EM-Triumph 1995: Junge Wilde stürmen zum dritten Titel

Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft und Europameisterschaften - eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Von den bislang zehn ausgetragenen Turnieren seit 1984 haben die DFB-Frauen siebenmal den Titel gewonnen. Seit 1995 feierte Deutschland gleich fünf EM-Erfolge in Serie, zuletzt 2009 in Finnland.

Am 10. Juli beginnt für die DFB-Frauen die Mission Titelverteidigung bei der Europameisterschaft in Schweden. Das Team von Bundestrainerin Silvia Neid ist in Topform - Mut macht zusätzlich ein Blick in die Fußball-Geschichtsbücher. DFB.de erinnert in einer Serie an sieben EM-Erfolge. Heute: jung, wild, erfolgreich - die EM 1995 mit dem dramatischen Finale auf dem Betzenberg.

Früher Rückstand und verschossener Elfmeter

Birgit Prinz ist weder ungeduldig noch unzufrieden. Sie sitzt auf der Bank, beobachtet das Spiel und studiert die Gegnerinnen. Sie hofft, sie ahnt, dass ihre Chance noch kommen wird. Sie weiß, dass einiges auf dem Spiel steht. Druck spürt sie dennoch wenig, überlagert wird dieses Gefühl von Vorfreude und Neugier. Wie wird es sein, bei einem EM-Finale auf dem Rasen zu stehen?

Kaiserslautern, Betzenberg, ein guter Ort, um Geschichte zu schreiben. Und viele große Geschichten beginnen mit kleinen Dramen. Das Finale gegen Schweden ist kaum angepfiffen, als der erste Rückschlag erfolgt. Nach sechs Minuten gehen die Skandinavierinnen durch Malin Andersson in Führung. Zwei Minuten später der nächste Rückschlag. Elfmeter Deutschland, Fehlschuss Deutschland. Dagmar Pohlmann trifft - den Pfosten.

Prinz sitzt am Spielfeldrand, wartet weiter, geduldig, hungrig, optimistisch. Sie freut sich, als Maren Meinert die schwedische Führung nach 30 Minuten egalisiert, sie genießt die Atmosphäre, die die 9000 Fans auf dem Betzenberg verbreiten.

Highlights der Frauen-EM 1995

"Wir haben eine sehr junge Mannschaft"

Im Jahr 1995 steht die Frauen-Nationalmannschaft zum ersten Mal in ihrer Geschichte unter dem Druck, einen Rückschlag korrigieren zu müssen. Nicht nur im Finale gegen Schweden, auch im großen Bild. In den Jahren 1989 und 1991 hatte die Auswahl des Deutschen Fußball Bundes (DFB) den kontinentalen Titel gewonnen, im Jahr 1993 nicht. Im Halbfinale gegen Italien schied das Team von Bundestrainer Gero Bisanz nach Elfmeterschießen aus, der Titelhattrick war verpasst. Bisanz war enttäuscht, entmutigt war er nicht. "Wir haben eine sehr junge Mannschaft", sagte er. Und prophezeite: "In zwei Jahren wird alles wieder anders aussehen."

Bisanz sollte in vielfachem Sinne Recht behalten. 24 Monate nach der Niederlage gegen Italien hatte der Frauenfußball ein anderes Gesicht. Wesentliche Änderung war, dass die Spielzeit dem Niveau der Männer angepasst und von 80 auf 90 Minuten verlängert wurde. Das hieß auch: Die deutschen Frauen hatten zehn Minuten mehr Zeit, um Tore zu erzielen.

Und sie ließen sich nicht zweimal bitten. Auf dem Weg ins Finale der EM 1995 erzielte die Nationalmannschaft in den sechs Gruppenspielen und den beiden Viertelfinals gegen Russland 59 Tore und blieb dabei ohne Gegentreffer. Die Semifinals gegen England waren vergleichsweise ausgeglichen, wobei sich das Team von Bisanz nach dem 4:1 in Watford beim Rückspiel im Bochumer Ruhrstadion beim 2:1 schon fürs Finale schonen konnte.

