Evljuskin: Özils Kapitän träumt vom Coup gegen Hannover

Große Bühne für kleine Klubs. Der DFB-Pokal rückt Deutschlands Amateurvereine in den Mittelpunkt. Hier kann der Dorfverein von nebenan auf den Deutschen Meister treffen, der ambitionierte Regionalligist auf den Champions-League-Teilnehmer. In der mehr als 70-jährigen Geschichte des deutschen Vereinspokals gab es viele Überraschungen und Sensationen.

Denn der Pokal, so heißt es im Volksmund, hat seine eigenen Gesetze. Vor allem aber schreibt er seine ganz eigenen Geschichten. In einer Serie stellt DFB.de deshalb alle 18 Amateurvereine vor, die in der ersten Runde des 73. DFB-Pokals an den Start gehen. Heute: Hessen Kassel aus der Regionalliga Südwest.

Sergej Evljuskin war ein Ausnahmetalent und holte zwei goldene Fritz-Walter-Medaillen. Beim VfL Wolfsburg geriet seine Karriere aus der Bahn. Nun will Evljuskin mit Hessen Kassel seine alten Rivalen von Hannover 96 aus dem DFB-Pokal werfen.

Sergej Evljuskin verschlief den großen Moment. Er schlummerte in einem Hotel in Bangladesch, während seine alten Freunde aus Braunschweig die DFB-Pokal-Auslosung verfolgten. Sie sahen wie Tennisspielerin Andrea Petkovic den Südwest-Regionalligisten Hessen Kassel aus dem Topf fischte. Die Spannung stieg. Petkovic zog das nächste Los und hielt den Namen des Gegners in die Kamera: Hannover 96.

Die Braunschweiger Clique jubelte. Einer griff zum Handy und schrieb eine SMS nach Bangladesch. Schließlich sollte ihr 7000 Kilometer und vier Zeitzonen entfernte Kumpel erfahren, dass er mit seinen Kasselern gegen den Bundesligisten aus Niedersachsen spielt. Evljuskin wurde doch die Vibration geweckt. "Ich habe auf mein Handy geschaut und mich danach riesig gefreut", sagt der Regionalliga-Fußballer im Gespräch mit DFB.de.

Warum Evljuskins Freude groß war, ist schnell erzählt. "Ich bin in Braunschweig aufgewachsen, und da hat man automatisch eine Antipathie gegen Hannover. Jetzt ist die Chance da, diesen Gegner zu schlagen", sagt der 27-Jährige vor dem Erstrundenduell am 9. August (ab 18.30 Uhr, live auf Sky). Dann erzählt Evljuskin die Geschichte, warum er Mitte Juni in Bangladesch war. Besser gesagt: Er erzählt die Geschichte eines talentierten Fußballers, der als großer Hoffnungsträger beim DFB galt, in seiner Karriere viel Pech hatte und nun mit dem Status quo zufrieden ist.

Kapitän von Boateng und Özil

Evljuskin beginnt beim Braunschweiger SC mit dem Fußballspielen. Als C-Jugendlicher erzielt er 98 Tore in einer Saison. Der VfL Wolfsburg lockt daraufhin, Evljuskin wechselt. Auch der DFB erkennt sein Talent. Es folgt die Berufung zur U 15-Nationalmannschaft. Auch in den nächsten Altersstufen ist Evljuskin dabei. Seine Mitspieler: die späteren Weltmeister Jerome Boateng, Mesut Özil und Benedikt Höwedes. Evljuskin ist ihr Kapitän. Weil er auch in Wolfsburgs Jugendteams die Binde trägt, tauft ihn Cheftrainer Klaus Augenthaler "Kaiser" – in Anlehnung an Franz Beckenbauer.

Evljuskins Zeit bei den Wolfsburger Profis beginnt mit einem Knacks. Felix Magath übernimmt das Team. Er investiert viel Geld, holt unter anderem die Mittelfeldspieler Josue, Christian Gentner und Zvjezdan Misimovic. Für den "Kaiser" ist kein Platz mehr. Nach verlorenen Jahren in Wolfsburgs zweiter Mannschaft entscheidet sich Evljuskin 2010 zu einem Wechsel. Sein einstiger Förderer Peter Hyballa lockt ihn zu Rot-Weiss Essen. Evljuskin unterschreibt und erfährt wenige Tage später vom Lizenzentzug des neuen Klubs. Sein Vertrag wird ungültig, er sucht woanders das Glück. Doch weder bei Hansa Rostock, dem SV Babelsberg oder dem Goslarer SC hält es der einstige Ausnahmespieler lange aus.

