EM-Triumph 96: "Der Star ist die Mannschaft"

Dreimal schon hat die Nationalmannschaft die EM gewonnen, öfter hat keine andere Nation triumphiert. Bei der EURO 2016 ist der vierte Titel nach 1972, 1980 und 1996 das Ziel - 20 Jahre nach dem letzten Erfolg. Vor dem Turnier in Frankreich blättert DFB.de in der Historie. Heute: die Europameisterschaft 1996 in England.

1996 hatten die dritten deutschen Europameister einen schweren Rucksack zu tragen. Das WM-Aus 1994 in den USA - bereits im Viertelfinale - nahm die Nation der Mannschaft von Bundestrainer Berti Vogts krumm. Öffentlich standen die Zeichen auf Veränderung, doch der DFB blieb Vogts und seiner Linie treu. Er steuerte das Team mit nur einer Niederlage durch die Qualifikation. Die Pfiffe nach dem 2:1 über Albanien wichen euphorischem Beifall nach dem Abschluss gegen die Bulgaren in Berlin (3:1).

Vogts blieb dennoch nüchtern, als die England-Tickets gelöst waren: "Wir haben erst 60, 70 Prozent ausgeschöpft und müssen uns noch steigern, wenn wir die Vorrunde überstehen wollen." Aber die Stimmung im Land war bei annähernd 100 Prozent. "Die Nationalmannschaft hat jetzt den Stellenwert, der ihr gebührt", sagte Matthias Sammer, der 1996 zu Europas Fußballer des Jahres avancierte.

Kein absoluter Chef, mehrere Köpfe

Das Besondere an jener Mannschaft: Es gab keinen absoluten Chef. Dafür hatte sie mehrere Köpfe (Klinsmann, Sammer, Helmer) nach dem Rücktritt von Lothar Matthäus. "Wir hatten sehr viele Persönlichkeiten dabei, die in ihren Vereinen Kapitäne oder Stellvertreter waren", erklärte Stürmer Stefan Kuntz später die mentale Stabilität jenes Teams.

So wurden heikle Situationen wie das dritte Gruppenspiel (0:0 gegen Italien), als Thomas Strunz vom Platz flog und Andy Köpke einen Elfmeter hielt, das rustikal geführte Viertelfinale gegen die Kroaten (2:1), bei dem Kapitän Klinsmann verletzt ausschied, oder das Halbfinale gegen England gegen die Gastgeber, das erst im Elfmeterschießen entschieden wurde, gemeistert. Alle Deutschen trafen in Wembley. Andreas Möller schoss den entscheidenden Elfmeter, weil zuvor Köpke gegen Gareth Southgate pariert hatte.

Auf dem Weg ins Finale erwies sich wieder eine Blockbildung als Vorteil. Acht Spieler von Bayern München und sechs von Meister Borussia Dortmund kamen in der Qualifikation zum Einsatz und bildeten das Herz der Mannschaft. Die Rivalität der beiden Topklubs im Bundesliga-Alltag war wie 1972 kein Hindernis. Der damalige Münchner Thomas Strunz sagte: "Es gab eine unglaubliche Erfolgsorientiertheit. Der BVB war Meister, Bayern UEFA-Cup-Sieger. Trotz aller Rivalität war die Zusammenarbeit sehr respektvoll, wir wollten am Ende alle gewinnen. Der Star ist die Mannschaft – das ist das ganze Geheimnis."

Mythos schlägt Personalnot

Und fast alle wurden gebraucht. Es gab so viele Verletzte und Gesperrte im Vogts-Kader, dass in allen sechs Spielen eine andere Elf auflief und mit Jens Todt noch vor dem Finale sogar ein Spieler nachnominiert werden musste. Für die Ersatztorhüter Oliver Reck und Oliver Kahn wurden schon Feldspieler-Trikots angefertigt, die Not war groß. Mit Jürgen Kohler, Fredi Bobic und Mario Basler waren drei Verletzte bereits abgereist. Aber sie überstanden alle Gefahren und Rückschläge und nährten einmal mehr den Mythos von der Turniermannschaft.

Im Finale von Wembley trafen die Deutschen ihren ersten Turniergegner wieder – die Tschechen. Dem 2:0 in der Vorrunde folgte ein weit härter erkämpftes 2:1. Ein unberechtigter Elfmeter führte zum 0:1 und zur Einwechslung von Oliver Bierhoff, der sich mit zwei Toren selbst berühmt schoss. Zumal das letzte Tor das erste "Golden Goal" der Fußballgeschichte war.

Bierhoff war noch im April auf den EM-Zug aufgesprungen. Das erinnerte an 1980 (Hrubesch). Vogts folgte 1996 übrigens dem Rat seiner Frau, als sie durch Venedig gondelten: "Nimm den Oliver mit, er wird es dir danken." Mit 28,41 Jahren im Schnitt war es die bis dahin älteste Mannschaft, die den DFB je bei einem Turnier vertrat. Viele Wege führen zum Ruhm.

