Shad Forsythe: "Wir wussten: Wir werden immer stärker"

Shad Forsythe ist jetzt ein Gunner. Zehn Jahre lang machte er die deutschen Nationalspieler fit. Nach dem WM-Triumph wechselte er zum Premier-League-Traditionsklub FC Arsenal, und soll dort helfen, den ersten Meistertitel seit 2004 zu holen. Der Guardian nennt Forsythe "Wengers beste Neuverpflichtung". DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth sprach mit Arsenals neuem Fitness-Chef über zehn Jahre Nationalmannschaft, vier unvergessliche WM-Wochen und sein blutendes "schwarz-rot-goldenes Herz".

DFB.de: Wie kam der Kontakt zu Arsenal zustande?

Shad Forsythe:: Im Mai bin ich nach London geflogen und habe mich mit Arsène Wenger getroffen. Damals lag noch kein Jobangebot auf dem Tisch. Wir wollten uns erstmal kennenlernen.

DFB.de: Welche Aufgabe übernehmen Sie konkret?

Forsythe: Auf meiner Visitenkarte steht "Head of Athletic Performance Enhancement". Ich bin verantwortlich für die Fitness der Mannschaft. Dazu zählt die Trainingsarbeit, auch am Spieltag. Heute Abend fliegen wir bereits nach Istanbul für ein CL-Qualifikationsspiel gegen Besiktas. Dazu zählt aber auch die Vernetzung im Klub, etwa zwischen den Abteilungen Fitness und Medizin. Arsenal verfügt über herausragende Experten in jedem Bereich.

DFB.de: Wie waren die ersten Trainingseinheiten mit den Gunners?

Forsythe: Es hilft schon, wenn Du sozusagen mit einer WM-Goldmedaille um den Hals zu ersten Trainingseinheit kommst. lacht Wichtig für meine Arbeit ist das Vertrauen der Spieler, und ich spüre jetzt, wie es mir schneller gelingt, die Spieler zu erreichen.

DFB.de: Mit Per Mertesacker, Mesut Özil und Lukas Podolski stehen drei deutsche Nationalspieler unter Vertrag. Hat das deutsche Trio für Sie geworben?

Forsythe: Vielleicht ein wenig, aber das war nicht ausschlaggebend. Mir war es jetzt auch wichtig, dass ich rund drei Wochen vor Rückkehr von Per, Mesut und Lukas mit dem Team trainieren konnte. Ich wollte einen eigenen Draht zu den Arsenal-Profis entwickeln, und nicht über die Deutschen im Team etwas aufbauen.

DFB.de: Zehn Jahre warten Nick Hornby und Millionen anderer Arsenal-Fans jetzt schon auf den Meistertitel. Im vergangenen Jahr stoppten Arsenal auch einige langwierige Verletzungen. Gerade an der präventiven Wirkung ihres Fitnesstrainings werden Sie gemessen werden.

Forsythe: Die Erwartungshaltung unter Arsenals Anhängern ist immer, dass wir um den Titel mitspielen. Arsenal hat immer eine Topmannschaft. Die Kritik, dass der Kader nicht tief genug aufgestellt sei, dürfte nach den regen Aktivitäten im Sommer nicht mehr ziehen. Präventiv ist sicher die Dosierung des Trainings entscheidend, sowohl die Frequenz wie auch die Intensität der Einheiten. Unser Ansatz ist immer individuell, wir berücksichtigen die biomechanischen Grundlagen für jeden Spieler, um mit ihnen so die besten Voraussetzungen zu schaffen, dass unsere Mannschaft gesund bleibt und damit Ergebnisse erzielt.

DFB.de: Englische Klubs sind häufig im Einsatz.

Forsythe: Absolut. Es gibt keine Winterpause, die Liga hat 20 statt 18 Teams, es gibt einen kompletten zweiten Pokalwettbewerb. Und Arsenal spielt immer in der Champions League. Wenn wir erfolgreich spielen, kommen wir auf deutlich über 60 Pflichtspiele in einer Saison. Wir brauchen einen großen Kader.

