0:0 gegen England: Bangen ums Halbfinale

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

29. Juni 1982 in Madrid - erstes Zwischenrundenspiel: Deutschland - England 0:0

Vor dem Spiel:

Nach dem blamablen 1:0 gegen Österreich folgten vier unruhige Tage für die deutsche Nationalmannschaft, die über die Abreise nach Madrid nicht sonderlich unglücklich war. Hatten sich doch vor dem Hotel in Gijon immer wieder wütende Fans - Deutsche, Spanier, Algerier - zusammengerottet und die Nachtruhe gestört. Am 27. Juni ging gar eine Bombendrohung ein, die Detonation wurde für 17.15 Uhr angekündigt. Sie blieb aus, brachte aber die Vorbereitung durcheinander. Die Mannschaft verließ das Hotel früher und trainierte auch eine Stunde früher als geplant, während die Polizei das Hotel durchkämmte. Bundestrainer Jupp Derwall, der in Telegrammen aus der Heimat zum Rücktritt aufgefordert worden war, ging zu einigen Reportern, denen er "schlummernde Grausamkeit" unterstellte, auf Distanz. Ebenso wie zu einigen Spielern.

Er baute nun in großem Stil um. Personell und systematisch. Aus dem 4-3-3 wurde ein vorsichtigeres 4-4-2, denn in der Zwischenrunde mit drei Mannschaften bedeutete eine Niederlage das sichere Aus. WM-Debütant Bernd Förster rückte ins defensive Mittelfeld vor, Felix Magath musste nach drei Startelfeinsätzen auf die Tribüne. Von dort kam Hansi Müller, vom Boulevard sofort zum neuen Hoffnungsträger auserkoren. Der künftige Mailänder spielte hinter den Spitzen, von denen es nur noch zwei gab: Karl-Heinz Rummenigge und der dritte Neue, Uwe Reinders. Weitere Opfer der Rochaden: Horst Hrubesch (Tribüne) und Pierre Littbarski (Bank).

Wilfried Hannes, dem Co-Trainer Erich Ribbeck Hoffnung auf einen Einsatz für den Fall des Ausfalls von Uli Stielike gemacht hatte, wurde wieder enttäuscht. Libero Stielike aber wurde fitgemacht und konnte in "seinem" Stadion auflaufen, seit 1977 kickte er für Real Madrid. Seine Parole war vor allem Wunschdenken: "Ein Sieg gegen die Engländer - und niemand redet mehr von dem Österreich-Spiel."

Die Engländer, erstmals seit 1970 wieder bei einer Endrunde, hatten ihre Vorrundenspiele alle gewonnen und waren kein Traumlos, jedenfalls nicht angesichts der Verfassung des Europameisters. Derwalls Assistent Berti Vogts hatte sie zweimal beobachtet und festgestellt: "Die können hier in drei Wochen zwölf magere Jahre vergessen machen. Wir sind Außenseiter." Superstar Kevin Keegan aber drohte weiter auszufallen. Tony Woodcock, damals Legionär beim 1. FC Köln, warnte: "Messt die Deutschen um Himmels Willen nicht an ihren Leistungen gegen Algerien und Österreich. Sie können viel mehr."



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

29. Juni 1982 in Madrid - erstes Zwischenrundenspiel: Deutschland - England 0:0

Vor dem Spiel:

Nach dem blamablen 1:0 gegen Österreich folgten vier unruhige Tage für die deutsche Nationalmannschaft, die über die Abreise nach Madrid nicht sonderlich unglücklich war. Hatten sich doch vor dem Hotel in Gijon immer wieder wütende Fans - Deutsche, Spanier, Algerier - zusammengerottet und die Nachtruhe gestört. Am 27. Juni ging gar eine Bombendrohung ein, die Detonation wurde für 17.15 Uhr angekündigt. Sie blieb aus, brachte aber die Vorbereitung durcheinander. Die Mannschaft verließ das Hotel früher und trainierte auch eine Stunde früher als geplant, während die Polizei das Hotel durchkämmte. Bundestrainer Jupp Derwall, der in Telegrammen aus der Heimat zum Rücktritt aufgefordert worden war, ging zu einigen Reportern, denen er "schlummernde Grausamkeit" unterstellte, auf Distanz. Ebenso wie zu einigen Spielern.

