Merle Frohms: "Da war ich voller Adrenalin"

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs - er wurde an diesem Datum vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Rund um den Jubiläumstag widmet DFB.de dem Frauen- und Mädchenfußball eine Themenwoche. Mit vielen Geschichten, Interviews, Porträts und interessanten Fakten. Heute: Merle Frohms und ihre Ziele mit den DFB-Frauen.

Eigentlich hatte sich Merle Frohms schon auf das besondere Duell der Frauen-Nationalmannschaft gegen England gefreut, das am heutigen Dienstag stattfinden sollte. Doch wegen eines positiven Corona-Falls eines Mitglieds des Funktionsteams der "Lionesses" sagte der englische Verband das Länderspiel in Wiesbaden kurzfristig ab. Die Enttäuschung war groß, obgleich die Entscheidung akzeptiert und respektiert wurde. So bleiben bis zur Neuauflage des Klassikers erst einmal nur die Erinnerungen an ein denkwürdiges Duell im November vergangenen Jahres, bei dem Frohms eine tragende Rolle spielte.

Es ist die 36. Spielminute, die Merle Frohms noch lange in Erinnerung bleiben wird. Die Engländerin Beth Mead rennt nach einem Steilpass allein auf die Torhüterin zu. Frohms stürzt sich auf den Ball und bringt dabei die Gegnerin zu Fall. Vor den Augen der 77.768 Zuschauer im Londoner Wembleystadion zückt Schiedsrichterin Stéphanie Frappart die Gelbe Karte und zeigt auf den Elfmeterpunkt. Nikita Parris wittert ihre Chance, zum 1:1 auszugleichen, läuft an, zielt in die Mitte und schießt. Frohms taucht ins rechte Eck ab, reißt aber geistesgegenwärtig ihr linkes Bein hoch und hält den Elfmeter, den sie zuvor selbst verschuldet hat.

"Du hast hier einen Job zu erledigen"

"In dem Moment war ich so voller Adrenalin, dass ich nur gedacht habe: Du hast hier einen Job zu erledigen", erinnert sich die 25-Jährige. Und das tat die gebürtige Niedersächsin souverän, auch weil sie im Spiel nur einen Gegentreffer hinnehmen musste. Sekunden vor dem Elfmeter fasste die Keeperin einen klaren Gedanken: "Obwohl ich eher der Spielertyp bin, der schnell hadert, blieb ich fokussiert und habe mir gesagt, dass ich noch 60 Minuten zu spielen habe, die ich vernünftig zu Ende bringen muss".

Und die hatten es in sich. Nachdem Kapitänin Alexandra Popp das Team mit einem Kopfballtreffer nach brillanter Vorarbeit von Dzsenifer Marozsán in Führung gebracht hatte, kamen die Engländerinnen dank eines Treffers von Ellen White kurz vor der Pause noch einmal zurück. Klara Bühl sorgte dann in der 90. Minute für die Erlösung und den Sieg in einem Spiel, das für Merle Frohms "immer ein besonderes Spiel und ein i-Tüpfelchen" bleiben wird. Sie sieht es als Schlüsselerlebnis an, das sie auch persönlich weitergebracht hat "und ein weiterer wichtiger Schritt für die Entwicklung" war.

"Ich konzentriere mich auf meine Leistung"

Mit dieser Entwicklung kann Merle Frohms durchaus zufrieden sein, denn nachdem die 1,75-Meter große Torfrau sieben Jahre lang beim VfL Wolfsburg spielte und zahlreiche Titel feierte, dabei die meiste Zeit allerdings hinter Almuth Schult nur die Nummer zwei war, entschloss sie sich 2018 zu einem Wechsel zum SC Freiburg, um mehr Spielpraxis zu sammeln. Die bekommt sie nun auch in der deutschen Frauen-Nationalmannschaft, da sie durch die Verletzung und die anschließende Schwangerschaft von Schult zur Nummer eins im deutschen Team avancierte.