DFB.de: Sprechen wir über das Team, das sie vor Arsenal trainiert haben. Sie waren zehn Jahre Fitnesstrainer der Nationalmannschaft. Spüren Sie Abschiedsschmerz?

Forsythe: Mein Herz blutet, keine Frage. Ich bin ja Amerikaner, aber mein Herz ist schwarz, rot und golden, und wird es immer sein. Für den DFB und die deutschen Spieler über ein Jahrzehnt zu arbeiten, war eine unglaubliche Erfahrung.

DFB.de: Weshalb haben Sie sich für den Wechsel entschieden?

Forsythe: Es war sicher keine Entscheidung gegen den DFB, sondern für Arsenal. Ich wollte nicht die Nationalmannschaft verlassen, aber ich wollte diese neue Herausforderung in der Premier League angehen.

DFB.de: Sie haben mit Ihrer Familie seit einigen Jahren in München gelebt. Was macht der Umzug?

Forsythe: Liegt bereits hinter uns, wir richten uns gerade hier in London ein. Beide Kinder sprechen deutsch, und ich werde darauf achten, dass sie ihr Deutsch nicht verlernen. München war über sechs Jahre unsere Heimat. Vielleicht kehren wir wieder mal zurück. Meine Frau und ich haben uns in Deutschland sehr wohl gefühlt.

DFB.de: London ist auch eine aufregende Stadt.

Forsythe:: In den paar Wochen hier habe ich eigentlich nur den Trainingsplatz und das Stadion gesehen.

DFB.de: Hatten Sie denn Zeit, die WM noch mal auszuwerten? Addiert ist die deutsche Mannschaft pro Spiel im Schnitt 113 Kilometer gelaufen, die Gegner im Schnitt rund 100 Kilometer. Wie fit war die Mannschaft in Brasilien?

Forsythe: Jedenfalls war sie im letzten Spiel des Turniers viel fitter als zum Start gegen Portugal. Das war unser Plan. Wir wollten nicht zu Beginn in Topform sein, sondern uns während des Turniers steigern. Lahm, Khedira und Schweinsteiger kamen angeschlagen oder mit einem Fitnessrückstand ins Trainingslager nach Südtirol. Wir wussten, dass wir vor dem Turnier improvisieren mussten, aber dass wir mit jedem Tag fitter werden würden. Özil ist im Finale unglaublich viel gelaufen. Thomas Müller war der laufstärkste Spieler der WM. Joachim Löw glaubte daran, dass seine Mannschaft gegen Portugal gewinnen würde, auch wenn wir fitness-mäßig den Scheitelpunkt noch nicht erreicht hatten. So kam es dann auch.

DFB.de: Wie war die Zusammenarbeit mit dem Bundestrainer in den zehn Jahren?

Forsythe:: Ich muss da auch Jürgen Klinsmann nennen, der Mark Verstegen und mich damals zur deutschen Mannschaft gebracht hat. Jogi Löw war die ersten zwei Jahre Assistent, dann übernahm er als Chef. Löw ist der perfekte Bundestrainer. Er passt zu 100 Prozent zu dem Jobprofil eines Nationaltrainers heute. Zum Beispiel, weil er sich in den verschiedenen Feldern top-professionelle Leute holt. Er delegiert, er vertraut, er legt Wert auf Meinung, aber am Ende entscheidet er. In Brasilien hat er an jedem Tag, in jedem Training, bei jedem Spiel immer richtig entschieden.

DFB.de: In Südtirol gab es Störgeräusche, auch einen schlimmen Unfall. Waren Sie besorgt nach den zehn Tagen Trainingslager?

Forsythe: Charakter entsteht nicht durch Widrigkeiten, aber er offenbart sich im Angesicht von Widrigkeiten. Ist eine amerikanische Sportweisheit, und in Südtirol entwickelte sich das alles so. Wir spürten Gegenwind, wir mussten schwierige Tage überstehen, aber die Nationalspieler brachte das immer enger zusammen. Dass wir Trainingsspiele gegen die U 20-Junioren bestreiten konnten, war ebenfalls ein großes Plus. Diese Jungs haben sich voll reingekniet, die Intensität war großartig. Nach Südtirol waren wir bereit für Portugal.

