Vor 35 Jahren: Magdeburg holt einzigen "DDR-Europacup"

„Weiter Flankenwechsel von Tyll auf Seguin ... Seguin ist da, Seguin läuft in den Strafraum ... Seguin knallt den Ball hoch in den Winkel ... Tor! ... Toor! ... Toooaar! ... Paule Seguin macht in der 74. Minute das 2:0 gegen den AC Mailand ... von der gleichen Stelle aus, wo noch kurz zuvor Sparwasser nicht getroffen hat ...“

So schilderte Hörfunkreporter Werner Eberhardt die entscheidende Szene vom Europacupfinale der Pokalsieger zwischen dem 1. FC Magdeburg und dem AC Mailand. Am 8. Mai 1974 gewann die von Heinz Krügel gecoachte Mannschaft sensationell im Rotterdamer Stadion „De Kuip“ gegen die vom jungen Trainer Giovanni Trapattoni dirigierte Weltauswahl, dessen Superstars Gianni Rivera und Karl-Heinz Schnellinger an diesem Tag nicht ihre gewohnte Leistung abrufen konnten. Die holländische Zeitung „Volkskrant“ lobte: „Die junge Magdeburger Mannschaft brachte viel frischen Wind in De Kuip und fegte die überholte Spielweise Milans hinweg.“

Die Magdeburger schrieben an jenem 8. Mai Geschichte und haben etwas Einmaliges geschafft. Der 1. FC Magdeburg ist die einzige DDR-Klubmanschaft, die je einen Fußball-Europapokal gewinnen konnte. Am Freitag jährte sich das "Wunder von Rotterdam" zum 35. Mal.

Namenlose Regionalauswahl gegen Vorzeigeverein

Schon 35 Jahre ist es her, als eine bis dahin international relativ namenlose Regionalauswahl von Sachsen-Anhalt gegen den Titelverteidiger Milan als krasser Außenseiter ins Spiel ging. Der italienische Topklub hatte zuvor schon zweimal den europäischen Pokalsieger-Wettbewerb gewonnen - 1968 gegen den Hamburger SV und 1973 gegen Leeds United. Insgesamt hatte der Vorzeigeverein aus der Lombardei bis zum 8. Mai 1974 schon 95 Europacupspiele bestritten und ging an diesem Tag in Rotterdam in sein sechstes Europapokal-Finale.

„Wir hatten zwar Respekt, aber bei uns starb keiner vor Ehrfurcht“, blickt der inzwischen ergraute „Held von Rotterdam“, Wolfgang „Paule“ Seguin auf die Ausgangssituation zurück. „Unser Trainer, Heinz Krügel, konnte uns mit psychologischen Tricks so richtig scharf machen. So las er uns kurz vor dem Spiel, in der Kabine, einen Artikel aus dem `Kicker`vor. Da war nur von David gegen Goliath die Rede. Das genügte.“

In ganz Sachsen-Anhalt hörte und sah man an diesem 8. Mai 1974 in selten erlebter Synchronität die Sender im Osten – und diesen Spielverlauf:

41. Minute: Flanke von Detlef Raugust, Eigentor Lanzi – 1:0.
74. Minute: Axel Tyll mit herrlichem Diagonalball, "Paule" Seguin hämmert den Ball aus spitzem Winkel unter die Latte – 2:0.



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„Weiter Flankenwechsel von Tyll auf Seguin ... Seguin ist da, Seguin läuft in den Strafraum ... Seguin knallt den Ball hoch in den Winkel ... Tor! ... Toor! ... Toooaar! ... Paule Seguin macht in der 74. Minute das 2:0 gegen den AC Mailand ... von der gleichen Stelle aus, wo noch kurz zuvor Sparwasser nicht getroffen hat ...“

So schilderte Hörfunkreporter Werner Eberhardt die entscheidende Szene vom Europacupfinale der Pokalsieger zwischen dem 1. FC Magdeburg und dem AC Mailand. Am 8. Mai 1974 gewann die von Heinz Krügel gecoachte Mannschaft sensationell im Rotterdamer Stadion „De Kuip“ gegen die vom jungen Trainer Giovanni Trapattoni dirigierte Weltauswahl, dessen Superstars Gianni Rivera und Karl-Heinz Schnellinger an diesem Tag nicht ihre gewohnte Leistung abrufen konnten. Die holländische Zeitung „Volkskrant“ lobte: „Die junge Magdeburger Mannschaft brachte viel frischen Wind in De Kuip und fegte die überholte Spielweise Milans hinweg.“

Die Magdeburger schrieben an jenem 8. Mai Geschichte und haben etwas Einmaliges geschafft. Der 1. FC Magdeburg ist die einzige DDR-Klubmanschaft, die je einen Fußball-Europapokal gewinnen konnte. Am Freitag jährte sich das "Wunder von Rotterdam" zum 35. Mal.

Namenlose Regionalauswahl gegen Vorzeigeverein

Schon 35 Jahre ist es her, als eine bis dahin international relativ namenlose Regionalauswahl von Sachsen-Anhalt gegen den Titelverteidiger Milan als krasser Außenseiter ins Spiel ging. Der italienische Topklub hatte zuvor schon zweimal den europäischen Pokalsieger-Wettbewerb gewonnen - 1968 gegen den Hamburger SV und 1973 gegen Leeds United. Insgesamt hatte der Vorzeigeverein aus der Lombardei bis zum 8. Mai 1974 schon 95 Europacupspiele bestritten und ging an diesem Tag in Rotterdam in sein sechstes Europapokal-Finale.

