Es geschah am 28. Spieltag: Der erste Bundesligameister

"Es geschah am 28. Spieltag": In der DFB.de-Serie am Donnerstag blickt der Historiker und Autor Udo Muras zurück auf ein besonderes Ereignis am jeweiligen Spieltag einer früheren Saison. Heute: Köln holt den Titel 1964 und wird so Meister der ersten Bundesligasaison.

Datum: Samstag, 18. April 1964
Ort: Müngersdorfer Stadion Köln
Partie: 1. FC Köln – Borussia Dortmund 5:2

Über 30 Jahre tobten in Deutschland schon die Debatten nach einer ersten Liga. Schon im Oktober 1932 schlug DFB-Präsident Felix Linnemann auf dem Bundestag die Gründung einer Reichsliga vor, doch dazu kam es nicht. Bundestrainer Sepp Herberger und Kölns Präsident Dr. Franz Kremer, der schon 1949 der "Interessengemeinschaft Bundesliga und Berufsfußball" vorsaß, trieben die Bestrebungen nach dem Krieg an. Eine Konzentration der besten Kräfte, die in fünf Oberligen nur unregelmäßig gefordert wurden, erschien ihnen auch im Hinblick auf die internationale Leistungsfähigkeit des deutschen Fußballs unabdingbar.

Natürlich versprachen sie sich auch mehr Spannung, zweistellige Resultate, die jede Oberligasaison mit sich brachte, sollten der Vergangenheit angehören. Zwar fiel nun das populäre Endspiel als Höhepunkt einer Saison weg, aber dafür gab es die theoretische Chance, dass bis zuletzt mehr als nur zwei Mannschaften auf den Titel hoffen konnten.

Von daher war die erste Saison der offiziell im Oktober 1962 aus der Taufe gehobenen Bundesliga eine echte Enttäuschung. Selten hat es in mittlerweile 49 Bundesligajahren einen souveräneren Meister gegeben. Abgesehen vom vierten Spieltag stand der 1. FC Köln immer an erster Stelle, er verlor nur zwei von 30 Partien und schoss stets mindestens ein Tor. Rein kalendarisch hat es nie einen früheren Bundesligameister gegeben als 1964, was zwar auch, aber nicht nur daran lag, dass 30 Spieltage eben eher ausgetragen wurden als die ab 1965 üblichen 34.

Schon am 11. April 1964 nach einem 5:0 gegen Nürnberg glaubten nur noch Phantasten daran, dass die Kölner angesichts von sechs Zählern Vorsprung auf den Meidericher SV (heute MSV Duisburg) den Titel noch verspielen würden. Denn bei der bestehenden Zwei-Punkte-Regelung hätte Köln dreimal verlieren und der MSV dreimal gewinnen müssen - und dann hätte der damals gültige Torquotient womöglich immer noch für die "Geißböcke" gesprochen.

Es war also nicht mehr die Frage, ob Köln Deutscher Meister wird, sondern nur noch wann. Das geschah dann am 18. April 1964, dem 28. Spieltag. Der Spielplan wollte es, dass ausgerechnet der aktuelle Meister Borussia Dortmund zu den Kölnern kommen sollte, quasi zur Amtsübergabe. Die Borussen vertraten Deutschland noch im Europapokal und hatten drei Tage zuvor gegen Inter Mailand (2:2) Kräfte gelassen.

Darauf spekulierten zumindest die Kölner. Der junge Stürmer Karl-Heinz Thielen sagte: "Vielleicht ist unsere Aufgabe diesmal etwas leichter. Die Dortmunder werden nämlich die Anstrengungen des Mittwochspiels nicht so ohne weiteres aus den Knochen schütteln." Erst recht in Zeiten, als Bundesligaspieler noch Halbprofis waren, keine unbegründete Annahme. Präsident Franz Kremer bremste die Euphorie: "Nur keine Vorschusslorbeeren! Die Meisterfeier folgt erst dann, wenn alles unter Dach und Fach ist."