2014 geht's nach Kassel. Als Özil, Boateng und Höwedes zum WM-Finale ins Maracana-Stadion einlaufen, ist Evljuskins Einsatz gegen Rot-Weiss Essen wenige Stunden vorbei. Man könnte annehmen, dass so ein Karriereverlauf zu großer Verbitterung führt. Doch Evljuskin wirkt zufrieden. "Ich spiele bei einem Traditionsverein mit tollen Fans, und das immerhin in der Regionalliga. Es hätte mich schlechter treffen können", sagt er.



Große Bühne für kleine Klubs. Der DFB-Pokal rückt Deutschlands Amateurvereine in den Mittelpunkt. Hier kann der Dorfverein von nebenan auf den Deutschen Meister treffen, der ambitionierte Regionalligist auf den Champions-League-Teilnehmer. In der mehr als 70-jährigen Geschichte des deutschen Vereinspokals gab es viele Überraschungen und Sensationen.

Denn der Pokal, so heißt es im Volksmund, hat seine eigenen Gesetze. Vor allem aber schreibt er seine ganz eigenen Geschichten. In einer Serie stellt DFB.de deshalb alle 18 Amateurvereine vor, die in der ersten Runde des 73. DFB-Pokals an den Start gehen. Heute: Hessen Kassel aus der Regionalliga Südwest.

Sergej Evljuskin war ein Ausnahmetalent und holte zwei goldene Fritz-Walter-Medaillen. Beim VfL Wolfsburg geriet seine Karriere aus der Bahn. Nun will Evljuskin mit Hessen Kassel seine alten Rivalen von Hannover 96 aus dem DFB-Pokal werfen.

Sergej Evljuskin verschlief den großen Moment. Er schlummerte in einem Hotel in Bangladesch, während seine alten Freunde aus Braunschweig die DFB-Pokal-Auslosung verfolgten. Sie sahen wie Tennisspielerin Andrea Petkovic den Südwest-Regionalligisten Hessen Kassel aus dem Topf fischte. Die Spannung stieg. Petkovic zog das nächste Los und hielt den Namen des Gegners in die Kamera: Hannover 96.

Die Braunschweiger Clique jubelte. Einer griff zum Handy und schrieb eine SMS nach Bangladesch. Schließlich sollte ihr 7000 Kilometer und vier Zeitzonen entfernte Kumpel erfahren, dass er mit seinen Kasselern gegen den Bundesligisten aus Niedersachsen spielt. Evljuskin wurde doch die Vibration geweckt. "Ich habe auf mein Handy geschaut und mich danach riesig gefreut", sagt der Regionalliga-Fußballer im Gespräch mit DFB.de.

Warum Evljuskins Freude groß war, ist schnell erzählt. "Ich bin in Braunschweig aufgewachsen, und da hat man automatisch eine Antipathie gegen Hannover. Jetzt ist die Chance da, diesen Gegner zu schlagen", sagt der 27-Jährige vor dem Erstrundenduell am 9. August (ab 18.30 Uhr, live auf Sky). Dann erzählt Evljuskin die Geschichte, warum er Mitte Juni in Bangladesch war. Besser gesagt: Er erzählt die Geschichte eines talentierten Fußballers, der als großer Hoffnungsträger beim DFB galt, in seiner Karriere viel Pech hatte und nun mit dem Status quo zufrieden ist.

Kapitän von Boateng und Özil

Evljuskin beginnt beim Braunschweiger SC mit dem Fußballspielen. Als C-Jugendlicher erzielt er 98 Tore in einer Saison. Der VfL Wolfsburg lockt daraufhin, Evljuskin wechselt. Auch der DFB erkennt sein Talent. Es folgt die Berufung zur U 15-Nationalmannschaft. Auch in den nächsten Altersstufen ist Evljuskin dabei. Seine Mitspieler: die späteren Weltmeister Jerome Boateng, Mesut Özil und Benedikt Höwedes. Evljuskin ist ihr Kapitän. Weil er auch in Wolfsburgs Jugendteams die Binde trägt, tauft ihn Cheftrainer Klaus Augenthaler "Kaiser" – in Anlehnung an Franz Beckenbauer.

