Gehlenborg: "Spielerpässe für mehr als 80.000 Flüchtlinge"

Auch in diesem Jahr steht ein Budget von 360.000 Euro bereit, um Fußballvereine und Verbände bei der Integration geflüchteter Menschen zu unterstützen. DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg spricht im DFB.de-Interview über die Verlängerung der Initiative "2:0 für ein Willkommen" und erklärt, wie geflüchtete Kinder auch in einem Verein der oberen vier Ligen angemeldet werden können.

DFB.de: Herr Gehlenborg, auch im laufenden Jahr 2019 stärkt der Fußball Amateurvereine, die Flüchtlinge aufnehmen. Wie genau schaut das aus?

Eugen Gehlenborg: Wir freuen uns, dass wir unsere im Frühjahr 2015 durch die DFB-Stiftung Egidius Braun gestartete Initiative "2:0 für ein Willkommen" ein weiteres Jahr fortsetzen werden. Bis heute konnten Förderanträge von 3591 Vereinen aus ganz Deutschland positiv beschieden werden. Das ist eine gewaltige Anstrengung des Fußballs mit einem kaum zu überschätzenden zivilgesellschaftlichen Ertrag. Was hier Trainerinnen, Trainer und Vereinsvorstände gestemmt haben und bis heute tagtäglich leisten, ist aus meiner Sicht enorm. Angesichts der sehr hohen Flüchtlingszahlen ging es uns in der Anfangsphase darum, dass Vereine im Sinne des Willkommens geflüchtete Menschen erstmal schnell und unbürokratisch zum Fußball spielen einladen sollten, wodurch etwa der Einstieg in den Spracherwerb und die erste Eingliederung angeschoben werden konnten. Jetzt liegt unser Fokus auf weiterreichende Maßnahmen, etwa wenn Vereine helfen, dass Flüchtlinge in den Job oder in eine Ausbildung kommen. Den Förderantrag findet man auf der Webseite der DFB-Stiftung Egidius Braun.

DFB.de: Eine anfangs beliebte Fördervariante aber wurde gestrichen. Im Gegensatz zu früheren Jahren wird die Anerkennungsprämie von 500 Euro nicht mehr ausgezahlt. 

Gehlenborg: Wir haben festgestellt, dass diese Prämie immer weniger angefragt wurde. In den rund dreieinhalb Jahren bis zum Dezember 2018 haben wir insgesamt 3461 Fußballorganisationen mit dieser pauschalen Prämie gefördert. Doch im vergangenen Jahr ging die Nachfrage deutlich zurück. Deshalb haben wir entschieden, die Finanzmittel der Initiative umzuwidmen. Es kommen zur Zeit deutlich weniger Flüchtlinge nach Deutschland, aber denen, die schon ein oder zwei Jahre hier sind, helfen die Fußballorganisationen etwa durch Bildungsangebote weiter, auch durch Qualifizierungsmaßnahmen im Fußball, durch Jobbörsen wie zuletzt in Kaiserslautern und in Mainz, oder durch spezielle Förderungen für geflüchtete Frauen und Mädchen.

DFB.de: Gibt es bei "2:0 für ein Willkommen" Partner?

Gehlenborg: Maßgebliche Unterstützung erhält der DFB durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Wir sind Staatsministerin Annette Widmann-Mauz und ihrem Team dafür sehr dankbar. Die Hälfte der Mittel resultiert vom ersten Tag an aus dem Etat der Beauftragten. Hier möchte ich Aydan Özoğuz erwähnen, die als damalige Beauftragte erstmals unserer Idee zugestimmt hatte. Auch die Nationalmannschaft fördert die Initiative. Der Fußball kann einen Beitrag dazu leisten, dass Geflüchtete erfolgreich Fuß fassen – und dazu zählt der erste Spracherwerb sowie die Unterstützung bei der Jobsuche. Nicht zu unterschätzen ist der alltägliche Kontakt mit den anderen Vereinsmitgliedern. Der Fußball entscheidet nicht, wer bleiben darf oder wieder in sein Herkunftsland zurückgehen muss. Aber der Fußball kann helfen, dass Menschen erfolgreich in Deutschland ankommen. Und das geschieht bundesweit jeden Tag.

DFB.de: Trotzdem liest man immer wieder in den Medien, der DFB würde die Ausstellung des Spielerpasses für Kinder aus geflüchteten Familien unnötig erschweren.