Um sich weiter fortzuentwickeln und ihre neue Position in der Nationalmannschaft zu festigen, wechselte die Torhüterin im Juli dieses Jahres zu Eintracht Frankfurt, wo sie sich "schon sehr gut eingelebt" hat und von allen "recht herzlich empfangen" wurde. Almuth Schult ist nach der Geburt ihrer Zwillinge beim VfL Wolfsburg vor kurzem wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen. Angst vor der Konkurrenz hat Merle Frohms allerdings nicht: "Ich konzentriere mich auf meine Leistung und Weiterentwicklung, diese von anderen abhängig zu machen, ist für mich persönlich nicht der richtige Weg".

"Neben dem Spielfeld Verantwortung übernehmen"

Ihre mentale Stärke zieht Frohms aus Momenten wie dem gehaltenen Elfmeter in Wembley. "Das sind Erlebnisse, an denen man festhält, wenn es mal nicht so gut läuft oder wenn man mal hadert". Sie hat es sich nach der Forderung von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nach mehr Präsenz abseits des Sportlichen zum Ziel gesetzt, "auch neben dem Spielfeld Verantwortung zu übernehmen, den Stellenwert in der Mannschaft deutlich zu machen" und den Mannschaftskolleginnen zu signalisieren "ihr habt da eine Nummer eins im Rücken, auf die ihr euch verlassen könnt".

Dass man auf sie zählen kann, hat Merle Frohms bereits in mehreren Spielen und insbesondere in Wembley deutlich gemacht. Das geplante Spiel gegen England in Wiesbaden, bei dem die Torhüterin "ein Spiel auf Augenhöhe" erwartet hätte, fällt nun aus. Schade, nicht nur für Frohms, die diesem Duell selbstbewusst entgegenblickte: "Die wissen wahrscheinlich noch, dass da eine Torhüterin hinten drin stand, die es ihnen recht schwer gemacht hat". Das Wiedersehen ist aber nur verschoben, nicht aufgehoben.

[sb]

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs - er wurde an diesem Datum vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Rund um den Jubiläumstag widmet DFB.de dem Frauen- und Mädchenfußball eine Themenwoche. Mit vielen Geschichten, Interviews, Porträts und interessanten Fakten. Heute: Merle Frohms und ihre Ziele mit den DFB-Frauen.

Eigentlich hatte sich Merle Frohms schon auf das besondere Duell der Frauen-Nationalmannschaft gegen England gefreut, das am heutigen Dienstag stattfinden sollte. Doch wegen eines positiven Corona-Falls eines Mitglieds des Funktionsteams der "Lionesses" sagte der englische Verband das Länderspiel in Wiesbaden kurzfristig ab. Die Enttäuschung war groß, obgleich die Entscheidung akzeptiert und respektiert wurde. So bleiben bis zur Neuauflage des Klassikers erst einmal nur die Erinnerungen an ein denkwürdiges Duell im November vergangenen Jahres, bei dem Frohms eine tragende Rolle spielte.

Es ist die 36. Spielminute, die Merle Frohms noch lange in Erinnerung bleiben wird. Die Engländerin Beth Mead rennt nach einem Steilpass allein auf die Torhüterin zu. Frohms stürzt sich auf den Ball und bringt dabei die Gegnerin zu Fall. Vor den Augen der 77.768 Zuschauer im Londoner Wembleystadion zückt Schiedsrichterin Stéphanie Frappart die Gelbe Karte und zeigt auf den Elfmeterpunkt. Nikita Parris wittert ihre Chance, zum 1:1 auszugleichen, läuft an, zielt in die Mitte und schießt. Frohms taucht ins rechte Eck ab, reißt aber geistesgegenwärtig ihr linkes Bein hoch und hält den Elfmeter, den sie zuvor selbst verschuldet hat.