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"Es geschah am 28. Spieltag": In der DFB.de-Serie am Donnerstag blickt der Historiker und Autor Udo Muras zurück auf ein besonderes Ereignis am jeweiligen Spieltag einer früheren Saison. Heute: Köln holt den Titel 1964 und wird so Meister der ersten Bundesligasaison.

Datum: Samstag, 18. April 1964
Ort: Müngersdorfer Stadion Köln
Partie: 1. FC Köln – Borussia Dortmund 5:2

Über 30 Jahre tobten in Deutschland schon die Debatten nach einer ersten Liga. Schon im Oktober 1932 schlug DFB-Präsident Felix Linnemann auf dem Bundestag die Gründung einer Reichsliga vor, doch dazu kam es nicht. Bundestrainer Sepp Herberger und Kölns Präsident Dr. Franz Kremer, der schon 1949 der "Interessengemeinschaft Bundesliga und Berufsfußball" vorsaß, trieben die Bestrebungen nach dem Krieg an. Eine Konzentration der besten Kräfte, die in fünf Oberligen nur unregelmäßig gefordert wurden, erschien ihnen auch im Hinblick auf die internationale Leistungsfähigkeit des deutschen Fußballs unabdingbar.

Natürlich versprachen sie sich auch mehr Spannung, zweistellige Resultate, die jede Oberligasaison mit sich brachte, sollten der Vergangenheit angehören. Zwar fiel nun das populäre Endspiel als Höhepunkt einer Saison weg, aber dafür gab es die theoretische Chance, dass bis zuletzt mehr als nur zwei Mannschaften auf den Titel hoffen konnten.

Von daher war die erste Saison der offiziell im Oktober 1962 aus der Taufe gehobenen Bundesliga eine echte Enttäuschung. Selten hat es in mittlerweile 49 Bundesligajahren einen souveräneren Meister gegeben. Abgesehen vom vierten Spieltag stand der 1. FC Köln immer an erster Stelle, er verlor nur zwei von 30 Partien und schoss stets mindestens ein Tor. Rein kalendarisch hat es nie einen früheren Bundesligameister gegeben als 1964, was zwar auch, aber nicht nur daran lag, dass 30 Spieltage eben eher ausgetragen wurden als die ab 1965 üblichen 34.

Schon am 11. April 1964 nach einem 5:0 gegen Nürnberg glaubten nur noch Phantasten daran, dass die Kölner angesichts von sechs Zählern Vorsprung auf den Meidericher SV (heute MSV Duisburg) den Titel noch verspielen würden. Denn bei der bestehenden Zwei-Punkte-Regelung hätte Köln dreimal verlieren und der MSV dreimal gewinnen müssen - und dann hätte der damals gültige Torquotient womöglich immer noch für die "Geißböcke" gesprochen.

Es war also nicht mehr die Frage, ob Köln Deutscher Meister wird, sondern nur noch wann. Das geschah dann am 18. April 1964, dem 28. Spieltag. Der Spielplan wollte es, dass ausgerechnet der aktuelle Meister Borussia Dortmund zu den Kölnern kommen sollte, quasi zur Amtsübergabe. Die Borussen vertraten Deutschland noch im Europapokal und hatten drei Tage zuvor gegen Inter Mailand (2:2) Kräfte gelassen.

Darauf spekulierten zumindest die Kölner. Der junge Stürmer Karl-Heinz Thielen sagte: "Vielleicht ist unsere Aufgabe diesmal etwas leichter. Die Dortmunder werden nämlich die Anstrengungen des Mittwochspiels nicht so ohne weiteres aus den Knochen schütteln." Erst recht in Zeiten, als Bundesligaspieler noch Halbprofis waren, keine unbegründete Annahme. Präsident Franz Kremer bremste die Euphorie: "Nur keine Vorschusslorbeeren! Die Meisterfeier folgt erst dann, wenn alles unter Dach und Fach ist."