Gehlenborg: Dieser Vorwurf ist ärgerlich, weil er unzutreffend ist. Tatsache ist: Die FIFA hatte vor Jahren nach Transferverstößen eines spanischen Klubs einen Passus erlassen, der den Transfer von Minderjährigen deutlich strenger kontrolliert. Diese Regelungen dienen dem Schutz von Kindern. Sie sollen verhindern, dass talentierte Kinder aus ihrem Umfeld gerissen und international transferiert werden. Eine Grundbedingung ist daher, dass die Eltern ihren Wohnsitz im Land des neuen Vereins haben müssen. Für den Erhalt eines Spielerpasses müssen diverse Unterlagen direkt beim DFB eingereicht werden.

DFB.de: Gelten diese Regeln für alle ausländischen Kinder, also auch für Flüchtlinge? Und wie kommen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu einem Spielerpass?

Gehlenborg: Weil Deutschland ein Land ist, das in großer Zahl Flüchtlinge aufgenommen hat, haben wir mit der FIFA eine Sonderregelung vereinbaren können, welche die Ausstellung von Spielerpässen für minderjährige Flüchtlinge deutlich erleichtert. Die Vereine wenden sich dazu an die Passstellen ihrer Landesverbände. Ausgenommen von dieser Sonderregelung sind nur die Vereine, in denen die erste Herrenmannschaft in einer der obersten vier Ligen spielt. Auch hier können Flüchtlingskinder mitspielen, allerdings erfolgt die Ausstellung des Spielerpasses über die von der FIFA vorgegebenen strengen Regeln. Hinter dieser Entscheidung steckt der Wunsch der FIFA, den Schutz der Kinder maximal hoch zu halten. Wir sprechen hier von etwas mehr als hundert der insgesamt knapp 25.000 Fußballvereine in Deutschland. Bei jedem anderen Klub wird der Spielerpass für Flüchtlingskinder schnell und ohne großen bürokratischen Aufwand ausgestellt. Und die Integrationsleistung ist in einem Klub der Landesliga oder Bezirksliga oder Kreisliga sicher nicht geringer. Aber grundsätzlich können Flüchtlingskinder in Deutschland in jedem Verein Fußball spielen.

DFB.de: Was ist, wenn ein Flüchtlingskind in einem Verein Fußball spielt, der in die Regionalliga aufsteigt?

Gehlenborg: Bereits angemeldete Kinder dürfen im Verein bleiben. Es dreht sich lediglich um Neuanmeldungen. 

DFB.de: Nochmal konkret, welche Vorgaben gelten für die Ausstellung eines Spielerpasses bei Kindern?

Gehlenborg: Für Kinder bis zum vollendeten neunten Lebensjahr muss neben dem Antrag auf Erteilung einer Spielberechtigung und einer aktuellen Meldebescheinigung nur die Kopie eines Personaldokumentes eingereicht werden. Wenn der Pass fehlt, reicht auch die Aufenthaltsgestattung oder Duldung. Bei Kindern ab dem zehnten Lebensjahr und Erwachsenen wird laut FIFA-Vorgaben zusätzlich ein internationaler Freigabeschein benötigt, um sicherzustellen, dass weltweit nur eine Spielberechtigung existiert. Der Freigabeschein wird mit dem Antrag auf Spielberechtigung über den Landesverband beantragt und vom Verband des jeweiligen Herkunftslandes ausgestellt. Erhält der DFB hier etwa von einem Fußballverband aus einer Krisenregion keine Rückmeldung, wird nach 30 Tagen üblicherweise die Freigabe erteilt. Und während der Laufzeit des Verfahrens kann man schon im Verein mittrainieren und in Trainings- oder Freundschaftsspielen mitwirken.

DFB.de: Wie lange dauert das Verfahren insgesamt?

Gehlenborg: Sobald die Unterlagen abgegeben sind, dauert das Verfahren in den allermeisten Fällen keine zwei Monate. Es wird immer Einzelfälle geben, wo das Verfahren hakt, etwa wenn Dokumente durch den Landesverband beim Verein nachgefordert werden müssen. Aber das ändert nichts am Gesamtergebnis. In den vergangenen Jahren haben die DFB-Landesverbände für mehr als 80.000 Flüchtlinge einen Spielerpass ausgestellt. Betonen möchte ich noch einmal, dass Flüchtlingskinder in jedem Verein Fußballspielen dürfen, wobei das Verfahren bei den Klubs der oberen vier Ligen aufwändiger ist. Und dank der Initiative "2:0 für ein Willkommen" können Vereine und Verbände auch 2019 viel Gutes leisten, um die Eingliederung geflüchteter Menschen zu befördern. Ich meine, hier dürfen sich die vielen ehrenamtlich tätigen Menschen im Fußball durchaus mal auf die Schulter klopfen. 

