Masannek: "Wenn ich Fußball gucke, bin ich immer noch 13"

Joachim Masannek kommt gerade aus dem Schneideraum. Dort bearbeitet er seinen neuesten Kinofilm: "V8 hoch2 - Die Rache der Nitros". Zudem erscheint am 13. März 2014 der 3. Band "V8 - Zeig, wer du bist". Gleichzeitig denkt er über die Realisierung der sechsten Folge von den "Wilden Kerlen" nach. Der 53 Jahre alte Regisseur und Autor hat mit der Kinderserie eine große Erfolgsgeschichte geschrieben. Mittlerweile sind 15 Bände über die Fußballkerle erschienen, die inzwischen in elf Sprachen übersetzt und in über 30 Länder verkauft wurden. Zuletzt nach Mexiko und Brasilien. Als Vorlage für die Stories diente die Mannschaft seiner Söhne.

Die besten Geschichten schreibt eben doch noch das Leben – vor allen wenn der Fußball eine Rolle spielt. Davon ist zumindest Joachim Masannek überzeugt. Im fanclub.dfb.de-Interview mit DFB-Redakteur Niels Barnhofer spricht er über Regeln, Verantwortung, Vertrauen und die fußballtote Zeit.

fanclub.dfb.de: Herr Masannek, wie zufrieden sind Sie derzeit mit der Nachwuchsförderung im deutschen Fußball?

Joachim Masannek: Im Vergleich zu der Zeit um die Jahrtausendwende sehr zufrieden. Es schaffen immer mehr Jugendspieler den Sprung in den Profi-Bereich.

fanclub.dfb.de: Wie wichtig ist Ihnen das Thema?

Joachim Masannek: Als ich die „Wilden Kerle“ rausgebracht habe, habe ich gesagt, dass Fußball eine unheimlich wichtige Sportart ist, weil sie das Leben widerspiegelt. Es gibt nichts Besseres.

fanclub.dfb.de: Können Sie das genauer erklären?

Joachim Masannek: Es gibt keine Verniedlichung des Spiels. Kinder spielen nach den gleichen Regeln wie Erwachsene. Auf dem Platz ist jeder Spieler – egal, welchen Alters – unabhängig und damit auch verantwortlich für sein Tun.

fanclub.dfb.de: Welche Bilder haben Sie vor Augen?

Joachim Masannek: Man kennt das ja bei Jugendspielen: Wenn die Eltern um das Spielfeld herum stehen und die Kinder mit Forderungen bombardieren. Aber sie können nichts machen. Das Kind macht auf dem Platz, was es will. Das Kind entscheidet: Mache ich es alleine oder versuche ich die Situation im Team zu lösen. Das ist die Zweigleisigkeit, die man überall im Leben findet.

fanclub.dfb.de: Eine Lehre fürs Leben?

Joachim Masannek: Man lernt, Verantwortung zu tragen. Auch dann, wenn man etwas falsch macht. Denn im Sport haben Fehler eine unmittelbare Konsequenz. Und ich kann dann nicht sagen, ich habe es nicht extra gemacht. Es gibt halt einen Freistoß, wenn man ein Foul gegangen hat – auch wenn man es nicht extra gemacht hat. Es kann sogar passieren, dass man dafür Rot sieht. Es gelten Regeln, daran muss man sich halten. Das ist eine ganz wichtige Sache. Gerade für Kinder. Die brauchen ganz viele Regeln.

fanclub.dfb.de: Warum ist Fußball ihr Sport geworden?

Joachim Masannek: Ich bin 1960 in Bockum-Hövel, am Rand des Ruhrgebiets geboren. Da gab es nichts anderes. Da hab ich mit vier meinen ersten Fußball bekommen. Man hat mich ins Tor gestellt. Ich war eigentlich viel zu klein dafür. Denn das waren noch diese Lederbälle, die sich vollgesaugt haben bei Regen, die dann schwer wie Bleikugeln wurden. Ich hatte ein Dortmund-Trikot und bin dann mit sechs Jahren Bayern-Fan geworden, weil Sepp Maier mein Idol war.

fanclub.dfb.de: Wie hat sich Ihre Fußball-Leidenschaft intensiviert?

