Fußball-Kino am Puls der Zeit

Seit gestern Abend ist das Kino Babylon in Berlin-Mitte wieder der Ort, an dem sich fußballbegeisterte Filmfans aus aller Welt treffen. Mit freundlicher Unterstützung der DFB-Kulturstiftung zeigt das 11mm-Fußballfilmfestival vom 22. bis 26. März nicht weniger als 71 Filme, die die vielfältigen Aspekte von Fußball thematisieren. Das Zusammenspiel von Fußball und Macht ist in diesem Jahr einer der filmischen Schwerpunkte.

Eröffnet wurde das Festival, das inzwischen bereits sein 15. Jubiläum feiert, mit der Berliner Erstaufführung des Dokumentarfilms "The Workers Cup" von 2017. Der Film porträtiert eine Gruppe von Gastarbeitern, die unter anderem aus Nepal, Bangladesh, Kenia, Ghana und Indien stammen und in Katar die Infrastruktur für die geplante Weltmeisterschaft 2022 errichten. Sie bauen Stadien, Straßen, Wohngebäude und Einkaufszentren, die sie niemals betreten werden. Abseits der Gesellschaft leben sie kaserniert in Camps. Kontakte zur einheimischen Bevölkerung werden unterbunden. Weil sie in ihren Heimatländern keine Arbeit haben, von der sie sich und ihre Familien ernähren können, lassen sich die Arbeiter darauf ein. Häufig zahlen sie Arbeitsvermittlern zunächst eine Gebühr dafür, überhaupt in Katar arbeiten zu dürfen, ebenso häufig stellen sich die Arbeits- und Lebensbedingungen als wesentlich schlechter, die Löhne als niedriger dar als ihnen zugesichert wurde.

Zwölf Arbeitsstunden am Tag sind üblich, freie Tage gibt es kaum. Ihre Ausweisdokumente wurden ihnen gleich zu Beginn abgenommen. Sie können nicht kündigen. Es gibt kein Ausreisevisum, bevor der Arbeitsvertrag nicht erfüllt ist. Egal, was zuhause gerade passiert. Dennoch finden sie sich in Teams zusammen und spielen als Betriebssportgruppen der Baufirmen, für die sie arbeiten, Fußball. Der "Workers Cup" ist das jährlich ausgerichtete Turnier dieser Firmen. Was auf den ersten Blick den Anstrich von Menschlichkeit hat, ist sorgfältig geplanter Teil einer Imagekampagne. Mit den Bildern, die während des Turniers entstehen, lassen sich neue Arbeiter rekrutieren. Und trotzdem gewährt der Fußball den Arbeitern kurze Momente der Normalität und Menschlichkeit. "The Workers Cup" zeigt auch, wie weit Staaten zu gehen bereit sind, um eine Weltmeisterschaft auszurichten.

Filmproduzentin wünscht sich Nachhaltigkeit

Das anschließende Filmgespräch mit der Filmproduzentin Rosie Garthwaite, dem Vize-Präsidenten des FC St. Pauli, Ewald Lienen, Raphael Brinkert von Jung von Matt und Zeit-Journalist Tom Mustroph löste eine kontroverse Debatte im Publikum darüber aus, wie sich Fußballfans und Journalisten dazu verhalten sollten. "Ich glaube, ohne die Weltmeisterschaft würde sich niemand für die Arbeiter interessieren. Deshalb möchte ich nicht, dass die Leute das boykottieren“, stellt Rosie Garthwaite gleich eingangs klar. Sie wünscht sich eine erfolgreiche Weltmeisterschaft in Katar, und zwar eine, die auch erfolgreich und nachhaltig Dinge verändert.

Deutliche Kritik übte Ewald Lienen. "Wir sehen doch, dass wir in einer Welt leben, in der die Rechte des Einzelnen uninteressant sind gegenüber den Rechten der Großkonzerne." Das sei nicht spezifisch für Katar, "diese Zustände haben wir überall auf der Welt." Aus seiner Sicht ist neben der Vergabeverfahren selbst die fehlende Kontrolle der größte Fehler, den die FIFA gemacht hat. "Wenn ich nicht kontrolliere, unter welchen Bedingungen dort gearbeitet wird, werde ich meiner sozialen Verantwortung nicht gerecht." 