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Auch in diesem Jahr steht ein Budget von 360.000 Euro bereit, um Fußballvereine und Verbände bei der Integration geflüchteter Menschen zu unterstützen. DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg spricht im DFB.de-Interview über die Verlängerung der Initiative "2:0 für ein Willkommen" und erklärt, wie geflüchtete Kinder auch in einem Verein der oberen vier Ligen angemeldet werden können.

DFB.de: Herr Gehlenborg, auch im laufenden Jahr 2019 stärkt der Fußball Amateurvereine, die Flüchtlinge aufnehmen. Wie genau schaut das aus?

Eugen Gehlenborg: Wir freuen uns, dass wir unsere im Frühjahr 2015 durch die DFB-Stiftung Egidius Braun gestartete Initiative "2:0 für ein Willkommen" ein weiteres Jahr fortsetzen werden. Bis heute konnten Förderanträge von 3591 Vereinen aus ganz Deutschland positiv beschieden werden. Das ist eine gewaltige Anstrengung des Fußballs mit einem kaum zu überschätzenden zivilgesellschaftlichen Ertrag. Was hier Trainerinnen, Trainer und Vereinsvorstände gestemmt haben und bis heute tagtäglich leisten, ist aus meiner Sicht enorm. Angesichts der sehr hohen Flüchtlingszahlen ging es uns in der Anfangsphase darum, dass Vereine im Sinne des Willkommens geflüchtete Menschen erstmal schnell und unbürokratisch zum Fußball spielen einladen sollten, wodurch etwa der Einstieg in den Spracherwerb und die erste Eingliederung angeschoben werden konnten. Jetzt liegt unser Fokus auf weiterreichende Maßnahmen, etwa wenn Vereine helfen, dass Flüchtlinge in den Job oder in eine Ausbildung kommen. Den Förderantrag findet man auf der Webseite der DFB-Stiftung Egidius Braun.

DFB.de: Eine anfangs beliebte Fördervariante aber wurde gestrichen. Im Gegensatz zu früheren Jahren wird die Anerkennungsprämie von 500 Euro nicht mehr ausgezahlt. 

Gehlenborg: Wir haben festgestellt, dass diese Prämie immer weniger angefragt wurde. In den rund dreieinhalb Jahren bis zum Dezember 2018 haben wir insgesamt 3461 Fußballorganisationen mit dieser pauschalen Prämie gefördert. Doch im vergangenen Jahr ging die Nachfrage deutlich zurück. Deshalb haben wir entschieden, die Finanzmittel der Initiative umzuwidmen. Es kommen zur Zeit deutlich weniger Flüchtlinge nach Deutschland, aber denen, die schon ein oder zwei Jahre hier sind, helfen die Fußballorganisationen etwa durch Bildungsangebote weiter, auch durch Qualifizierungsmaßnahmen im Fußball, durch Jobbörsen wie zuletzt in Kaiserslautern und in Mainz, oder durch spezielle Förderungen für geflüchtete Frauen und Mädchen.

DFB.de: Gibt es bei "2:0 für ein Willkommen" Partner?

Gehlenborg: Maßgebliche Unterstützung erhält der DFB durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Wir sind Staatsministerin Annette Widmann-Mauz und ihrem Team dafür sehr dankbar. Die Hälfte der Mittel resultiert vom ersten Tag an aus dem Etat der Beauftragten. Hier möchte ich Aydan Özoğuz erwähnen, die als damalige Beauftragte erstmals unserer Idee zugestimmt hatte. Auch die Nationalmannschaft fördert die Initiative. Der Fußball kann einen Beitrag dazu leisten, dass Geflüchtete erfolgreich Fuß fassen – und dazu zählt der erste Spracherwerb sowie die Unterstützung bei der Jobsuche. Nicht zu unterschätzen ist der alltägliche Kontakt mit den anderen Vereinsmitgliedern. Der Fußball entscheidet nicht, wer bleiben darf oder wieder in sein Herkunftsland zurückgehen muss. Aber der Fußball kann helfen, dass Menschen erfolgreich in Deutschland ankommen. Und das geschieht bundesweit jeden Tag.

DFB.de: Trotzdem liest man immer wieder in den Medien, der DFB würde die Ausstellung des Spielerpasses für Kinder aus geflüchteten Familien unnötig erschweren.

