Ernst Gehling: Der Otto Rehhagel der Landesliga

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: Ernst Gehling, der Dauerbrenner in Schweinfurt.

Seit 1977 bei FT Schweinfurt aktiv

Ernst Gehling ist seit 1977 bei der Freien Turnerschaft Schweinfurt aktiv. Als Spieler, Spielertrainer und seit über zwei Jahrzehnten ausschließlich als Trainer. Vor seinem Wechsel dorthin spielte er noch mit den A-Junioren des 1. FC Schweinfurt 05 um die Bayerische Meisterschaft gegen den 1. FC Nürnberg und Bayern München.

Im ersten Training mit der renommierten Herrenmannschaft machte der kesse Frechdachs gleich einmal eine unliebsame Erfahrung, nachdem er Lothar Emmerich, einem der deutschen Vizeweltmeister von 1966, einen Beinschuss verpasst hatte. "Seine Revanche war sehr schmerzhaft, es tat weh", erinnert sich Ernst Gehling noch heute.

Die Himmelsstürmer aus der Jugend kamen jedoch in der damaligen Startruppe von Trainer Istvan Sztani so gut wie nie zum Einsatz, und so landete Gehling schließlich bei den "Freien Turnern", wo er heute noch „Mädchen für alles“ ist, wie er sein Aufgabengebiet beschreibt, das er zusammen in der Hauptsache mit Fußball-Abteilungsleiter Peter Reiser abdeckt.

Zweimal Bayerischer Hallenmeister

Seit 1991 ist Ernst Gehling durchgängig Trainer bei der FT, und so kann man ihn durchaus als den "Otto Rehhagel der Landesliga" bezeichnen, übertrifft er doch in Bezug auf die Verweildauer bei einem Verein doch sogar "Otto, den Großen" um einiges, der beim Bundesligisten SV Werder Bremen 14 Jahre am Stück meisterlich Regie führte. Auch die 820 Bundesligaspiele, die der Kulttrainer als Coach absolvierte, übertrifft Ernst Gehling mit mehr als 1000 Landesligaspielen der FT Schweinfurt unter seiner Regie als Übungsleiter locker.

Die FT Schweinfurt wurde 1902 als Arbeiterverein gegründet, weist drei Herren- sowie 14 Jugendmannschaften auf, wovon vier Juniorenteams in der Bezirksoberliga (BOL) spielen, hat aber nur einen Sportplatz und einen Schulplatz, die gehütet, gepflegt und von der Stadtverwaltung auch mal gesperrt werden, wenn die Witterungsverhältnisse nicht die besten sind. Angesicht eingeschränkter Trainingsbedingungen und der Tatsache, dass kein Geld an die Spieler fließt und der Verein dementsprechend auch keinen einzigen Vertragsamateur in seinen Reihen hat, ist die sportliche Leistung der ersten Mannschaft nicht hoch genug einzuschätzen.

Mit Ernst Gehling ging es von der Kreisliga (früher A-Klasse) bis hinauf in die Landesliga, dann zeitweise wieder hinab in die Bezirksliga und zurück in die Landesliga, wo sich die FT als „Klassen-Dino“ längst etabliert hat. Derzeit belegt das Team in der Gruppe Nordwest einen sicheren Mittelfeldplatz und zählt seit Jahren zu den fairsten der Liga. Darauf ist der 56-jährige Gehling besonders stolz, mehr noch als auf die sportlichen Erfolge. Zweimal (1986 und 1991) wurden die "Freien Turner" Bayerischer Hallenmeister, einmal klopften sie in der Relegation sogar ans Tor zur Bayernliga.

20 Jahre lang keine müde Mark erhalten

Die Mannschaft besteht aus Studenten, Schichtarbeitern, Angestellten und Angehörigen anderer Berufsgruppen. Neue Spieler holt Ernst Gehling selbst handverlesen aus unterklassigen Vereinen, denn es gibt außer der Chance, höherklassig ambitionierten Amateurfußball zu spielen, zwar noch Wohlfühlatmosphäre und Teamgeist, aber keine materiellen Vergünstigungen.