Joachim Masannek: Für mich gab es diese fußballtote Zeit. Das war Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre. Obwohl Deutschland 1990 Weltmeister geworden ist. Damals gab es Boris Becker und Steffi Graf, dann kam Michael Schumacher und irgendwann wurde der Box-Sport ganz groß. Ich bin durch meine Kinder zurück zum Fußball gekommen. Mein Sohn kam, als er dreieinhalb war, aus dem Kindergarten und sagte: Ich will jetzt in der Bundesliga spielen!

fanclub.dfb.de: Das Vorhaben ist ja nicht verkehrt!

Joachim Masannek: Ich habe ihn dennoch gefragt, ob er nicht der Meinung sei, dass er zu klein sei. Darauf erwiderte er, ich solle mit ihm Fernsehen schauen, dort seien die Spieler auch nur so groß.

fanclub.dfb.de: Das hat eine kindliche Logik.

Joachim Masannek: Genau. Kinder sehen Fußball-Spieler immer als Erwachsene an. Wenn ich ehrlich bin: Ich mache das immer noch. Wenn ich Fußball gucke, bin ich immer noch 13. Umgekehrt: Wenn meine Kinder gespielt haben, haben sie sich als Erwachsene angesehen. Mein Sohn hatte sich mit fünf Jahren mal das Deutschland-Trikot angezogen und wollte in den Fernseher springen, weil er dachte, die Nationalmannschaft würde sonst verlieren.

fanclub.dfb.de: Da steckt viel Fantasie drin. Auch in Ihren Büchern?

Joachim Masannek: Die "Wilden Kerle" gab es wirklich. Das war die Mannschaft meiner Kinder. Einer wollte unbedingt bei den Bayern spielen. Weil er erst drei Jahre alt war, haben sie ihn nicht genommen. Er wollte aber nicht warten, bis er sechs ist. Deswegen ist er hier in Grünwald in die G-Jugend, also in die Pampers-Liga gegangen. Und so haben sich die Jungs kennengelernt. Also die Wilden Kerle-Charaktere, die in den Büchern vorkommen, die gibt es auch in Wirklichkeit. Ich habe aus den Geschichten, die die Kinder erlebten, die Bücher gemacht. Später wurde es dann ein wenig fantastischer, weil sie auch größer geworden sind.

fanclub.dfb.de: Sind die Botschaften der Geschichten auch gelebt worden?

Joachim Masannek: Ich habe zur Weltmeisterschaft eine neue Geschichte geschrieben. Da müssen die "Wilden Kerle" mit nach Brasilien fahren. Mit der Nationalmannschaft. Und dabei erteilen Sie den Nationalspielern den Rat, dass sie Fußball wieder so spielen, wie sie es als Kind begonnen haben. Nämlich als etwas, was man mit den besten Freunden macht.

fanclub.dfb.de: Elf Freunde sollt ihr sein – ist das tatsächlich immer noch so?

Joachim Masannek: Ich glaube, der Fußball ist unheimlich schnell geworden. Das heißt, er funktioniert nur, wenn sich die Spieler untereinander sehr gut kennen. Wenn sie wissen, wie der andere denkt. Bei Kindern ist das so, dass man das erreicht, wenn man mit ihnen auch ganz viele Sachen außerhalb der Fußballfeldes unternimmt. Wir haben zum Beispiel ein Baumhaus gebaut, wir haben Mutproben gemacht, wir haben Ausflüge gemacht, wir haben einfach Sachen unternommen, damit sie sich kennenlernen. Auch weil sie aus verschiedenen Schulen kamen und sich nur auf dem Fußballplatz trafen.

fanclub.dfb.de: Haben Sie mit dem Erfolg der "Wilden Kerle" gerechnet?

Joachim Masannek: Nein, damit hat keiner gerechnet. Mein Verlag hatte mir anfangs gesagt, dass Bücher über Fußball gar nicht funktionieren. Es hieß, Jungen lesen nicht. Außerdem habe ich die Bücher auch noch schwarz gemacht, weil meine Jungs damals in schwarzen Trikots spielten. Aber Bücher werden von Müttern, Tanten und Omas gekauft, und die wollen angeblich keine schwarzen Bücher haben. Das ging also alles gegen den Strich. Kurzum: Es war unheimlich schwierig. Aber irgendwie hat es dann doch geklappt. Meine Hoffnung war dann, dass man den Fußball mit persönlichen Schicksalen und Problemen verbindet, dass das dann funktioniert.

fanclub.dfb.de: Können Sie das näher erklären?