Überraschung im Halbfinale: Schweden schaltet Norwegen aus

Dass die Mannschaft dort auf Schweden traf, war eine Überraschung. Bei den fünf vorausgegangenen Frauen-Europameisterschaften hatte Norwegen jeweils mindestens das Finale erreicht, vor dem Halbfinale gegen Schweden galt der skandinmavische Rivale folglich als klarer Favorit. Zu Hause wurden die Norwegerinnen dieser Rolle beim 4:3 noch gerecht. Doch im Rückspiel sorgte Lena Videkull mit drei Treffern beinahe im Alleingang für den Finaleinzug der Schwedinnen.

So stehen sich Deutschland und Schweden gegenüber, als Birgit Prinz auf der Bank sitzt. Die "Grande Dame" des Frauenfußballs ist damals noch ein Küken, ganze 17 Jahre alt ist die Stürmerin am Tag des Endspiels. Im Juli 1994 feierte sie, 16-jährig, ihr Debüt für den DFB. Ein Jahr später hat sie den Status einer Einwechselspielerin. Zu dieser Zeit mag sie diese Rolle, sie ist gut in dieser Rolle. "Gero Bisanz hat mich meistens in der zweiten Halbzeit eingewechselt", sagt sie.

17-jährige Prinz leitet Finalsieg ein

So ist es auch auf dem Betzenberg. In der 62. Minute kommt Prinz für Patrizia Brocker auf den Platz. Bisanz ist es gewohnt, dass Prinz einen Treffer erzielt, wenn er sie aufs Feld schickt. Mit ihrer Dynamik ist sie schon damals gegen müder werdende Gegnerinnen im Vorteil. Also hat der Trainer auch gegen Schweden auf den "Prinz-Effekt" gesetzt. Und gehofft und geahnt, dass sie ihre Chancen bekommen und nutzen würde.

Ganze zwei Minuten nach der Einwechslung ist es soweit: Prinz erzielt das 2:1 und leitet damit den dritten EM-Titel der Frauen-Nationalmannschaft ein. Bettina Wiegmann sorgt in der 84. Minute für die endgültige Entscheidung, das 2:3 von Anneli Andelén ist nur noch Kosmetik.

Deutschland ist Europameister, und mit Birgit Prinz hat ein Star die Bühne betreten.

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Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft und Europameisterschaften - eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Von den bislang zehn ausgetragenen Turnieren seit 1984 haben die DFB-Frauen siebenmal den Titel gewonnen. Seit 1995 feierte Deutschland gleich fünf EM-Erfolge in Serie, zuletzt 2009 in Finnland.

Am 10. Juli beginnt für die DFB-Frauen die Mission Titelverteidigung bei der Europameisterschaft in Schweden. Das Team von Bundestrainerin Silvia Neid ist in Topform - Mut macht zusätzlich ein Blick in die Fußball-Geschichtsbücher. DFB.de erinnert in einer Serie an sieben EM-Erfolge. Heute: jung, wild, erfolgreich - die EM 1995 mit dem dramatischen Finale auf dem Betzenberg.

Früher Rückstand und verschossener Elfmeter

Birgit Prinz ist weder ungeduldig noch unzufrieden. Sie sitzt auf der Bank, beobachtet das Spiel und studiert die Gegnerinnen. Sie hofft, sie ahnt, dass ihre Chance noch kommen wird. Sie weiß, dass einiges auf dem Spiel steht. Druck spürt sie dennoch wenig, überlagert wird dieses Gefühl von Vorfreude und Neugier. Wie wird es sein, bei einem EM-Finale auf dem Rasen zu stehen?

Kaiserslautern, Betzenberg, ein guter Ort, um Geschichte zu schreiben. Und viele große Geschichten beginnen mit kleinen Dramen. Das Finale gegen Schweden ist kaum angepfiffen, als der erste Rückschlag erfolgt. Nach sechs Minuten gehen die Skandinavierinnen durch Malin Andersson in Führung. Zwei Minuten später der nächste Rückschlag. Elfmeter Deutschland, Fehlschuss Deutschland. Dagmar Pohlmann trifft - den Pfosten.

Prinz sitzt am Spielfeldrand, wartet weiter, geduldig, hungrig, optimistisch. Sie freut sich, als Maren Meinert die schwedische Führung nach 30 Minuten egalisiert, sie genießt die Atmosphäre, die die 9000 Fans auf dem Betzenberg verbreiten.