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Dreimal schon hat die Nationalmannschaft die EM gewonnen, öfter hat keine andere Nation triumphiert. Bei der EURO 2016 ist der vierte Titel nach 1972, 1980 und 1996 das Ziel - 20 Jahre nach dem letzten Erfolg. Vor dem Turnier in Frankreich blättert DFB.de in der Historie. Heute: die Europameisterschaft 1996 in England.

1996 hatten die dritten deutschen Europameister einen schweren Rucksack zu tragen. Das WM-Aus 1994 in den USA - bereits im Viertelfinale - nahm die Nation der Mannschaft von Bundestrainer Berti Vogts krumm. Öffentlich standen die Zeichen auf Veränderung, doch der DFB blieb Vogts und seiner Linie treu. Er steuerte das Team mit nur einer Niederlage durch die Qualifikation. Die Pfiffe nach dem 2:1 über Albanien wichen euphorischem Beifall nach dem Abschluss gegen die Bulgaren in Berlin (3:1).

Vogts blieb dennoch nüchtern, als die England-Tickets gelöst waren: "Wir haben erst 60, 70 Prozent ausgeschöpft und müssen uns noch steigern, wenn wir die Vorrunde überstehen wollen." Aber die Stimmung im Land war bei annähernd 100 Prozent. "Die Nationalmannschaft hat jetzt den Stellenwert, der ihr gebührt", sagte Matthias Sammer, der 1996 zu Europas Fußballer des Jahres avancierte.

Kein absoluter Chef, mehrere Köpfe

Das Besondere an jener Mannschaft: Es gab keinen absoluten Chef. Dafür hatte sie mehrere Köpfe (Klinsmann, Sammer, Helmer) nach dem Rücktritt von Lothar Matthäus. "Wir hatten sehr viele Persönlichkeiten dabei, die in ihren Vereinen Kapitäne oder Stellvertreter waren", erklärte Stürmer Stefan Kuntz später die mentale Stabilität jenes Teams.

So wurden heikle Situationen wie das dritte Gruppenspiel (0:0 gegen Italien), als Thomas Strunz vom Platz flog und Andy Köpke einen Elfmeter hielt, das rustikal geführte Viertelfinale gegen die Kroaten (2:1), bei dem Kapitän Klinsmann verletzt ausschied, oder das Halbfinale gegen England gegen die Gastgeber, das erst im Elfmeterschießen entschieden wurde, gemeistert. Alle Deutschen trafen in Wembley. Andreas Möller schoss den entscheidenden Elfmeter, weil zuvor Köpke gegen Gareth Southgate pariert hatte.

Auf dem Weg ins Finale erwies sich wieder eine Blockbildung als Vorteil. Acht Spieler von Bayern München und sechs von Meister Borussia Dortmund kamen in der Qualifikation zum Einsatz und bildeten das Herz der Mannschaft. Die Rivalität der beiden Topklubs im Bundesliga-Alltag war wie 1972 kein Hindernis. Der damalige Münchner Thomas Strunz sagte: "Es gab eine unglaubliche Erfolgsorientiertheit. Der BVB war Meister, Bayern UEFA-Cup-Sieger. Trotz aller Rivalität war die Zusammenarbeit sehr respektvoll, wir wollten am Ende alle gewinnen. Der Star ist die Mannschaft – das ist das ganze Geheimnis."

Mythos schlägt Personalnot

Und fast alle wurden gebraucht. Es gab so viele Verletzte und Gesperrte im Vogts-Kader, dass in allen sechs Spielen eine andere Elf auflief und mit Jens Todt noch vor dem Finale sogar ein Spieler nachnominiert werden musste. Für die Ersatztorhüter Oliver Reck und Oliver Kahn wurden schon Feldspieler-Trikots angefertigt, die Not war groß. Mit Jürgen Kohler, Fredi Bobic und Mario Basler waren drei Verletzte bereits abgereist. Aber sie überstanden alle Gefahren und Rückschläge und nährten einmal mehr den Mythos von der Turniermannschaft.

Im Finale von Wembley trafen die Deutschen ihren ersten Turniergegner wieder – die Tschechen. Dem 2:0 in der Vorrunde folgte ein weit härter erkämpftes 2:1. Ein unberechtigter Elfmeter führte zum 0:1 und zur Einwechslung von Oliver Bierhoff, der sich mit zwei Toren selbst berühmt schoss. Zumal das letzte Tor das erste "Golden Goal" der Fußballgeschichte war.

Bierhoff war noch im April auf den EM-Zug aufgesprungen. Das erinnerte an 1980 (Hrubesch). Vogts folgte 1996 übrigens dem Rat seiner Frau, als sie durch Venedig gondelten: "Nimm den Oliver mit, er wird es dir danken." Mit 28,41 Jahren im Schnitt war es die bis dahin älteste Mannschaft, die den DFB je bei einem Turnier vertrat. Viele Wege führen zum Ruhm.

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