Gehlenborg: Dieser Vorwurf ist ärgerlich, weil er unzutreffend ist. Tatsache ist: Die FIFA hatte vor Jahren nach Transferverstößen eines spanischen Klubs einen Passus erlassen, der den Transfer von Minderjährigen deutlich strenger kontrolliert. Diese Regelungen dienen dem Schutz von Kindern. Sie sollen verhindern, dass talentierte Kinder aus ihrem Umfeld gerissen und international transferiert werden. Eine Grundbedingung ist daher, dass die Eltern ihren Wohnsitz im Land des neuen Vereins haben müssen. Für den Erhalt eines Spielerpasses müssen diverse Unterlagen direkt beim DFB eingereicht werden.

DFB.de: Gelten diese Regeln für alle ausländischen Kinder, also auch für Flüchtlinge? Und wie kommen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu einem Spielerpass?

Gehlenborg: Weil Deutschland ein Land ist, das in großer Zahl Flüchtlinge aufgenommen hat, haben wir mit der FIFA eine Sonderregelung vereinbaren können, welche die Ausstellung von Spielerpässen für minderjährige Flüchtlinge deutlich erleichtert. Die Vereine wenden sich dazu an die Passstellen ihrer Landesverbände. Ausgenommen von dieser Sonderregelung sind nur die Vereine, in denen die erste Herrenmannschaft in einer der obersten vier Ligen spielt. Auch hier können Flüchtlingskinder mitspielen, allerdings erfolgt die Ausstellung des Spielerpasses über die von der FIFA vorgegebenen strengen Regeln. Hinter dieser Entscheidung steckt der Wunsch der FIFA, den Schutz der Kinder maximal hoch zu halten. Wir sprechen hier von etwas mehr als hundert der insgesamt knapp 25.000 Fußballvereine in Deutschland. Bei jedem anderen Klub wird der Spielerpass für Flüchtlingskinder schnell und ohne großen bürokratischen Aufwand ausgestellt. Und die Integrationsleistung ist in einem Klub der Landesliga oder Bezirksliga oder Kreisliga sicher nicht geringer. Aber grundsätzlich können Flüchtlingskinder in Deutschland in jedem Verein Fußball spielen.

DFB.de: Was ist, wenn ein Flüchtlingskind in einem Verein Fußball spielt, der in die Regionalliga aufsteigt?

Gehlenborg: Bereits angemeldete Kinder dürfen im Verein bleiben. Es dreht sich lediglich um Neuanmeldungen. 

DFB.de: Nochmal konkret, welche Vorgaben gelten für die Ausstellung eines Spielerpasses bei Kindern?

Gehlenborg: Für Kinder bis zum vollendeten neunten Lebensjahr muss neben dem Antrag auf Erteilung einer Spielberechtigung und einer aktuellen Meldebescheinigung nur die Kopie eines Personaldokumentes eingereicht werden. Wenn der Pass fehlt, reicht auch die Aufenthaltsgestattung oder Duldung. Bei Kindern ab dem zehnten Lebensjahr und Erwachsenen wird laut FIFA-Vorgaben zusätzlich ein internationaler Freigabeschein benötigt, um sicherzustellen, dass weltweit nur eine Spielberechtigung existiert. Der Freigabeschein wird mit dem Antrag auf Spielberechtigung über den Landesverband beantragt und vom Verband des jeweiligen Herkunftslandes ausgestellt. Erhält der DFB hier etwa von einem Fußballverband aus einer Krisenregion keine Rückmeldung, wird nach 30 Tagen üblicherweise die Freigabe erteilt. Und während der Laufzeit des Verfahrens kann man schon im Verein mittrainieren und in Trainings- oder Freundschaftsspielen mitwirken.

DFB.de: Wie lange dauert das Verfahren insgesamt?

Gehlenborg: Sobald die Unterlagen abgegeben sind, dauert das Verfahren in den allermeisten Fällen keine zwei Monate. Es wird immer Einzelfälle geben, wo das Verfahren hakt, etwa wenn Dokumente durch den Landesverband beim Verein nachgefordert werden müssen. Aber das ändert nichts am Gesamtergebnis. In den vergangenen Jahren haben die DFB-Landesverbände für mehr als 80.000 Flüchtlinge einen Spielerpass ausgestellt. Betonen möchte ich noch einmal, dass Flüchtlingskinder in jedem Verein Fußballspielen dürfen, wobei das Verfahren bei den Klubs der oberen vier Ligen aufwändiger ist. Und dank der Initiative "2:0 für ein Willkommen" können Vereine und Verbände auch 2019 viel Gutes leisten, um die Eingliederung geflüchteter Menschen zu befördern. Ich meine, hier dürfen sich die vielen ehrenamtlich tätigen Menschen im Fußball durchaus mal auf die Schulter klopfen. 

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