Karlheinz Förster: Der Hundert-Prozent-Mann

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Treter mit dem Engelsgesicht. So tauften ihn die Medien. Zu Unrecht, denn Karlheinz Förster spielte einfach nur mit größtmöglichem Einsatz. Hundert Prozent, mindestens. Der kompromissloseste Manndecker in der Geschichte des deutschen Fußballs. Und dabei fair. Nur einmal sah er Rot in seiner Laufbahn, im Januar 1982, ein Bundesligaspiel gegen Fortuna Düsseldorf.

Und dennoch, er schonte nicht den Gegner und sich selbst erst recht nicht, so und nicht anders verstand er den Fußball über elf Jahre und in 272 Bundesliga-Spielen für den VfB Stuttgart. Bevor 1986 Bernard Tapie ins Schwabenland flog und Förster zu Olympique Marseille wechselte. Meister mit Stuttgart, zweimal Meister und einmal Pokalsieger mit Marseille, Europameister 1980, zweimal Vizeweltmeister. 1982 kürten ihn die Journalisten zu Deutschlands Fußballer des Jahres. Für seinen großen Einsatz zahlt er heute den Tribut.

"Schmerzen begannen bereits zum Ende meiner Karriere"

"Das ist der Verschleiß", sagt Karlheinz Förster, der zur Abreise der deutschen Nationalmannschaft für das Länderspiel in Paris nach Frankfurt gekommen war. Viermal schon wurde er am rechten Knöchel operiert. Vor ein paar Jahren mussten die Ärzte ein Fußgelenk versteifen. "Die Schmerzen begannen bereits zum Ende meiner Karriere. Und es wurde nicht besser." Erst im November lag er wieder unter dem Messer. Jetzt trägt er einen dicken Schuh, der fixiert das Gelenk und schränkt ihn beim Gehen stark ein. Die deutsche WM-Mannschaft, die 1982 in der "Nacht von Sevilla" ein 1:3 in der Verlängerung des Halbfinales noch egalisierte und Frankreich vom Elfmeterpunkt aus dem Turnier schoss – Förster war dabei gewesen. Hatte erst Six ausgeschaltet und danach Platini das Leben schwer gemacht.

Jetzt wäre er gerne mitgefahren, zum silbernen Jubiläum in der deutsch-französischen Länderspielhistorie. In Paris wurde am Mittwoch das 25. Länderspiel zwischen den europäischen Nachbarn ausgetragen. Der DFB hatte das Team von 1982 eingeladen. Briegel, Fischer, Magath, Hansi Müller, Matthäus, Stielike, Reinders und Wilfried Hannes reisten also in die französische Hauptstadt und sahen dort den 2:1-Sieg des aktuellen DFB-Teams. Und trafen dort mit Torwart Jean Ettori, Maxime Bossis, Gerard Janvion, Marius Tresor, Bernard Genghini, Alain Giresse und Dominique Rocheteau gleich auf sieben Spieler der damaligen Anfangself der Franzosen. Das Jubiläum der Elysée-Verträge, die Besiegelung der deutsch-französischen Freundschaft vor 50 Jahren, lieferte einen weiteren Anlass für das Wiedersehen.

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Die Erinnerungen an den Thriller von Sevilla

Aber Förster musste absagen. "Das wäre mit dem gerade operierten Knöcheln nicht sinnvoll gewesen." So gerne wäre er mitgekommen. Wenn er zurückdenkt an den 8. Juli 1982 im Estadio Ramon Sánchez Pizjuán, an die heiße Sommernacht bei über 30 Grad Celsius, an das erste WM-Spiel, das im Elfmeterschießen entschieden wurde, an die spielerisch beste Partie des Turniers, an den "Thriller von Sevilla", dann denkt er daran, dass "Jupp Derwall mich in der ersten Halbzeit auf rechter Verteidiger gestellt hat, direkt gegen Didier Six. Mein Bruder Bernd hat Vorstopper gespielt. In der Pause stellte Derwall um und ich wechselte ins defensive Mittelfeld, stand jetzt als Sechser, nun gegen Michel Platini."

Den Ball auf Patrick Battiston in der 57. Spielminute, auch den sieht er noch in der Erinnerung, an Toni Schumachers Sprung, der den Franzosen voll erwischte. Angebrochener Halswirbel, eine Gehirnerschütterung. "Im Spiel sah das gar nicht so schlimm aus, aber später am Fernseher bin ich schon erschrocken." Auch als die Franzosen schon nach zwei Minuten der Verlängerung durch Marius Trésor in Führung gingen und Alain Giresse sechs Minuten später auf 3:1 erhöhte – aufgegeben hat Karlheinz Förster nie.