DFB.de: Wie zufrieden waren Sie mit dem gesamten Rahmen – also den Trainingsplätzen, den Krafträumen, den Möglichkeiten für das Regenerationstraining?

Forsythe: Alles perfekt. Der DFB schafft hier immer wahre Wunder. Auch als Fitnesstrainer empfinde ich da wirklich Dankbarkeit für die Weitsicht und Gestaltungskraft von Präsident Wolfgang Niersbach und unserem Manager Oliver Bierhoff, genauso für den Einsatz von (Büroleiter) Georg Behlau und (Reisebüro-Chef) Wolfgang Wirthmann. Den Effekt des Campo Bahia kann man nicht überwerten. Nach jedem Sieg sagten die Spieler: "Auf geht's, wir fahren nach Hause". Sie haben nicht von der Rückkehr ins Hotel oder ins Basecamp gesprochen. Das Campo war ein echtes Zuhause.

DFB.de: Sind Sie früher schon mal mit der Fähre zu einem Spiel gefahren?

Forsythe: Nie. lacht

DFB.de: Sie sprechen von einer "Leistungskultur", die innerhalb einer Mannschaft entstehen muss. Jetzt ist man Weltmeister. Wie groß ist die Gefahr des Nachlassens, also dass die innere Einstellung sich verändert?

Forsythe: Philipp Lahm und Miro Klose und Per Mertesacker sind zurückgetreten, also einige aus der 2004er Generation. In der Nationalmannschaft beginnt jetzt eine neue Ära. Die U 21-Europameister von 2009 übernehmen jetzt eine größere Rolle. Diese jungen Spieler müssen sich jetzt der Herausforderung stellen. Ich glaube, dass der Hunger nach dem nächsten Titel nicht nachlassen wird. Die Generation 2009 sind Sieger. Sie zweifeln nie, sie gehen davon aus, dass sie siegen werden. Das wird auch in Frankreich und Russland so sein.

DFB.de: Haben Sie mit Per Mertesacker nach seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft gesprochen?

Forsythe: Ich habe ihn einfach umarmt und zu einer unglaublichen Karriere als Nationalspieler gratuliert. Er ist auch ein wirklich toller Mensch. Schön, dass ich hier bei Arsenal weiter mit ihm zusammenarbeiten darf.

DFB.de: Vor 40 Jahren wurden Sie in Wenatchee im Bundesstaat Washington geboren, also im nordöstlichen Zipfel der USA. Wenatchee hat heute 30.000 Einwohner und nennt sich selbst "Apple Capital of the World". Ahnten Sie, dass Sie mal im Weltfußball ankommen würden?

Forsythe: Vor 41 Jahren.

DFB.de: Sie werden langsam alt.

Forsythe: Danke, das ist sehr nett. Aber nein, das war natürlich überhaupt nicht zu erahnen. In Wenatachee lag übrigens nur das Krankenhaus, aufgewachsen bin in ich in Twisp, einer Ortschaft mit 860 Einwohnern. Als kleiner Junge war ich total verrückt nach Sport, aber es waren eher die Pittsburgh Steelers und Dallas Cowboys, für die ich mich begeisterte. Ich wusste also, dass ich mal im Sport arbeiten wollte. Über meine Arbeit für Mark Verstegen und EXOS kam ich nach Deutschland. Ich hatte Glück. Auch für den kleinen Jungen aus Twisp war das WM-Finale ein großer Traum, der plötzlich Wirklichkeit war. Besser geht's nicht.

DFB.de: Wer wird Sie bei der Nationalmannschaft ersetzen?

Forsythe: Wir arbeiten an einer Lösung. Für die beiden Spiele im September gegen Argentinien und Schottland komme ich noch mal, um mich bei allen zu verabschieden.