Joachim Masannek: Ich meine, wenn man Fußball guckt, den reinen Sport, dann reicht es, am Ende ein Ergebnis präsentiert zu bekommen. Es geht um Sieg und Niederlage. Aber wenn man eine dramaturgische Geschichte erzählen will, dann muss der Fußball das Transport-Mittel für persönliche Konflikte sein. Er muss Spiegel des Lebens sein. Zum Beispiel: Es kommt ein neuer Spieler in die Mannschaft und der macht einem Stammspieler die Position streitig – wie geht er, der Trainer, die Mitspieler damit um.

fanclub.dfb.de: Haben die Bücher auch einen praktischen Wert – etwa für Trainer?

Joachim Masannek: Es gibt ganz viele Trainer, die die Bücher gelesen haben. Und die sagen, dass sich das Spielverhalten ihrer Kinder nach der Lektüre geändert hat. Als ich die "Wilden Kerle" trainiert habe, wollten sie eigentlich immer nur gewinnen. Sie haben ziemlich gut gespielt, zuweilen sogar mal 13:0 oder 14:0 gewonnen. Da habe ich sie einfach im nächst älteren Jahrgang angemeldet. Und da haben wir im ersten halben Jahr zunächst einmal nicht mehr wie selbstverständlich gewonnen. Das rief auch einige Eltern auf die Tagesordnung, weil sie meinten, ich würde die Kinder unter Druck setzen und zu sehr belasten. Aber dann haben wir in der Rückrunde gegen die Mannschaften, gegen die wir in der Hinrunde noch verloren hatten, gewonnen oder zumindest unentschieden gespielt. Also: Die Jungs sind an ihrer Aufgabe gewachsen. Und das haben mir ganz viele Trainer bestätigt. Ich habe auch davon gehört, dass die Geschichten von Ärzten oder Psychologen benutzt wurden.

fanclub.dfb.de: Was muss ein Jugend-Trainer heutzutage mitbringen?

Joachim Masannek: Heutzutage leben wir in einer Gesellschaft, die nicht erwachsen werden will. Erwachsen sein heißt, Verantwortung übernehmen zu müssen. Wir leben in einer Welt, in der Kinder etwas erleben, bevor sie etwas dafür getan haben. Bedürfnisse müssen sofort befriedigt werden. Kinder werden immer ungeduldiger und die Toleranz-Schwelle wird immer niedriger. Aber das Gefühl, wie sich das Netz beim Tor-Erfolg bauscht, das kann keine Playstation ersetzen. Es gibt nichts Besseres.

fanclub.dfb.de: Wie gefährlich ist es denn für Kinder, zu oft und zu lange vor dem Computer zu sitzen?

Joachim Masannek: Ich trainiere mit einem Freund zusammen eine Mannschaft. Da können einige nicht rückwärts laufen. Es gibt verschiedene derartige Tendenzen. Als ich die "Wilden Kerle" trainiert hatte, war ich auch der Meinung, dass die Körperlichkeit zwischen den Kindern abhanden geht. Früher haben Jungs untereinander gerauft. Das war eine Art, um Zuneigung auszudrücken. Das haben meine Söhne teilweise auch mit mir gemacht. Aber irgendwann haben sie es nicht mehr gemacht. Sie hatten sogar Schwierigkeiten, sich in den Arm zu nehmen, wenn sie ein Tor geschossen hatten.

fanclub.dfb.de: Warum finden Sie das wichtig?

Joachim Masannek: Ich finde, wenn man sich umarmt, gibt man dem anderen Kraft. Das Umarmen ist auch ein Zeichen des Zusammenwachsens. Das ist etwas, was man den Kindern zeigen muss. Das ist anstrengend, keine Frage. Aber ich denke, es ist auch vor dem Hintergrund wichtig zu lernen, weil es immer mal wieder Durststrecken gibt. Man kann zwölfe Jahre lang leidenschaftlicher Fußballer gewesen sein, aber dann ist es vorbei. Das hat ganz viel mit Reflexion zu tun. Weil viele denken, sie können alles, sie können Fußball-Profi werden, sie können Weltmeister werden. Aber dann kommen die ersten Enttäuschungen, dann stagniert die Entwicklung und viele hören dann auf. Auch meinen Söhnen ging es so. Sie haben zwar später wieder angefangen, aber wenn man Fußball professionell betreiben will, dann darf man sich diese Pause nicht gönnen. Wenn man da nicht viele Talente verlieren will, muss man denen das Gefühl geben, dass man Vertrauen in sie hat.

fanclub.dfb.de: Würden Sie gerne mal von sich behaupten können, einen Nationalspieler mitausgebildet zu haben?

