Keller: "Bei uns soll man angstfrei Fußball spielen können"

Am Mittwoch hat der DFB bekanntgegeben, dass er zum 1. Januar 2021 in Zusammenarbeit mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) eine zentrale Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt einrichtet. Anschließend äußerten sich DFB-Präsident Fritz Keller, Thomas Hitzlsperger, früherer Nationalspieler und nun DFB-Botschafter für Vielfalt, und die ehemalige Nationalspielerin Tabea Kemme in der ARD-Sendung "Sportschau Thema: Wie homophob ist der Fußball?" Zudem sprachen Fritz Keller und Tabea Kemme im Podcast "NDR 2 Bundesligashow" zum Thema. DFB.de fasst die wichtigsten Aussagen zusammen.

Fritz Keller über…

... Homophobie im Fußball: Seit Thomas Hitzlspergers Outing hat sich viel getan. Auch wenn er sich erst nach seiner Karriere geoutet hat, war es ein mutiger und wichtiger Schritt, für den wir ihm sehr dankbar sind. Es war aber auch ein Moment, der zu denken geben musste, warum er sich nicht getraut hatte, sich während seiner aktiven Karriere zu outen. Allerdings tut sich langsam etwas. Zum Beispiel sieht man immer wieder Fans, die Plakate gegen Homophobie hochhalten, und auch einige Vereine, die sich durch regenbogenfarbene Kapitänsbinden oder Eckfahnen positionieren. Auch die Fanprojekte leisten hier wichtige Arbeit. Wir dürfen aber nicht den Fehler machen und nur in die großen Stadien schauen, sondern müssen auch den Amateurfußball im Blick haben. Dort gibt es noch viel zu oft homophobe Witze und Äußerungen. Ich verstehe nicht, wie in einer solch aufgeschlossenen Gesellschaft wie unserer so was immer noch vorkommen kann. Deswegen müssen wir handeln.

... die Einstellung des DFB: Wir sind offen für Vielfalt. Wir stehen für Vielfalt. Und wir stehen für angstfreien Fußball. Die Spieler des FC St. Pauli haben es mal gut in einem Transparent gegen Homophobie zusammengefasst: Wie kann man nur hassen, dass Menschen sich lieben? Und das sagt einfach alles aus. Bei aller politischen Neutralität müssen wir für unsere Werte und die Inhalte unserer Satzung aufstehen und uns positionieren. Daher müssen wir das Thema angehen, zuhören und entsprechend reagieren.

... über die neugeschaffene Anlaufstelle: Es ist wichtig, dass es eine solche Anlaufstelle gibt. Damit auch schon Jugendliche und junge Erwachsene eine Anlaufstelle haben, die Erfahrung mit der Thematik hat und an die sie sich vertrauensvoll wenden können. Beim DFB sind alle Spieler*innen willkommen - unabhängig von der sexuellen Orientierung. Wir möchten, dass alle Spaß am Spielen haben. Deswegen war es für mich ein wichtiges Thema, dass es auch bundesweit eine Anlaufstelle für sexuelle Vielfalt gibt. Auf Landesebene gibt es solche bereits vereinzelt. Wichtig ist auch zu betonen, dass diese Anlaufstelle für alle da ist - egal, ob Kreisliga, Jugendliga oder Bundesliga. Bei uns soll man angstfrei Fußball spielen können.

... die Zusammenarbeit mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland: Wir hätten die Maßnahme alleine in der Form so nicht umsetzen können. Deswegen sind wir sehr froh, dass wir beim Lesben- und Schwulenverband auf offene Ohren gestoßen sind, der in diesem Bereich 30 Jahre Erfahrung hat. Christian Rudolph wird dieses Projekt auch persönlich begleiten. Zudem bin ich sehr froh, wie schnell die Anlaufstelle umgesetzt wurde.

... weitere Projekte: Die Anlaufstelle ist erst einmal ein Pilotprojekt. Je nachdem, wie die Resonanz darauf ist, werden wir reagieren. Außerdem müssen wir auch über Trainer*innenausbildung, die Ausbildung der Betreuer*innen und digitale Angebote aufklären, sensibilisieren und deutlich machen, dass homosexuelle Menschen bei uns absolut willkommen sind, dass wir sie brauchen und dass sie wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie Hilfe brauchen.

Thomas Hitzlsperger über…

...Vorbilder: Man sucht nach Vorbildern. Ich habe viel gelesen oder geschaut, welche anderen Beispiele es in der Sportwelt oder der Öffentlichkeit gibt. Es gibt in dem Kontext auch immer eine Debatte, inwieweit man darüber öffentlich reden sollte. Aber mir hat es extrem geholfen, und deswegen habe ich auch den Schritt gewagt. Ich hatte die Hoffnung, dass es auch anderen hilft. Ich persönlich spüre jetzt auch eine Lockerheit, aber es war ein Prozess.