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Shad Forsythe ist jetzt ein Gunner. Zehn Jahre lang machte er die deutschen Nationalspieler fit. Nach dem WM-Triumph wechselte er zum Premier-League-Traditionsklub FC Arsenal, und soll dort helfen, den ersten Meistertitel seit 2004 zu holen. Der Guardian nennt Forsythe "Wengers beste Neuverpflichtung". DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth sprach mit Arsenals neuem Fitness-Chef über zehn Jahre Nationalmannschaft, vier unvergessliche WM-Wochen und sein blutendes "schwarz-rot-goldenes Herz".

DFB.de: Wie kam der Kontakt zu Arsenal zustande?

Shad Forsythe:: Im Mai bin ich nach London geflogen und habe mich mit Arsène Wenger getroffen. Damals lag noch kein Jobangebot auf dem Tisch. Wir wollten uns erstmal kennenlernen.

DFB.de: Welche Aufgabe übernehmen Sie konkret?

Forsythe: Auf meiner Visitenkarte steht "Head of Athletic Performance Enhancement". Ich bin verantwortlich für die Fitness der Mannschaft. Dazu zählt die Trainingsarbeit, auch am Spieltag. Heute Abend fliegen wir bereits nach Istanbul für ein CL-Qualifikationsspiel gegen Besiktas. Dazu zählt aber auch die Vernetzung im Klub, etwa zwischen den Abteilungen Fitness und Medizin. Arsenal verfügt über herausragende Experten in jedem Bereich.

DFB.de: Wie waren die ersten Trainingseinheiten mit den Gunners?

Forsythe: Es hilft schon, wenn Du sozusagen mit einer WM-Goldmedaille um den Hals zu ersten Trainingseinheit kommst. lacht Wichtig für meine Arbeit ist das Vertrauen der Spieler, und ich spüre jetzt, wie es mir schneller gelingt, die Spieler zu erreichen.

DFB.de: Mit Per Mertesacker, Mesut Özil und Lukas Podolski stehen drei deutsche Nationalspieler unter Vertrag. Hat das deutsche Trio für Sie geworben?

Forsythe: Vielleicht ein wenig, aber das war nicht ausschlaggebend. Mir war es jetzt auch wichtig, dass ich rund drei Wochen vor Rückkehr von Per, Mesut und Lukas mit dem Team trainieren konnte. Ich wollte einen eigenen Draht zu den Arsenal-Profis entwickeln, und nicht über die Deutschen im Team etwas aufbauen.

DFB.de: Zehn Jahre warten Nick Hornby und Millionen anderer Arsenal-Fans jetzt schon auf den Meistertitel. Im vergangenen Jahr stoppten Arsenal auch einige langwierige Verletzungen. Gerade an der präventiven Wirkung ihres Fitnesstrainings werden Sie gemessen werden.

Forsythe: Die Erwartungshaltung unter Arsenals Anhängern ist immer, dass wir um den Titel mitspielen. Arsenal hat immer eine Topmannschaft. Die Kritik, dass der Kader nicht tief genug aufgestellt sei, dürfte nach den regen Aktivitäten im Sommer nicht mehr ziehen. Präventiv ist sicher die Dosierung des Trainings entscheidend, sowohl die Frequenz wie auch die Intensität der Einheiten. Unser Ansatz ist immer individuell, wir berücksichtigen die biomechanischen Grundlagen für jeden Spieler, um mit ihnen so die besten Voraussetzungen zu schaffen, dass unsere Mannschaft gesund bleibt und damit Ergebnisse erzielt.

DFB.de: Englische Klubs sind häufig im Einsatz.

Forsythe: Absolut. Es gibt keine Winterpause, die Liga hat 20 statt 18 Teams, es gibt einen kompletten zweiten Pokalwettbewerb. Und Arsenal spielt immer in der Champions League. Wenn wir erfolgreich spielen, kommen wir auf deutlich über 60 Pflichtspiele in einer Saison. Wir brauchen einen großen Kader.