„Wir hatten zwar Respekt, aber bei uns starb keiner vor Ehrfurcht“, blickt der inzwischen ergraute „Held von Rotterdam“, Wolfgang „Paule“ Seguin auf die Ausgangssituation zurück. „Unser Trainer, Heinz Krügel, konnte uns mit psychologischen Tricks so richtig scharf machen. So las er uns kurz vor dem Spiel, in der Kabine, einen Artikel aus dem `Kicker`vor. Da war nur von David gegen Goliath die Rede. Das genügte.“

In ganz Sachsen-Anhalt hörte und sah man an diesem 8. Mai 1974 in selten erlebter Synchronität die Sender im Osten – und diesen Spielverlauf:

41. Minute: Flanke von Detlef Raugust, Eigentor Lanzi – 1:0.
74. Minute: Axel Tyll mit herrlichem Diagonalball, "Paule" Seguin hämmert den Ball aus spitzem Winkel unter die Latte – 2:0.

Im Bademantel auf der Ehrenrunde

Magdeburg entzauberte Mailand! Wo war der Weltklasse-Regisseur des AC, der geniale Gianni Rivera, geblieben? Einfach abgemeldet vom sonstigen Edelreservisten Helmut Gaube, der in Rotterdam das Spiel seines Lebens machte. Wolfgang Seguin: „Ein Geniestreich vom Trainer, von Heinz Krügel.“

Um 22.15 Uhr war das Wunder perfekt. Die Protagonisten von „De Kuip“ liefen in ihren weißen Bademänteln eine Ehrenrunde: Torhüter Uli Schulze, der im Halbfinale von Lissabon Weltklasse hielt, Kapitän und Libero Manfred Zapf, die Abwehrspieler Detlef Enge, Wolfgang Abraham und Helmut Gaube, die Mittelfeldspieler Wolfgang Seguin, Jürgen Pommerenke und Axel Tyll sowie die Stürmer Detlef Raugust, Martin Hoffmann und natürlich Jürgen Sparwasser, der es in seiner Karriere auf insgesamt 20 Europacup-Tore brachte – Bestwert im Osten. „Paule“ Seguin schwärmt noch heute vom tollen Teamgeist der Magdeburger Mannschaft: „ Wir spielten schon drei Jahre zusammen. Es war eine Supertruppe. Zwischen Alt und Jung gab`s keinen Futterneid. Der Sieg im Europacup war natürlich das Größte. Ich glaube, mir standen die Tränen in den Augen.“

Ein Wermutstropfen im Becher der Freude – die kümmerliche Kulisse von 5000 Zuschauern. Wo waren die eigenen Fans? Von den ausgesuchten linientreuen 350 Anhängern wussten viele nicht einmal, wer der 1. FC Magdeburg ist. Seguin, mit 57 Einsätzen der Mister Europacup seines Klubs, erklärt: „Die eigentlichen Fans mussten zu Hause bleiben ... auch unsere Frauen.“

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5000 Ostmark Prämie

Gefeiert wurde aber dann doch – mit einheimischen Rotkäppchen-Sekt im Mannschaftshotel von Noordwijk, nahe der Küste. Und die Prämie? „Paule“ Seguin weiß noch genau: „Es gab 75 Gulden Taschengeld und nach der Rückkehr 5000 Mark Ost.“

Keiner wurde Millionär – Erfolgstrainer Heinz Krügel wurde sogar „in die Wüste“ geschickt. Die Sportbosse und Parteioberen degradierten ihn 1976 zum Objektleiter. Der Vorwurf: Ost-West-Versöhnler. Nach der Wende wurde der Coach mit Rückgrat rehabilitiert.

Von seinen einstigen Zöglingen wagte „Paule“ Seguin nach der Wiedervereinigung den mutigsten Schritt - begab sich auf neues Terrain. Der einstige Fußball-Dauerbrenner, der 1972 Olympia-Bronze gewann, zum WM-Team 1974 gehörte und mit 219 Spielen ohne Unterbrechung eine unglaubliche Bestmarke in der DDR-Oberliga aufstellte, ließ beruflich den Ball komplett hinter sich. Heute ist der einstige Maschinenbauingenieur der Chef einer Magdeburger Reinigungs- und Sicherungsfirma, die „200 Leute beschäftigt - darunter sind 165 Festangestellte.“ Da schwingt ein wenig Stolz des Machers mit.

Nostalgisches Treffen der Europacup-Sieger

Der „Held von Rotterdam“ rotiert in diesen Tagen mehr als gewöhnlich, denn er bereitet das fünfte Wiedersehen der Europapokalsieger im anhaltinischen Tangermünde an der Elbe vor. „Das wird ein großes Hallo geben“, ist sich der Gastgeber sicher. Alle haben zugesagt.

„Empfangschef“ Seguin hat schon ein kleines Programm zusammengestellt: „Am ersten Tag geht es auf`s Schiff, am zweiten wird Fußball gespielt, gegen die Ü 50 von Saxonia Tangermünde.“ Und abends wird dann im „Hotel am Rathaus“ das Tanzbein geschwungen.

Der Vater von fünf Söhnen („Der Jüngste, Paule, macht im Nachwuchs von Wolfsburg keine schlechte Figur“) schmunzelt: „Mal sehen, wer dann noch eine flotte Sohle hinlegen kann ...“ Und wer das nicht tut, zieht sich halt noch einmal die DVD rein: „Paule Seguin ... 2:0 gegen den AC Mailand ...“