Joachim Masannek: Nein, so weit denke ich nicht. Ich habe ja nur die "Wilden Kerle" trainiert. Zwölf bis 16 Jungs. Und von denen ist keiner Nationalspieler geworden. Aber vielleicht mache ich ja mal wieder was. Mein Ansatz, den ich versuche zu vermitteln, ist, zunächst einmal so gut zu sein, wie man es selbst kann. Das ist die erste Voraussetzung. Man muss zunächst mit sich selbst zufrieden sein. Sich seine eigene Grenze setzen. Und dann kann man weiterschauen.

fanclub.dfb.de: Was halten Sie derzeit von der Nationalmannschaft?

Joachim Masannek: Das ist die beste Nationalmannschaft, die wir seit langer Zeit haben. Ich weiß nicht, ob sie so gut ist wie die 72er oder 74er Mannschaft, aber sie ist verdammt gut. Ich hoffe, dass sie in Brasilien Weltmeister wird.

fanclub.dfb.de: Der Titel 2014: Wäre er Futter für eine neue Folge der "Wilden Kerle"?

Joachim Masannek: Nein, denn das einzige, was ich aktuell am Fußball nicht mag, ist die Schnelllebigkeit. Ich bin mit Günter Netzer groß geworden. Er galt als Verräter, weil er zu Real Madrid wechselte und durfte deswegen nicht im Finale um den DFB-Pokal für Borussia Mönchengladbach auflaufen. Damals waren die Spieler mit ihrem Verein noch enger verbunden. Für mich ist das etwas ganz Wichtiges. Auch bei Bayern München. Ich könnte mir den Verein ohne Bastian Schweinsteiger oder Philipp Lahm nur schwer vorstellen. Das ist wichtig auch für Bücher. Denn die sollten auch in zehn Jahren aktuell und lesbar sein, das wäre aber schwierig, wenn man über Spieler berichtet, die schön längst in einem anderen Verein spielen.

[nb]

Joachim Masannek kommt gerade aus dem Schneideraum. Dort bearbeitet er seinen neuesten Kinofilm: "V8 hoch2 - Die Rache der Nitros". Zudem erscheint am 13. März 2014 der 3. Band "V8 - Zeig, wer du bist". Gleichzeitig denkt er über die Realisierung der sechsten Folge von den "Wilden Kerlen" nach. Der 53 Jahre alte Regisseur und Autor hat mit der Kinderserie eine große Erfolgsgeschichte geschrieben. Mittlerweile sind 15 Bände über die Fußballkerle erschienen, die inzwischen in elf Sprachen übersetzt und in über 30 Länder verkauft wurden. Zuletzt nach Mexiko und Brasilien. Als Vorlage für die Stories diente die Mannschaft seiner Söhne.

Die besten Geschichten schreibt eben doch noch das Leben – vor allen wenn der Fußball eine Rolle spielt. Davon ist zumindest Joachim Masannek überzeugt. Im fanclub.dfb.de-Interview mit DFB-Redakteur Niels Barnhofer spricht er über Regeln, Verantwortung, Vertrauen und die fußballtote Zeit.

fanclub.dfb.de: Herr Masannek, wie zufrieden sind Sie derzeit mit der Nachwuchsförderung im deutschen Fußball?

Joachim Masannek: Im Vergleich zu der Zeit um die Jahrtausendwende sehr zufrieden. Es schaffen immer mehr Jugendspieler den Sprung in den Profi-Bereich.

fanclub.dfb.de: Wie wichtig ist Ihnen das Thema?

Joachim Masannek: Als ich die „Wilden Kerle“ rausgebracht habe, habe ich gesagt, dass Fußball eine unheimlich wichtige Sportart ist, weil sie das Leben widerspiegelt. Es gibt nichts Besseres.

fanclub.dfb.de: Können Sie das genauer erklären?

Joachim Masannek: Es gibt keine Verniedlichung des Spiels. Kinder spielen nach den gleichen Regeln wie Erwachsene. Auf dem Platz ist jeder Spieler – egal, welchen Alters – unabhängig und damit auch verantwortlich für sein Tun.

fanclub.dfb.de: Welche Bilder haben Sie vor Augen?