... Ängste: In der Kabine wird viel über Fußball, aber auch über Privates gesprochen. Da musste ich immer Acht geben, was ich zu wem sage. Ich habe dann gemerkt, dass ich diesem Bereich in meinem Leben Raum geben muss. Eine andere Angst ist auch, dass danach das Leben vorbei ist und man zum Beispiel keinen Job mehr bekommt. Ich habe danach beim Fernsehen gearbeitet und bin jetzt bei einem Bundesligisten in einer guten Position. Hätte man mich das vor dem Outing gefragt, hätte ich auch gesagt, dass das eher nicht geht. Aber man sieht: Es geht. Mein Leben hat sich nach dem Outing verbessert.

... was sich ändern muss: Die Spieler sind umgeben von Freunden und Berater. Und die größte Sorge ist immer: Finde ich noch einen neuen Klub? Alles ist komprimiert auf diese 15 Jahre, Profi zu sein, Geld zu verdienen und später davon leben zu können. Den Spielern fehlt manchmal die Perspektive, dass das Leben aber länger geht. Hier muss es einen Perspektivwechsel geben. Die Zeit während der Karriere ist phänomenal, aber danach kann es noch besser werden.

Tabea Kemme über…

... ihr Outing: Ich habe mein Outing nicht geplant. Stattdessen hat es sich im Interview so ergeben. Ich habe in diesem Moment gar nicht lange nachgedacht, sondern zu den Werten gestanden, die ich lebe und die mir gelehrt wurden. Im Verein war es auch kein Geheimnis, weil auch viel über Privates gesprochen wird und man es mir angesehen hat, dass ich verliebt war.

... die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit: Ich denke schon, dass Heimlichtuerei einen Einfluss auf die Leistung hat. Ein gesundes Mindset und positive Emotionen, wie eben Liebe, haben einen positiven Einfluss. Das habe ich auch in meiner aktiven Karriere gemerkt. Und ich denke, das wird bei anderen nicht anders sein.

... Outing anderer: Man sollte nicht alle Fußballerinnen und Fußballer über einen Kamm scheren, weil jedes Individuum anders ist. Aber wenn jemand keine Lust mehr auf ein Doppelleben hat, sollte er oder sie zu seiner oder ihrer Orientierung stehen. Gerade, wenn man intern sehr stark aufgestellt ist und dort viel Manpower und Unterstützung hat. Dann können einem auch die Fans nichts anhaben.

... Vorbilder: Ich bin sehr dankbar, dass ich von Menschen lernen durfte, die für Dinge einstehen. Menschen, die nicht immer der "Gesellschaftsnorm" treu waren. Davon bin ich Fan, das inspiriert mich. Das möchte ich auch gerne an andere weitergeben.

[ls]

Am Mittwoch hat der DFB bekanntgegeben, dass er zum 1. Januar 2021 in Zusammenarbeit mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) eine zentrale Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt einrichtet. Anschließend äußerten sich DFB-Präsident Fritz Keller, Thomas Hitzlsperger, früherer Nationalspieler und nun DFB-Botschafter für Vielfalt, und die ehemalige Nationalspielerin Tabea Kemme in der ARD-Sendung "Sportschau Thema: Wie homophob ist der Fußball?" Zudem sprachen Fritz Keller und Tabea Kemme im Podcast "NDR 2 Bundesligashow" zum Thema. DFB.de fasst die wichtigsten Aussagen zusammen.

Fritz Keller über…

... Homophobie im Fußball: Seit Thomas Hitzlspergers Outing hat sich viel getan. Auch wenn er sich erst nach seiner Karriere geoutet hat, war es ein mutiger und wichtiger Schritt, für den wir ihm sehr dankbar sind. Es war aber auch ein Moment, der zu denken geben musste, warum er sich nicht getraut hatte, sich während seiner aktiven Karriere zu outen. Allerdings tut sich langsam etwas. Zum Beispiel sieht man immer wieder Fans, die Plakate gegen Homophobie hochhalten, und auch einige Vereine, die sich durch regenbogenfarbene Kapitänsbinden oder Eckfahnen positionieren. Auch die Fanprojekte leisten hier wichtige Arbeit. Wir dürfen aber nicht den Fehler machen und nur in die großen Stadien schauen, sondern müssen auch den Amateurfußball im Blick haben. Dort gibt es noch viel zu oft homophobe Witze und Äußerungen. Ich verstehe nicht, wie in einer solch aufgeschlossenen Gesellschaft wie unserer so was immer noch vorkommen kann. Deswegen müssen wir handeln.

... die Einstellung des DFB: Wir sind offen für Vielfalt. Wir stehen für Vielfalt. Und wir stehen für angstfreien Fußball. Die Spieler des FC St. Pauli haben es mal gut in einem Transparent gegen Homophobie zusammengefasst: Wie kann man nur hassen, dass Menschen sich lieben? Und das sagt einfach alles aus. Bei aller politischen Neutralität müssen wir für unsere Werte und die Inhalte unserer Satzung aufstehen und uns positionieren. Daher müssen wir das Thema angehen, zuhören und entsprechend reagieren.