"Du hast hier einen Job zu erledigen"

"In dem Moment war ich so voller Adrenalin, dass ich nur gedacht habe: Du hast hier einen Job zu erledigen", erinnert sich die 25-Jährige. Und das tat die gebürtige Niedersächsin souverän, auch weil sie im Spiel nur einen Gegentreffer hinnehmen musste. Sekunden vor dem Elfmeter fasste die Keeperin einen klaren Gedanken: "Obwohl ich eher der Spielertyp bin, der schnell hadert, blieb ich fokussiert und habe mir gesagt, dass ich noch 60 Minuten zu spielen habe, die ich vernünftig zu Ende bringen muss".

Und die hatten es in sich. Nachdem Kapitänin Alexandra Popp das Team mit einem Kopfballtreffer nach brillanter Vorarbeit von Dzsenifer Marozsán in Führung gebracht hatte, kamen die Engländerinnen dank eines Treffers von Ellen White kurz vor der Pause noch einmal zurück. Klara Bühl sorgte dann in der 90. Minute für die Erlösung und den Sieg in einem Spiel, das für Merle Frohms "immer ein besonderes Spiel und ein i-Tüpfelchen" bleiben wird. Sie sieht es als Schlüsselerlebnis an, das sie auch persönlich weitergebracht hat "und ein weiterer wichtiger Schritt für die Entwicklung" war.

"Ich konzentriere mich auf meine Leistung"

Mit dieser Entwicklung kann Merle Frohms durchaus zufrieden sein, denn nachdem die 1,75-Meter große Torfrau sieben Jahre lang beim VfL Wolfsburg spielte und zahlreiche Titel feierte, dabei die meiste Zeit allerdings hinter Almuth Schult nur die Nummer zwei war, entschloss sie sich 2018 zu einem Wechsel zum SC Freiburg, um mehr Spielpraxis zu sammeln. Die bekommt sie nun auch in der deutschen Frauen-Nationalmannschaft, da sie durch die Verletzung und die anschließende Schwangerschaft von Schult zur Nummer eins im deutschen Team avancierte.

Um sich weiter fortzuentwickeln und ihre neue Position in der Nationalmannschaft zu festigen, wechselte die Torhüterin im Juli dieses Jahres zu Eintracht Frankfurt, wo sie sich "schon sehr gut eingelebt" hat und von allen "recht herzlich empfangen" wurde. Almuth Schult ist nach der Geburt ihrer Zwillinge beim VfL Wolfsburg vor kurzem wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen. Angst vor der Konkurrenz hat Merle Frohms allerdings nicht: "Ich konzentriere mich auf meine Leistung und Weiterentwicklung, diese von anderen abhängig zu machen, ist für mich persönlich nicht der richtige Weg".

"Neben dem Spielfeld Verantwortung übernehmen"

Ihre mentale Stärke zieht Frohms aus Momenten wie dem gehaltenen Elfmeter in Wembley. "Das sind Erlebnisse, an denen man festhält, wenn es mal nicht so gut läuft oder wenn man mal hadert". Sie hat es sich nach der Forderung von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nach mehr Präsenz abseits des Sportlichen zum Ziel gesetzt, "auch neben dem Spielfeld Verantwortung zu übernehmen, den Stellenwert in der Mannschaft deutlich zu machen" und den Mannschaftskolleginnen zu signalisieren "ihr habt da eine Nummer eins im Rücken, auf die ihr euch verlassen könnt".

Dass man auf sie zählen kann, hat Merle Frohms bereits in mehreren Spielen und insbesondere in Wembley deutlich gemacht. Das geplante Spiel gegen England in Wiesbaden, bei dem die Torhüterin "ein Spiel auf Augenhöhe" erwartet hätte, fällt nun aus. Schade, nicht nur für Frohms, die diesem Duell selbstbewusst entgegenblickte: "Die wissen wahrscheinlich noch, dass da eine Torhüterin hinten drin stand, die es ihnen recht schwer gemacht hat". Das Wiedersehen ist aber nur verschoben, nicht aufgehoben.

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