DFB.de: Sprechen wir über das Team, das sie vor Arsenal trainiert haben. Sie waren zehn Jahre Fitnesstrainer der Nationalmannschaft. Spüren Sie Abschiedsschmerz?

Forsythe: Mein Herz blutet, keine Frage. Ich bin ja Amerikaner, aber mein Herz ist schwarz, rot und golden, und wird es immer sein. Für den DFB und die deutschen Spieler über ein Jahrzehnt zu arbeiten, war eine unglaubliche Erfahrung.

DFB.de: Weshalb haben Sie sich für den Wechsel entschieden?

Forsythe: Es war sicher keine Entscheidung gegen den DFB, sondern für Arsenal. Ich wollte nicht die Nationalmannschaft verlassen, aber ich wollte diese neue Herausforderung in der Premier League angehen.

DFB.de: Sie haben mit Ihrer Familie seit einigen Jahren in München gelebt. Was macht der Umzug?

Forsythe: Liegt bereits hinter uns, wir richten uns gerade hier in London ein. Beide Kinder sprechen deutsch, und ich werde darauf achten, dass sie ihr Deutsch nicht verlernen. München war über sechs Jahre unsere Heimat. Vielleicht kehren wir wieder mal zurück. Meine Frau und ich haben uns in Deutschland sehr wohl gefühlt.

DFB.de: London ist auch eine aufregende Stadt.

Forsythe:: In den paar Wochen hier habe ich eigentlich nur den Trainingsplatz und das Stadion gesehen.

DFB.de: Hatten Sie denn Zeit, die WM noch mal auszuwerten? Addiert ist die deutsche Mannschaft pro Spiel im Schnitt 113 Kilometer gelaufen, die Gegner im Schnitt rund 100 Kilometer. Wie fit war die Mannschaft in Brasilien?

Forsythe: Jedenfalls war sie im letzten Spiel des Turniers viel fitter als zum Start gegen Portugal. Das war unser Plan. Wir wollten nicht zu Beginn in Topform sein, sondern uns während des Turniers steigern. Lahm, Khedira und Schweinsteiger kamen angeschlagen oder mit einem Fitnessrückstand ins Trainingslager nach Südtirol. Wir wussten, dass wir vor dem Turnier improvisieren mussten, aber dass wir mit jedem Tag fitter werden würden. Özil ist im Finale unglaublich viel gelaufen. Thomas Müller war der laufstärkste Spieler der WM. Joachim Löw glaubte daran, dass seine Mannschaft gegen Portugal gewinnen würde, auch wenn wir fitness-mäßig den Scheitelpunkt noch nicht erreicht hatten. So kam es dann auch.

DFB.de: Wie war die Zusammenarbeit mit dem Bundestrainer in den zehn Jahren?

Forsythe:: Ich muss da auch Jürgen Klinsmann nennen, der Mark Verstegen und mich damals zur deutschen Mannschaft gebracht hat. Jogi Löw war die ersten zwei Jahre Assistent, dann übernahm er als Chef. Löw ist der perfekte Bundestrainer. Er passt zu 100 Prozent zu dem Jobprofil eines Nationaltrainers heute. Zum Beispiel, weil er sich in den verschiedenen Feldern top-professionelle Leute holt. Er delegiert, er vertraut, er legt Wert auf Meinung, aber am Ende entscheidet er. In Brasilien hat er an jedem Tag, in jedem Training, bei jedem Spiel immer richtig entschieden.

DFB.de: In Südtirol gab es Störgeräusche, auch einen schlimmen Unfall. Waren Sie besorgt nach den zehn Tagen Trainingslager?

Forsythe: Charakter entsteht nicht durch Widrigkeiten, aber er offenbart sich im Angesicht von Widrigkeiten. Ist eine amerikanische Sportweisheit, und in Südtirol entwickelte sich das alles so. Wir spürten Gegenwind, wir mussten schwierige Tage überstehen, aber die Nationalspieler brachte das immer enger zusammen. Dass wir Trainingsspiele gegen die U 20-Junioren bestreiten konnten, war ebenfalls ein großes Plus. Diese Jungs haben sich voll reingekniet, die Intensität war großartig. Nach Südtirol waren wir bereit für Portugal.

