Vor 31 Jahren: Hannovers Husarenstreich beim BVB

Die Rollen sind klar verteilt vor dem DFB-Pokalspiel zwischen Hannover 96 und Borussia Dortmund am Mittwochabend (ab 18 Uhr, live bei Sky). Der renommierte Gast ist der Favorit, schließlich spielt er eine Klasse höher. Dabei lehrt die Pokalbilanz etwas anderes: Fünfmal trafen Hannover 96 und Borussia Dortmund aufeinander. Viermal gewannen die Niedersachen. Meist war es überraschend, einmal eine Sensation. Denn am 3. September 1991 warf 96 als Zweitligist die Borussen raus im bis dato einzigen Duell, bei dem die Mannschaften eine Liga trennte. Das ist jetzt wieder so, mit dem Unterschied, dass die Partie nun in Hannover stattfindet. 1991 glückte den Niedersachsen der Coup im Westfalenstadion nach einem Spielverlauf, den keiner für möglich hielt. DFB.de blickt zurück.

Vor jener Dienstagspartie mussten beide Trainer gehörig improvisieren. Beim BVB, wo die Ära Ottmar Hitzfeld gerade erst begann, fehlten sechs Stammkräfte, darunter Frank Mill, Thomas Helmer und Michael Rummenigge. Michael Lorkowski beklagte vier weniger namhafte Ausfälle. An einen Sieg glaubte der Trainer des Zweitligisten nicht, wir er zugab, aber teuer verkaufen wollten sie sich doch.

"Hochverdient": BVB zur Pause 2:0 vorn

Offiziell 14.089 Zuschauer*innen interessierten sich für die Partie im Westfalenstadion, das damals noch halb so groß war wie heute. Der BVB dominierte die Partie zunächst programmgemäß und lag schon nach 28 Minuten mit 2:0 in Front. Verteidiger Bodo Schmidt beschenkte sich nach einer Ecke selbst zum 24. Geburtstag. Kurz drauf erzielte Günter Breitzke ein Abseitstor. Kaum war der Jubel darüber erstickt, flammte er wieder auf, denn der Schweizer Stéphane Chapuisat drückte eine Vorlage des rechts durchgebrochenen Dänen Flemming Povlsen mühelos aus wenigen Metern ein. Povlsen hatte danach ebenfalls Pech mit einem Abseitstor, so dass es nur mit 2:0 in die Pause ging.

"Hochverdient", nannte ARD-Kommentator Werner Hansch den Spielstand. Nichts deutete darauf hin, dass dieses Spiel noch eine Wende würde nehmen können. Schon gar nicht, als Lorkowski nach 53 Minuten einen 17-jährigen einwechselte: Ein gewisser André Breitenreiter, heute Trainer der TSG 1899 Hoffenheim, kam zu seinem sechsten Einsatz bei den Profis. In der 2. Bundesliga war ihm schon ein Tor gegen Remscheid gelungen und davon träumte er auch an diesem Tag. "Zwei Nächte lang", erzählte er später, schoss er sein Traumtor in Dortmund schon vor dem Spiel.

Zunächst aber schlug die Stunde von Patrick Grün. 1990 wechselte der kopfballstarke Stürmer vom VfL Marburg an die Leine mit dem Ruf eines Landesligatorschützenkönigs. Nach sieben Toren in der 2. Bundesliga bezwang er in der 71. Minute erstmals einen Erstligakeeper. Eine einstudiert wirkende Eckballvariante schloss er per Kopf zum Anschlusstreffer ab, Wolfgang "Teddy" de Beer war machtlos. Nun kippte das Spiel. Im kicker stand: "Nach dem Anschlusstreffer der Hannoveraner hielt Angst und Unordnung Einzug ins Spiel des BVB." Hitzfeld gab zu: "Nach dem 1:2 sind wir nervös geworden und Dummheit war auch dabei." Nun kam, was kommen musste: Breitenreiter nutzte das Chaos im BVB-Strafraum, wo der Ball mehrmals hin- und herflipperte, entschlossen aus und traf freistehend aus der Drehung (82.). Nun hatte er sein "Traumtor". Werner Hansch lobte den Teenager, der zwei Tage später auch das DFB-Trikot (U 18) tragen durfte: "Wie ein eiskalter Profi."