Joachim Masannek: Man kennt das ja bei Jugendspielen: Wenn die Eltern um das Spielfeld herum stehen und die Kinder mit Forderungen bombardieren. Aber sie können nichts machen. Das Kind macht auf dem Platz, was es will. Das Kind entscheidet: Mache ich es alleine oder versuche ich die Situation im Team zu lösen. Das ist die Zweigleisigkeit, die man überall im Leben findet.

fanclub.dfb.de: Eine Lehre fürs Leben?

Joachim Masannek: Man lernt, Verantwortung zu tragen. Auch dann, wenn man etwas falsch macht. Denn im Sport haben Fehler eine unmittelbare Konsequenz. Und ich kann dann nicht sagen, ich habe es nicht extra gemacht. Es gibt halt einen Freistoß, wenn man ein Foul gegangen hat – auch wenn man es nicht extra gemacht hat. Es kann sogar passieren, dass man dafür Rot sieht. Es gelten Regeln, daran muss man sich halten. Das ist eine ganz wichtige Sache. Gerade für Kinder. Die brauchen ganz viele Regeln.

fanclub.dfb.de: Warum ist Fußball ihr Sport geworden?

Joachim Masannek: Ich bin 1960 in Bockum-Hövel, am Rand des Ruhrgebiets geboren. Da gab es nichts anderes. Da hab ich mit vier meinen ersten Fußball bekommen. Man hat mich ins Tor gestellt. Ich war eigentlich viel zu klein dafür. Denn das waren noch diese Lederbälle, die sich vollgesaugt haben bei Regen, die dann schwer wie Bleikugeln wurden. Ich hatte ein Dortmund-Trikot und bin dann mit sechs Jahren Bayern-Fan geworden, weil Sepp Maier mein Idol war.

fanclub.dfb.de: Wie hat sich Ihre Fußball-Leidenschaft intensiviert?

Joachim Masannek: Für mich gab es diese fußballtote Zeit. Das war Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre. Obwohl Deutschland 1990 Weltmeister geworden ist. Damals gab es Boris Becker und Steffi Graf, dann kam Michael Schumacher und irgendwann wurde der Box-Sport ganz groß. Ich bin durch meine Kinder zurück zum Fußball gekommen. Mein Sohn kam, als er dreieinhalb war, aus dem Kindergarten und sagte: Ich will jetzt in der Bundesliga spielen!

fanclub.dfb.de: Das Vorhaben ist ja nicht verkehrt!

Joachim Masannek: Ich habe ihn dennoch gefragt, ob er nicht der Meinung sei, dass er zu klein sei. Darauf erwiderte er, ich solle mit ihm Fernsehen schauen, dort seien die Spieler auch nur so groß.

fanclub.dfb.de: Das hat eine kindliche Logik.

Joachim Masannek: Genau. Kinder sehen Fußball-Spieler immer als Erwachsene an. Wenn ich ehrlich bin: Ich mache das immer noch. Wenn ich Fußball gucke, bin ich immer noch 13. Umgekehrt: Wenn meine Kinder gespielt haben, haben sie sich als Erwachsene angesehen. Mein Sohn hatte sich mit fünf Jahren mal das Deutschland-Trikot angezogen und wollte in den Fernseher springen, weil er dachte, die Nationalmannschaft würde sonst verlieren.

fanclub.dfb.de: Da steckt viel Fantasie drin. Auch in Ihren Büchern?

Joachim Masannek: Die "Wilden Kerle" gab es wirklich. Das war die Mannschaft meiner Kinder. Einer wollte unbedingt bei den Bayern spielen. Weil er erst drei Jahre alt war, haben sie ihn nicht genommen. Er wollte aber nicht warten, bis er sechs ist. Deswegen ist er hier in Grünwald in die G-Jugend, also in die Pampers-Liga gegangen. Und so haben sich die Jungs kennengelernt. Also die Wilden Kerle-Charaktere, die in den Büchern vorkommen, die gibt es auch in Wirklichkeit. Ich habe aus den Geschichten, die die Kinder erlebten, die Bücher gemacht. Später wurde es dann ein wenig fantastischer, weil sie auch größer geworden sind.

fanclub.dfb.de: Sind die Botschaften der Geschichten auch gelebt worden?