Gehling kickte 20 Jahre lang, ohne eine müde Mark erhalten zu haben. Von der Aufwandentschädigung als Trainer bleibt oftmals nicht ein Euro übrig. Er ist ein Idealist, der "vom Virus Fußball befallen" ist, wie er selbst sagt. Die Beweggründe für sein Dauerengagement sieht er in der Pflicht den Spielern gegenüber, die er alle selbst geholt hat, der Vorbildfunktion des Älteren den Jüngeren gegenüber, der positiven Spannung, die in der Arbeit steckt und der Schule des Lebens, die der Fußball bietet mit der Vermittlung von Werten.

Schöne Momente und Stunden hat er dabei viele erlebt. Wie bei einem Stadtderby gegen den 1. FC Schweinfurt 05: Weil der Zuschauerandrang so groß war und schließlich 4000 Besucher das enge Rund bei der FT füllten, wurden Bierbänke nummeriert, am Spielfeldrand aufgestellt und als Sitzplätze verkauft. "Heute", sagt Ernst Gehling und lacht, "wäre das aus Sicherheitsgründen undenkbar".

Andere Ansprache für junge Spieler

Der dynamische Trainer betrachtet den Umgang mit jungen Sportlern als verantwortungsvolle Aufgabe und Herausforderung. Die Zeiten haben sich geändert - und damit auch die Generationen in ihrer Denk- und Handlungsweise. Harte Kritik ist bei den Teens und Twens eher verpönt, kommt nicht so gut an. Doch Gehling hat ein gutes Gespür und ein sicheres Händchen für solche Situationen: "Wir reden doch jetzt darüber, wie wir dein Spiel noch besser machen können", sagt der dem Spieler dann. "Komm, lass uns darauf jetzt die Konzentration legen."

Auch Ehefrau und Tochter unterstützen Ernst Gehling. Der Familienfrieden ist durch den Fußball keineswegs gefährdet, er schweißt sogar noch enger zusammen. Und wenn der Warenbereichsleiter einer großen Supermarktkette mal am Wochenende nicht als Trainer fungieren, sondern beruflich auf einer Fachmesse tätig sein muss, dann kommt schon bald eine SMS von der Tochter, um den Vater über den Spielstand bei der FT Schweinfurt zu informieren.

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Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: Ernst Gehling, der Dauerbrenner in Schweinfurt.

Seit 1977 bei FT Schweinfurt aktiv

Ernst Gehling ist seit 1977 bei der Freien Turnerschaft Schweinfurt aktiv. Als Spieler, Spielertrainer und seit über zwei Jahrzehnten ausschließlich als Trainer. Vor seinem Wechsel dorthin spielte er noch mit den A-Junioren des 1. FC Schweinfurt 05 um die Bayerische Meisterschaft gegen den 1. FC Nürnberg und Bayern München.

Im ersten Training mit der renommierten Herrenmannschaft machte der kesse Frechdachs gleich einmal eine unliebsame Erfahrung, nachdem er Lothar Emmerich, einem der deutschen Vizeweltmeister von 1966, einen Beinschuss verpasst hatte. "Seine Revanche war sehr schmerzhaft, es tat weh", erinnert sich Ernst Gehling noch heute.

Die Himmelsstürmer aus der Jugend kamen jedoch in der damaligen Startruppe von Trainer Istvan Sztani so gut wie nie zum Einsatz, und so landete Gehling schließlich bei den "Freien Turnern", wo er heute noch „Mädchen für alles“ ist, wie er sein Aufgabengebiet beschreibt, das er zusammen in der Hauptsache mit Fußball-Abteilungsleiter Peter Reiser abdeckt.

Zweimal Bayerischer Hallenmeister

Seit 1991 ist Ernst Gehling durchgängig Trainer bei der FT, und so kann man ihn durchaus als den "Otto Rehhagel der Landesliga" bezeichnen, übertrifft er doch in Bezug auf die Verweildauer bei einem Verein doch sogar "Otto, den Großen" um einiges, der beim Bundesligisten SV Werder Bremen 14 Jahre am Stück meisterlich Regie führte. Auch die 820 Bundesligaspiele, die der Kulttrainer als Coach absolvierte, übertrifft Ernst Gehling mit mehr als 1000 Landesligaspielen der FT Schweinfurt unter seiner Regie als Übungsleiter locker.

