"Club 100": Zwei Hamburger Steuerleute am Ehrenamtsruder

Zwei von 100. Und hundert von 400.000. Das Ehrenamt ist das Herz des Fußballs. Die Tore sieht man, die Vorbereitung nicht. Das Spiel dauert 90 Minuten, die Arbeit der ehrenamtlich in fester Funktion tätigen Menschen im Lande viel, viel länger. Hundert der 400.000 lädt der DFB einmal im Jahr in den "Club 100" ein. DFB.de stellt zwei Hamburger Gäste vor – einen von der Elbinsel, einen aus der kleinen Ortschaft Heidgraben im Hamburger Umland.

Michael Zibull bevorzugt schon lange die klare Ansage. 40 Jahre alt war er, als er die D-Jugend seines Vereins Heidgrabener SV übernahm. Ihm sei bewusst gewesen, erzählt er, dass doch einige Eltern im Verein der festen Überzeugung waren, ihr Sohn sei der nächste Messi. Also ist er vor seinem ersten Spiel als verantwortlicher Trainer zum Pulk der Eltern gegangen und redete Klartext. "Ich gebe die Kommandos. Ihr habt hier gar nichts zu sagen. Das ist nicht böse oder respektlos gemeint, aber nur so geht es. Ich kenne eure Kinder aus dem Training, ich habe den Überblick. Wenn es Kritik gibt, kommt nach dem Spiel zu mir." Acht Jahre begleitete er "seine Jungs" bis hoch in die A-Jugend. Eingeladen in den Club 100 wird der 52-jährige Zibull aber aus einem anderen Grund.

Manfred Wanda schaut nicht auf die Uhr, wenn er für "seinen" SV Wilhelmsburg über den Büchern sitzt. Die Digitalisierung sei ein Segen, doch die Stunden würden nicht weniger. Der 62-jährige Hamburger ist Kassenwart des Vereins. 54.000 Menschen wohnen hier auf der Elbinsel. In 23 Prozent der Wilhelmsburger Haushalte leben Kinder, knapp 60 Prozent der Wilhelmsburger haben einen Migrationshintergrund, bei den unter 18-Jährigen sind es 78 Prozent. Alles über und teils weit über dem Hamburger Schnitt. Natürlich leiste der Verein mit seinen 1500 Mitgliedern – die Fußballabteilung alleine zählt 600 Mitglieder – einen Beitrag für den Zusammenhalt im Stadtteil. Und Integration gelänge auch nicht von alleine, sagt Wanda. Nur reden mag er nicht darüber, auch für Preise bewerbe sich der Klub nicht. "Das ist doch alles ganz normal. Wir machen einfach", sagt er.

Club 100 nur ein Mosaikstein der "Aktion Ehrenamt"

Auf ein Wochenende hat der DFB die beiden nun eingeladen, den Schiri-Obmann aus dem Dorfverein und den Kassenwart des Stadtklubs. Hotelunterkunft, die Ehrungsgala im Curio-Haus und Karten für das EM-Qualifikationsspiel gegen die Niederlande am Freitag (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) inbegriffen. Astrid Zibull und Karen Wanda – beide auch im Verein aktiv – werden, eingeladen vom DFB, ihre Männer begleiten.

Der Club 100 ist nur ein Mosaikstein der "Aktion Ehrenamt", deren 20-jähriges Bestehen 2017 gefeiert wurde. Mehr als 6000 Ehrenamtler haben der DFB und die Landesverbände seit dem Auftakt ausgezeichnet. Junge Ehrenamtler unter 30 Jahren lädt der Verband auf eine Bildungsreise nach Barcelona ein, die besten 100 des Jahres in den Club. Knapp 60.000 Vereinsmitarbeitern wurde durch eine offizielle DFB-Urkunde Anerkennung und Dank für ihr Engagement ausgesprochen. Jedes Club-100-Mitglied wurde vorab bereits im Verein geehrt, der Verein bekam zwei Mini-Tore und fünf Bälle geschenkt.