Joachim Masannek: Ich habe zur Weltmeisterschaft eine neue Geschichte geschrieben. Da müssen die "Wilden Kerle" mit nach Brasilien fahren. Mit der Nationalmannschaft. Und dabei erteilen Sie den Nationalspielern den Rat, dass sie Fußball wieder so spielen, wie sie es als Kind begonnen haben. Nämlich als etwas, was man mit den besten Freunden macht.

fanclub.dfb.de: Elf Freunde sollt ihr sein – ist das tatsächlich immer noch so?

Joachim Masannek: Ich glaube, der Fußball ist unheimlich schnell geworden. Das heißt, er funktioniert nur, wenn sich die Spieler untereinander sehr gut kennen. Wenn sie wissen, wie der andere denkt. Bei Kindern ist das so, dass man das erreicht, wenn man mit ihnen auch ganz viele Sachen außerhalb der Fußballfeldes unternimmt. Wir haben zum Beispiel ein Baumhaus gebaut, wir haben Mutproben gemacht, wir haben Ausflüge gemacht, wir haben einfach Sachen unternommen, damit sie sich kennenlernen. Auch weil sie aus verschiedenen Schulen kamen und sich nur auf dem Fußballplatz trafen.

fanclub.dfb.de: Haben Sie mit dem Erfolg der "Wilden Kerle" gerechnet?

Joachim Masannek: Nein, damit hat keiner gerechnet. Mein Verlag hatte mir anfangs gesagt, dass Bücher über Fußball gar nicht funktionieren. Es hieß, Jungen lesen nicht. Außerdem habe ich die Bücher auch noch schwarz gemacht, weil meine Jungs damals in schwarzen Trikots spielten. Aber Bücher werden von Müttern, Tanten und Omas gekauft, und die wollen angeblich keine schwarzen Bücher haben. Das ging also alles gegen den Strich. Kurzum: Es war unheimlich schwierig. Aber irgendwie hat es dann doch geklappt. Meine Hoffnung war dann, dass man den Fußball mit persönlichen Schicksalen und Problemen verbindet, dass das dann funktioniert.

fanclub.dfb.de: Können Sie das näher erklären?

Joachim Masannek: Ich meine, wenn man Fußball guckt, den reinen Sport, dann reicht es, am Ende ein Ergebnis präsentiert zu bekommen. Es geht um Sieg und Niederlage. Aber wenn man eine dramaturgische Geschichte erzählen will, dann muss der Fußball das Transport-Mittel für persönliche Konflikte sein. Er muss Spiegel des Lebens sein. Zum Beispiel: Es kommt ein neuer Spieler in die Mannschaft und der macht einem Stammspieler die Position streitig – wie geht er, der Trainer, die Mitspieler damit um.

fanclub.dfb.de: Haben die Bücher auch einen praktischen Wert – etwa für Trainer?

Joachim Masannek: Es gibt ganz viele Trainer, die die Bücher gelesen haben. Und die sagen, dass sich das Spielverhalten ihrer Kinder nach der Lektüre geändert hat. Als ich die "Wilden Kerle" trainiert habe, wollten sie eigentlich immer nur gewinnen. Sie haben ziemlich gut gespielt, zuweilen sogar mal 13:0 oder 14:0 gewonnen. Da habe ich sie einfach im nächst älteren Jahrgang angemeldet. Und da haben wir im ersten halben Jahr zunächst einmal nicht mehr wie selbstverständlich gewonnen. Das rief auch einige Eltern auf die Tagesordnung, weil sie meinten, ich würde die Kinder unter Druck setzen und zu sehr belasten. Aber dann haben wir in der Rückrunde gegen die Mannschaften, gegen die wir in der Hinrunde noch verloren hatten, gewonnen oder zumindest unentschieden gespielt. Also: Die Jungs sind an ihrer Aufgabe gewachsen. Und das haben mir ganz viele Trainer bestätigt. Ich habe auch davon gehört, dass die Geschichten von Ärzten oder Psychologen benutzt wurden.

fanclub.dfb.de: Was muss ein Jugend-Trainer heutzutage mitbringen?