Evljuskins Zeit bei den Wolfsburger Profis beginnt mit einem Knacks. Felix Magath übernimmt das Team. Er investiert viel Geld, holt unter anderem die Mittelfeldspieler Josue, Christian Gentner und Zvjezdan Misimovic. Für den "Kaiser" ist kein Platz mehr. Nach verlorenen Jahren in Wolfsburgs zweiter Mannschaft entscheidet sich Evljuskin 2010 zu einem Wechsel. Sein einstiger Förderer Peter Hyballa lockt ihn zu Rot-Weiss Essen. Evljuskin unterschreibt und erfährt wenige Tage später vom Lizenzentzug des neuen Klubs. Sein Vertrag wird ungültig, er sucht woanders das Glück. Doch weder bei Hansa Rostock, dem SV Babelsberg oder dem Goslarer SC hält es der einstige Ausnahmespieler lange aus.

2014 geht's nach Kassel. Als Özil, Boateng und Höwedes zum WM-Finale ins Maracana-Stadion einlaufen, ist Evljuskins Einsatz gegen Rot-Weiss Essen wenige Stunden vorbei. Man könnte annehmen, dass so ein Karriereverlauf zu großer Verbitterung führt. Doch Evljuskin wirkt zufrieden. "Ich spiele bei einem Traditionsverein mit tollen Fans, und das immerhin in der Regionalliga. Es hätte mich schlechter treffen können", sagt er.

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Anruf aus Kirgisistan

In Kassel wird Evljuskin auch wieder für die Nationalmannschaft interessant. Nicht für die Deutsche, aber immerhin für die aus Kirgisistan. In der ehemaligen Sowjetrepublik hat Evljuskin die ersten zwei Lebensjahre verbracht. Sein Vater ist Kirgise. Das erfährt jemand beim Verband in Bischkek. Der kirgisische Funktionär ruft in Kassel an und erfragt Evljuskins Nummer. "Als mir der Geschäftsstellenleiter davon erzählt hat, dachte ich, er will mich auf den Arm nehmen", erzählt der Fußballer. Falsch gedacht. Evljuskin erhält nach einigen Telefonaten die Einladung zu zwei WM-Qualifikationsspielen. Deshalb reist er auch nach Bangladesch und ist bei einem Heimspiel gegen Australien dabei. Zu seinem Leidwesen nur als Zuschauer. "Das mit der Spielberechtigung hat nicht rechtzeitig hingehauen", erklärt Evljuskin: "Aber wir haben dieses Jahr noch fünf Spiele. Da sollte es mit dem Debüt klappen."

Das erste Länderspiel ist bei weitem nicht sein einziges Ziel für die nahe Zukunft: Mit Kassel peilt er neben einem Pokalcoup auch den Aufstieg in die 3. Liga an. Evljuskin beginnt zudem ein Fernstudium: Er will den Bachelor in Sportmanagement machen. In seiner Wohnung wird demnächst gebüffelt. Dort, wo Evljuskin besondere Trophäen aufbewahrt. Er besitzt zwei Fritz-Walter-Medaillen in Gold. 2005 war er der beste deutsche U 17-Spieler, 2006 stand er bei der U 18 auf Platz eins. "Auf diese Auszeichnungen bin ich immer noch stolz", betont Evljuskin. Außer ihm haben nur zwei weitere Spieler den goldenen Doppelpack geschafft: die Weltmeister Matthias Ginter und Mario Götze. Dass er den beiden noch mal in einem Bundesligaspiel begegnen wird, schließt Evljuskin nahezu aus. "Allerdings passieren im Fußball die verrücktesten Sachen", sagt er.

Evljuskin denkt an einen Mitspieler aus Babelsberger Zeiten: Dominik Stroh-Engel hatten viele schon abgeschrieben. Jetzt kann der Angreifer im Alter von 29 Jahren für Darmstadt 98 Bundesliga spielen. "Sein Beispiel zeigt, was im Fußball möglich ist", sagt Evjluskin. Er hält auch einen Pokalsieg über Hannover für realistisch. "Dann wäre in meinem Freundeskreis etwas los. Die würden eine große Feier starten", erzählt Evjluskin. Diese Feier – so viel steht fest – wird er nicht verschlafen.