Er baute nun in großem Stil um. Personell und systematisch. Aus dem 4-3-3 wurde ein vorsichtigeres 4-4-2, denn in der Zwischenrunde mit drei Mannschaften bedeutete eine Niederlage das sichere Aus. WM-Debütant Bernd Förster rückte ins defensive Mittelfeld vor, Felix Magath musste nach drei Startelfeinsätzen auf die Tribüne. Von dort kam Hansi Müller, vom Boulevard sofort zum neuen Hoffnungsträger auserkoren. Der künftige Mailänder spielte hinter den Spitzen, von denen es nur noch zwei gab: Karl-Heinz Rummenigge und der dritte Neue, Uwe Reinders. Weitere Opfer der Rochaden: Horst Hrubesch (Tribüne) und Pierre Littbarski (Bank).

Wilfried Hannes, dem Co-Trainer Erich Ribbeck Hoffnung auf einen Einsatz für den Fall des Ausfalls von Uli Stielike gemacht hatte, wurde wieder enttäuscht. Libero Stielike aber wurde fitgemacht und konnte in "seinem" Stadion auflaufen, seit 1977 kickte er für Real Madrid. Seine Parole war vor allem Wunschdenken: "Ein Sieg gegen die Engländer - und niemand redet mehr von dem Österreich-Spiel."

Die Engländer, erstmals seit 1970 wieder bei einer Endrunde, hatten ihre Vorrundenspiele alle gewonnen und waren kein Traumlos, jedenfalls nicht angesichts der Verfassung des Europameisters. Derwalls Assistent Berti Vogts hatte sie zweimal beobachtet und festgestellt: "Die können hier in drei Wochen zwölf magere Jahre vergessen machen. Wir sind Außenseiter." Superstar Kevin Keegan aber drohte weiter auszufallen. Tony Woodcock, damals Legionär beim 1. FC Köln, warnte: "Messt die Deutschen um Himmels Willen nicht an ihren Leistungen gegen Algerien und Österreich. Sie können viel mehr."

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Rummenigge-Kracher an die Latte, mehr nicht

Spielbericht:

Im Bernabeu-Stadion können die Deutschen der spanischen Sommerhitze erstmals entgehen, erst um 21 Uhr wird an diesem Dienstag angepfiffen. Das ZDF überträgt, zunächst auch einige sehr ungewöhnliche Bilder: deutsche Spieler, die rote Nelken ins Publikum werfen. Die Idee kommt von Lokalmatador Stielike, 10.000 unter den 80.000 Zuschauern können sie indes nicht auf ihre Seite ziehen, die englischen Schlachtenbummler geben den Ton an in Bernabeu. Und auch den Rest begeistern die Akteure nicht, es ist ein Spiel fast ohne Höhepunkte.

Die erste Chance hat Steve Coppell, dessen Ecke Toni Schumacher alles abfordert. Auch beim Kopfball von Bryan Robson muss der Kölner Keeper sich strecken, lenkt das Leder über die Latte. In der 22. Minute verfehlt Rummenigge nach einer Vorlage des äußerst agilen Paul Breitner aus 16 Metern knapp. In der 35. Minute versucht es der deutsche Fußballer des Jahres selbst mit einem Schuss aus spitzem Winkel, Peter Shilton ist auf dem Posten. "Seine bislang stärkste Leistung bei der WM in Spanien, wenngleich er sich noch immer nicht in Bestform befindet", urteilt die Deutsche Presseagentur über Breitner.

Was für die ganze Elf gilt. Immerhin überzeugt sie defensiv: Stielike organisiert die Abwehr trotz seiner Ischiasprobleme souverän und opfert sich kurz vor der Pause, als er einen Fehler von Manfred Kaltz mit einem Foul gegen Trevor Francis ausbügelt. Später sieht Stielike die einzige Gelbe Karte des Spiels. Karlheinz Förster schaltet den gefürchteten Francis ansonsten aus, Hans-Peter Briegel hat Paul Mariner im Griff, wenn er dadurch auch komplett fürs Aufbauspiel ausfällt. Keine Briegel-Vorstöße, ein gehemmter Rummenigge, der wegen seiner Zerrung nicht ins Dribbling gehen kann, ein noch längst nicht fitter Hansi Müller und ein unerfahrener Reinders, der erst eine Bundesligasaison und drei Länderspiele verbucht - das Spiel nach vorne leidet unter einem Bündel an Problemen.

Auch die Einwechslungen von Littbarski und Fischer ändern daran wenig. Da in der Abwehr nichts anbrennt, droht es unspektakulär auszutrudeln, was auch das ab Minute 67 unregelmäßig pfeifende Publikum befürchtet. Dann versetzt Rummenigge, der Führende der Torschützenliste des Turniers, mit einem Haken seinen Bewacher in der 86. Minute und zieht aus 18 Metern ansatzlos ab. Shilton reagiert gar nicht, die Latte bebt und wirft den Ball ins Feld zurück. Ein Paukenschlag kurz vor Schluss weckt das Stadion noch einmal auf, aber das ist es dann gewesen. Erkenntnisse? Dass weder die Stammelf noch eine durcheinander gewürfelte das Niveau halten, dass man sich versprochen hat. Bezeichnend Derwalls Urteil über Reinders: "Wenn man solche Leute bringen muss, dann zeigt das doch, dass mit den anderen was nicht stimmt."