Ist nicht in seinen Genen, widerspricht seiner Persönlichkeit. Nie hat er angefangen zu Golfen, denn: "Beim Golfen kann man nicht kämpfen." Innerlich die weiße Fahne hissen? "Nein, so denkt man nicht auf dem Feld, wir wussten, dass wir nur das 2:3 machen müssen und alles wäre wieder offen." So kam es: Der eingewechselte Karl-Heinz Rummenigge traf zum 2:3, dann Klaus Fischer spektakulär per Fallrückzieher zum 3:3. Später zum Tor des Jahres 1982 gewählt.

Förster wird schnell zum Publikumsliebling

Die Franzosen waren draußen, und Deutschland drin – im WM-Finale. Vier Jahre später zog es Förster selbst nach Frankreich, an die Cote d'Azur, nach Marseille. "Wir haben die Sachen und die Kinder in meinen Mercedes gepackt und sind runter gefahren. So war das damals. Der Fußball klappte gleich gut – gemeinsam mit Jean-Pierre Papin war ich schnell Publikumsliebling. Dazu hatten wir ein Haus mit Pool und von März bis November herrliches Wetter. Ein wenig Fußballfranzösisch hatte ich mir auch schnell angeeignet."

Sein Sohn besuchte eine französische Grundschule, der heute 32-jährige Claudio spricht seitdem akzentfreies Französisch. Mit seiner Frau Petra lebt er inzwischen in Mosbach bei Sinsheim, ganz in der Nähe seines Geburtsortes Schwarzach. Seine Töchter Alina und Valery leben in der Nachbarschaft. Das freut ihn, das versteht er heute als Lebensqualität.

Nachdem er zwischenzeitlich auch mal beim VfB Stuttgart den Sportdirektor gab, ist er bis heute auch beruflich dem Fußball treu geblieben. Als Spielerberater vertritt er Aaron Hunt, Alex Meier, Alexander Esswein, Sebastian Rudy, Daniel Didavi und noch ein paar andere junge Bundesligaspieler. "Den großen Stress muss ich mir nicht mehr antun", sagt er. "So kann ich mir die Arbeit ein wenig einteilen. Natürlich hat sich der Fußball extrem verändert, aber gewisse Werte, gewisse Erfahrungen helfen meinen jungen Spielern heute weiter." Förster sagt: "Talent garantiert nicht den Erfolg, das sind nur 50 Prozent. Wille und Geduld sind auch extrem wichtig." Von allem hatte er als Spieler genug.

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Treter mit dem Engelsgesicht. So tauften ihn die Medien. Zu Unrecht, denn Karlheinz Förster spielte einfach nur mit größtmöglichem Einsatz. Hundert Prozent, mindestens. Der kompromissloseste Manndecker in der Geschichte des deutschen Fußballs. Und dabei fair. Nur einmal sah er Rot in seiner Laufbahn, im Januar 1982, ein Bundesligaspiel gegen Fortuna Düsseldorf.

Und dennoch, er schonte nicht den Gegner und sich selbst erst recht nicht, so und nicht anders verstand er den Fußball über elf Jahre und in 272 Bundesliga-Spielen für den VfB Stuttgart. Bevor 1986 Bernard Tapie ins Schwabenland flog und Förster zu Olympique Marseille wechselte. Meister mit Stuttgart, zweimal Meister und einmal Pokalsieger mit Marseille, Europameister 1980, zweimal Vizeweltmeister. 1982 kürten ihn die Journalisten zu Deutschlands Fußballer des Jahres. Für seinen großen Einsatz zahlt er heute den Tribut.

"Schmerzen begannen bereits zum Ende meiner Karriere"

"Das ist der Verschleiß", sagt Karlheinz Förster, der zur Abreise der deutschen Nationalmannschaft für das Länderspiel in Paris nach Frankfurt gekommen war. Viermal schon wurde er am rechten Knöchel operiert. Vor ein paar Jahren mussten die Ärzte ein Fußgelenk versteifen. "Die Schmerzen begannen bereits zum Ende meiner Karriere. Und es wurde nicht besser." Erst im November lag er wieder unter dem Messer. Jetzt trägt er einen dicken Schuh, der fixiert das Gelenk und schränkt ihn beim Gehen stark ein. Die deutsche WM-Mannschaft, die 1982 in der "Nacht von Sevilla" ein 1:3 in der Verlängerung des Halbfinales noch egalisierte und Frankreich vom Elfmeterpunkt aus dem Turnier schoss – Förster war dabei gewesen. Hatte erst Six ausgeschaltet und danach Platini das Leben schwer gemacht.