... über die neugeschaffene Anlaufstelle: Es ist wichtig, dass es eine solche Anlaufstelle gibt. Damit auch schon Jugendliche und junge Erwachsene eine Anlaufstelle haben, die Erfahrung mit der Thematik hat und an die sie sich vertrauensvoll wenden können. Beim DFB sind alle Spieler*innen willkommen - unabhängig von der sexuellen Orientierung. Wir möchten, dass alle Spaß am Spielen haben. Deswegen war es für mich ein wichtiges Thema, dass es auch bundesweit eine Anlaufstelle für sexuelle Vielfalt gibt. Auf Landesebene gibt es solche bereits vereinzelt. Wichtig ist auch zu betonen, dass diese Anlaufstelle für alle da ist - egal, ob Kreisliga, Jugendliga oder Bundesliga. Bei uns soll man angstfrei Fußball spielen können.

... die Zusammenarbeit mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland: Wir hätten die Maßnahme alleine in der Form so nicht umsetzen können. Deswegen sind wir sehr froh, dass wir beim Lesben- und Schwulenverband auf offene Ohren gestoßen sind, der in diesem Bereich 30 Jahre Erfahrung hat. Christian Rudolph wird dieses Projekt auch persönlich begleiten. Zudem bin ich sehr froh, wie schnell die Anlaufstelle umgesetzt wurde.

... weitere Projekte: Die Anlaufstelle ist erst einmal ein Pilotprojekt. Je nachdem, wie die Resonanz darauf ist, werden wir reagieren. Außerdem müssen wir auch über Trainer*innenausbildung, die Ausbildung der Betreuer*innen und digitale Angebote aufklären, sensibilisieren und deutlich machen, dass homosexuelle Menschen bei uns absolut willkommen sind, dass wir sie brauchen und dass sie wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie Hilfe brauchen.

Thomas Hitzlsperger über…

...Vorbilder: Man sucht nach Vorbildern. Ich habe viel gelesen oder geschaut, welche anderen Beispiele es in der Sportwelt oder der Öffentlichkeit gibt. Es gibt in dem Kontext auch immer eine Debatte, inwieweit man darüber öffentlich reden sollte. Aber mir hat es extrem geholfen, und deswegen habe ich auch den Schritt gewagt. Ich hatte die Hoffnung, dass es auch anderen hilft. Ich persönlich spüre jetzt auch eine Lockerheit, aber es war ein Prozess.

... Ängste: In der Kabine wird viel über Fußball, aber auch über Privates gesprochen. Da musste ich immer Acht geben, was ich zu wem sage. Ich habe dann gemerkt, dass ich diesem Bereich in meinem Leben Raum geben muss. Eine andere Angst ist auch, dass danach das Leben vorbei ist und man zum Beispiel keinen Job mehr bekommt. Ich habe danach beim Fernsehen gearbeitet und bin jetzt bei einem Bundesligisten in einer guten Position. Hätte man mich das vor dem Outing gefragt, hätte ich auch gesagt, dass das eher nicht geht. Aber man sieht: Es geht. Mein Leben hat sich nach dem Outing verbessert.

... was sich ändern muss: Die Spieler sind umgeben von Freunden und Berater. Und die größte Sorge ist immer: Finde ich noch einen neuen Klub? Alles ist komprimiert auf diese 15 Jahre, Profi zu sein, Geld zu verdienen und später davon leben zu können. Den Spielern fehlt manchmal die Perspektive, dass das Leben aber länger geht. Hier muss es einen Perspektivwechsel geben. Die Zeit während der Karriere ist phänomenal, aber danach kann es noch besser werden.

Tabea Kemme über…

... ihr Outing: Ich habe mein Outing nicht geplant. Stattdessen hat es sich im Interview so ergeben. Ich habe in diesem Moment gar nicht lange nachgedacht, sondern zu den Werten gestanden, die ich lebe und die mir gelehrt wurden. Im Verein war es auch kein Geheimnis, weil auch viel über Privates gesprochen wird und man es mir angesehen hat, dass ich verliebt war.

... die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit: Ich denke schon, dass Heimlichtuerei einen Einfluss auf die Leistung hat. Ein gesundes Mindset und positive Emotionen, wie eben Liebe, haben einen positiven Einfluss. Das habe ich auch in meiner aktiven Karriere gemerkt. Und ich denke, das wird bei anderen nicht anders sein.

... Outing anderer: Man sollte nicht alle Fußballerinnen und Fußballer über einen Kamm scheren, weil jedes Individuum anders ist. Aber wenn jemand keine Lust mehr auf ein Doppelleben hat, sollte er oder sie zu seiner oder ihrer Orientierung stehen. Gerade, wenn man intern sehr stark aufgestellt ist und dort viel Manpower und Unterstützung hat. Dann können einem auch die Fans nichts anhaben.

... Vorbilder: Ich bin sehr dankbar, dass ich von Menschen lernen durfte, die für Dinge einstehen. Menschen, die nicht immer der "Gesellschaftsnorm" treu waren. Davon bin ich Fan, das inspiriert mich. Das möchte ich auch gerne an andere weitergeben.

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