Er selbst hatte für die optimalen Rahmenbedingungen gesorgt, damit Köln erster Meister werden würde. Das für drei Millionen D-Mark errichtete Klubhaus mit eigener Turnhalle und Massageraum war damals das Non-Plus-Ultra in der Bundesliga, mit Rolf Herings leistete sich der FC sogar einen Torwarttrainer. Zukunftssorgen hatte kein FC-Profi, Patron Kremer beschaffte Arbeitsplätze (als Vertragsspieler verdiente man maximal 1200 Mark) in seiner eigenen Firma und kümmerte sich sogar um die Altersvorsorge der jungen Himmelsstürmer.

Auch rein optisch machten die "Geißböcke" etwas her, in nicht ganz zufälliger Anlehnung an Real Madrid spielten sie ganz in Weiß. Die Seiden-Trikots ließ Kremer in Paris schneidern, und schon bald machte das Wort vom "weißen Ballett" die Runde. Denn virtuos ließen sie den Ball tanzen, der 19-jährige Wolfgang Overath war die größte Entdeckung der Bundesliga und kam schon nach fünf Einsätzen zu Länderspielehren. Auch von Wolfgang Weber und Karl-Heinz Thielen schwärmte die Fachwelt, Weltmeister Hans Schäfer als einer von drei verbliebenen Berner Helden beim Bundesligastart hielt den Laden zusammen.

Gleich sechs Kölner schafften es in dieser Saison in die Nationalmannschaft, die noch immer von Sepp Herberger trainiert wurde. Der mittlerweile 67-jährige saß unter den 46.000, hier spielte seine Elite, denn auch der BVB stellte fünf aktuelle Nationalspieler. Hans Schäfer aber konnte wegen einer Verletzung auch nur auf der Tribüne sitzen und litt nach eigenen Worten "Tantalusqualen" in Anlehnung an eine Mythengestalt der Antike, die in der Hölle zu ewigen Qualen verdammt worden war.

Nun, Hans Schäfer und das Gros der 46.000 mussten nicht ewig leiden, aber es hätte sicher besser beginnen können. Die Borussen erspielten sich gleich zwei Großchancen und beklagten ein aberkanntes Tor, das Reinhold Wosab gerne erzielt hätte. Doch Schiedsrichter Kurt Tschenscher erkannte auf Torwartbehinderung. Da hatte FC-Keeper Fritz Ewert also noch Glück gehabt, aber als Alfred "Aki" Schmidt nach 22 Minuten aus der Drehung abzog, war er machtlos.

Beinahe sah es so aus, als würden die Kölner, deren Wappentier Hennes natürlich auch vor Ort war, mit einem Rückstand in die Kabine gehen, da wagte Halbstürmer Hansi Sturm einen Schuss von der Strafraumgrenze. Tor, 1:1, die Initialzündung zur Meisterparty. "Sturms Kernschuss riß Kölner mit", titelte das Sport Magazin am Montag darauf. Nationaltorwart Hans Tilkowski war machtlos.

Für ihn sollte es noch viel schlimmer kommen und Thielens Prophezeiung sich bewahrheiten: Nach der Pause schwanden dem BVB die Kräfte. Thielen köpfte in der 59. Minute das 2:1, und vom Anstoß weg landete der Ball wieder in den Kölner Reihen und sodann im Dortmunder Tor, Heinz Hornig durfte einfach durchlaufen, und Tilkowski machte "keine gute Figur", wie es im Sport Magazin hieß.

Noch aber lebte der BVB, weitere zwei Minuten später köpfte Franz Brungs das 3:2. Kölns Spielrausch war dadurch nicht mehr zu bremsen, nach dem zweiten Treffer von Hansi Sturm, einem Schlenzer in den Winkel (69.), war alles gelaufen. Drei Minuten vor Schluss war sogar Verteidiger Leo Wilden sein erstes Bundesligator vergönnt. Der neue Meister schlug den alten mit 5:2, besser kann man sich die Meisterschale kaum verdienen.