"Als die Vergabe der WM stattfand, waren die Menschenrechte nicht Teil der Vergaberichtlinien", meint Raphael Brinkert. Er glaubt dennoch daran, dass die WM positive Auswirkungen haben kann: "Es verändert sich gerade, aber es ist ein ganz, ganz langer Weg.“ Tom Mustroph stimmt ihm darin zu: "Es gibt Beobachter, die die WM als einen Treiber zur Veränderung ansehen, weil die Aufmerksamkeit auf dem Land liegt. Deshalb muss sich etwas an den Rechten der Arbeiter ändern. Zum Teil hat sich auch schon etwas geändert. Aber die Änderungen sind zum großen Teil nur dort, wo das Licht hinfällt."



Seit gestern Abend ist das Kino Babylon in Berlin-Mitte wieder der Ort, an dem sich fußballbegeisterte Filmfans aus aller Welt treffen. Mit freundlicher Unterstützung der DFB-Kulturstiftung zeigt das 11mm-Fußballfilmfestival vom 22. bis 26. März nicht weniger als 71 Filme, die die vielfältigen Aspekte von Fußball thematisieren. Das Zusammenspiel von Fußball und Macht ist in diesem Jahr einer der filmischen Schwerpunkte.

Eröffnet wurde das Festival, das inzwischen bereits sein 15. Jubiläum feiert, mit der Berliner Erstaufführung des Dokumentarfilms "The Workers Cup" von 2017. Der Film porträtiert eine Gruppe von Gastarbeitern, die unter anderem aus Nepal, Bangladesh, Kenia, Ghana und Indien stammen und in Katar die Infrastruktur für die geplante Weltmeisterschaft 2022 errichten. Sie bauen Stadien, Straßen, Wohngebäude und Einkaufszentren, die sie niemals betreten werden. Abseits der Gesellschaft leben sie kaserniert in Camps. Kontakte zur einheimischen Bevölkerung werden unterbunden. Weil sie in ihren Heimatländern keine Arbeit haben, von der sie sich und ihre Familien ernähren können, lassen sich die Arbeiter darauf ein. Häufig zahlen sie Arbeitsvermittlern zunächst eine Gebühr dafür, überhaupt in Katar arbeiten zu dürfen, ebenso häufig stellen sich die Arbeits- und Lebensbedingungen als wesentlich schlechter, die Löhne als niedriger dar als ihnen zugesichert wurde.

Zwölf Arbeitsstunden am Tag sind üblich, freie Tage gibt es kaum. Ihre Ausweisdokumente wurden ihnen gleich zu Beginn abgenommen. Sie können nicht kündigen. Es gibt kein Ausreisevisum, bevor der Arbeitsvertrag nicht erfüllt ist. Egal, was zuhause gerade passiert. Dennoch finden sie sich in Teams zusammen und spielen als Betriebssportgruppen der Baufirmen, für die sie arbeiten, Fußball. Der "Workers Cup" ist das jährlich ausgerichtete Turnier dieser Firmen. Was auf den ersten Blick den Anstrich von Menschlichkeit hat, ist sorgfältig geplanter Teil einer Imagekampagne. Mit den Bildern, die während des Turniers entstehen, lassen sich neue Arbeiter rekrutieren. Und trotzdem gewährt der Fußball den Arbeitern kurze Momente der Normalität und Menschlichkeit. "The Workers Cup" zeigt auch, wie weit Staaten zu gehen bereit sind, um eine Weltmeisterschaft auszurichten.

Filmproduzentin wünscht sich Nachhaltigkeit

Das anschließende Filmgespräch mit der Filmproduzentin Rosie Garthwaite, dem Vize-Präsidenten des FC St. Pauli, Ewald Lienen, Raphael Brinkert von Jung von Matt und Zeit-Journalist Tom Mustroph löste eine kontroverse Debatte im Publikum darüber aus, wie sich Fußballfans und Journalisten dazu verhalten sollten. "Ich glaube, ohne die Weltmeisterschaft würde sich niemand für die Arbeiter interessieren. Deshalb möchte ich nicht, dass die Leute das boykottieren“, stellt Rosie Garthwaite gleich eingangs klar. Sie wünscht sich eine erfolgreiche Weltmeisterschaft in Katar, und zwar eine, die auch erfolgreich und nachhaltig Dinge verändert.