Torhüter Sievers: "Für uns war jedes Spiel ein Highlight"

Im Gästeblock war die Hölle los, während die Schwarz-Gelben auf den Rängen immer ruhiger wurden. Eine Verlängerung hatte niemand eingeplant. Aber dass sie ihnen auf diese Weise erspart bleiben sollte, das wollte auch kein Dortmunder: In der 89. Minute marschierte Verteidiger Jörg-Uwe Klütz nach vorne und zog aus 25 Metern ab. Zweimal setzte der Ball auf, de Beer war zur Stelle und griff doch daneben – 2:3. Wenig später pfiff Schiedsrichter Schmidt aus Hersfeld ab, die Sensation war perfekt. "Unfassbar, so was darf nicht passieren", knurrte de Beer vor den Mikrofonen, an denen die meisten Borussen kommentarlos vorbeirauschten. So was war auch noch nie passiert in der langen Pokalgeschichte – dass ein Bundesligist zuhause einen Zwei-Tore-Vorsprung gegen einen Zweitligisten verspielt. Erst 2004 war es kein Unikat mehr, dann unterlief dem 1. FC Nürnberg gegen den LR Ahlen genau das Gleiche – wenn auch nach Verlängerung.

Vielleicht wären die Borussen etwas gelassener gewesen, hätten sie geahnt, dem kommenden Pokalsieger unterlegen zu haben. Denn 96 marschierte in jener Saison durch bis Berlin und der BVB blieb nicht der einzige Bundesligist, der die Straße der Niedersachsen ins Finale pflasterte. Torwart Jörg Sievers sagte noch 30 Jahre später im Gespräch mit DFB.de: "Für uns war jedes Spiel ein Highlight, auch schon gegen Bochum oder den KSC – wir konnten als der Kleinere ja befreit aufspielen. So haben wir sogar in Dortmund gewonnen."

Mit Geld hatte das anno 1991 noch wenig zu tun, an besondere Prämien konnte er sich nicht erinnern. "Da müsste ich lügen, der finanzielle Anreiz wird auch überschätzt. Unser Anreiz war rein sportlicher Natur, es war doch jedes Mal ein Riesending, einen Bundesligisten zu schlagen."

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Die Rollen sind klar verteilt vor dem DFB-Pokalspiel zwischen Hannover 96 und Borussia Dortmund am Mittwochabend (ab 18 Uhr, live bei Sky). Der renommierte Gast ist der Favorit, schließlich spielt er eine Klasse höher. Dabei lehrt die Pokalbilanz etwas anderes: Fünfmal trafen Hannover 96 und Borussia Dortmund aufeinander. Viermal gewannen die Niedersachen. Meist war es überraschend, einmal eine Sensation. Denn am 3. September 1991 warf 96 als Zweitligist die Borussen raus im bis dato einzigen Duell, bei dem die Mannschaften eine Liga trennte. Das ist jetzt wieder so, mit dem Unterschied, dass die Partie nun in Hannover stattfindet. 1991 glückte den Niedersachsen der Coup im Westfalenstadion nach einem Spielverlauf, den keiner für möglich hielt. DFB.de blickt zurück.

Vor jener Dienstagspartie mussten beide Trainer gehörig improvisieren. Beim BVB, wo die Ära Ottmar Hitzfeld gerade erst begann, fehlten sechs Stammkräfte, darunter Frank Mill, Thomas Helmer und Michael Rummenigge. Michael Lorkowski beklagte vier weniger namhafte Ausfälle. An einen Sieg glaubte der Trainer des Zweitligisten nicht, wir er zugab, aber teuer verkaufen wollten sie sich doch.

"Hochverdient": BVB zur Pause 2:0 vorn

Offiziell 14.089 Zuschauer*innen interessierten sich für die Partie im Westfalenstadion, das damals noch halb so groß war wie heute. Der BVB dominierte die Partie zunächst programmgemäß und lag schon nach 28 Minuten mit 2:0 in Front. Verteidiger Bodo Schmidt beschenkte sich nach einer Ecke selbst zum 24. Geburtstag. Kurz drauf erzielte Günter Breitzke ein Abseitstor. Kaum war der Jubel darüber erstickt, flammte er wieder auf, denn der Schweizer Stéphane Chapuisat drückte eine Vorlage des rechts durchgebrochenen Dänen Flemming Povlsen mühelos aus wenigen Metern ein. Povlsen hatte danach ebenfalls Pech mit einem Abseitstor, so dass es nur mit 2:0 in die Pause ging.