"Das Engagement anzuerkennen und Danke zu sagen, ist enorm wichtig", sagt der fürs Ehrenamt zuständige DFB-Vizepräsident Peter Frymuth. "Daher erfolgt die Übergabe der Präsente und die Ehrung auch im Vereinsumfeld, also dort, wo die besondere ehrenamtliche Leistung im Interesse der jeweiligen Vereinsfamilie erbracht wird."

Nach Schiri-Kompromiss: Zibull stolz auf seine Truppe

Beim SV Wilhelmsburg hat Manfred Wanda gerade den Bau von drei Kunstrasenplätzen gemeinsam mit dem gesamten Vorstand administrativ begleitet. Und Michael Zibull hat seinen Heidgrabener SV vor dem Schiri-Exodus bewahrt. Die seien immer vom Beitrag befreit gewesen. Als der Verein, auch aufgrund der Kosten eines Kunstrasenbaus, plötzlich von den Schiris kassieren wollte, war der Unmut anfangs groß. Die meisten wollten austreten. "Wir konnten dann einen Kompromiss aushandeln. Der Verein bezahlt jedem Schiedsrichter pro Spielleitung eine kleine Anerkennung, wodurch die Beitragszahlung kompensiert wird. Die mit vielen Einsätzen geben, was überschüssig ist, in einen Topf, an dem alle Heidgrabener Schiedsrichter partizipieren. "Ich bin sehr stolz auf meine Truppe", sagt Zibull.

Der eine im Umland, der andere mitten in der City, der eine Leiter der Schiedsrichter, der andere Herr der Zahlen. Wilhelmsburg wird "trendy", die Vielfalt im Kiez lockt viele Kulturschaffende. Fatih Akin drehte hier "Soul Kitchen" und Hark Bohm viel früher schon "Nordsee ist Mordsee". Die meisten Heidgrabener dagegen pendeln ins 18 Kilometer entfernte Hamburg. Nach der Arbeit macht man weniger in Kultur, sondern will heim zur Familie und zweimal die Woche Sport treiben, wofür der "kleine HSV" mit seinen drei Fußballfeldern, vier Tennisplätzen, einer Halle und einer Beachvolleyball-Anlage die besten Voraussetzungen bietet.

Trotz der Unterschiede zwischen beiden Vereinen und zwischen beiden Ehrenamtlern überwiegen die Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel, dass die Familie ebenfalls fußballbegeistert ist. Karen Wanda ist Schiedsrichterin, Astrid Zibull gehört dem Vereinsvorstand an. Beide Geehrte sagen, dass nicht alleine die Leistung zähle, sondern ihr Verein neben dem Wettbewerbsangebot auch viel zur Gemeinschaft beitrage. Ob nun in Zibulls Dorf oder Wandas Multikulti-Viertel.

Wanda: "Ehrenamt hat mir ungeheuer viel für Beruf gebracht"

Dass ein Ehrenamt das Leben bereichert, auch darüber sind sich Michael Zibull und Manfred Wanda einig. "Bei uns spielen viele Kinder aus sozial schwächeren Familien Fußball. Uns unterstützen private Firmen, aber auch die kommunale Politik. Da mithelfen zu können, freut mich einfach", erzählt Wanda. "Mein Ehrenamt hat mir ungeheuer viel für meinen Beruf gebracht", sagt Zibull, der 1982 Schiedsrichter wurde und bis hoch in der Oberliga Spiele leitete. "Man lernt, für seine Sicht der Dinge einzustehen, selbstsicher aufzutreten und mit manchmal auch schwierigen Charakteren klarzukommen." Viele Vereine schaffen es nicht, ihr Soll zu erfüllen, doch dank Zibulls Engagement braucht der Heidgrabener SV zwölf Schiedsrichter, hat aber 19 gemeldet.

Manfred Wanda und Michael Zibull, zwei Bessermacher im Verein und zwei Taktgeber beim kollektiven Pulsschlag des Fußballs in Deutschland. Zwei von 400.000.