Auf den Rängen wurde gefeiert, in der Kabine gesungen, Herberger kam höchstpersönlich zum Gratulieren ins Spieler-Heiligtum. Der Presse sagte er: "Köln ist ein ausgezeichneter neuer Deutscher Meister. Ausgezeichnet waren Overath und Weber, diese Jungen werden kommen." Kölns Meistertrainer Georg "Schorsch" Knöpfle sparte bei seinem Lob niemanden aus: "Mit einer solchen Mannschaft kann man Bäume ausreißen."

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Da die Saison noch nicht zu Ende war und der FC auf drei Hochzeiten tanzte (DFB-Pokal, Messe-Cup) rissen sie vor der offiziellen Meisterehrung am letzten Spieltag erst mal gar nichts neben dem Fußballplatz. Zwei Wochen später herrschte dann fröhliches Chaos, wie es die Kölner vom Karneval kennen. Die Zufahrtsstraßen vom Stadion zum Klubhaus waren heillos verstopft, alleine für die letzten 500 Meter brauchte der Corso der Sieger eine halbe Stunde. Die Polizei zählte 60.000 Feierlustige, die durch das Ausgeben von Freibier zusätzlich angelockt worden waren. Das Glas kostete allerdings zwei Mark, denn es war von besonderem Wert: Es trug die Autogramme des ersten deutschen Bundesligameisters.

Was sonst noch am 28. Spieltag geschah

1963/1964: Schalke verliert bei 1860 München 1:7 und Trainer Georg Gawliczek seinen Job.

1965/1966: Tasmania Berlin steht nach dem 2:8 in Duisburg als Absteiger fest - so früh wie kein anderer Bundesligist bis heute.

1970/1971: Schalke 04 unterliegt Arminia Bielefeld 0:1. Das Spiel ist manipuliert und steht, so weit bekannt, am Anfang des Bundesligaskandals im Abstiegskampf 1971. Schalkes Spieler kassieren von Bielefeld pro Kopf 2300 Mark.

1977/1978: 1. FC Kaiserslautern gegen VfL Bochum 4:1 - Klaus Toppmöller glückt ein Hattrick binnen zehn Minuten (damals der viertschnellste, aktuell der achtschnellste).

1981/1982: Willi Neuberger von Eintracht Frankfurt knackt beim 4:3 gegen Bayern München als Erster die Marke von 500 Bundesligaeinsätzen.

1984/1985: Waldhof Mannheim spielt in Düsseldorf 1:1. Es ist das achte Unentschieden in Serie - Bundesligarekord.

1985/1986: Uerdingens Mathias Herget überwindet HSV-Torwart Uli Stein mit einem Schuss von der Mittellinie - Tor des Monats März 1986.

1990/1991: Erste freiempfängliche Live-Übertragung eines Sonntagsspiels: Premiere zeigt HSV-Bayern (2:3) unverschlüsselt.

1995/1996: Berühmter Ausraster von Oliver Kahn in Stuttgart: Bayerns Torwart packt Teamkollege Andreas Herzog am Hals und schüttelt ihn durch.

2004/2005: Herthas Marcelinho trifft gegen Freiburg aus 48,5 Metern.

2007/2008: Erster Spielabbruch wegen Platzregens bei Nürnberg gegen Wolfsburg (nach 41 Minuten).

2008/2009: VfL Wolfsburg stellt beim 2:1 gegen Leverkusen einen Bundesligarekord ein - zehn Siege in Serie in einer Saison schaffte zuvor nur Gladbach (1986/1987).

2010/2011: Spielabbruch bei St. Pauli gegen Schalke nach Becherwurf auf einen Linienrichter in der 88. Minute beim Stand von 0:2 (entspricht der späteren Wertung).