"Hochverdient", nannte ARD-Kommentator Werner Hansch den Spielstand. Nichts deutete darauf hin, dass dieses Spiel noch eine Wende würde nehmen können. Schon gar nicht, als Lorkowski nach 53 Minuten einen 17-jährigen einwechselte: Ein gewisser André Breitenreiter, heute Trainer der TSG 1899 Hoffenheim, kam zu seinem sechsten Einsatz bei den Profis. In der 2. Bundesliga war ihm schon ein Tor gegen Remscheid gelungen und davon träumte er auch an diesem Tag. "Zwei Nächte lang", erzählte er später, schoss er sein Traumtor in Dortmund schon vor dem Spiel.

Zunächst aber schlug die Stunde von Patrick Grün. 1990 wechselte der kopfballstarke Stürmer vom VfL Marburg an die Leine mit dem Ruf eines Landesligatorschützenkönigs. Nach sieben Toren in der 2. Bundesliga bezwang er in der 71. Minute erstmals einen Erstligakeeper. Eine einstudiert wirkende Eckballvariante schloss er per Kopf zum Anschlusstreffer ab, Wolfgang "Teddy" de Beer war machtlos. Nun kippte das Spiel. Im kicker stand: "Nach dem Anschlusstreffer der Hannoveraner hielt Angst und Unordnung Einzug ins Spiel des BVB." Hitzfeld gab zu: "Nach dem 1:2 sind wir nervös geworden und Dummheit war auch dabei." Nun kam, was kommen musste: Breitenreiter nutzte das Chaos im BVB-Strafraum, wo der Ball mehrmals hin- und herflipperte, entschlossen aus und traf freistehend aus der Drehung (82.). Nun hatte er sein "Traumtor". Werner Hansch lobte den Teenager, der zwei Tage später auch das DFB-Trikot (U 18) tragen durfte: "Wie ein eiskalter Profi."

Torhüter Sievers: "Für uns war jedes Spiel ein Highlight"

Im Gästeblock war die Hölle los, während die Schwarz-Gelben auf den Rängen immer ruhiger wurden. Eine Verlängerung hatte niemand eingeplant. Aber dass sie ihnen auf diese Weise erspart bleiben sollte, das wollte auch kein Dortmunder: In der 89. Minute marschierte Verteidiger Jörg-Uwe Klütz nach vorne und zog aus 25 Metern ab. Zweimal setzte der Ball auf, de Beer war zur Stelle und griff doch daneben – 2:3. Wenig später pfiff Schiedsrichter Schmidt aus Hersfeld ab, die Sensation war perfekt. "Unfassbar, so was darf nicht passieren", knurrte de Beer vor den Mikrofonen, an denen die meisten Borussen kommentarlos vorbeirauschten. So was war auch noch nie passiert in der langen Pokalgeschichte – dass ein Bundesligist zuhause einen Zwei-Tore-Vorsprung gegen einen Zweitligisten verspielt. Erst 2004 war es kein Unikat mehr, dann unterlief dem 1. FC Nürnberg gegen den LR Ahlen genau das Gleiche – wenn auch nach Verlängerung.

Vielleicht wären die Borussen etwas gelassener gewesen, hätten sie geahnt, dem kommenden Pokalsieger unterlegen zu haben. Denn 96 marschierte in jener Saison durch bis Berlin und der BVB blieb nicht der einzige Bundesligist, der die Straße der Niedersachsen ins Finale pflasterte. Torwart Jörg Sievers sagte noch 30 Jahre später im Gespräch mit DFB.de: "Für uns war jedes Spiel ein Highlight, auch schon gegen Bochum oder den KSC – wir konnten als der Kleinere ja befreit aufspielen. So haben wir sogar in Dortmund gewonnen."

Mit Geld hatte das anno 1991 noch wenig zu tun, an besondere Prämien konnte er sich nicht erinnern. "Da müsste ich lügen, der finanzielle Anreiz wird auch überschätzt. Unser Anreiz war rein sportlicher Natur, es war doch jedes Mal ein Riesending, einen Bundesligisten zu schlagen."

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