[th]

Zwei von 100. Und hundert von 400.000. Das Ehrenamt ist das Herz des Fußballs. Die Tore sieht man, die Vorbereitung nicht. Das Spiel dauert 90 Minuten, die Arbeit der ehrenamtlich in fester Funktion tätigen Menschen im Lande viel, viel länger. Hundert der 400.000 lädt der DFB einmal im Jahr in den "Club 100" ein. DFB.de stellt zwei Hamburger Gäste vor – einen von der Elbinsel, einen aus der kleinen Ortschaft Heidgraben im Hamburger Umland.

Michael Zibull bevorzugt schon lange die klare Ansage. 40 Jahre alt war er, als er die D-Jugend seines Vereins Heidgrabener SV übernahm. Ihm sei bewusst gewesen, erzählt er, dass doch einige Eltern im Verein der festen Überzeugung waren, ihr Sohn sei der nächste Messi. Also ist er vor seinem ersten Spiel als verantwortlicher Trainer zum Pulk der Eltern gegangen und redete Klartext. "Ich gebe die Kommandos. Ihr habt hier gar nichts zu sagen. Das ist nicht böse oder respektlos gemeint, aber nur so geht es. Ich kenne eure Kinder aus dem Training, ich habe den Überblick. Wenn es Kritik gibt, kommt nach dem Spiel zu mir." Acht Jahre begleitete er "seine Jungs" bis hoch in die A-Jugend. Eingeladen in den Club 100 wird der 52-jährige Zibull aber aus einem anderen Grund.

Manfred Wanda schaut nicht auf die Uhr, wenn er für "seinen" SV Wilhelmsburg über den Büchern sitzt. Die Digitalisierung sei ein Segen, doch die Stunden würden nicht weniger. Der 62-jährige Hamburger ist Kassenwart des Vereins. 54.000 Menschen wohnen hier auf der Elbinsel. In 23 Prozent der Wilhelmsburger Haushalte leben Kinder, knapp 60 Prozent der Wilhelmsburger haben einen Migrationshintergrund, bei den unter 18-Jährigen sind es 78 Prozent. Alles über und teils weit über dem Hamburger Schnitt. Natürlich leiste der Verein mit seinen 1500 Mitgliedern – die Fußballabteilung alleine zählt 600 Mitglieder – einen Beitrag für den Zusammenhalt im Stadtteil. Und Integration gelänge auch nicht von alleine, sagt Wanda. Nur reden mag er nicht darüber, auch für Preise bewerbe sich der Klub nicht. "Das ist doch alles ganz normal. Wir machen einfach", sagt er.

Club 100 nur ein Mosaikstein der "Aktion Ehrenamt"

Auf ein Wochenende hat der DFB die beiden nun eingeladen, den Schiri-Obmann aus dem Dorfverein und den Kassenwart des Stadtklubs. Hotelunterkunft, die Ehrungsgala im Curio-Haus und Karten für das EM-Qualifikationsspiel gegen die Niederlande am Freitag (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) inbegriffen. Astrid Zibull und Karen Wanda – beide auch im Verein aktiv – werden, eingeladen vom DFB, ihre Männer begleiten.

Der Club 100 ist nur ein Mosaikstein der "Aktion Ehrenamt", deren 20-jähriges Bestehen 2017 gefeiert wurde. Mehr als 6000 Ehrenamtler haben der DFB und die Landesverbände seit dem Auftakt ausgezeichnet. Junge Ehrenamtler unter 30 Jahren lädt der Verband auf eine Bildungsreise nach Barcelona ein, die besten 100 des Jahres in den Club. Knapp 60.000 Vereinsmitarbeitern wurde durch eine offizielle DFB-Urkunde Anerkennung und Dank für ihr Engagement ausgesprochen. Jedes Club-100-Mitglied wurde vorab bereits im Verein geehrt, der Verein bekam zwei Mini-Tore und fünf Bälle geschenkt.