Joachim Masannek: Heutzutage leben wir in einer Gesellschaft, die nicht erwachsen werden will. Erwachsen sein heißt, Verantwortung übernehmen zu müssen. Wir leben in einer Welt, in der Kinder etwas erleben, bevor sie etwas dafür getan haben. Bedürfnisse müssen sofort befriedigt werden. Kinder werden immer ungeduldiger und die Toleranz-Schwelle wird immer niedriger. Aber das Gefühl, wie sich das Netz beim Tor-Erfolg bauscht, das kann keine Playstation ersetzen. Es gibt nichts Besseres.

fanclub.dfb.de: Wie gefährlich ist es denn für Kinder, zu oft und zu lange vor dem Computer zu sitzen?

Joachim Masannek: Ich trainiere mit einem Freund zusammen eine Mannschaft. Da können einige nicht rückwärts laufen. Es gibt verschiedene derartige Tendenzen. Als ich die "Wilden Kerle" trainiert hatte, war ich auch der Meinung, dass die Körperlichkeit zwischen den Kindern abhanden geht. Früher haben Jungs untereinander gerauft. Das war eine Art, um Zuneigung auszudrücken. Das haben meine Söhne teilweise auch mit mir gemacht. Aber irgendwann haben sie es nicht mehr gemacht. Sie hatten sogar Schwierigkeiten, sich in den Arm zu nehmen, wenn sie ein Tor geschossen hatten.

fanclub.dfb.de: Warum finden Sie das wichtig?

Joachim Masannek: Ich finde, wenn man sich umarmt, gibt man dem anderen Kraft. Das Umarmen ist auch ein Zeichen des Zusammenwachsens. Das ist etwas, was man den Kindern zeigen muss. Das ist anstrengend, keine Frage. Aber ich denke, es ist auch vor dem Hintergrund wichtig zu lernen, weil es immer mal wieder Durststrecken gibt. Man kann zwölfe Jahre lang leidenschaftlicher Fußballer gewesen sein, aber dann ist es vorbei. Das hat ganz viel mit Reflexion zu tun. Weil viele denken, sie können alles, sie können Fußball-Profi werden, sie können Weltmeister werden. Aber dann kommen die ersten Enttäuschungen, dann stagniert die Entwicklung und viele hören dann auf. Auch meinen Söhnen ging es so. Sie haben zwar später wieder angefangen, aber wenn man Fußball professionell betreiben will, dann darf man sich diese Pause nicht gönnen. Wenn man da nicht viele Talente verlieren will, muss man denen das Gefühl geben, dass man Vertrauen in sie hat.

fanclub.dfb.de: Würden Sie gerne mal von sich behaupten können, einen Nationalspieler mitausgebildet zu haben?

Joachim Masannek: Nein, so weit denke ich nicht. Ich habe ja nur die "Wilden Kerle" trainiert. Zwölf bis 16 Jungs. Und von denen ist keiner Nationalspieler geworden. Aber vielleicht mache ich ja mal wieder was. Mein Ansatz, den ich versuche zu vermitteln, ist, zunächst einmal so gut zu sein, wie man es selbst kann. Das ist die erste Voraussetzung. Man muss zunächst mit sich selbst zufrieden sein. Sich seine eigene Grenze setzen. Und dann kann man weiterschauen.

fanclub.dfb.de: Was halten Sie derzeit von der Nationalmannschaft?

Joachim Masannek: Das ist die beste Nationalmannschaft, die wir seit langer Zeit haben. Ich weiß nicht, ob sie so gut ist wie die 72er oder 74er Mannschaft, aber sie ist verdammt gut. Ich hoffe, dass sie in Brasilien Weltmeister wird.

fanclub.dfb.de: Der Titel 2014: Wäre er Futter für eine neue Folge der "Wilden Kerle"?

Joachim Masannek: Nein, denn das einzige, was ich aktuell am Fußball nicht mag, ist die Schnelllebigkeit. Ich bin mit Günter Netzer groß geworden. Er galt als Verräter, weil er zu Real Madrid wechselte und durfte deswegen nicht im Finale um den DFB-Pokal für Borussia Mönchengladbach auflaufen. Damals waren die Spieler mit ihrem Verein noch enger verbunden. Für mich ist das etwas ganz Wichtiges. Auch bei Bayern München. Ich könnte mir den Verein ohne Bastian Schweinsteiger oder Philipp Lahm nur schwer vorstellen. Das ist wichtig auch für Bücher. Denn die sollten auch in zehn Jahren aktuell und lesbar sein, das wäre aber schwierig, wenn man über Spieler berichtet, die schön längst in einem anderen Verein spielen.