Deutliche Kritik übte Ewald Lienen. "Wir sehen doch, dass wir in einer Welt leben, in der die Rechte des Einzelnen uninteressant sind gegenüber den Rechten der Großkonzerne." Das sei nicht spezifisch für Katar, "diese Zustände haben wir überall auf der Welt." Aus seiner Sicht ist neben der Vergabeverfahren selbst die fehlende Kontrolle der größte Fehler, den die FIFA gemacht hat. "Wenn ich nicht kontrolliere, unter welchen Bedingungen dort gearbeitet wird, werde ich meiner sozialen Verantwortung nicht gerecht." 

"Als die Vergabe der WM stattfand, waren die Menschenrechte nicht Teil der Vergaberichtlinien", meint Raphael Brinkert. Er glaubt dennoch daran, dass die WM positive Auswirkungen haben kann: "Es verändert sich gerade, aber es ist ein ganz, ganz langer Weg.“ Tom Mustroph stimmt ihm darin zu: "Es gibt Beobachter, die die WM als einen Treiber zur Veränderung ansehen, weil die Aufmerksamkeit auf dem Land liegt. Deshalb muss sich etwas an den Rechten der Arbeiter ändern. Zum Teil hat sich auch schon etwas geändert. Aber die Änderungen sind zum großen Teil nur dort, wo das Licht hinfällt."

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Lienen: "Film macht Mut"

"Wir haben durch den Film einen Blick auf Zustände und Situationen bekommen, über die wir normalerweise nichts erfahren würden", bedankt sich Ewald Lienen bei der Produzentin. "Der Film macht dennoch Mut und zeigt, worum es im Fußball eigentlich geht. Selbst unter solchen Bedingungen zeigen diese Menschen eine unglaubliche Lebensfreude durch den Fußball, durch die Tatsache dass sie in einer Mannschaft spielen, versuchen ein Spiel zu gewinnen, dass sie trainieren – das ist für mich absolut ermutigend."

Weil 2018 zugleich das Jahr der Weltmeisterschaft in Russland ist, hat das 11mm-Festival gemeinsam mit dem Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur die Filmreihe "Fußball im Russischen Film" ins Leben gerufen. Sieben Filme mit englischen Untertiteln geben einen Einblick in die Vielfalt der über 60-jährigen Geschichte des sowjetischen und russischen Fußballfilms. Hervorzuheben sind dabei insbesondere zwei Spielfilme, die sich mit aktuellen Themen beschäftigen. "Korobka" geht der Fremdenfeindlichkeit unter Jugendlichen am Beispiel eines russischen und eines kaukasischen Fußballteams nach, die sich auf einem Bolzplatz miteinander arrangieren müssen, "Kicking off – Anstoß zur 3. Halbzeit" gibt einen Einblick in die russische Hooliganszene.

Filme über englischen Fußball dürfen nicht fehlen

Als Reminiszenz an die Wurzeln des Fußballs, aber auch an die eigene Geschichte, darf bei 11mm der englische Fußball nicht zu kurz kommen. Aus dem Mutterland des Fußballs und des Fußballfilms werden etwa die deutschen Erstaufführungen "George Best: All by himself" und "Kenny" vorgestellt. Die tragische Geschichte eines Spielers, dessen Karriere und Leben daran zerbrachen, dass seine Homosexualität bekannt wurde, wird in "Forbidden Games: The Justin Fashanu Story" erzählt.

Unübersehbar hat das Festival in diesem Jahr eine politische Ausrichtung. Das ist unbequem, aber auch notwendig. Und genau deshalb trägt es auch im 15. Jahr seines Bestehens zur Debatte darüber, welchen Fußball wir eigentlich haben wollen, bei.

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