"Das Engagement anzuerkennen und Danke zu sagen, ist enorm wichtig", sagt der fürs Ehrenamt zuständige DFB-Vizepräsident Peter Frymuth. "Daher erfolgt die Übergabe der Präsente und die Ehrung auch im Vereinsumfeld, also dort, wo die besondere ehrenamtliche Leistung im Interesse der jeweiligen Vereinsfamilie erbracht wird."

Nach Schiri-Kompromiss: Zibull stolz auf seine Truppe

Beim SV Wilhelmsburg hat Manfred Wanda gerade den Bau von drei Kunstrasenplätzen gemeinsam mit dem gesamten Vorstand administrativ begleitet. Und Michael Zibull hat seinen Heidgrabener SV vor dem Schiri-Exodus bewahrt. Die seien immer vom Beitrag befreit gewesen. Als der Verein, auch aufgrund der Kosten eines Kunstrasenbaus, plötzlich von den Schiris kassieren wollte, war der Unmut anfangs groß. Die meisten wollten austreten. "Wir konnten dann einen Kompromiss aushandeln. Der Verein bezahlt jedem Schiedsrichter pro Spielleitung eine kleine Anerkennung, wodurch die Beitragszahlung kompensiert wird. Die mit vielen Einsätzen geben, was überschüssig ist, in einen Topf, an dem alle Heidgrabener Schiedsrichter partizipieren. "Ich bin sehr stolz auf meine Truppe", sagt Zibull.

Der eine im Umland, der andere mitten in der City, der eine Leiter der Schiedsrichter, der andere Herr der Zahlen. Wilhelmsburg wird "trendy", die Vielfalt im Kiez lockt viele Kulturschaffende. Fatih Akin drehte hier "Soul Kitchen" und Hark Bohm viel früher schon "Nordsee ist Mordsee". Die meisten Heidgrabener dagegen pendeln ins 18 Kilometer entfernte Hamburg. Nach der Arbeit macht man weniger in Kultur, sondern will heim zur Familie und zweimal die Woche Sport treiben, wofür der "kleine HSV" mit seinen drei Fußballfeldern, vier Tennisplätzen, einer Halle und einer Beachvolleyball-Anlage die besten Voraussetzungen bietet.

Trotz der Unterschiede zwischen beiden Vereinen und zwischen beiden Ehrenamtlern überwiegen die Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel, dass die Familie ebenfalls fußballbegeistert ist. Karen Wanda ist Schiedsrichterin, Astrid Zibull gehört dem Vereinsvorstand an. Beide Geehrte sagen, dass nicht alleine die Leistung zähle, sondern ihr Verein neben dem Wettbewerbsangebot auch viel zur Gemeinschaft beitrage. Ob nun in Zibulls Dorf oder Wandas Multikulti-Viertel.

Wanda: "Ehrenamt hat mir ungeheuer viel für Beruf gebracht"

Dass ein Ehrenamt das Leben bereichert, auch darüber sind sich Michael Zibull und Manfred Wanda einig. "Bei uns spielen viele Kinder aus sozial schwächeren Familien Fußball. Uns unterstützen private Firmen, aber auch die kommunale Politik. Da mithelfen zu können, freut mich einfach", erzählt Wanda. "Mein Ehrenamt hat mir ungeheuer viel für meinen Beruf gebracht", sagt Zibull, der 1982 Schiedsrichter wurde und bis hoch in der Oberliga Spiele leitete. "Man lernt, für seine Sicht der Dinge einzustehen, selbstsicher aufzutreten und mit manchmal auch schwierigen Charakteren klarzukommen." Viele Vereine schaffen es nicht, ihr Soll zu erfüllen, doch dank Zibulls Engagement braucht der Heidgrabener SV zwölf Schiedsrichter, hat aber 19 gemeldet.

Manfred Wanda und Michael Zibull, zwei Bessermacher im Verein und zwei Taktgeber beim kollektiven Pulsschlag des Fußballs in Deutschland. Zwei von 400.000.

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