haben beide in einem Frühjahr das Licht der Welt erblickt. Er an einem 27. Februar, ich am 12. März. Uns trennen also 37 Jahre und rund zwei Wochen.

Während meiner Zeit als deutscher Nationalspieler sind wir uns oft begegnet. Etwa 1996 nach dem EM-Gewinn in unserer ziemlich ausgelassenen deutschen Kabine. Oft auch nach einem Länderspiel, wenn der DFB-Präsident traditionsgemäß noch mal zur Mannschaft spricht. Das konnte er übrigens hervorragend, vorbereitet, aber auch aus dem Stegreif. Und wir haben gerne zugehört, denn er erzählte immer sehr lebendig. Ich weiß noch 1990, Braun war damals noch Schatzmeister und wir waren gerade Weltmeister geworden. Irgendwann rief die Mannschaft zusammen: "Egidius, rück' die Kohle raus." Darüber konnte er lachen, wahrscheinlich typisch Rheinländer.

Braun hielt an Vogts fest

Imponiert hat mir Brauns Standhaftigkeit nach dem WM-Aus 1994 gegen Bulgarien. Berti Vogts hatte sich unmittelbar vor dem Turnier für Bodo Illgner entschieden und ich reiste als Nummer zwei in die USA. Später sagte Vogts, dass ich nicht gespielt habe, sei sein einziger Fehler gewesen. Noch in den USA entschuldigte er sich bei mir. Im letzten Gruppenspiel schlugen wir Südkorea 3:2, ein Spiel, das wegen Stefan Effenbergs Geste zu ein paar Zuschauern im Geschichtsbuch steht. Braun war es, der knallhart blieb, wir Spieler hätten Stefan gerne bei der Mannschaft behalten. Aber Egidius Braun war zu keinem Kompromiss bereit. Effenberg flog zurück nach Deutschland.

Im Achtelfinale gegen Belgien spielten wir wie entfesselt. Rudi traf, Klinsi auch. Aber dann folgte die schlimme Pleite. Wir hatten die Chance zum 2:0, doch am Ende hieß es 2:1 für die Bulgaren. Uns als Spielern war völlig klar, dass der Trainer jetzt unter Beschuss geraten würde. Es gibt dieses schlimme Foto, wie Berti einsam am großen, runden Essenstisch sitzt. Das war natürlich unfair, die anderen waren einfach ans Buffet gegangen und der Fotograf nutzte den Moment. Eine Zeitung druckte einen oder zwei Tage später auf einer ganzen Seite ein Kündigungsschreiben, "Unterschreiben Sie hier, Herr Vogts", stand darunter. Aber Egidius Braun hielt stand. Wegen seines sozialen Engagements hatten manche gedacht, Braun fehle für das raue Fußballgeschäft die nötige Härte. Wahrscheinlich wäre es leicht gewesen, damals den Trainer rauszu­werfen. Der DFB-Präsident hätte dafür bestimmt viel öffentlichen Applaus bekommen. Aber Braun hielt an Vogts fest. Und zwei Jahre später wurden wir mit Berti Europameister. 

Braun prägt den DFB bis heute

Egidius Braun hat den DFB geprägt. Die von ihm gestartete Mexico-Hilfe begann 1986 und läuft bis heute – phänomenal. Zuletzt unterstützte die Stiftung Vereine, die geflüchtete Menschen zum Fußballspielen einluden und im Klub aufnahmen. Jonathan Tah ist Botschafter der DFB-Stiftung Egidius Braun

Fußball ist vor allem und erst mal ein überragendes Spiel. Was zählt, passiert auf dem Platz. Aber Egidius Braun hat trotzdem bis heute recht. Es gibt diesen Mehrwert des Spiels. Denn Fußball ist mehr als ein 1:0. Gerade merken wir doch, wie wichtig in unserer Gesellschaft der Zusammenhalt ist. Auch wenn der sich leider gerade jetzt durch zwei Meter Abstand ausdrückt.

Andreas Köpke wurde als Spieler (1990) und Torwarttrainer (2014) der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister. Seine Parade gegen Gareth Southgate im Elfmeterschießen des Halbfinales machte den EM-Gewinn 1996 überhaupt erst möglich. Mit 0,76 Gegentoren pro Länderspiel im Durchschnitt weist er die beste Quote aller Torhüter mit mehr als 20 Einsätzen auf. Viermal ehrten ihn die Journalisten als besten Torhüter Deutschlands, 1996 als Welttorhüter des Jahres.
 

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