Aufstellung: Schumacher – Kaltz, Stielike, Karlheinz Förster, Briegel – Dremmler, Breitner, Bernd Förster, Müller (75. Fischer) – Rummenigge, Reinders (62. Littbarski).

Tore: Fehlanzeige.

Zuschauer: 75.000 in Madrid.

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"Es war eine harte Schlacht"

Stimmen zum Spiel:

Jupp Derwall: "Schade, dass der Schuss von Rummenigge unmittelbar vor dem Abpfiff nicht den Weg ins Netz gefunden hat. Ich meine, dass wir aufgrund der zweiten Halbzeit den Sieg verdient gehabt hätten. Die Zuschauer haben ein gutes Spiel gesehen, in dem beide Mannschaften von Beginn an großen Respekt voreinander gezeigt haben. Auch jetzt noch stehe ich zu dem Einsatz von Hansi Müller, denn nach den mäßigen Leistungen des Mittelfelds bot er sich als einzige Alternative an."

Karlheinz Förster: "Mit dem 0:0 können wir zufrieden sein. Insgesamt glaube ich, haben wir eine kämpferisch gute Leistung geboten. Ich hoffe, dass wir uns gegen Spanien steigern können und dennoch ins Halbfinale gelangen."

Hans Müller: "Ich bin sehr unzufrieden mit meinem Spiel. Mir hat einfach die Kraft gefehlt, und ich habe den Unterschied zwischen Spiel und Training gespürt. Ich könnte Jupp Derwall nicht böse sein, wenn ich am Freitag gegen Spanien nicht spiele. Mit meinem Knie hatte ich allerdings überhaupt keine Probleme."

Karl-Heinz Rummenigge (in seinem WM-Buch): "Und dann wurde es doch wieder ein Spiel, wie wir es gar nicht wollten. Berti Vogts, der die Engländer gegen Frankreich und die CSSR beobachtet hatte, schilderte sie uns als wesentlich stärker, als sie dann in Wirklichkeit waren (...) Eigentlich lief unser Spiel nur in den letzten 20 Minuten so, wie wir es geplant hatten."

Ron Greenwood (Trainer Englands): "Es war eine harte Schlacht. Beide Teams hatten großen Respekt voreinander. Außer Rummenigges Lattenschuss hatten wir keine Probleme. Für ein gutes Spiel braucht man zwei Mannschaften. Aber die Deutschen wollten gar nicht. Sie hatten Angst vor uns."

Peter Shilton (Englands Torwart): "Wir hätten gewinnen müssen. Bei dem Schuss von Rummenigge an die Latte habe ich gedacht, der geht drüber."

Bobby Charlton (Englands Weltmeister 1966): "Ich bin enttäuscht von dem Unentschieden. Ich habe gedacht, wir können die Deutschen schlagen."

"Das Unentschieden gegen die Engländer war nicht mehr als ein Gleichgewicht der Ohnmacht, kein Ergebnis hätte der kärglichen Kickerei besser gerecht werden können als ein 0:0. Null Tore, null Mut, null Selbstvertrauen, null Kraft, null Stärke. (Die Welt)

"Nun hat die deutsche Nationalmannschaft zum zweitenmale hintereinander bei Weltmeisterschaften ihre Identität verloren. Nichts zu sehen war auch gegen die keineswegs überragenden Engländer von dem ideenreichen und schwungvollen Spiel, das diese gleiche Mannschaft in den letzten Jahren so oft mit Erfolg vorgeführt hat." (Kicker)

"Die Deutschen hatten große Angst vor einer Niederlage. Die Stärke der Deutschen besteht in ihrer Fähigkeit, das gegnerische Spiel zu ersticken (...) Woodcock, der aus Köln mit dem Diplom zum Untertauchen zurückgekommen ist, wurde erst in der schwierigen Schlussphase eingesetzt (...) In diesem Spiel war nicht ein Fünkchen Erleuchtung." (The Times/London)

"Die Deutschen brachten den Zuschauern zur Versöhnung für das Österreich-Spiel Blumen und Plastikbälle mit, den guten Fußball schienen sie jedoch vergessen zu haben." (Allgemeen Dabglad/Niederlande)

"Deutschland gegen England - viel Lärm um nichts" (Ya/Spanien)

"Zwei Berge haben eine Maus geboren." (France Soir/Paris)

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