Jetzt wäre er gerne mitgefahren, zum silbernen Jubiläum in der deutsch-französischen Länderspielhistorie. In Paris wurde am Mittwoch das 25. Länderspiel zwischen den europäischen Nachbarn ausgetragen. Der DFB hatte das Team von 1982 eingeladen. Briegel, Fischer, Magath, Hansi Müller, Matthäus, Stielike, Reinders und Wilfried Hannes reisten also in die französische Hauptstadt und sahen dort den 2:1-Sieg des aktuellen DFB-Teams. Und trafen dort mit Torwart Jean Ettori, Maxime Bossis, Gerard Janvion, Marius Tresor, Bernard Genghini, Alain Giresse und Dominique Rocheteau gleich auf sieben Spieler der damaligen Anfangself der Franzosen. Das Jubiläum der Elysée-Verträge, die Besiegelung der deutsch-französischen Freundschaft vor 50 Jahren, lieferte einen weiteren Anlass für das Wiedersehen.

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Die Erinnerungen an den Thriller von Sevilla

Aber Förster musste absagen. "Das wäre mit dem gerade operierten Knöcheln nicht sinnvoll gewesen." So gerne wäre er mitgekommen. Wenn er zurückdenkt an den 8. Juli 1982 im Estadio Ramon Sánchez Pizjuán, an die heiße Sommernacht bei über 30 Grad Celsius, an das erste WM-Spiel, das im Elfmeterschießen entschieden wurde, an die spielerisch beste Partie des Turniers, an den "Thriller von Sevilla", dann denkt er daran, dass "Jupp Derwall mich in der ersten Halbzeit auf rechter Verteidiger gestellt hat, direkt gegen Didier Six. Mein Bruder Bernd hat Vorstopper gespielt. In der Pause stellte Derwall um und ich wechselte ins defensive Mittelfeld, stand jetzt als Sechser, nun gegen Michel Platini."

Den Ball auf Patrick Battiston in der 57. Spielminute, auch den sieht er noch in der Erinnerung, an Toni Schumachers Sprung, der den Franzosen voll erwischte. Angebrochener Halswirbel, eine Gehirnerschütterung. "Im Spiel sah das gar nicht so schlimm aus, aber später am Fernseher bin ich schon erschrocken." Auch als die Franzosen schon nach zwei Minuten der Verlängerung durch Marius Trésor in Führung gingen und Alain Giresse sechs Minuten später auf 3:1 erhöhte – aufgegeben hat Karlheinz Förster nie.

Ist nicht in seinen Genen, widerspricht seiner Persönlichkeit. Nie hat er angefangen zu Golfen, denn: "Beim Golfen kann man nicht kämpfen." Innerlich die weiße Fahne hissen? "Nein, so denkt man nicht auf dem Feld, wir wussten, dass wir nur das 2:3 machen müssen und alles wäre wieder offen." So kam es: Der eingewechselte Karl-Heinz Rummenigge traf zum 2:3, dann Klaus Fischer spektakulär per Fallrückzieher zum 3:3. Später zum Tor des Jahres 1982 gewählt.

Förster wird schnell zum Publikumsliebling

Die Franzosen waren draußen, und Deutschland drin – im WM-Finale. Vier Jahre später zog es Förster selbst nach Frankreich, an die Cote d'Azur, nach Marseille. "Wir haben die Sachen und die Kinder in meinen Mercedes gepackt und sind runter gefahren. So war das damals. Der Fußball klappte gleich gut – gemeinsam mit Jean-Pierre Papin war ich schnell Publikumsliebling. Dazu hatten wir ein Haus mit Pool und von März bis November herrliches Wetter. Ein wenig Fußballfranzösisch hatte ich mir auch schnell angeeignet."

Sein Sohn besuchte eine französische Grundschule, der heute 32-jährige Claudio spricht seitdem akzentfreies Französisch. Mit seiner Frau Petra lebt er inzwischen in Mosbach bei Sinsheim, ganz in der Nähe seines Geburtsortes Schwarzach. Seine Töchter Alina und Valery leben in der Nachbarschaft. Das freut ihn, das versteht er heute als Lebensqualität.

Nachdem er zwischenzeitlich auch mal beim VfB Stuttgart den Sportdirektor gab, ist er bis heute auch beruflich dem Fußball treu geblieben. Als Spielerberater vertritt er Aaron Hunt, Alex Meier, Alexander Esswein, Sebastian Rudy, Daniel Didavi und noch ein paar andere junge Bundesligaspieler. "Den großen Stress muss ich mir nicht mehr antun", sagt er. "So kann ich mir die Arbeit ein wenig einteilen. Natürlich hat sich der Fußball extrem verändert, aber gewisse Werte, gewisse Erfahrungen helfen meinen jungen Spielern heute weiter." Förster sagt: "Talent garantiert nicht den Erfolg, das sind nur 50 Prozent. Wille und Geduld sind auch extrem wichtig." Von allem hatte er als Spieler genug.