Die FT Schweinfurt wurde 1902 als Arbeiterverein gegründet, weist drei Herren- sowie 14 Jugendmannschaften auf, wovon vier Juniorenteams in der Bezirksoberliga (BOL) spielen, hat aber nur einen Sportplatz und einen Schulplatz, die gehütet, gepflegt und von der Stadtverwaltung auch mal gesperrt werden, wenn die Witterungsverhältnisse nicht die besten sind. Angesicht eingeschränkter Trainingsbedingungen und der Tatsache, dass kein Geld an die Spieler fließt und der Verein dementsprechend auch keinen einzigen Vertragsamateur in seinen Reihen hat, ist die sportliche Leistung der ersten Mannschaft nicht hoch genug einzuschätzen.

Mit Ernst Gehling ging es von der Kreisliga (früher A-Klasse) bis hinauf in die Landesliga, dann zeitweise wieder hinab in die Bezirksliga und zurück in die Landesliga, wo sich die FT als „Klassen-Dino“ längst etabliert hat. Derzeit belegt das Team in der Gruppe Nordwest einen sicheren Mittelfeldplatz und zählt seit Jahren zu den fairsten der Liga. Darauf ist der 56-jährige Gehling besonders stolz, mehr noch als auf die sportlichen Erfolge. Zweimal (1986 und 1991) wurden die "Freien Turner" Bayerischer Hallenmeister, einmal klopften sie in der Relegation sogar ans Tor zur Bayernliga.

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20 Jahre lang keine müde Mark erhalten

Die Mannschaft besteht aus Studenten, Schichtarbeitern, Angestellten und Angehörigen anderer Berufsgruppen. Neue Spieler holt Ernst Gehling selbst handverlesen aus unterklassigen Vereinen, denn es gibt außer der Chance, höherklassig ambitionierten Amateurfußball zu spielen, zwar noch Wohlfühlatmosphäre und Teamgeist, aber keine materiellen Vergünstigungen.

Gehling kickte 20 Jahre lang, ohne eine müde Mark erhalten zu haben. Von der Aufwandentschädigung als Trainer bleibt oftmals nicht ein Euro übrig. Er ist ein Idealist, der "vom Virus Fußball befallen" ist, wie er selbst sagt. Die Beweggründe für sein Dauerengagement sieht er in der Pflicht den Spielern gegenüber, die er alle selbst geholt hat, der Vorbildfunktion des Älteren den Jüngeren gegenüber, der positiven Spannung, die in der Arbeit steckt und der Schule des Lebens, die der Fußball bietet mit der Vermittlung von Werten.

Schöne Momente und Stunden hat er dabei viele erlebt. Wie bei einem Stadtderby gegen den 1. FC Schweinfurt 05: Weil der Zuschauerandrang so groß war und schließlich 4000 Besucher das enge Rund bei der FT füllten, wurden Bierbänke nummeriert, am Spielfeldrand aufgestellt und als Sitzplätze verkauft. "Heute", sagt Ernst Gehling und lacht, "wäre das aus Sicherheitsgründen undenkbar".

Andere Ansprache für junge Spieler

Der dynamische Trainer betrachtet den Umgang mit jungen Sportlern als verantwortungsvolle Aufgabe und Herausforderung. Die Zeiten haben sich geändert - und damit auch die Generationen in ihrer Denk- und Handlungsweise. Harte Kritik ist bei den Teens und Twens eher verpönt, kommt nicht so gut an. Doch Gehling hat ein gutes Gespür und ein sicheres Händchen für solche Situationen: "Wir reden doch jetzt darüber, wie wir dein Spiel noch besser machen können", sagt der dem Spieler dann. "Komm, lass uns darauf jetzt die Konzentration legen."

Auch Ehefrau und Tochter unterstützen Ernst Gehling. Der Familienfrieden ist durch den Fußball keineswegs gefährdet, er schweißt sogar noch enger zusammen. Und wenn der Warenbereichsleiter einer großen Supermarktkette mal am Wochenende nicht als Trainer fungieren, sondern beruflich auf einer Fachmesse tätig sein muss, dann kommt schon bald eine SMS von der Tochter, um den Vater über den Spielstand bei der FT Schweinfurt zu informieren.