Highlights der Frauen-EM 1995

"Wir haben eine sehr junge Mannschaft"

Im Jahr 1995 steht die Frauen-Nationalmannschaft zum ersten Mal in ihrer Geschichte unter dem Druck, einen Rückschlag korrigieren zu müssen. Nicht nur im Finale gegen Schweden, auch im großen Bild. In den Jahren 1989 und 1991 hatte die Auswahl des Deutschen Fußball Bundes (DFB) den kontinentalen Titel gewonnen, im Jahr 1993 nicht. Im Halbfinale gegen Italien schied das Team von Bundestrainer Gero Bisanz nach Elfmeterschießen aus, der Titelhattrick war verpasst. Bisanz war enttäuscht, entmutigt war er nicht. "Wir haben eine sehr junge Mannschaft", sagte er. Und prophezeite: "In zwei Jahren wird alles wieder anders aussehen."

Bisanz sollte in vielfachem Sinne Recht behalten. 24 Monate nach der Niederlage gegen Italien hatte der Frauenfußball ein anderes Gesicht. Wesentliche Änderung war, dass die Spielzeit dem Niveau der Männer angepasst und von 80 auf 90 Minuten verlängert wurde. Das hieß auch: Die deutschen Frauen hatten zehn Minuten mehr Zeit, um Tore zu erzielen.

Und sie ließen sich nicht zweimal bitten. Auf dem Weg ins Finale der EM 1995 erzielte die Nationalmannschaft in den sechs Gruppenspielen und den beiden Viertelfinals gegen Russland 59 Tore und blieb dabei ohne Gegentreffer. Die Semifinals gegen England waren vergleichsweise ausgeglichen, wobei sich das Team von Bisanz nach dem 4:1 in Watford beim Rückspiel im Bochumer Ruhrstadion beim 2:1 schon fürs Finale schonen konnte.

Überraschung im Halbfinale: Schweden schaltet Norwegen aus

Dass die Mannschaft dort auf Schweden traf, war eine Überraschung. Bei den fünf vorausgegangenen Frauen-Europameisterschaften hatte Norwegen jeweils mindestens das Finale erreicht, vor dem Halbfinale gegen Schweden galt der skandinmavische Rivale folglich als klarer Favorit. Zu Hause wurden die Norwegerinnen dieser Rolle beim 4:3 noch gerecht. Doch im Rückspiel sorgte Lena Videkull mit drei Treffern beinahe im Alleingang für den Finaleinzug der Schwedinnen.

So stehen sich Deutschland und Schweden gegenüber, als Birgit Prinz auf der Bank sitzt. Die "Grande Dame" des Frauenfußballs ist damals noch ein Küken, ganze 17 Jahre alt ist die Stürmerin am Tag des Endspiels. Im Juli 1994 feierte sie, 16-jährig, ihr Debüt für den DFB. Ein Jahr später hat sie den Status einer Einwechselspielerin. Zu dieser Zeit mag sie diese Rolle, sie ist gut in dieser Rolle. "Gero Bisanz hat mich meistens in der zweiten Halbzeit eingewechselt", sagt sie.

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17-jährige Prinz leitet Finalsieg ein

So ist es auch auf dem Betzenberg. In der 62. Minute kommt Prinz für Patrizia Brocker auf den Platz. Bisanz ist es gewohnt, dass Prinz einen Treffer erzielt, wenn er sie aufs Feld schickt. Mit ihrer Dynamik ist sie schon damals gegen müder werdende Gegnerinnen im Vorteil. Also hat der Trainer auch gegen Schweden auf den "Prinz-Effekt" gesetzt. Und gehofft und geahnt, dass sie ihre Chancen bekommen und nutzen würde.

Ganze zwei Minuten nach der Einwechslung ist es soweit: Prinz erzielt das 2:1 und leitet damit den dritten EM-Titel der Frauen-Nationalmannschaft ein. Bettina Wiegmann sorgt in der 84. Minute für die endgültige Entscheidung, das 2:3 von Anneli Andelén ist nur noch Kosmetik.

Deutschland ist Europameister, und mit Birgit Prinz hat ein Star die Bühne betreten.