DFB.de: Wie zufrieden waren Sie mit dem gesamten Rahmen – also den Trainingsplätzen, den Krafträumen, den Möglichkeiten für das Regenerationstraining?

Forsythe: Alles perfekt. Der DFB schafft hier immer wahre Wunder. Auch als Fitnesstrainer empfinde ich da wirklich Dankbarkeit für die Weitsicht und Gestaltungskraft von Präsident Wolfgang Niersbach und unserem Manager Oliver Bierhoff, genauso für den Einsatz von (Büroleiter) Georg Behlau und (Reisebüro-Chef) Wolfgang Wirthmann. Den Effekt des Campo Bahia kann man nicht überwerten. Nach jedem Sieg sagten die Spieler: "Auf geht's, wir fahren nach Hause". Sie haben nicht von der Rückkehr ins Hotel oder ins Basecamp gesprochen. Das Campo war ein echtes Zuhause.

DFB.de: Sind Sie früher schon mal mit der Fähre zu einem Spiel gefahren?

Forsythe: Nie. lacht

DFB.de: Sie sprechen von einer "Leistungskultur", die innerhalb einer Mannschaft entstehen muss. Jetzt ist man Weltmeister. Wie groß ist die Gefahr des Nachlassens, also dass die innere Einstellung sich verändert?

Forsythe: Philipp Lahm und Miro Klose und Per Mertesacker sind zurückgetreten, also einige aus der 2004er Generation. In der Nationalmannschaft beginnt jetzt eine neue Ära. Die U 21-Europameister von 2009 übernehmen jetzt eine größere Rolle. Diese jungen Spieler müssen sich jetzt der Herausforderung stellen. Ich glaube, dass der Hunger nach dem nächsten Titel nicht nachlassen wird. Die Generation 2009 sind Sieger. Sie zweifeln nie, sie gehen davon aus, dass sie siegen werden. Das wird auch in Frankreich und Russland so sein.

DFB.de: Haben Sie mit Per Mertesacker nach seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft gesprochen?

Forsythe: Ich habe ihn einfach umarmt und zu einer unglaublichen Karriere als Nationalspieler gratuliert. Er ist auch ein wirklich toller Mensch. Schön, dass ich hier bei Arsenal weiter mit ihm zusammenarbeiten darf.

DFB.de: Vor 40 Jahren wurden Sie in Wenatchee im Bundesstaat Washington geboren, also im nordöstlichen Zipfel der USA. Wenatchee hat heute 30.000 Einwohner und nennt sich selbst "Apple Capital of the World". Ahnten Sie, dass Sie mal im Weltfußball ankommen würden?

Forsythe: Vor 41 Jahren.

DFB.de: Sie werden langsam alt.

Forsythe: Danke, das ist sehr nett. Aber nein, das war natürlich überhaupt nicht zu erahnen. In Wenatachee lag übrigens nur das Krankenhaus, aufgewachsen bin in ich in Twisp, einer Ortschaft mit 860 Einwohnern. Als kleiner Junge war ich total verrückt nach Sport, aber es waren eher die Pittsburgh Steelers und Dallas Cowboys, für die ich mich begeisterte. Ich wusste also, dass ich mal im Sport arbeiten wollte. Über meine Arbeit für Mark Verstegen und EXOS kam ich nach Deutschland. Ich hatte Glück. Auch für den kleinen Jungen aus Twisp war das WM-Finale ein großer Traum, der plötzlich Wirklichkeit war. Besser geht's nicht.

DFB.de: Wer wird Sie bei der Nationalmannschaft ersetzen?

Forsythe: Wir arbeiten an einer Lösung. Für die beiden Spiele im September gegen Argentinien und Schottland komme ich noch mal, um mich bei allen zu verabschieden.